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TOPFIT Juni 2022

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Diagnose & Therapie

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Foto oben: © lacheev / 123rf.com

Operationen, bei denen es auf größtmögliche

Genauigkeit ankommt. Und: Bei ausgedehnten

oder schwer zugänglichen Tumoren müssen die

Patienten unter Umständen mit funktionellen

oder kosmetischen Beeinträchtigungen durch

die Operation rechnen. In den letzten Jahren hat

sich jedoch viel getan: Die technische Weiterentwicklung

hat moderne chirurgische, mikrochirurgisch-rekonstruktive

und minimal-invasive

Techniken hervorgebracht, die dazu beigetragen

haben, dass heute immer häufiger Kopf-Hals-

Tumore so entfernt werden können, dass Organ

und Funktion erhalten bleiben und auch ästhetische

Einbuße kaum mehr in Kauf genommen

werden müssen.

Die größten Heilungsaussichten hat ein eher

kleiner Tumor, der noch nicht gestreut hat. In

Deutschland gilt in diesem Fall meist ein minimal-invasiver

Eingriff mit einem Laser als beste

Lösung. Nun wurde am LMU Klinikum das

Spektrum der patientenschonenden Therapieoptionen

erweitert: Wie es sich für ein onkologisches

Spitzenzentrum gehört, setzen die Ärzte

der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

seit Kurzem in der Hals-Kopf-Chirurgie auf die

Dienste von Operationsrobotern; bislang wird

die Roboterchirurgie hierzulande nur von ganz

wenigen Kliniken angeboten.

»An erster Stelle steht natürlich immer die onkologische

Sicherheit. Aber es gilt auch, die Belastung

für den Patienten so gering wie möglich zu

halten. Moderne OP-Techniken wie die Laseroder

Roboterchirurgie werden beiden Anforderungen

gerecht: Der Tumor kann erfolgreich

entfernt werden, ohne dass es zu einem größeren

Zugangstrauma kommt«, sagt Oberarzt Prof.

Christoph Reichel. Die Vorteile für den Patienten

liegen auf der Hand: »Die post-operativen

Beschwerden sind weniger stark ausgeprägt, das

Risiko für Komplikationen ist kleiner, die Heilung

verläuft schneller und auch der Aufenthalt

im Krankenhaus ist deutlich kürzer.«

Bildgesteuerte Chirurgie

Die HNO-Klinik hat am Standort Großhadern

ein Upgrade-Modell des Da-Vinci-Roboters installiert.

Der Da-Vinci-Roboter wird bereits seit

Jahren erfolgreich in der Urologie und Bauchchirurgie

eingesetzt – ein hoch entwickeltes

Operationssystem, das die Vorteile der gewebesparenden

Chirurgie mit denen der dreidimensionalen

Visualisierungstechniken vereint

und so dem Chirurgen die Bedienung der Operationsinstrumente

auch in schwer zugänglichen

Bereichen erleichtert. Dabei agiert der Da-

Vinci-Roboter als verlängerter Arm des Operateurs,

der dessen Fingerfertigkeit eins zu eins

umsetzt. Hierfür lässt sich der Da Vinci vom

Operateur über eine Konsole steuern und setzt

so präzise um, was ihm vorgegeben wird. Dank

Lichttechnik und dreidimensionaler Kamera hat

der Chirurg zugleich eine hochaufgelöste, stark

Sprechen und Lächeln — was für viele eine

Selbstverständlichkeit ist, kann für Betroffene mit

einem Kopf-Hals-Tumor ein ernsthaftes Problem sein.

vergrößerte und dreidimensionale Sicht auf das

Operationsgebiet und damit ausgezeichnete Bedingungen,

um millimetergenau auf kleinstem

Raum nur das Gewebe zu entfernen, das entfernt

werden muss. Die Gefahr, dass sich das Operationssystem

dabei verselbständigen könnte, besteht

nicht: »Der Roboter tut nur das, wozu wir

ihn anleiten«, betont Prof. Canis.

Zugleich sind die Ärzte davon überzeugt, dass

diese Form der bildgesteuerten Chirurgie

(Image-guided surgery) ein enormes Potenzial

für weitere Verbesserungen in der Therapie

von Kopf-Hals-Tumoren hat. »Denkbar ist z. B.,

andere Bildgebungstechniken in das Roboter-

Operationssystem zu integrieren, um so die

Visualisierung weiter zu optimieren. Dies hätte

den Vorteil, dass die Ausdehnung eines Tumors

noch exakter beurteilt und dieser somit

noch präziser entfernt werden könnte«, erklärt

Prof. Reichel. Wie tief der Tumor bereits in das

Gewebe eingedrungen ist oder wo genau seine

Grenzen verlaufen, sei nämlich auch mit bloßem

Auge oder einer hochauflösenden Kamera

manchmal nicht deutlich genug zu erkennen,

sodass ein ausreichender Sicherheitsabstand bei

der Tumorresektion beachtet werden muss.

Einige vielversprechende experimentelle Ansätze

gibt es bereits, so etwa der Einsatz von fluoreszenz-

oder radioaktiv-markierten Antikörpern.

Werden sie dem Patienten injiziert, reichern sie

sich selektiv im Tumorgewebe an. Dadurch lässt

sich krankes Gewebe gut von gesundem Gewebe

unterscheiden. »Man muss allerdings sagen,

dass hier noch einiges an Forschung betrieben

werden muss«, gibt Prof. Canis zu bedenken.

Rekonstruktionsverfahren

zur Erhaltung der Funktion

Haupteinsatzgebiet des Da-Vinci-Roboter-Operationssystems

ist die Entfernung von kleineren

und mittelgroßen Tumoren von Zungengrund,

Hypopharynx und Kehlkopf, bei denen ein unkomplizierter

Wundverschluss zu erwarten ist.

Aber es gibt auch Tumore im Zungen- oder

Weichgaumenbereich, die so groß sind, dass sie

einen ausgeprägten Defekt im Gewebe hinterlassen,

wenn sie entfernt werden. Dies kann dann

eine erhebliche Einschränkung der Funktion

zur Folge haben. »Um einen dauerhaften Funktionsverlust

zu vermeiden, schließen sich in solchen

Fällen unmittelbar an die Tumorresektion

rekonstruktive Maßnahmen mit Hilfe von sogenannten

Lappenplastiken an. Hierzu zählen verschiedene

plastisch-chirurgische Techniken für

einen freien oder gestielten Gewebetransfer. Ziel

ist es, den Defekt mit intaktem Gewebe aus einer

anderen Körperregion des Patienten, etwa aus

Unterarm oder Oberschenkel, so zu verschließen,

dass der Patient nicht unter gravierenden

Funktionseinbußen leiden muss«, erklärt Prof.

Canis.

Leitliniengerechte Behandlung

Und wie gehen die Ärzte vor, wenn eine operative

Behandlung nicht mehr möglich ist? »Dann

versuchen wir, den Tumor so lange wie möglich

in Schach zu halten, um dem Patienten ein beschwerdearmes

Leben zu ermöglichen«, sagt

Prof. Reichel. Die klassische Vorgehensweise

bei Kopf-Hals-Tumoren, die nicht operiert werden

können, ist die Radiochemotherapie, bei

der eine Chemotherapie mit einer Bestrahlung

kombiniert wird. Welches Therapiekonzept im

Einzelfall den größten Behandlungserfolg verspricht,

wird im interdisziplinären Tumorboard

erarbeitet. Die am Tumorboard teilnehmenden

Ärzte sind allesamt erfahrene Spezialisten

in ihrem jeweiligen Fachgebiet und legen nicht

nur die leitliniengerechte Therapiestrategie fest,

sondern überwachen auch jeden einzelnen Behandlungsschritt.

Zudem können Patienten

der HNO-Klinik des LMU Klinikums in offene

Therapiestudien aufgenommen werden. »Die

Erfahrung zeigt: Damit eine Krebsbehandlung

erfolgreich ist, ist ein gut begründetes, individuell

abgestimmtes und konsequent umgesetztes

Behandlungskonzept notwendig«, sagt Prof. Canis.

Aber dieser therapeutische Grundsatz gelte

letztlich für jede Krebserkrankung.

Kontakt

Direktor Prof. Dr. med. Martin Canis

Oberarzt Prof. Christoph Reichel

Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und

Ohrenheilkunde

LMU Klinikum München

Tel. 089 / 44 00 7 38 89

Tel. 089 / 44 00 5 36 41

www.lmu-klinikum.de/

hals-nasen-ohrenheilkunde

TOPFIT 2 / 2022

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