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EKD: Zwischen Nächstenliebe und Abgrenzung (Leseprobe)

Rechtes Gedankengut und menschenfeindliche Einstellungen sind ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Das Thema beschäftigt auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Die vorliegende, von der EKD geförderte Studie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft, Religiosität, politischer Kultur und Vorurteilsstrukturen aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Methodisch umfassen die drei enthaltenen Teilstudien - eine repräsentative Bevölkerungsumfrage, - eine qualitative Analyse von Zusammenhängen zwischen theologischer Argumentation und Narrationen vorurteilsbezogener Kommunikation sowie Hassrede online und - ethnografische Untersuchungen politisch-kultureller Herausforderungen in exemplarischen Kirchengemeinden. Die Ergebnisse zeigen, wo kirchlicher Handlungsbedarf besteht, aber auch, in welchen Fällen sich Kirche und Religiosität positiv auf ein vorurteilsfreies Denken auswirken.

Rechtes Gedankengut und menschenfeindliche Einstellungen sind ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Das Thema beschäftigt auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Die vorliegende, von der EKD geförderte Studie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft, Religiosität, politischer Kultur und Vorurteilsstrukturen aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Perspektiven. Methodisch umfassen die drei enthaltenen Teilstudien

- eine repräsentative Bevölkerungsumfrage,
- eine qualitative Analyse von Zusammenhängen zwischen theologischer Argumentation und Narrationen vorurteilsbezogener Kommunikation sowie Hassrede online und
- ethnografische Untersuchungen politisch-kultureller Herausforderungen in exemplarischen Kirchengemeinden.

Die Ergebnisse zeigen, wo kirchlicher Handlungsbedarf besteht, aber auch, in welchen Fällen sich Kirche und Religiosität positiv auf ein vorurteilsfreies Denken auswirken.

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Einführung<br />

Q Wie ist der Umgang mit rechtspopulistischen Positionen in den Gemeinden? Wird<br />

sich mit ihnen auseinandergesetzt? Und wenn ja, auf welche Weise?<br />

Q Welche Rolle spielen Religiosität <strong>und</strong> religiöse Praxis bei der Herausbildung rechtspopulistischer,<br />

demokratiekritischer Positionen im Verhältnis zu anderen gängigen<br />

Erklärungsansätzen?<br />

Theoretische Einordnung<br />

In den 1960er-Jahren wurde Gordon W. Allport durch eine tiefgehende Irritation dazu<br />

veranlasst, sich mit dem religiösen Kontext von Vorurteilen zu befassen. 5 Bevölkerungsumfragen<br />

in den USA 6 zeigten durchgehend, dass Kirchgänger*innen in höherem Maße<br />

rassistische, ethnische <strong>und</strong> religiöse Vorurteile pflegten als Nicht-Kirchgänger*innen.<br />

„The finding is always the same: It is secularism and not religion that is interwoven with<br />

tolerance.“ 7 Zugleich zeigten historische wie zeithistorische Ereignisse, dass der Kampf<br />

für Bürgerrechte, Toleranz <strong>und</strong> soziale Gerechtigkeit oftmals religiös motiviert sei. Die<br />

Situation stelle sich demnach als paradox dar, wobei zur Lösung dieses Paradoxons<br />

drei religiöse Kontexte zu beachten seien: der theologische, der soziokulturelle <strong>und</strong> der<br />

persönlichkeitspsychologische. 8<br />

Q Der theologische Kontext beinhaltet zunächst einmal die Doktrin der <strong>Nächstenliebe</strong>,<br />

umfasst in der Regel aber zugleich „three invitations to bigotry“ 9 : die Doktrin der<br />

Offenbarung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en einen absoluten Wahrheitsanspruch; die Doktrin<br />

der Auserwähltheit <strong>und</strong> damit die Trennung in in- <strong>und</strong> outgroup; die Frage der Theokratie<br />

bzw. der Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat, die unterschiedlich betrachtet wird.<br />

Q Der soziokulturelle Kontext sagt etwas darüber aus, wie Religionen entsprechend<br />

nationaler, sozialstruktureller, ethnischer <strong>und</strong> weiterer Spannungslinien jeweils angepasst<br />

werden – woraus sich unterschiedlich starke Zusammenhänge zwischen<br />

Religion <strong>und</strong> Vorurteil in verschiedenen Ländern erklären lassen, 10 aber auch unterschiedliche<br />

Formen <strong>und</strong> Bedeutungen religiöser Praxis <strong>und</strong> Bindung.<br />

Q Der persönlichkeitspsychologische Kontext beeinflusst die individuelle Bedeutung<br />

der Religion, des Glaubens <strong>und</strong> der religiösen Praxis, die Allport in der Unterscheidung<br />

von extrinsischer (utilitaristischer) <strong>und</strong> intrinsischer (Glaube als hoher Wert<br />

5<br />

allpoRt, Prejudice.<br />

6<br />

Allport ging davon aus, dass dieser Bef<strong>und</strong> auch für andere Länder gelte.<br />

7<br />

allpoRt, Prejudice, 447; s. a. allpoRt/Ross, Religious Orientation.<br />

8<br />

A. a. O.; vgl. auch sutteRlüty, Kirchen zwischen Gesellschaftskritik.<br />

9<br />

allpoRt, Prejudice, 449.<br />

10<br />

Vgl. z. B. KüppeR/ZicK, Religion <strong>und</strong> Vorurteile.<br />

14

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