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evolution<br />

Sex?<br />

Nein, danke…<br />

10<br />

Die erstaunliche Biologie der Milben<br />

Dr. Michael Heethoff,<br />

Abteilung für Evolutionsbiologie der Invertebraten, Universität Tübingen<br />

Sex ist seit der Entstehung der Eukaryoten bei 99,9 % dieser<br />

Organismen die vorherrschende Vermehrungsstrategie.<br />

Nur warum? Warum leisten sich die meisten Arten Männchen,<br />

die selbst keinen Nachwuchs hervorbringen können?<br />

Warum befruchten sich nicht alle Weibchen selber oder klonen<br />

sich? Gute Fragen!<br />

Bislang leider ohne richtig zufriedenstellende<br />

Antworten. Sex muss essentielle<br />

Vorteile mit sich bringen, um gegen die<br />

Eingeschlechtlichkeit (Parthenogenese)<br />

Bestand zu haben. Diese Vorteile müssen<br />

derart gravierend sein, dass parthenogenetische<br />

Organismen langfristig nicht<br />

existieren können. Manche tun es aber<br />

doch! Solche „Skandale der Evolution“,<br />

wie sie einst von dem Evolutionsbiologen<br />

John Maynard Smith bezeichnet wurden,<br />

stellen ideale Modellsysteme für diese<br />

„Königin der Fragen in der Evolutionsbiologie“<br />

(Graham Bell), dar. Man findet sie<br />

im Tierreich bei manchen Rädertierchen<br />

(Bdelloidea), einigen Muschelkrebsen<br />

(Darwinulidae) und bei einer Reihe von<br />

Hornmilben (Oribatida).<br />

Hornmilben sind Spinnentiere (Chelicerata)<br />

und fossile Funde deuten auf ein<br />

hohes erdgeschichtliches Alter (380–420<br />

Mio. Jahre) hin. Damit gehören sie zu den<br />

frühesten tierischen Landgängern und<br />

folgten recht unmittelbar den ersten Landpflanzen.<br />

Mit heute 10.000 beschriebenen<br />

Arten und Dichten von bis zu 500.000 Individuen/m²<br />

in Waldböden stellen sie eine<br />

ökologisch wichtige Gruppe im Zersetzersystem<br />

dar. Obligate Parthenogenese<br />

kommt bei etwa 10 % aller Oribatiden vor.<br />

Viele dieser Linien sind sehr erfolgreich:<br />

sie existieren zum Teil seit über 100 Mio.<br />

Jahren und brachten vielfach neue „Arten“<br />

hervor – ohne die Verwendung von Sex<br />

oder Männchen [1–3]. Dennoch weiß man,<br />

abgesehen von umfangreichen Studien<br />

zur Ökologie, sehr wenig über die Biologie<br />

und funktionellen Aspekte dieser<br />

Tiere.<br />

Klein und hart<br />

Der experimentelle Zugang zum Innenleben<br />

von Hornmilben gestaltet sich näm-<br />

lich schwierig, denn die Tiere sind in der<br />

Regel sehr klein (< 1 mm) und stark sklerotisiert.<br />

Die Cuticula ist wenig durchlässig<br />

für Fixative und Farbstoffe und die<br />

Eihülle verschließt den Embryo nahezu<br />

hermetisch gegenüber sämtlichen wässrigen<br />

Lösungen. Die Anwendung standardisierter<br />

histologischer Techniken an<br />

kompletten Tieren oder Eiern ist somit<br />

schwer möglich bzw. mit immensem experimentellen<br />

Aufwand verbunden. Seit<br />

1993 jedoch gibt es einen guten Modellorganismus<br />

für parthenogenetische Hornmilben:<br />

Archegozetes longisetosus ran [4;<br />

Abb. 1]. Die aus Puerto Rico stammende<br />

Labor-Kultur startete vor 15 Jahren mit<br />

einem einzelnen Weibchen. Diese Linie<br />

hat bis heute Bestand und wird weltweit<br />

in einer Reihe von Instituten für biologische<br />

Fragestellungen verwendet. Die<br />

Vorteile dabei: A. longisetosus hat eine<br />

kurze Generationsdauer, legt zahlreich Ei-<br />

Abb. 1<br />

Rasterelektronen-<br />

mikroskopische Aufnahme<br />

von Archegozetes longisetosus<br />

100µm<br />

er ab und ist nur mäßig sklerotisiert.<br />

Somit können heute alle Labore mit einem<br />

identischen Genotyp an Fragen der<br />

Entwicklungsbiologie, Ökologie, Evolutionsbiologie,<br />

Funktionsmorphologie und<br />

Ökotoxikologie arbeiten. Besonders<br />

die entwicklungsbiologischen Untersuchungen<br />

könnten wertvollen Einblick in<br />

den evolutiven Erfolg der parthenogenetischen<br />

Hornmilben geben. Wie ist der<br />

Reproduktionsapparat genau aufgebaut?<br />

Welcher Mechanismus liegt der Parthenogenese<br />

zugrunde? Durchlaufen die Keimzellen<br />

eine Meiose? Findet Rekombination<br />

statt? Welcher Furchungstyp liegt vor? Wie<br />

funktioniert die Geschlechtsbestimmung?<br />

Dem nun gähnenden Drosophila-Genetiker<br />

sei gesagt: Diese ganz grundlegenden<br />

Fragen sind tatsächlich noch relativ offen,<br />

leider... Mehr noch, die vollständige innere<br />

Anatomie von Hornmilben ist, bis auf<br />

ganz wenige Ausnahmen, nur fragmenta-<br />

■ 04/08

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