Silica-Matrix - Bordeaux
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iosprit<br />
Die Diskussion über alternative Energiequellen schwappt über alle<br />
Ränder von Kommunikationsmedien. Angeheizt durch die Erkenntnis,<br />
dass fossile Brennstoffe nur noch in einem sehr überschaubaren Zeitrahmen<br />
auf der Erde verfügbar sein werden, warnen die Experten zunehmend<br />
vor Energieverschwendung und mahnen an, verstärkt über Alternativen<br />
nachzudenken. Sie sind nicht die Einzigen. Kompetenz und<br />
Inkompetenz, Expertise und Blauäugigkeit treffen sich auf einer Bühne,<br />
die geprägt ist durch Schlagwörter wie Treibhausgasemissionsbilanz,<br />
CO2Problematik, Technikfolgeabschätzung, Kernkraftrisiko, Solar,<br />
Wasser und Windenergie, sowie Energiegewinnung aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen – um nur einige zu nennen. Die Argumente werden von<br />
allen Seiten durch Zahlen untermauert, die häufig für den gleichen Sachverhalt<br />
Werte annehmen, die um eine Größenordnung voneinander<br />
abweichen – je nach Interessenlage derjenigen, die sie auf den Markt<br />
werfen. Die nationale und internationale Politik trägt durch Regelungen<br />
und Festlegungen von Zielen häufig eher zur Undurchsichtigkeit denn<br />
zur Transparenz bei. Hier die Übersicht zu behalten, ist wohl schwerlich<br />
möglich.<br />
Foto: Jürgen Briickmann<br />
Tankfüllung aus<br />
Kornfeld und Rübenacker<br />
34<br />
labor&more Wir sind hier in Zeitz,<br />
wo Sie als Manager von Südzucker die<br />
größte Bioethanolherstellungsanlage<br />
Europas geplant und aufgebaut haben.<br />
Bevor wir darauf gezielt eingehen, eine<br />
Frage: Worin sieht Südzucker seine<br />
Aufgabe?<br />
Markwart Kunz Wir sehen uns<br />
von der Aufgabe her zwischen Acker und<br />
Endverbraucherprodukt. Und zwar verarbeiten<br />
wir agrarische Rohstoffe, die häufig<br />
– wie Rüben oder andere Feldfrüchte<br />
– nicht unmittelbar für den Verzehr geeig<br />
net sind oder nicht unmittelbar verzehrt<br />
werden. Daraus produzieren wir mehr<br />
oder weniger chemisch reine, gut lagerfähige<br />
Substanzen. Zunächst einmal<br />
werden die meisten Substanzen aus den<br />
agrarischen Rohstoffen nur isoliert.<br />
Zucker kommt ja als Saccharose in der<br />
Rübe vor und wird lediglich aus der Rübe<br />
extrahiert. Dann verkaufen wir den Zucker<br />
natürlich als solches. Südzucker ist im<br />
Wesentlichen, so sage ich dann meistens,<br />
durch die Tüte beim Aldi bekannt, aber<br />
etwa 90% unseres Geschäfts ist Business<br />
Prof. Dr. Markwart Kunz<br />
Vorstandsmitglied der<br />
Südzucker AG<br />
im Gespräch mit …<br />
Vor diesem Hintergrund hat labor&more mit einem der Macher auf<br />
der Bühne der alternativen Energien gesprochen: Prof. Dr. Markwart<br />
Kunz, Mitglied des Vorstands der Südzucker AG und maßgeblicher<br />
Schöpfer der größten europäischen Herstellungsanlage für Bioethanol,<br />
herkömmlich als Biosprit tituliert. Markwart Kunz – der am 12.<br />
September mit einem eher ungewöhnlichen Kolloquium an der Technischen<br />
Universität Darmstadt, wo er seit 1994 Vorlesungen zur Chemie<br />
und Technologie der Kohlenhydrate hält – seinen sechzigsten Geburtstag<br />
feierte, hat in Braunschweig Chemie studiert und dort 1977 über ein<br />
zuckertechnologisches Thema promoviert. Seit 1978 ist er für die Südzucker<br />
AG tätigt, wo er sich vom Produktionsingenieur über viele<br />
Zwischenstufen zum Mitglied des Vorstands (Verantwortungsbereich<br />
Forschung und Entwicklung, 2003) emporarbeitete. Seit 2000 ist er<br />
Honorarprofessor an der Technischen Universität Darmstadt. Einen Ruf<br />
an die TU München auf die C4Professur für Chemie und Molekularbiologie<br />
nachwachsender Rohstoffe lehnte er 2002 ab. Kunz ist leitendes<br />
Mitglied in vielen Organisationen und Verbänden und ständiger Gesprächspartner<br />
der Regierenden über Fragen erneuerbarer Energien. > JB<br />
to Business, wir sind also eigentlich Lieferanten<br />
für die Lebensmittelindustrie. Der<br />
Endverbraucherteil ist zwar ein wichtiger<br />
ökonomischer Bereich, von der Menge<br />
her aber eher geringer. Wir selber sind<br />
eigentlich unser größter Kunde, wenn ich<br />
das am Beispiel Zucker einmal zeigen<br />
darf, wir verarbeiten nämlich Zucker zu<br />
anderen chemischen Entities. Die einfachste<br />
chemische Reaktion der Saccharose<br />
ist die Hydrolyse zu Glukose und Fruktose.<br />
Dann stellen wir daraus auch andere<br />
Kohlenhydrate und Karamell her, ich will<br />
darauf jetzt nicht im Detail eingehen. Bei<br />
Stärke ist es ähnlich, nur bei der Ethanolherstellung<br />
ist die chemische Reaktion<br />
komplexer; sie wird aber biochemisch<br />
fermentativ durchgeführt.<br />
Sie haben als Manager von Südzucker<br />
die größte Bioethanolherstellungsanlage<br />
Europas geplant und aufgebaut.<br />
Wie stehen Sie damit im nationalen<br />
und internationalen Vergleich?<br />
Wir planen, hier in Zeitz 360.000 Kubikmeter<br />
Ethanol pro Jahr herzustellen. Zurzeit<br />
bauen wir in Belgien eine Anlage, die<br />
250.000 bis 300.000 Kubikmeter Ethanol<br />
herstellen kann. In Frankreich, im Hafen<br />
von Le Havre, haben wir eine Destillations,<br />
Rektifikations und Alkoholtrocknungsanlage,<br />
in der wir 100 Mio. Liter<br />
verarbeiten können. In Eppeville in Frankreich<br />
haben wir eine Produktion mit etwa<br />
70.000 m³ Alkohol. Dann gibt es eine<br />
österreichische Beteiligungsgesellschaft<br />
in der Nähe von Wien, die jetzt angefahren<br />
wird. Und in Ungarn sind wir zu<br />
50% an einer Anlage beteiligt, die auch<br />
80 Mio. Kubikmeter Alkohol liefert<br />
Sind Sie das dominierende Unternehmen<br />
auf dem europäischen Markt?<br />
Wie ordnen Sie sich auf dem Weltmarkt<br />
ein?<br />
Momentan werden in Europa etwa dreieinhalb<br />
bis vier Mio. Kubikmeter produziert,<br />
davon produzieren wir zurzeit gute<br />
10% und wir wollen auch im Anteil wachsen.<br />
Man geht davon aus, dass die Produktion<br />
in Europa von etwa vier Mio.<br />
Kubikmeter auf etwa acht Mio. Kubikmeter<br />
wächst und wir wollen davon etwa<br />
eine Millionen Kubikmeter produzieren,<br />
das sind dann gut 10–15% der Kapazitäten,<br />
die in den Jahren 2009 oder 2010<br />
in Europa existieren werden. Der weltweite<br />
EthanolMarkt betrug in 2005 etwa<br />
45 Mio. Kubikmeter und man schätzt, dass<br />
er bis 2010 auf etwa 90 Mio. Kubikmeter<br />
steigen wird. Der europäische Anteil ist<br />
dabei relativ klein. Groß sind natürlich<br />
Brasilien und die USA. Die USA planen<br />
deutlich mehr Zuwachs als Brasilien.<br />
Aus welchen nachwachsenden Rohstoffen<br />
lässt sich Ethanol herstellen?<br />
Grundsätzlich kann man Alkohol aus<br />
allen Kohlenhydraten machen, besonders<br />
einfach gelingt es aus den Speicherkohlenhydraten<br />
Zucker und Stärke. Was<br />
heute auch viel diskutiert wird, ist die<br />
Zellulose, daraus lassen sich dann Kraftstoffe<br />
der sogenannten zweiten Generation<br />
herstellen. Zellulose ist allerdings nur<br />
sehr schlecht aufschließbar und wenn mir<br />
erzählt wird, dass die Enzymindustrie dabei<br />
sei, Enzyme zu entwickeln, die Zellulose<br />
aufschließen können, dann pflege<br />
ich immer zu sagen: Das ist auch gut so.<br />
Die werden auch irgendwann erfolgreich<br />
sein, aber die Natur hat die Zellulose so<br />
konzipiert, dass sie eben genau nicht<br />
■ 04/08