Silica-Matrix - Bordeaux
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tolle knolle<br />
28<br />
Blaue Schweden<br />
und Rote Kardinäle<br />
Anthocyananalytik von pigmentierten Kartoffelsorten<br />
Dr. Silke Hillebrand und Prof. Dr. Peter Winterhalter<br />
Institut für Lebensmittelchemie, Technische Universität Braunschweig<br />
Neben Mais, Reis und Weizen zählt die Kartoffel weltweit zu den<br />
wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Aus diesem Grund hat die<br />
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten<br />
Nationen (FAO) das Jahr 2008 zum Internationalen Jahr der<br />
Kartoffel erklärt. Mit globalen Events wie z. B. der deutschen<br />
Wanderausstellung „Kartoffelwelt: Karriere einer Knolle“ wird<br />
zurzeit eindrucksvoll die Bedeutung der nahrhaften und extrem<br />
wandlungsfähigen Knolle demonstriert.<br />
Die Kartoffel (Solanum tuberosum L.),<br />
welche zur großen Familie der Nachtschattengewächse<br />
(Solanaceae) gehört,<br />
stammt ursprünglich aus den südamerikanischen<br />
Anden, wo sie auch heute noch<br />
mit einer enormen Sortenvielfalt angebaut<br />
wird. Die ersten Knollen wurden bereits<br />
vor gut 8.000 Jahren in Peru kultiviert.<br />
Spanische Eroberer brachten jedoch erst<br />
im 16. Jahrhundert die ersten Kartoffelknollen<br />
nach Europa [1]. Lange Zeit wurde<br />
die Kartoffelpflanze aufgrund ihrer<br />
schönen Blüte lediglich als Zierpflanze<br />
verwendet. Erst ca. 200 Jahre später gelang<br />
der Knolle der Durchbruch als Nahrungsmittel,<br />
wobei die Kartoffel bis heute<br />
in Mitteleuropa zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln<br />
zählt. In Deutschland hat<br />
sich der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an<br />
Kartoffeln in den letzten Jahren bei ca. 60<br />
kg eingependelt, wobei der Anteil an veredelten<br />
Kartoffelprodukten wie Chips,<br />
Pommes oder Püreepulver etc. hierbei eine<br />
immer größere Rolle spielt [1].<br />
Farbige Sorten - voll im Trend<br />
Es gibt weltweit ca. 4.000 verschiedene<br />
Kartoffelsorten, von denen zurzeit allein<br />
in Deutschland 211 Sorten zugelassen<br />
sind [1]. Die einzelnen Varietäten unterscheiden<br />
sich zum Teil beträchtlich in<br />
Form und Farbe. Einige Sorten weisen<br />
hierbei neben der bunten Färbung der<br />
Schale eine ausgeprägte Pigmentierung<br />
der gesamten Knolle auf. Besonders in<br />
Gourmetkreisen werden farbfleischige<br />
Kartoffeln als stärkehaltige Beilage geschätzt.<br />
Im Zuge eines wachsenden Ernährungsbewusstseins<br />
gewinnen diese<br />
zum Teil sehr alten, pigmentierten Sorten<br />
auch bei Verbrauchern zunehmend an Interesse.<br />
Verantwortlich für die Farbe dieser<br />
Knollen sind die Anthocyane. Hierbei<br />
handelt es sich um natürliche, wasserlösliche<br />
Farbpigmente, welche die rote,<br />
blaue oder violette Färbung einer Vielzahl<br />
an Obst- und Gemüsesorten bewirken.<br />
Anthocyane gehören zu den sekundären<br />
Pflanzenstoffen und werden zur Gruppe<br />
der Polyphenole gezählt. Aufgrund ihres<br />
außerordentlich hohen antioxidativen Potenzials<br />
und ihrer guten Radikalfängereigenschaften<br />
werden ihnen präventive und<br />
gesundheitsfördernde Eigenschaften bei<br />
einer Reihe von Erkrankungen (z. B. Herz-<br />
Kreislauferkrankungen) zugesprochen.<br />
Bunte Vielfalt<br />
Bei bunten bzw. pigmentierten Knollen<br />
unterscheidet man je nach Farbe zwischen<br />
rot- und blaufleischigen Kartoffeln (Abb.<br />
1). Verantwortlich für die Farbgebung ist<br />
die jeweilige Anthocyanzusammensetzung.<br />
Während blaufleischige Kartoffelsorten<br />
als Hauptpigmente die 3-p-Cumaroylrutinosid-5-glucoside<br />
des Petunidins,<br />
Malvidins sowie Peonidins enthalten, dominiert<br />
in rotfleischigen Sorten das analoge<br />
Pelargonidin-Derivat Pelargonidin-3-pcumaroylrutinosid-5-glucosid.<br />
Abb. 2<br />
zeigt die Strukturen der vier Hauptpigmente.<br />
In Deutschland sind nur sehr wenige<br />
rotfleischige Vertreter bekannt (z. B.<br />
Highland Burgundy Red, Red Cardinal,<br />
Herbie 26) – anders als in den USA, wo<br />
sehr viele rote Sorten angebaut werden.<br />
Die meisten der hierzulande bekannten<br />
bunten Sorten zählen deshalb zu den<br />
blauen Varietäten darunter so klangvolle<br />
Namen wie Hermanns Blaue, Blauer<br />
Schwede, Olivia, Vitelotte oder Blue Salad<br />
Potato.<br />
Im Rahmen eines Screenings wurden<br />
die Anthocyangehalte von 17 verschiedenen<br />
farbfleischigen Sorten untersucht<br />
[2]. Der Gehalt schwankt von Sorte zu<br />
Sorte beträchtlich und korreliert mit dem<br />
Grad der Färbung. Demnach hat die blaufleischige<br />
Sorte Shetland Black, die lediglich<br />
einen kleinen Anthocyanring im Inneren<br />
enthält, einen sehr niedrigen Gehalt<br />
von ca. 7 mg Anthocyane pro 100 g frische<br />
Kartoffelmasse. Andere Sorten wie<br />
die rotfleischige Kartoffel Red Cardinal<br />
oder die blaufleischige Sorte Vitelotte, die<br />
stark durchgefärbt sind, zeigen einen wesentlich<br />
höheren Wert von ca. 100 mg/100<br />
g frische Kartoffelmasse. Abb. 3 stellt die<br />
erhaltenen Ergebnisse graphisch dar. Vergleiche<br />
mit anderem Obst und Gemüse<br />
haben ergeben, dass der Anthocyangehalt<br />
von farbfleischigen Kartoffeln durchaus<br />
mit dem anthocyanhaltiger Obst- und Gemüsesorten<br />
wie Himbeeren, Erdbeeren<br />
oder Auberginen konkurrieren kann [3].<br />
Peter Winterhalter studierte an der<br />
Technischen Hochschule in Karlsruhe<br />
(1977–1982) Lebensmittelchemie. Nach<br />
seiner Promotion 1988 absolvierte er einen<br />
einjährigen Forschungsaufenthalt am Australian<br />
Wine Research Institute in Adelaide<br />
und arbeitete danach als wissenschaftlicher<br />
Assistent an der Universität Würzburg, wo er<br />
für das Fach Lebensmittelchemie habilitierte.<br />
1997 erging der Ruf an die TU Braunschweig.<br />
Abb. 1<br />
Blau- und rotfleischige<br />
Kartoffelsorten<br />
Je bunter,<br />
desto besser geeignet<br />
zur Anthocyanisolierung<br />
Die Bereitstellung von großen Mengen an<br />
isolierten Anthocyanen ermöglicht eine<br />
weitreichende, bisher nicht durchgeführte<br />
Testung (u. a. Bioaktivitäts- und Bioverfügbarkeitsstudien,<br />
Studien zum Farbverhalten)<br />
dieser Substanzklasse. Eine geeignete<br />
Methode zur Isolierung und<br />
Charakterisierung von Anthocyanen aus<br />
pigmentierten Kartoffeln ist die Low<br />
Speed Rotary Countercurrent Chromatography<br />
(LSRCCC). Hierbei handelt es sich<br />
um ein flüssig-flüssig gegenstromverteilungschromatographischesTrennverfahren,<br />
bei dem die Trennung des Analyten<br />
aufgrund von Verteilungsvorgängen zwischen<br />
zwei nicht mischbaren Lösungsmit-<br />
Silke Hillebrand studierte Chemie an<br />
der Universität Oldenburg (1990–1995)<br />
sowie Lebensmittelchemie an der TU Braunschweig<br />
(1997–1999). Seit 2000 ist sie als<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut<br />
für Lebensmittelchemie der TU Braunschweig<br />
tätig und promovierte 2004 über<br />
das Thema „Analytik von Polyphenolen in<br />
Buntsäften im Hinblick auf Saftqualität,<br />
Farbe und antioxidative Aktivität“.<br />
■ 04/08