rik August / September 2022
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REISE<br />
GROßSTADTDSCHUNGEL<br />
FOTO: ISTOCKPHOTO.COM<br />
São Paulo<br />
Mit über elf Millionen Einwohnern zählt<br />
Brasiliens Wirtschaftsmetropole zu<br />
den größten Städten der Erde. Hier den<br />
Überblick zu behalten, fällt gar nicht<br />
so leicht. Zum Glück liegt der auch aus<br />
schwuler Perspektive spannendste<br />
Stadtteil genau im Zentrum dieser<br />
gigantischen Megacity.<br />
Dieses Haus ist eine Stadt für sich. Mit<br />
seiner Fassade aus Beton und Glas<br />
schlängelt sich das Edificio Copan durch<br />
das Stadtzentrum von São Paulo. Die<br />
Wohnfläche von über 116.000 Quadratmetern<br />
hält es einen Eintrag ins<br />
Guinness-Buch der Rekorde und ist aus<br />
der Skyline nicht wegzudenken. Heute<br />
in die Jahre gekommen, wurde das aus<br />
sechs einzelnen Wohnblocks bestehende<br />
Gebäude in den 1950er-Jahren von Brasiliens<br />
Architekturlegende Oscar Niemeyer<br />
entworfen und bis 1966 fertiggestellt. Das<br />
Haus ist die steingewordene Utopie, dass<br />
Menschen – egal ob arm oder reich – sich<br />
den gleichen Lebensraum teilen. An die<br />
5.000 Menschen leben im Edificio Copan,<br />
das in seinen unteren Etagen gut siebzig<br />
Geschäfte, eine Kirche und etliche Bars<br />
und Restaurants beherbergt. Eines davon,<br />
das Orfeu, gilt seit seiner Eröffnung<br />
2019 als einer der derzeit angesagtesten<br />
Treffpunkte der LGBTIQ*-Szene. Zwischen<br />
zwei Gebäuden gelegen, drängeln sich<br />
vor der Bar am Abend die Gäste auf der<br />
Straße, an den Wochenenden ist hier<br />
schon zur Mittagszeit kein Platz mehr<br />
André Fischer<br />
zu finden. „Während früher die queere<br />
Szene überall in der Stadt verteilt war, hat<br />
diese sich in den letzten Jahren immer<br />
mehr in Downtown konzentriert“, erzählt<br />
André Fischer. Der 56-jährige Journalist,<br />
Kulturmanager und LGBTIQ*-Aktivist lebt<br />
seit 35 Jahren in der Stadt und ist Direktor<br />
des wichtigsten queeren Kulturfestivals<br />
des Landes, Mix Brasil. 2019 beauftragte<br />
ihn das Kultursekretariat der Stadt zudem<br />
mit der Gründung und Leitung des ersten<br />
LGBTIQ*-Kulturzentrums Brasiliens.<br />
Das Zentrum im Stadtteil Itaim Bibi,<br />
das im Schatten der Bürohochhäuser<br />
von Google und Co. liegt, teilt sich das<br />
Gelände mit einer Schule und bietet<br />
dank seines kleinen Theaters so gut wie<br />
täglich queeren Künstlern eine Plattform.<br />
„Die Gegend rund um das Copan und<br />
den benachbarten Roosevelt-Platz zieht<br />
eine ganz neue Art von queeren und<br />
FOTO: DAX<br />
nicht-binären Menschen an“, so Fischer.<br />
„Gleich um die Ecke liegt das Copancinho,<br />
eine ebenfalls äußerst gut frequentierte<br />
Bar. Meine neueste Entdeckung ist PPD<br />
(„Por um Punhado de Dólares“), eine Bar<br />
mit Restaurant, das seine Lebensmittel<br />
von alternativen Landbesetzern kauft.“<br />
HORIZONT AUS BETON<br />
Wer sich nach seiner Ankunft in der<br />
Millionenmetropole so etwas wie einen<br />
Überblick verschaffen will, sollte den Farol<br />
Santander besuchen. Von der U-Bahn-<br />
Station Praça da Sé, an der sich auch die<br />
monumentale Kathedrale von São Paulo<br />
befindet, ist es nur ein kurzer Fußweg zu<br />
der in einem Bankgebäude gelegenen<br />
Aussichtsplattform. Von dort oben ergibt<br />
sich bei gutem Wetter ein fantastischer<br />
Blick über die Stadt, deren Straßen und<br />
Hochhäuser bis an den Horizont reichen.<br />
Das kann auf manche durchaus beängstigend<br />
wirken, auf der anderen Seite bietet<br />
dieser Großstadtdschungel eine Vielfalt<br />
an Kulturen und Subkulturen, wie man<br />
sie nirgends sonst in Brasilien finden wird.<br />
Vom Farol Santander ist es wiederum nicht<br />
weit zum Museum für sexuelle Diversität,<br />
das sich in der U-Bahn-Station República<br />
befindet. Als erstes Museum seiner Art in<br />
Lateiname<strong>rik</strong>a widmet sich das Museu da<br />
Diversidade Sexual seit seiner Eröffnung<br />
2012 in Wechselausstellungen der sozialen,<br />
politischen und kulturellen Geschichte<br />
von Brasiliens LGBTIQ*-Community. Während<br />
homosexuelle Handlungen bereits