Vivit_2021_Ausgabe-1
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30 INTERVIEW
VIVIT: Jeder kann von Ihrer Sammlung profitieren,
denn Sie haben sie Ihrem früheren Arbeitgeber,
dem TÜV Süd, zur Verfügung gestellt. Wozu
benötigen Oldtimer-Besitzer all diese Daten?
MATTHIAS GERST: Wenn jemand zum Beispiel einen
Oldtimer-Exoten aus dem Ausland mitbringt,
sind für die dann erforderlichen deutschen Fahrzeugpapiere
dreißig bis vierzig verschiedene Daten
und Fakten darüber gefragt. Oft enthalten die
ausländischen Papiere da aber nur sehr lapidare
Angaben oder es gibt den Hersteller gar nicht
mehr. Die Datenblattsammlung ist für die Fahrzeugprüfer
in Deutschland, aber auch aus den
angrenzenden Ländern und bis nach Spanien
eine Arbeitsgrundlage, aufgrund der die Autos
dann beurteilt werden können. Da stehen zum
jeweiligen Typ zum Beispiel die Motornummer
drin, die Leistung, die Fahrgestellnummer, die
korrekte Vergaserbestückung, das Getriebe und
vieles mehr. Teils rufen auch Kunden während eines
Kaufs in den USA an, die fragen, ob bestimmte
Nummern passen. Da habe ich schon manchen
vor fürchterlichen Fehlern bewahren können.
Eine Hilfe also, die Oldtimer-Besitzer davor
schützt, ein gestohlenes oder verfälschtes
Fahrzeug zu kaufen. Manchmal kann es aber
auch zu spät sein. Welcher Fall ist Ihnen
besonders in Erinnerung geblieben?
Da hat einmal ein Mitbürger sein Traumauto aus
den USA mitgebracht, einen Mercedes. Den sollte
ich prüfen. Nach einem Blick in die amerikanischen
Papiere und unter die Motorhaube musste
ich ihm erklären, dass der Fälscher dieses Fahrzeugs
drei massive Fehler gemacht hat: Er hat
eine Fahrgestellnummer in das Fahrzeug eingeschlagen,
die es gar nicht gegeben haben kann,
denn sie war eine Stelle zu kurz. Dann war sie –
sehr dilettantisch – an einer Stelle eingeschlagen,
die so ab Werk gar nicht vorgesehen war. Der
größte Fehler war dann, dass die originale Fahrgestellnummer
am originalen Platz noch vorhanden
war. Ich musste ihm sagen: „Das ist ein gestohlenes
Fahrzeug, das wird mit Sicherheit in
den USA gesucht und damit haben Sie jetzt ein
Problem.“ Legal konnte er dieses Auto in Deutschland
nicht zulassen.
Was ist denn bei der Beurteilung eines Oldtimers
wichtig, was macht ihn wertvoll?
Zum einen natürlich die Originalität, der Zustand,
seine Seltenheit und wenn irgendjemand
Berühmtes mal seine vier Buchstaben da reingesetzt
hat oder dieses Fahrzeug vielleicht sogar besessen
hat.
Stichwort „Garagengold“: Eignen sich Old- oder
auch Youngtimer – also erst 20 bis 30 Jahre alte
Fahrzeuge – tatsächlich als Wertanlage, wie jetzt
oft berichtet wird?
Da kann man drüber streiten. Es gibt Fachleute,
die Oldtimer kaufen, um sie ein paar Jahre aufzubewahren
und zu pflegen und dann sehr teuer
wieder zu verkaufen. Die Youngtimer-Wertentwicklung
kann heute kein Mensch voraussehen.
Mit der Entwicklung hin zu Elektro- und Hybridfahrzeugen
steht ja immer im Raum, dass ab einem
bestimmten Jahr Verbrenner überhaupt
nicht mehr in den Verkehr kommen dürfen, und
manche Länder werden sie dann ganz aus ihren
Großstädten verbannen. Hier eine Entwicklung
vorauszusagen, wäre vermessen.
Schon als Neunjähriger haben Sie begonnen, die
technischen Daten aller Fahrzeuge zu sammeln,
die Ihnen unter die Augen kamen, als Siebzehnjähriger
haben Sie die ersten Datenblätter
erstellt. Woher rührt diese Leidenschaft?
Sind Sie da familiär geprägt?
Gar nicht. Mein Vater war Kaufmann, mein Großvater
war Kaufmann und mein Urgroßvater Klavierbauer.
Ich erzähle spaßeshalber immer, dass
Oben: Der legendäre
Bugatti Royale
– für Matthias
Gerst der tollste
Oldtimer, der je
gebaut wurde.
Rechts: Matthias
Gerst sammelt
nicht nur Daten,
sondern auch
Modelle von historischen
Automobilen.
SERIE
Die Region zwischen
Stuttgart
und Heilbronn ist
beliebt und hochattraktiv.
Das liegt
nicht nur an der
Wirtschaftskraft,
sondern vor allem
an der Vielfalt und
Kreativität der
Menschen, die dort
leben. Vivit stellt in
dieser Serie einige
von ihnen vor.