18.08.2022 Aufrufe

Vivit_2021_Ausgabe-1

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

INTERVIEW

31

Ich hatte all die Jahre Freude an den Autos und

jetzt kann ich gelassen auf diese Zeit zurückblicken.

Nun habe ich noch einen Youngtimer in der

Garage stehen, einen 2000er Mercedes SLK 200.

Fotos: Bugatti Automobiles S.A.S., Holm Wolschendorf

mir wohl irgendjemand einen Schuss Benzin mit

in die Muttermilch gemischt hat.

Was fasziniert Sie so an Automobilen?

Sie sind einfach toll. Mein Vater hat mir als Vieroder

Fünfjährigem oft Wikingautos mitgebracht.

Das sind kleine, aber sehr originalgetreue Plastikmodelle,

die es seit Ende der 40er Jahre gegeben

hat. Die Autos habe ich dann bei Spaziergängen

auch in natura gesehen und wiedererkannt

und mein Vater musste mich hochheben und

reinschauen lassen. Daheim war am Sonntagmorgen

auch immer ein Highlight, mit dem Papa

„Automarken raten“ zu machen. Mit 16 habe ich

dann alle deutschen Hersteller angeschrieben

und um historische Unterlagen zu ihren Fahrzeugen

gebeten. Die meisten haben mir großzügig

Einblick gewährt – das ist unter anderem der

Grundstock meiner Sammlung geworden.

Welches Auto hat Sie in all den Jahren am

meisten begeistert?

Der Bugatti Royale. Das ist ein Auto aus den 20er

Jahren, das nur sieben Mal gebaut wurde, von Ettore

Bugatti, diesem italo-französischen Exotenhersteller.

Das war ein Überauto, das bereits damals

300 PS hatte – das hatten zu der Zeit teils

nicht mal Rennwagen. Ich durfte ein Exemplar

sogar einmal 20 Kilometer selbst bewegen. Das

war der Wagen eines Kunden, der das Auto zerlegt

erworben hatte und mit allem, was dazugehört,

wieder aufgebaut hat. Wir haben das Fahrzeug damals

abgenommen. Es galt als verloren und es

konnte nachgewiesen werden, dass es wirklich

dieses Auto ist – das absolute Highlight überhaupt,

sozusagen der Höhepunkt meiner Karriere.

Besitzen Sie selbst Oldtimer?

Etwa 400 Stück – in der Vitrine, als Modelle. Ich

hatte fast 40 Jahre ein, zwei Oldtimer, die hatten

aber nach einem Hausverkauf keinen Platz mehr.

Ist die Datensammlung jetzt komplett oder

recherchieren Sie weiter? Was sind Ihre nächsten

Projekte?

Mein momentanes Projekt ist die Marke Austin.

Da möchte ich die teils sehr verwirrende Datenlage

noch so vervollständigen, dass die Kollegen

beim TÜV Süd auf sichere Tabellen mit allen

Fahrgestellnummern, technischen Daten und

auch Bildern von den Fahrzeugen zugreifen können.

Und von meiner amerikanischen Lieblingsmarke,

Packard, gibt es tolle Dokumentationen,

die sich aber teilweise widersprechen. Das möchte

ich gerne noch „in Ordnung“ bringen. Und

dann ist da mein persönlicher Favorit: Ich bin

Mercedes-Fan und möchte auch da irgendwann

einmal jede einzelne Fahrgestellnummer dokumentieren

können. (Lacht.) Aber das ist ein Unterfangen,

das locker noch zehn bis zwanzig Jahre

dauern kann und vielleicht nie fertig sein wird.

Fragen von Annette de Cerqueira

ZUR PERSON

Matthias Gerst

Der gebürtige Stuttgarter hat zeit seines Lebens

im Kreis Ludwigsburg gewohnt und war fast 40

Jahre in verschiedenen Positionen beim TÜV

Süd tätig, zuletzt als Leiter der von ihm dort geschaffenen

Datenblattstelle. Anstoß seiner Leidenschaft

für historische Automobile war unter

anderem ein Praktikum, das er 1980 zum Ende

seines Maschinenbau-Studiums in Oldtimerbetrieben

in den USA absolvierte. Er begann, mit

Daten, Fakten und Literatur zu Fahrzeugen aus

aller Welt Datenblätter zu schreiben. Ein immenses

Archiv, mit dem sich der Diplom-Ingenieur

in Fachkreisen einen Namen als Historiker für

Automobile und Sachbuchautor gemacht hat.

Als Mitglied im Parlamentarischen Arbeitskreis

für historische Fahrzeuge des Bundestags arbeitete

er auch an Empfehlungen für die Politik mit

– beispielsweise rund ums H-Kennzeichen. Für

seine besonderen Verdienste zur Erhaltung und

Pflege des Kulturguts Automobil wurde er 2013

mit dem Ehrenpreis des Vereins RetroClassic-

Cultur und seines Fördervereins ausgezeichnet.

Bis heute ist Matthias Gerst Mitglied der baden-württembergischen

Prüfungskommission

für Automobil-Sachverständige.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!