Hochgefühle 03 2022
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HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DES KLAGENFURTER ALPENVEREINS Seite 43<br />
Maier nimmt<br />
Abschied<br />
„Der Bergretter“<br />
Foto: G. Schlager<br />
Wie viele Wanderungen unser Ehrenmitglied<br />
und ehem. Obmann der Ortsgruppe in den<br />
Beinen hat, wie vielen Menschen er geführt,<br />
mit glücklichen Stunden beschenkt und sicher<br />
nach Hause gebracht hat, ist kaum zu<br />
ermessen. (300 – oder mehr…?) Seine Abschiedswanderung<br />
war humorig geplant. Nur<br />
wenige Teilnehmer sollten sich melden, die<br />
große Abordnung sollte ihm knapp vor dem<br />
Ziel entgegenkommen. So war es dann auch:<br />
rd. 40 WanderInnen bereiteten Erwin einen<br />
eindrucksvollen Abschied, ein oft ausgesprochenes<br />
Danke, eine liebevolle, stimmige Atmosphäre.<br />
Ein gemütliches Beisammensein<br />
auf der Stiftshütte Brandl Alm am Großlamprechtsberg<br />
der Treffpunkt mit ausgezeichneter<br />
Bewirtung.<br />
Der neue Obmann Erwin Harrisch und Karl<br />
Selden dankten in kurzen Ansprachen mit besonderer<br />
Würdigung der umfassenden Leistungen<br />
in allen Bereichen der Ortsgruppe. Mit<br />
einem Augenzwinkern meinte der über achtzig<br />
Jährige: ein paar geführte Wanderungen würden<br />
sich dennoch ausgehen, halt nicht mehr<br />
so häufig.<br />
Jedenfalls, liebe Erwin, unser aller Dank und<br />
Anerkennung ist dir gewiss.<br />
Bericht: Karl Selden<br />
Fotos: OG Völkermarkt/Bleiburg<br />
Künstler und Weitwanderer<br />
Carl Hermann<br />
(1918–1986)<br />
Wie verändert sich ein Mensch, der zum Tode verurteilt wird – und durch<br />
eine glückliche Fügung, knapp vor der Exekution, in die Freiheit entkommt?<br />
Carl Hermann hatte dieses traumatische Erlebnis<br />
1945, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. In der<br />
Todeszelle schrieb er – in der Nacht vor der zu erwartenden<br />
Hinrichtung – das Gedicht „Gebet um Freiheit“,<br />
mit dem Anfang:<br />
„O Herr, in deine Hände<br />
lege ich mein Schicksal ein ...<br />
und dem Ende „Einmal noch lass mich<br />
inmitten deiner großen Freiheit steh’n.“<br />
Hermann erlernte den Beruf des Zimmermannes, was<br />
prägend für seine künstlerische Laufbahn als Bildhauer<br />
wurde, als er 1940 in die Bildhauerschule W.<br />
Gösser in Graz eintrat. Gegen Ende des Krieges wird<br />
er als Mitglied einer Widerstandsgruppe verhaftet und<br />
eben zum Tode verurteilt, im Alter von 26 Jahren!<br />
Die „große Freiheit“ nach dem Krieg? Für ihn war<br />
es die Hinwendung zur Kunst, der Dienst an der Gemeinschaft,<br />
die Einbettung in das große Wechselspiel<br />
zwischen Gott, Natur und Mensch, das kreative<br />
künstlerische Schaffen am Granit seiner Wahlheimat,<br />
dem Oberen Waldviertel, wohin den Südsteirer die<br />
Umstände der Zeit ab 1945 verschlugen. Er schuf<br />
ausdrucksstarke Skulpturen mit vergeistigter Mimik,<br />
reduziert auf das Wesentliche, so figural wie gerade<br />
notwendig, so lebendig wie möglich.<br />
Und Hermann „brachte die Kunst auch auf den Weg“.<br />
Er war die treibende Kraft bei der Schaffung des ersten<br />
der insgesamt zehn Weitwanderwege, die tatkräftige<br />
Idealisten des Alpenvereins in den 70er-Jahren,<br />
also vor ca. 50 Jahren, schufen. Der erste war also<br />
der 1970 geschaffene Nord-Süd-Weitwanderweg,<br />
nicht zufällig mit der Nr. 05; denn 05 = O5 = OE<br />
(5. Buchstabe) = Oesterreich, dies war die Chiffre<br />
des österreichischen Widerstandes gegen das NS-<br />
Regime. Der Weg führt von Nebelstein im obersten<br />
Waldviertel bis Eibiswald in der Südsteiermark, mit<br />
Carl Hermann<br />
Archiv der Fam. Nödl<br />
ca. 500 km Länge, im Wesentlichen entlang des 15.<br />
östlichen Meridians. Wollte er sich so eine „Nabelschnur“<br />
zu seiner Geburtsheimat Südsteiermark<br />
schaffen? Fast scheint es so, denn seine letzte Ruhestätte<br />
befindet sich in der Nähe, auf der Weinebene in<br />
der von ihm selbst geschaffenen Pauluskapelle. Allzu<br />
früh, mit 68 Jahren, erlag er einem Krebsleiden.<br />
Überall auf diesem Weg – aber auch anderswo – finden<br />
sich Spuren seines künstlerischen Schaffens,<br />
wie z. B. das Fernwanderwegkreuz am steirischen<br />
Seeberg, Weitwandersteine da und dort, „Der Bergretter“<br />
im Gesäuse, der Hl. Paulus auf der Weinebene<br />
und viele andere. An der Schaffung des Naturparks<br />
„Blockheide“ nördlich von Gmünd im Waldviertel war<br />
er führend beteiligt und schuf u. a. dazu das passende<br />
„Heidemännlein“, zeichnete, malte, sammelte<br />
Sagen, veranstaltete (Benefiz-)Feste ...<br />
Es hätte wohl nicht des traumatischen Erlebnisses<br />
1945 bedurft, um der allseits bekannte, beliebte und<br />
geschätzte Künstler Carl Hermann zu werden. Aber<br />
sein (ehrenamtlicher) Dienst für die Gemeinschaft<br />
im Allgemeinen und für den Alpenverein im Besonderen,<br />
sein respektvoller Umgang mit der Natur, sein<br />
Streben nach einem friedlichen Miteinander, die Ausdruckskraft<br />
seiner vielseitigen Kunst hatten sicher<br />
auch darin ihren Nährboden. Und schließlich schrieb<br />
er auch ein Buch über den Nord-Süd-Weitwanderweg<br />
mit dem vielsagenden Titel: „Der Weg ist das Ziel“;<br />
unterwegs zu Paulus, dem Vergeistigten? Oder war er<br />
ein „Waldgänger“, im Sinne Ernst Jüngers?<br />
Jährlich finden im Carl-Hermann-Haus in Gmünd in<br />
den Sommermonaten Wechselausstellungen statt,<br />
sorgfältig und liebevoll kuratiert vom Nachlassverwalter<br />
Dr. Andreas Nödl und seiner Frau Anna (office@<br />
noedl.at). Näheres zu Leben und Werk Hermanns<br />
unter www.carlhermann.at<br />
Dr. Werner Radl, Wegereferent