25.12.2012 Aufrufe

20 Jahre Mauerfall - DAAD-magazin

20 Jahre Mauerfall - DAAD-magazin

20 Jahre Mauerfall - DAAD-magazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

im Bus am häufigsten sprechen. „Warum<br />

greifen die großen Parteien das Thema Militäreinsatz<br />

in Afghanistan nicht auf?“, fragt<br />

der Amerikaner Daniel Joseph Walther. „Ich<br />

bemerke hier eine Lücke zwischen dem, was<br />

die Menschen interessiert, und dem Interesse<br />

der Parteien.“ Der Professor für deutsche<br />

Geschichte am Wartburg College, Iowa, sieht<br />

das kritisch. Die Nigerianerin Ndidi Nnolo<br />

Edozien, <strong>DAAD</strong>-Alumna und Präsidentin der<br />

Growing Businesses Foundation, zeigt dagegen<br />

Verständnis dafür, dass Themen, die die<br />

Gesellschaft spalten, im deutschen Wahlkampf<br />

vermieden werden: „Man will den Grundkonsens<br />

nicht aufgeben. Die Erfahrung der Weimarer<br />

Republik und die Angst vor dem Zerfall<br />

der Parteien sitzt den Deutschen im Nacken.“<br />

„Eine Spaltung der deutschen Gesellschaft<br />

ist dennoch spürbar“, sagt Mona Abaza, Professorin<br />

an der schwedischen Universität<br />

Lund: „Ich habe die Menschen während der<br />

Reise überall gefragt, ob sie <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> nach dem<br />

<strong>Mauerfall</strong> noch Ostdeutsche von Westdeutschen<br />

unterscheiden könnten – und sie haben<br />

das bejaht! Darüber sollte man in Deutschland<br />

mehr sprechen.“ Der junge kanadische Doktorand<br />

Benjamin Bryce, der mit einer zweiten,<br />

international zusammengesetzten Gruppe von<br />

Doktoranden der Zentren für Deutschland-<br />

und Europastudien unterwegs ist, sieht das<br />

entspannter: „Deutschland hat so viele Identitäten<br />

– eine bayerische und eine norddeutsche<br />

und jetzt eben auch eine ostdeutsche.<br />

Gibt es denn eine gemeinsame Identität der<br />

Deutschen?“<br />

Über europäische Identität und Deutschlands<br />

Rolle in Europa, über Zukunft und<br />

Visionen hätten Krzysztof Ruchniewicz und<br />

Ton Nijhuis, wissenschaftlicher Direktor des<br />

Duitsland Instituut Amsterdam, gerne mehr<br />

gehört. „Wir Holländer brauchen Deutschland<br />

in einer Vorreiterrolle, um die Idee eines föderalen<br />

Europas umzusetzen.“ Nijhuis macht<br />

sich Sorgen, weil in vielen europäischen Ländern<br />

eine rückwärtsgewandte Fokussierung<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 3/09<br />

auf nationale Themen zu beobachten ist: „Verunsicherte<br />

Wähler und Parteien sind derzeit<br />

in Europa überall zu finden – und auch in diesem<br />

Sinne ist Deutschland wohl ganz normal.“<br />

Zu wenige Migranten<br />

Die Integration von Ausländern ist ebenfalls<br />

Diskussionsthema. Die Beobachter wundern<br />

sich darüber, dass selbst in den Jugendorganisationen<br />

der politischen Parteien kaum Menschen<br />

mit Migrationshintergrund zu finden<br />

sind. „Junge Ausländer organisieren sich weltweit<br />

in Subkulturen“, sagt Mona Abaza. „Die<br />

großen Parteien schrumpfen auch deshalb,<br />

weil Subkulturen keinen Zugang zu ihnen<br />

haben.“ Den jungen Menschen fehlten in der<br />

klassischen Parteienlandschaft ihre ureigenen<br />

Themen, ergänzt Alexander Chepurenko,<br />

Vize-Präsident der Russischen Soziologischen<br />

Gesellschaft.<br />

Als hohe Integrationsleistung der Volksparteien<br />

in Deutschland wertet Ton Nijhuis dagegen<br />

die Tatsache, dass der politisch rechte<br />

Rand in Deutschland nicht auffällt. Er stellt<br />

die Frage nach dem Zusammenhang von<br />

rechtspopulistischem Wahlverhalten und der<br />

Berichterstattung in den Medien: „Ich beobachte,<br />

dass die Medien in Deutschland sehr<br />

verantwortungsvoll sind und Rechtspopulismus<br />

und Extremismus keine Chance geben.“<br />

Der Vorwurf, populistisch zu sein, sei generell<br />

schlimm für Deutsche, ergänzt Jay Rowell, Direktor<br />

der Groupe de sociologie politique européenne<br />

in Straßburg: „Wer hier kompetent<br />

wirken will, muss sachlich sein!“<br />

„Bitte zügig alle aussteigen!“ Als der Bus<br />

bremst und die nächste Informationsveranstaltung<br />

auf dem Programm steht, treiben sich die<br />

Teilnehmer lachend gegenseitig an: „Auf, auf!<br />

Alléz! Vamos!“ - „Das Beste ist fast die Gruppe<br />

… mit Guido Westerwelle,<br />

Freie Demokratische Partei,<br />

heute Außenminister (Mitte),<br />

… und mit Renate Künast,<br />

Vorsitzende der Bundestagsfraktion<br />

Bündnis 90/<br />

Die Grünen (rechts)<br />

daad<br />

abSTracT<br />

International Observers<br />

at German Elections<br />

The German media called the <strong>20</strong>09 electoral<br />

campaigns “boring”. International observers<br />

felt otherwise: 19 academics from 18 countries,<br />

invited to Germany by the <strong>DAAD</strong> to observe the<br />

run-up to the elections, had good things to say:<br />

Germany is a “perfectly normal” democracy, the<br />

experts on Germany concluded. The electoral<br />

campaigns were objective, peaceful, transparent<br />

and well-organized. In view of the global financial<br />

crisis it was no wonder that the focus was<br />

on economic issues. The observers remarked,<br />

however, that German society is still divided<br />

into East and West. They also showed interest in<br />

the controversial issues that were largely excluded<br />

from campaign rhetoric, such as the German<br />

military mission in Afghanistan, the integration<br />

of migrants, and Germany’s role in Europe.<br />

selbst“, sagt der Amerikaner Walther beim<br />

Aussteigen. Auch die Ägypterin Abaza freut<br />

sich darüber, wie „normal international“ diese<br />

gemeinsame Reise ist: „Wir diskutieren alles<br />

intensiv, wir lachen und machen Witze über<br />

die Stereotypen, die wir voneinander haben!“<br />

Und das, fügt Ton Nijhuis hinzu, lasse ihn darüber<br />

nachdenken, „wie national geprägt das<br />

eigene Deutschlandbild sein kann“.<br />

Bettina Mittelstraß<br />

Wahlbeobachter diskutieren …<br />

Foto: David Außerhofer<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!