29.08.2022 Aufrufe

Eva Finkenstein: Im »Raum der Suche nach Verständigung« (Leseprobe)

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

3.1 Analytischer Zugang: Wissenssoziologische Diskursanalyse 103<br />

überwiegend als qualitative, hermeneutisch-interpretative Forschungsperspektiven<br />

gedeutet werden. 31<br />

3.1.2 Hermeneutische Wissenssoziologie<br />

Berger und Luckmann begreifen die soziale, also in Interaktion zwischen Individuen<br />

geschaffene Realität als Resultat unterschiedlicher, dialektisch aufeinan<strong>der</strong><br />

bezogener Prozesse <strong>der</strong> Externalisierung, <strong>der</strong> Internalisierung und <strong>der</strong><br />

Objektivation. 32 Externalisierung als »Entäußerung« 33 meintdabei das »deutende<br />

Handeln von Menschen, wodurch Kulturprodukte (wie Denkschemata, Typisierungen,<br />

Objekte o<strong>der</strong> Wirklichkeitsdefinitionen) entstehen« 34 .<strong>Im</strong>Prozess <strong>der</strong><br />

Objektivation (»Vergegenständlichung«) würden diese Produkte menschlicher<br />

Selbstentäußerung objektiven Charakter gewinnen: »Die institutionale Welt ist<br />

vergegenständlichte menschliche Tätigkeit, und jede einzelne Institution ist dies<br />

ebenso.« 35 Das Paradoxon bestünde darin, dass die gesellschaftliche Welt trotz<br />

ihrer menschlichen Konstruiertheit als objektiv erlebt würde, obwohl sie keinen<br />

ontologischen Status habe, <strong>der</strong> unabhängig vom menschlichen Tunwäre, das sie<br />

hervorbringt. Die damit verbundene Rückwirkung des »Produktes« auf seine<br />

Produzenten beschreiben Berger und Luckmann als Internalisierung, quasi<br />

»Einverleibung« <strong>der</strong> vergegenständlichten gesellschaftlichen Welt im Verlauf <strong>der</strong><br />

Sozialisation. 36 Sozialisation als ihre Internalisierung durcheine neue Generation<br />

zeige dabei die »fundamentale gesellschaftliche Dialektik in ihrer Totalität« 37 .<br />

Wie beschrieben,nimmt dieWissenssoziologie bei <strong>der</strong>Untersuchung dieser<br />

Vorgänge eine doppelte Perspektive ein. Diese beinhaltet neben dem Blick auf<br />

die Akteur*innen jenen auf soziale und institutionelle Strukturen, da das individuelle<br />

Verhalten nur in Relation zum vorgegebenen, für die jeweiligen<br />

Handlungen relevanten Bezugsrahmen – welcher als »objektiv« erlebt wird –<br />

verständlich wird. 38 Es geht um strukturelle Problemlagen, also Handlungsanfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die Individuen in einem bestimmten institutionalisierten<br />

Kontext bewältigen und kollektiv teilen – unabhängig davon, inwiefern diese<br />

31<br />

32<br />

33<br />

34<br />

35<br />

36<br />

37<br />

38<br />

Vgl. a. a. O., 109.<br />

Vgl. Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion <strong>der</strong> Wirklichkeit, 64 f.<br />

A.a. O., 65.<br />

Steets, Pluralismus im Bewusstsein, 181.<br />

Vgl. Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion <strong>der</strong> Wirklichkeit, 65<br />

Vgl. ebd.<br />

Ebd.<br />

Vgl. 1.3.3; vgl. Reichertz, Hermeneutische Wissenssoziologie, 520.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!