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Eva Finkenstein: Im »Raum der Suche nach Verständigung« (Leseprobe)

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

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64 2Das evangelische Profil als christliche Praxis im Kontext<br />

<strong>der</strong>liches Phänomenbeschriebenwerden – son<strong>der</strong>n nur in konkreten Kontexten,<br />

entlang diskursiver Grenzziehungen, die sie »je neu verhandeln und festschreiben«<br />

55 würden.Christliche wie generell religiöse Identität versteht Gruber<br />

demzufolge als Praxis, die in diskursiven Verhandlungen Bedeutung generiere<br />

und unter Rückgriff auf spezifische semiotische Konfigurationen Perspektiven<br />

auf die Wirklichkeit eröffne. 56 Das geschehe von Anfang an im interkulturellen<br />

Raum, weshalb es eine Vielzahl von »Christentümern« und partikularen Theologien<br />

gebe. 57<br />

2.2 Kontextualisierung christlicher Praxis: Zwischen<br />

Deskription und Normativit?t<br />

<strong>Im</strong> Anschluss an Grethleins kirchentheoretische Perspektive ist das evangelische<br />

Profil als kontextspezifische Gestalt <strong>der</strong> κκλησία beschrieben worden, in <strong>der</strong><br />

sich <strong>der</strong> Bezug auf das <strong>Eva</strong>ngelium verkörpert. Als nicht-essentialistisches<br />

Phänomen, son<strong>der</strong>n Praxis, die diskursiv Bedeutungen erzeugt, kann es ebenso<br />

als eines <strong>der</strong> von Gruber beschriebenen »Christentümer« 58 verstanden werden.<br />

Beide Konzepte schreiben dem jeweiligen Kontext eine entscheidende Bedeutung<br />

für die Identität des Phänomens zu. In diesem phänomenologischen Sinn ist<br />

Kontextualität eine deskriptive Kategorie zur Beschreibung dessen, was als<br />

christliche, akteur*innenbasierte Praxis vorliegt. Zum an<strong>der</strong>en kann ihre Verwendung<br />

mit einem normativen Moment einhergehen. So leitet etwa Grethlein<br />

aus <strong>der</strong> Kontextualität von <strong>Eva</strong>ngelium die Notwendigkeit kontextgemäßer<br />

Kommunikation ab – und betrachtet die Kontextanalyse als Hilfe zu <strong>der</strong>en erfolgreichem<br />

Zustandekommen. 59<br />

55<br />

Ebd.<br />

56<br />

Vgl. ebd.<br />

57<br />

Vgl. a. a. O., 227.<br />

58<br />

Ebd.<br />

59<br />

Wiebereits dargestellt, benennt er die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation des <strong>Eva</strong>ngeliums<br />

als wichtigste Aufgabe von Kirche. Kontextanalyse betrachtet er folglich – wegen <strong>der</strong> Kontextgebundenheit<br />

von Kommunikation – als Voraussetzung für das Gelingen dieser Kommunikation,<br />

vgl. Grethlein, Kirchentheorie, 42. Neben <strong>der</strong> Vorstellung ihrer Steuerbarkeit<br />

wird damit auch die Setzung gemacht, dass <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> Kommunikation wünschenswert<br />

sei. Diese Intention ist aus praktisch-theologischer Perspektive <strong>nach</strong>vollziehbar, zugleich<br />

stellt sich die Frage: In welchem Verhältnis steht die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kommunikation des<br />

<strong>Eva</strong>ngeliums als Aufgabe von Kirche zu ihrem initialen bzw. phänomenologischen Zustandekommen<br />

durch diese Kommunikation? (O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gefragt: Wie kommt Grethlein – logisch<br />

– von <strong>der</strong> Deskription <strong>der</strong> kirchenkonstitutiven Kommunikation zu ihrer Setzung als<br />

Norm und kirchlicher Aufgabe?)

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