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Eva Finkenstein: Im »Raum der Suche nach Verständigung« (Leseprobe)

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

Ostdeutschland gehört zu den am stärksten säkularisierten Gebieten der Welt. Gleichwohl sind dort seit der Wiedervereinigung zahlreiche evangelische Schulen entstanden. Wie realisieren diese im konfessionslosen Kontext ihr christliches Profil? Die Studie schließt an die Forderung nach entsprechenden empirischen Daten an und legt den Fokus auf konfessionslose Schülerinnen und Schüler: Was kennzeichnet das evangelische Profil aus ihrer Sicht? Wie erleben sie seine religiöse Dimension, wie erleben sie sich selbst im schulischen Rahmen als konfessionslos (wahrgenommen)? Auf Grundlage qualitativer Interviews werden typische Deutungsmuster aus wissenssoziologisch-diskursanalytischer Perspektive rekonstruiert und innerhalb eines Spektrums von Annäherung, Enthaltung und Distanzierung beschrieben.

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4.1 Analytische Zug3nge 135<br />

onslosen Schüler*innen an evangelischen Schulen in Ostdeutschland. Ziel <strong>der</strong><br />

Erhebung ist die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> beschriebenen Differentsetzung<br />

des Diskurses sowie <strong>der</strong> damit verbundenen kognitiven Dissonanz. Um diese<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung zu reproduzieren bzw. zu initiieren und auf diese Weise<br />

Zugang zur Deutungspraxis <strong>der</strong> Akteur*innen zuerhalten, werden <strong>Im</strong>pulse des<br />

problemzentrierten unddes diskursiven Interviews 6 reflektiert. <strong>Im</strong> Rückgriff auf<br />

diese Interviewformen sowie die damit verbundenen Prinzipien von Grounded<br />

Theory und Deutungsmusteranalyse werden außerdem die Konstruktion des<br />

Leitfadens und seine Orientierung an <strong>der</strong> Schulkultur, das theoretische Sampling<br />

sowie Vorab-Kriterien <strong>der</strong> Schüler*innen- und Schulauswahl erörtert.<br />

4.1 Analytische Zug?nge<br />

Kognitive Dissonanz und Deutungsmuster haben hier die Funktion heuristischer<br />

Konzepte für die diskursive Praxis <strong>der</strong> konfessionslosen Schüler*innen: Sie<br />

dienen <strong>der</strong> analytischen Erfassung und Kategorisierung empirischer Daten, anhand<br />

<strong>der</strong>er Perspektiven auf die Teilhabe konfessionsloser Schüler*innen am<br />

religiösen Schulprofil rekonstruiert werden – und zugleich <strong>der</strong> theoretischen<br />

Integration <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Schüler*innen in den Diskurs. Es handelt sich also um<br />

theoretische Zugänge, die ihrerseits nicht empirisch wahrnehmbar sind bzw.<br />

»erlebt« werden – son<strong>der</strong>n um Begriffe, die <strong>der</strong> theoretischen Fixierung des<br />

empirischen Materials dienen. In diesem Sinne kann man sie auch als eine Art<br />

Setzung verstehen. Diesehat nicht den Anspruch,erlebte Realität zu beschreiben,<br />

son<strong>der</strong>n das gewonnene empirische Material begrifflich zu fassen und zubeschreiben.<br />

7<br />

<strong>Im</strong> Folgenden wird das Konzept <strong>der</strong> kognitiven Dissonanz beschrieben, um es<br />

theoretisch auf das Erleben konfessionsloser Schüler*innen an evangelischen<br />

Schulen zuübertragen und ihre Deutungsmuster als Aktivität zur Dissonanzreduktion<br />

zu interpretieren. Durch die diskursbedingte Grenze zwischen profilspezifischer<br />

Religiosität und <strong>der</strong> eigenen, dem Profil eigentlich nicht entsprechenden<br />

Religiosität bzw. Konfessionslosigkeit erleben die Schüler*innen – so<br />

die hier aus dem Diskurs des evangelischen Profils adaptierte Zuschreibung –<br />

kognitive Dissonanzen im Schulalltag: Indem sie zwar am Profil teilhaben, durch<br />

ihre Beschreibung als konfessionslosaber eigentlich nicht Teil davon sind. Dieses<br />

Erleben wi<strong>der</strong>sprüchlicher Kognitionen wird von Festinger als psychologisch<br />

unhaltbarer Zustand beschrieben, <strong>der</strong> auf Reduktion zielt und somit Ausgangspunkt<br />

(Antezendenz) damit einhergehen<strong>der</strong> Aktivität ist. Als solche Aktivität<br />

6<br />

Vgl. Witzel, Das problemzentrierte Interview, sowie Ullrich, Deutungsmusteranalyse.<br />

7<br />

Vgl. im Folgenden unter 4.2.1 die Ausführungen zur konstruktivistischen Grounded<br />

Theory.

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