18 | FÜR DIE PRAXIS WEG MIT DER DEKO! „Der Raum ist dritter Erzieher“, heißt es in der Reggio-Pädagogik. Doch was soll er leisten? <strong>Meine</strong> <strong>Kita</strong> zeigt, wie <strong>Kita</strong>-Räume so geplant werden, dass Kinder konzentriert spielen können. Gastbeitrag Gottfried Schilling Kinder sollen sich ins Spiel vertiefen. Das klappt gut, wenn sich keine Regale und Deko im Spielbereich befinden. Abbildungen: Kameleon Raumkonzepte
FÜR DIE PRAXIS | 19 Mit etwas Möbelrücken und neuer Farbe an den Wänden ist es nicht getan. Raumgestaltung ist ein komplexes Thema. Sie ist Pädagogik in 3D. Ihre Aufgabe ist es, Räume zu schaffen, in denen Kinder sich frei und sicher im gesamten Haus bewegen können. Sie sollen sich wohlfühlen, sich ins Spiel vertiefen und eigene Ideen umsetzen können. Daraus ergeben sich vier wesentliche Anforderungen an die <strong>Kita</strong>-Räume: Orientierung geben Fachkräfte sollten Räume auf bestimmte Funktionen reduzieren. Der klassische Gruppenraum, der Essbereich, Bauecke, Puppenwohnung, Kreativbereich und eine Leseecke umfasst, ist überfrachtet und unübersichtlich. Cleverer ist es, jedem Raum nur eine oder zwei Funktionen zuzuweisen. Wer zwei Funktionsbereiche kombiniert, sollte darauf achten, dass sie zusammenpassen. Die Bibliothek lässt sich zum Beispiel gut mit einem Ort für das Forschen verbinden. Einen Raum, in dem ein Tisch mit Mikroskopen steht, auch für großteiliges Bauen zu nutzen, wäre nicht ratsam. Podeste und Einbauten sind gut geeignet, um innerhalb der Räume feste, verlässliche Strukturen und definierte Spielzonen zu schaffen. Konzentriertes Spiel ermöglichen Raumsituationen, in die sich Kinder gemeinsam zurückziehen können, laden zum Spielen ein und fördern die Beziehungsgestaltung. Wichtig ist, dass solche Spielzonen – egal ob großer Bauplatz oder enge Nische – ungestört bleiben. Störungen entstehen vor allem, wenn sogenannte Verkehrswege diese Flächen kreuzen. Zwar berücksichtigen Laien in der Regel die Verkehrswege, die sich von der Zimmertür zum Ausgang ins Außengelände ergeben. Doch solche, die durch Möbel hervorgerufen werden, lassen sie bei der Raumplanung häufig außen vor. Das heißt: Sie platzieren Schränke und Regale entlang der Wände oder als Raumteiler. Das Ergebnis: Sobald jemand etwas aus dem Regal holt, stört er oder sie die Kinder, die davor spielen. An einer Spielzone sollten Fachkräfte daher ausschließlich die zum entsprechenden Funktionsbereich gehörigen Spieldinge und -materialien für die Kinder platzieren. Inspirierend und gestaltbar sein Räume, in denen die Fachkräfte viele Dinge und Materialien zu einem Thema gut sichtbar und wohlgeordnet präsentieren, wecken bei Kindern die Lust, aktiv zu werden, sich zu verkleiden, etwas zu malen, Muster zu legen oder Türme zu bauen. Sie lassen sich inspirieren. Damit sich Kinder über lange Zeit auf ihr Spiel fokussieren können, sind ausreichend Platz und gut aufeinander abgestimmte Materialien wichtig. Kinder schätzen es zudem, wenn es große Elemente, zum Beispiel Hocker, gibt, die sie raumbildend einsetzen können. Solche Elemente verwandeln sich dann je nach Spielsituation in einen Verkaufstresen, eine Hauswand oder einem Zug. Wohlfühlatmosphäre bieten Kinder wollen sich sicher, geborgen und entspannt fühlen. In <strong>Kita</strong>s ist es oft schwierig, eine solche Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Es ist zu bunt. Die Kinder bringen selbst so viel Buntheit mit, dass die Räume sich zurückhalten müssen. Sie haben eine dienende Funktion. Erdige und rauchige Töne eignen sich besser als Pastelltöne, um diese Buntheit aufzunehmen und eine ruhige Atmosphäre zu schaffen. Für den Fußboden, die größte Fläche, gilt: Ein dunklerer Farbton macht das Verweilen am Boden angenehm. Damit Menschen in Balance bleiben, sollten sich aktive Phasen und Ruhepausen im Tagesverlauf abwechseln. Manche <strong>Kita</strong>s richten für solche Pausen extra einen Snoezelraum, also einen Ruheraum, ein. Dieser geht jedoch an den Bedürfnissen vieler Kinder vorbei. Sie möchten sich auch in Pausenzeiten als Teil der Gemeinschaft fühlen. Daher sollte Kindern in jedem Raum die Möglichkeit gegeben werden, sich zurückzuziehen. Orte, an denen sie den Blicken weitgehend entzogen sind, aber trotzdem den Raum gut überblicken können, nehmen sie dafür besonders gerne an. Ein Tipp zum Schluss: Hände weg von Deko! Poster an den Wänden, Basteleien an Zimmerdecken und Fensterflächen sowie Andenken aus vergangenen Jahren lenken ab und erzeugen Unruhe. In <strong>Kita</strong>räume gehört nur das, was Kinder als Anregung für ihr Spiel benötigen. DER AUTOR Gottfried Schilling ist Schreiner, Pädagoge und Geschäftsführer des Unternehmens Kameleon Raumkonzepte.