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Neue Szene E-Paper 2023-01

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ZOOM<br />

Augsburger Freund:innen der elektronischen Musik dürften Lilijan Waworka<br />

vor allem unter dem Namen seines ehemaligen Projekts Hanuman Tribe<br />

kennen. Nachdem er jahrelang die lokale Clubszene mit Live-Auftritten und<br />

eigenen Veranstaltungsreihen geprägt hat, bespielt er inzwischen die großen<br />

und kleinen Theaterbühnen der Stadt. Seit 2<strong>01</strong>5 schreibt und produziert<br />

er Musik für verschiedenste Inszenierungen des Staatstheaters und der<br />

freien <strong>Szene</strong>. Wie es ihn in den Theaterkosmos verschlagen hat und wie seine<br />

Soundtracks entstehen, verrät er uns im Interview.<br />

Von Lina Frijus-Plessen<br />

Vom Club ins Theater<br />

Im Gespräch mit Musiker und Audio-Produzent<br />

Lilijan Waworka<br />

Wann und wie hat deine musikalische Laufbahn<br />

angefangen?<br />

Als Jugendlicher habe ich eine klassische<br />

Klavierausbildung an einer Musikschule gemacht,<br />

das war mein erster Berührungspunkt. So mit 16,<br />

17 habe dann ich angefangen, in Bands zu spielen<br />

und dabei sehr schnell gemerkt, dass Musik<br />

machen genau das ist, was ich in meinem Leben<br />

tun möchte. Ich habe die Schule abgebrochen und<br />

einfach autodidaktisch angefangen, als freischaffender<br />

Musiker zu arbeiten.<br />

Du hast viele Jahre lang gemeinsam mit<br />

deinem Bruder Orchidan unter dem Namen<br />

Hanuman Tribe Musik gemacht. Warum habt<br />

ihr damit aufgehört?<br />

Für uns war Ende 2<strong>01</strong>4 Schluss mit dem Projekt<br />

Hanuman Tribe, weil wir einfach total überarbeitet<br />

waren. Wir haben damals nicht nur selbst<br />

Musik produziert und sind in Clubs aufgetreten,<br />

sondern auch viel für anderer Künstler:innen<br />

geremixt, auf unserem digitalen Label die Musik<br />

verschiedener Artists veröffentlicht und mehrere<br />

Eventreihen im Clubkulturbereich auf die Beine<br />

gestellt. Das hat uns zwar alles sehr erfüllt, aber<br />

es war einfach so viel auf einmal, dass es uns<br />

über die Jahre ziemlich ausgebrannt hat. In den<br />

letzten zweieinhalb Jahren hatten wir sieben Tage<br />

die Woche zwölf Stunden am Tag ohne Urlaub<br />

durchgearbeitet. Irgendwann war dann der Punkt<br />

erreicht, an dem uns klar wurde, so kann es nicht<br />

weitergehen und so haben wir schweren Herzens<br />

die Reißleine gezogen.<br />

Hin und wieder machst du aber noch DJ-Gigs,<br />

richtig?<br />

Ja, das mache ich nach wie vor gerne mal.<br />

Ganz ohne Club und Live-Gigs kann ich irgendwie<br />

auch nicht, weil dabei einfach diese besondere<br />

Form von Energie entsteht. Es ist nochmal eine<br />

ganz andere Erfahrung, Musik live vor Ort mit<br />

anderen Menschen zu teilen als sie zuhause zu<br />

produzieren und für ein Projekt abzuliefern.<br />

Außerdem inspirieren mich Nightlife und<br />

elektronische Musik wiederum bei meiner Arbeit<br />

fürs Theater. Deswegen schaue ich schon, dass ich<br />

immer wieder mal im Club auftauche.<br />

Inzwischen komponierst und produzierst du<br />

hauptsächlich Musik für Theaterinszenierungen.<br />

Wie bist du zu diesem Bereich gekommen?<br />

Ich fand den Theaterkosmos schon immer<br />

spannend, bin da aber eher so reingerutscht.<br />

Genau in dem Zeitraum, als es mit Hanuman<br />

Tribe zu Ende ging, hat mich der damalige<br />

Schauspieldramaturg und Produktionsleiter Oliver<br />

Brunner vom Augsburger Theater angefragt, ob<br />

ich nicht Lust hätte, Musik für eine Operette zu<br />

produzieren, die sich im Laufe der Inszenierung<br />

von klassischer Partitur in Richtung Pop und<br />

Electronica wandelt. Er wusste nämlich, dass ich in<br />

der elektronischen Clubmusik zuhause war, aber<br />

meine Wurzeln im Klassischen liegen. Ich habe<br />

das Projekt angenommen und sofort Blut geleckt.<br />

Die Theaterwelt hat mich dann schnell in ihren<br />

Bann gezogen, weil sich dort ganz neue Möglichkeiten<br />

ergeben haben, musikalisch-künstlerisch<br />

tätig zu sein.<br />

Wie genau gehst du vor, wenn du die Musik zu<br />

einem Theaterstück entwickelst?<br />

Das kann von Projekt zu Projekt unterschiedlich<br />

sein, aber in der Regel bin ich vom Anfang an<br />

in den Entstehungsprozess der Inszenierung eingebunden.<br />

Ich tausche mich erst mal mit der Regie<br />

und Dramaturgie über die Grundideen, Thematik<br />

und Stimmung des Stücks aus und beginne basierend<br />

darauf, erste musikalische Skizzen zu erjammen.<br />

Dann lasse ich mich von den Entwürfen für<br />

das Bühnenbild und die Ausstattung inspirieren<br />

und achte darauf, dass die Musik mit der Kulisse<br />

harmoniert. Ab da läuft das Ganze in einer Art<br />

Ping-Pong-Verfahren: ich arbeite meine Eindrücke<br />

und Ideen musikalisch aus, schaue bei den Proben<br />

zu, wie das Ganze funktioniert, halte Rücksprachen,<br />

nehme Korrekturen vor und so weiter. So<br />

taste ich mich Stück für Stück immer näher an<br />

den finalen Soundtrack heran.<br />

Begleitest du die Inszenierungen dann auch<br />

live bei ihrer Aufführung?<br />

Das hängt auch wieder vom jeweiligen Projekt<br />

ab. Es gibt Stücke, da liefere ich meine Musik<br />

einfach an den Ton und sie wird dann zur Aufführung<br />

abgespielt, bei anderen spiele ich selbst direkt<br />

vor Ort. Einige Regisseur:innen haben mich in<br />

letzter Zeit auch immer mal wieder auf die Bühne<br />

"geschubst" und so den Musiker als kleine Figur<br />

mitinszeniert. Das ist eine ganz neue Herausforderung<br />

für mich und macht auch großen Spaß. Das<br />

ist das Schöne an meinem Job: jedes Engagement<br />

ist eine komplett neue Erfahrung, was das Ganze<br />

super abwechslungsreich macht.<br />

Was macht dir am meisten Spaß an deiner<br />

Arbeit und was sind die größten Herausforderungen<br />

dabei?<br />

Die größte Freude empfinde ich, wenn ich<br />

es schaffe, innerhalb der Musik Überraschungsmomente<br />

zu kreieren. Mir gefällt es total, in<br />

einem Abschnitt alles auf einen Punkt hinlaufen,<br />

aber dann plötzlich in eine ganz andere Richtung<br />

abdriften zu lassen. Oder wenn du glaubst,

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