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Zoom<br />

der es mir persönlich schmackhaft gemacht hat. Kuttner und Kühnel<br />

haben 2020 vielleicht den spektakulärsten Event mit der “Langen Brechtnacht”<br />

u.a. mit Notwist veranstaltet. Allein an diesem Abend waren<br />

2.500 Zuschauer im Kongress am Park, die Leute haben es also angenommen.<br />

Ist Musik ein Zugang zu Brecht?<br />

Auf jeden Fall! In der aktuellen Musikwissenschaft werden zwei<br />

spannende Sachen in Bezug auf Brecht diskutiert. Zum einen, dass sein Werk<br />

und sein Schaffen sehr durch seine Augsburger Zeit geprägt wurde, als er<br />

hier in einer Musik- bzw. Kleinkunstszene unterwegs war. Stichwort: Klampfe.<br />

Zum anderen, dass sich Brechts literarische Sprache nur über ihre Musikalität<br />

erschließt.<br />

Es gab auch Kritiker, die das 2020er-Festival mit einem Rummelplatz<br />

verglichen haben.<br />

Ein Rummelplatz ist für mich etwas Cooles und wenn mir nach diesem<br />

Job jemand die Leitung einer großen Kirmes anbieten würde, ich wäre dabei<br />

(lacht).<br />

Das Brechtfestival geht dieses Jahr neue Wege, Lechhausen ist einer der<br />

Hotspots. Wie seid ihr ausgerechnet auf diesen Stadtteil gestoßen?<br />

Ich habe mich auf der Pressekonferenz gar nicht getraut, es zu sagen, ich<br />

erzähle dir jetzt sozusagen exklusiv, wie es dazu kam. Wir haben uns mit<br />

dem Kernteam am Königsplatz getroffen und sind einfach losgelaufen. An<br />

jeder Ecke durfte eine andere Person bestimmen, ob es rechts, links oder<br />

geradeaus weitergeht. Und so sind wir letztendlich in Lechhausen gelandet.<br />

Zu Fuß?<br />

Zu Fuß. Und es war super. Die Sonne schien, wir sind erst an der<br />

Floßlände vorbei, dann weiter auf der Neuburger Straße am leeren Lech-<br />

Hotel entlang und sind am ehemaligen Speed Döner gelandet. Das war ein<br />

echter Community-Place, irgendwie waren alle da und haben Döner gegessen,<br />

Das Brechtfestival<br />

ist eine der Marken<br />

der Stadt und es gibt<br />

viele Erwartungen.<br />

Fotos: Fabinan Schreyer, Walter Sianos<br />

“<br />

kam uns schon der Vorsitzende Senol Duman mit offenen Armen entgegen<br />

und rief ganz euphorisch: “Brecht!”.<br />

Du bist jemand, der anscheinend keine Berührungsängste kennt. Der<br />

Augsburger hat ja ein leichtes “Grantler-Image” und begegnet seinem<br />

Gegenüber anfangs gerne mal skeptisch.<br />

Im Rheinland quatscht dich jeder an. Diese, ich sage jetzt mal bewusst:<br />

süddeutsche, und nicht nur bayerische Verschlossenheit, ist für mich aber<br />

auch eine Form von Höflichkeit und Liberalität. Das Grantlige bedeutet ja<br />

nicht automatisch “verpiss dich”, sondern eher “mach doch, was du willst”.<br />

Und das empfinde ich als hohe Kulturtechnik.<br />

wir auch. An der Wand hing ein wunderschönes Portrait mit anatolischem<br />

Touch aus den sechziger Jahren. Als wir wissen wollten, um wen es sich auf<br />

dem Foto handelt, war die Antwort: “Mein Vater, ein stolzer Augsburger.”<br />

Intuition meets Zufall also. Ein sehr spannendes und tolles Viertel ist<br />

auch Oberhausen/Hettenbach. Ist das ein Thema für 2024?<br />

Absolut, Oberhausen ist dabei, ich kann nur noch nicht sagen, ob bei<br />

der zweiten oder dritten Edition.<br />

Der Saalbau Krone, die Heimat des Oberbayerischen Trachtenverein<br />

Lechhausen und das alevitische Zentrum sind die neuen zentralen<br />

Anlaufstellen. Wie haben denn die Verantwortlichen reagiert, als ihr<br />

bei ihnen angeklopft habt. Dachten die nicht, was wollen denn diese<br />

Vögel hier?<br />

(Lacht) Ganz im Gegenteil, als wir im alevitischen Zentrum eintrafen,<br />

Dein erstes Jahr ist gleich ein besonderes, das 125-jährige Jubiläum von<br />

Bert Brecht steht an. Wärst du lieber bei #124 eingestiegen?<br />

Ja und noch lieber bei 123. In einem Jubiläumsjahr steht man natürlich<br />

mehr im Spotlight und dadurch auch mehr unter Druck. Viele Dinge, die<br />

wir uns für unsere Community-Arbeit vorgenommen haben, brauchen Zeit,<br />

um sich zu entwickeln. Wir sind noch in der Findungsphase und das ringt<br />

allen Beteiligten viel ab. Ich bin jemand, der eine Menge von seinem Team<br />

fordert, weil ich viel verändern will. Der erste Aufschlag muss sitzen und<br />

dann muss man nachjustieren und schauen, was funktioniert, was nicht, wo<br />

übernehmen wir uns und wo können wir noch tiefer reingehen.<br />

Was hätte Brecht zu einem Festival in seiner Geburtsstadt wohl gesagt?<br />

Ich kann mir vorstellen, dass er es gehasst hätte (lacht).<br />

Das Brechtfestival findet vom 10.-19. Februar <strong>2023</strong> in Augsburg statt.<br />

Infos und Tickets: www.brechtfestival.de

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