Ausbildung und Beruf 2023-03_red
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RATGEBER<br />
<strong>Ausbildung</strong>, Studium, Job: Wenn die Eltern nicht loslassen wollen<br />
Frankfurt/Main/Hamburg - «Wie kannst<br />
du so gar nichts machen? Besorge dir<br />
doch zumindest ein Praktikum.» - «Du<br />
findest die Vorlesungen uninteressant?<br />
Manchmal muss man sich einfach durchbeißen.»<br />
Für viele Eltern ist es nicht leicht,<br />
die Kinder in ein eigenes Leben zu entlassen.<br />
Und für viele junge Erwachsene ist<br />
es schwer, das auszuhalten. Vor allem,<br />
wenn es um den Weg in den <strong>Beruf</strong> geht,<br />
um die Entscheidung für eine <strong>Ausbildung</strong>,<br />
die Fortschritte im Studium oder um einen<br />
Jobwechsel.<br />
ELTERN ARGUMENTIEREN MIT<br />
IHRER LEBENSERFAHRUNG<br />
Eltern argumentieren dabei gern mit der<br />
eigenen Lebenserfahrung. «Doch die Bedingungen,<br />
unter denen vor zwei, drei<br />
Jahrzehnten <strong>Beruf</strong>sentscheidungen getroffen<br />
wurden, lassen sich mit der Situation<br />
heute nicht vergleichen», sagt Eva<br />
Scharf vom Zentrum für Weiterbildung in<br />
Frankfurt am Main. Dort werden im «Jugend<br />
Competence Center» Jugendliche<br />
<strong>und</strong> junge Erwachsene von der <strong>Beruf</strong>sorientierung<br />
bis hin zum erfolgreichen Start<br />
ins Arbeitsleben begleitet. Sie brauchten<br />
heute oft länger für die Entscheidung für<br />
einen <strong>Beruf</strong>, sagt Scharf: «Diese Zeit des<br />
Nichtstuns ist für Eltern schwer auszuhalten.<br />
Aber das ist eine andere Generation.»<br />
Und das Ergebnis der längeren Orientierungsphase<br />
sei oft nachhaltiger.<br />
IN KONFLIKTEN DAS GESPRÄCH<br />
SUCHEN<br />
Wenn Eltern dann mit der <strong>Beruf</strong>sentscheidung<br />
ihrer Kinder nicht einverstanden<br />
sind, «trifft das die jungen Erwachsenen<br />
oft wie ein Holzhammer», sagt Scharf.<br />
Was kann man bei solchen Konflikten tun?<br />
Scharf rät: «Den Eltern zu erklären versuchen,<br />
was dem jungen Menschen wichtig<br />
ist <strong>und</strong> warum er zu seiner <strong>Beruf</strong>swahl gekommen<br />
ist. Die Eltern fragen, was sie an<br />
ihrem Kind schätzen - <strong>und</strong> warum sie bei<br />
dieser Entscheidung kein Vertrauen haben.»<br />
Dann stelle sich oft heraus, dass die<br />
Reaktion der Eltern häufig mehr mit eigenen<br />
Erfahrungen, Wünschen <strong>und</strong> Werten<br />
zusammenhängt.<br />
AUF DER SUCHE NACH DEM<br />
EIGENEN WEG<br />
Oder der Fall ist umgekehrt: Eltern wünschen<br />
sich, dass ihre Kinder beruflich in<br />
ihre Fußstapfen treten. Vielen Kindern<br />
erscheint dieser Weg zunächst ebenfalls<br />
einleuchtend, weil sie sich verb<strong>und</strong>en fühlen.<br />
Oder ihnen das <strong>Beruf</strong>sfeld der Eltern<br />
am vertrautesten ist. Oft zeigt sich erst mit<br />
Verspätung, dass diese Entscheidung viel<br />
mit Loyalität <strong>und</strong> familiären Glaubenssätzen<br />
zu tun hatte <strong>und</strong> wenig mit den tatsächlichen<br />
Interessen <strong>und</strong> Talenten. «Im<br />
Coaching erlebe ich manchmal 30-Jährige,<br />
die sagen: Ich habe immer gemacht, was<br />
meine Eltern wollten, jetzt will ich herausfinden,<br />
was ich selbst will», erzählt Anne<br />
Otto, Diplom-Psychologin <strong>und</strong> Autorin des<br />
Buchs «Für immer Kind?». >>><br />
<strong>03</strong> | <strong>2023</strong><br />
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