In Ehren «Mit vollem Elan» Nach 32 Jahren geht Brüggli-Mitgründer Erich Heule in den Ruhestand. Er erzählt von der erfüllenden Arbeit mit Lernenden, vom Umgang mit Veränderung und von Brügglis Machermentalität.
Erich Heule hat 32 Jahre für Brüggli gewirkt. unterwegs 1118 11 «Brüggli war für mich nicht nur ein Job, sondern eine erfüllende Aufgabe.» Erich, für Dich fängt am 1. Dezember ein neuer Lebensabschnitt an. Mit welchen Gefühlen schaust Du der Pensionierung entgegen? Erich Heule: Ich bin hin- und hergerissen und lasse es einfach auf mich zukommen. Was ich bei Brüggli gemacht habe, war für mich nicht bloss ein Job, sondern eine erfüllende Aufgabe. Ich bin aber zuversichtlich und freue mich, wieder mehr Zeit für anderes zu haben. 1986 habt ihr den Grundstein für etwas Einmaliges gelegt: ein Eingliederungsunternehmen mit einem breiten Arbeitsangebot für Menschen mit körperlichen und psychischen Schwierigkeiten. Hättest Du damals gedacht, dass Du bis zu deiner Pensionierung bleiben würdest? Mit Brüggli haben wir eine Idee verwirklicht und sie anschliessend entstehen lassen. Es gab keinen Fünf- oder Zehnjahres-Plan. Wir haben immer wieder geschaut, was es braucht – sei es mit Blick auf die Wirtschaft, die Politik, das Gesundheitswesen, unsere Klienten oder Kunden – und uns dann mit dem nötigen materiellen und fachlichen Rüstzeug ausgestattet. Insofern lagen mir Gedanken an die weitere berufliche Zukunft fern. Für mich war eines jedoch immer klar: Wenn ich etwas mache, dann mit vollem Elan. Für neue Ideen und Bedürfnisse bin ich immer wieder gern ins kalte Wasser gesprungen, habe mir neues Wissen angeeignet und Themen vertieft. Du sprichst deine beruflichen Stationen bei Brüggli an. Wie hat sich das ergeben? In der Zeit vor Brüggli war ich als Psychiatriepfleger tätig. Als klar wurde, dass Brüggli mit einer Druckerei starten würde, war es naheliegend, dass ich als gelernter Drucker dort einsteige. Allerdings nicht ohne in Bern eine Fotosatzausbildung nachzuholen, getreu meinem Motto «ganz oder gar nicht». 13 Jahre lang prägte Brügglis Drucksaal meinen Arbeitsalltag, bis ich 2001 schliesslich komplett in die Bildung wechselte. Zu jenem Zeitpunkt amtete ich nebenbei bereits seit fünf Jahren als Leiter Bildung. Damals eine Doppelfunktion: Ich kümmerte mich nicht nur um die Berufsbildung, sondern auch um agogische Aus- und Weiterbildungen für Kaderleute. Ein Abstecher führte mich ins Perso- «Oft braucht es nicht viel, um den Zugang zum Lernstoff zu erleichtern.» «Die ursprüngliche Mission von Brüggli darf nicht verloren gehen.» nalwesen; für rein administrative Tätigkeiten konnte ich mich allerdings weniger begeistern. Als INSOS, der Nationale Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderungen, 2007 die Praktische Ausbildung (PrA) lancierte, war klar, dass Brüggli diesen Ausbildungsweg ins Angebot aufnehmen und hierfür eine Berufsschule gründen würde. Und einmal mehr drängte sich eine altbekannte Frage auf: Wer macht’s? (lacht) So bin ich auch noch Leiter Berufsschule und Berufsschullehrer geworden. Was genau fasziniert Dich an der Zusammenarbeit mit jungen Berufsleuten? Schülerinnen und Schüler, die eine Praktische Ausbildung absolvieren, haben unterschiedliche schulische Bedürfnisse. Herauszufinden, wie sie sich Wissen am besten aneignen können, hat mich stets motiviert. Sobald ich sah, wo der Schuh drückt, habe ich entsprechende Hilfestellungen entwickelt. Zum Beispiel für Dreisatzberechnungen, die in der Gastronomie häufig angewendet werden. Oder ich habe Arbeitsblätter angepasst. Oft braucht es nicht viel, um den Berufsleuten den Zugang zum Lernstoff zu erleichtern. Auch persönliche Anliegen fanden immer genügend Raum in den Unterrichtsstunden. Ich hielt das für wichtig, denn so konnten die Lernenden voneinander profitieren und gemeinsam Lösungen entwickeln. Mittlerweile gibt es bei Brüggli acht PrA-Klassen, die von vier Lehrpersonen betreut werden. Wie erklärst Du dir die Zunahme dieser Nachfrage? Das hat einerseits mit dem neuen Berufsbildungsgesetz von 2004 zu tun. Mit der Abschaffung der Anlehre gab es für lernschwache Schüler fortan keinen Ausbildungsweg mehr. Diese Lücke konnte auch die EBA-Lehre mit ihren fixen Leistungszielen nicht füllen. Andererseits hat die Komplexität zugenommen. Meistens haben wir es mit einer Mischung aus schulischen und persönlichen Problemen zu tun. Die Regelschule ist kaum in der Lage, solche Schüler individuell zu betreuen. Die Chance ist hoch, dass sie in ihrer persönlichen Entwicklung nicht vorankommen.