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158_StadtBILD_September_2016

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Brunnen Klosterplatz


Vorwort<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

es gab mal ein Lied, das ich vor fast 80 Jahren in der<br />

Familie hörte: „Da streiten sich die Leut herum wohl um<br />

den Wert des Glücks. Der eine heißt den andern dumm,<br />

am End hat keiner nix.‘‘ Du liebe Güte, da habe ich doch<br />

mit meinen Erinnerungsbeiträgen über die hiesige „Schlesienwelle‘‘<br />

vor 25 Jahren die wackeren, inzwischen hochbetagten<br />

„unteilbaren Oberlausitzer‘‘ ganz gegen meine<br />

Absicht aufgescheucht. Mit ihrem alten Schlachtruf „Görlitz<br />

war nie schlesisch‘‘ bedachten sie mich mit pöbelnden<br />

oder belehrenden Briefen, obwohl das für die jüngeren<br />

Generationen kein Thema mehr ist. Von Geburt bin ich<br />

weder Oberlausitzer noch Schlesier. Der Großteil meiner<br />

Familie lebt in Berlin oder Umgebung seit der Vertreibung<br />

aus unserer Heimat östlich der Oder in der Neumark. Ich<br />

kam vor nun genau 70 Jahren nach Görlitz, der Geburtsstadt<br />

meines 1941 verstorbenen Vaters, und bin dem<br />

neuen Zuhause seitdem treu geblieben. Mit Führungen,<br />

Ausstellungen, Vorträgen und Veröffentlichungen war ich<br />

darum bemüht, den Hiesigen ihre großartige Geschichte<br />

nahezubringen, damit sie begreifen, was sie ihren fleißigen<br />

Vorfahren und ihren tatbereiten Enkeln schuldig sind.<br />

Immer wieder und bis heute gab es „von oben‘‘ starre<br />

ideologische Wertungsvorschriften für diese Vermittlung<br />

von Regionalgeschichte, die an der Lebenswirklichkeit<br />

vorbei gingen. Was Görlitz und Schlesien betrifft, glaubt<br />

man ernstlich, am Flüßchen Queise habe die gegenseitige<br />

Beziehung aufgehört. Aber überall in Grenzbereichen,<br />

etwa zu Dänemark oder Elsaß-Lothringen, sind die wechselseitigen<br />

Beziehungen fließend und halten sich nicht<br />

an einen Strich auf der Landkarte. In Görlitz waren eben<br />

Wirtschaft, Verwaltung, Bildung, Militär, Brauchtum stark<br />

schlesisch geprägt über mehrere Jahrhunderte hinweg.<br />

Da wollten mir die Briefschreiber gar weismachen, den<br />

Begriff „Niederschlesien‘‘ hätten die Nazis erfunden,<br />

um ihren Gau so zu benennen. Ach ja, erst vor wenigen<br />

Tagen fand ich zufällig im Programmheft der Zeppelinlandung<br />

1930 eine ganzseitige Anzeige, in der sich<br />

das Karstadt-Kaufhaus am Demianiplatz „das führende<br />

Warenhaus Niederschlesiens‘‘ (mit Unterstreichung und<br />

Ausrufezeichen) nannte. Und wer weiß schon noch, dass<br />

sich seit der Kaiserzeit das Görlitzer Blatt der Nationalliberalen<br />

„Niederschlesische Zeitung‘‘ nannte, vollständig<br />

erhalten in der Oberlausitzischen Bibliothek? Oder daß<br />

sich die 1932 gegründete NSDAP- Tageszeitung in Görlitz<br />

„Oberlausitzer Frühpost‘‘ (ab 1933 bis 1945 „Oberlausitzer<br />

Tagespost“) nannte? Man schickte mir sogar dicke<br />

Umschläge mit Dokumentkopien, unterstellte mir also<br />

Unkenntnis, ohne zu bedenken, dass ich 40 Jahre lang im<br />

städtischen Dienst arbeitete, in der damaligen Struktur<br />

Museum, Ratsarchiv und Oberlausitzische Bibliothek eng<br />

verzahnt, so daß ich wie nur wenige Mitbürger fast täglich<br />

Originaldokumente zur Stadt- und Regionalgeschichte<br />

vor Augen hatte. Es ist heute unaufschiebbar geworden,<br />

dass die kleinstaatlichen Geplänkel zwischen Franken und<br />

Bayern, Sachsen und Brandenburg, Niedersachsen und<br />

Thüringen ein Ende nehmen. Ostpreußen und Schlesien<br />

sind mit ihrer Geschichte, Mundart und Liebenswürdigkeit<br />

schon fast vergessen. Heute geht es um mehr. Fast<br />

täglich gibt es von Spitzenpolitikern oder Presseleuten<br />

Schelte für alle, die sich für nationale Belange einsetzen,<br />

die deutsche Sprache, Geschichte und Identität verteidigen.<br />

Erst kürzlich mißbrauchte in der Gedenkfeier für<br />

die Verschwörer des 20. Juli 1944 eine Pflichtrednerin<br />

ihren Auftritt, alle Vertreter nationaler Interessen zu<br />

schmähen und ins politische Abseits zu stellen. In ihrer<br />

Unbedarftheit wusste sie gewiss nicht, dass Claus von<br />

Stauffenberg der Überlieferung nach Sekunden vor der<br />

tödlichen Erschießungssalve ausrief: „Es lebe das heilige<br />

Deutschland!‘‘ Streitigkeiten zwischen deutschen Landesteilen<br />

oder innerhalb von Oppositionsparteien nützen nur<br />

dem internationalen Großkapital und dessen Kriegsplanern.<br />

Vorrang hat jetzt unser gemeinsamer Einsatz für<br />

ein unabhängiges, starkes Deutschland, wie das auch<br />

unsere Nachbarstaaten für ihre Völker einfordern. In Bertolt<br />

Brechts Kinderhymne heißt es ja, nach wie vor gültig:<br />

„Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht<br />

noch Verstand, dass ein gutes Deutschland blühe wie ein<br />

andres gutes Land … Und weil wir dies Land verbessern,<br />

lieben und beschirmen wir‘s, und das liebste mag‘s uns<br />

scheinen so wie andern Völkern ihrs.‘‘<br />

Einen sonnigen Herbstbeginn wünscht Ihr<br />

Ernst Kretzschmar<br />

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Einleitung<br />

3


Ankunft<br />

Vor 100 Jahren<br />

der<br />

in Görlitz<br />

Griechen<br />

–<br />

Ankunft der Griechen in Görlitz, 28.<strong>September</strong> 1916<br />

Am 29. <strong>September</strong> 1916 schrieb Hedwig<br />

Christoph an ihren Bruder Willy, Unteroffizier<br />

an der Front: „Sende Dir hiermit<br />

das Neuste: Ankunft der Griechen. Ganz<br />

Görlitz war auf den Beinen. Mutter hat<br />

3 Stunden gestanden‘‘. Auf der Bildseite<br />

der Ansichtskarte sah man, wie tags<br />

zuvor die griechischen Soldaten ihren<br />

Transportzug verlassen hatten. Tatsächlich<br />

hatte es seit Anfang August 1914,<br />

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4<br />

Geschichte


Ankunft von 6500<br />

der<br />

Griechen<br />

Griechen<br />

als die Görlitzer mit einem noch begeisterten<br />

Spalier an der Berliner Straße ihre<br />

Garnisonsoldaten an die Front des 1.<br />

Weltkrieges verabschiedet hatten, keine<br />

solche Massenansammlung mehr in der<br />

Stadt gegeben, und die nächste sollte<br />

1918 während der Novemberrevolution<br />

folgen.<br />

Die Griechen in Görlitz. Ihr Aufenthalt<br />

in der Stadt, der erst Anfang 1919 sein<br />

Ende finden sollte, hing mit der verworrenen<br />

Lage an den Kriegsfronten zusammen.<br />

Griechenland, offiziell neutral, war<br />

innerlich gespalten. Der König und seine<br />

Anhänger hielten zu Deutschland und<br />

dessen Verbündeten. Die Regierung unter<br />

Venizelos stand jedoch an der Seite<br />

der Ententemächte England und Frankreich.<br />

Nachdem sich die innenpolitische<br />

Lage zugespitzt hatte, wandte sich der<br />

König an die deutsche Oberste Heeresleitung<br />

unter Hindenburg mit dem<br />

Vorschlag, das ihm ergebene IV. Armeekorps<br />

für die Kriegszeit in Deutschland<br />

zu internieren und so neutral zu halten.<br />

Wenig später verbündete sich die<br />

griechische Regierung mit den alliierten<br />

Truppen und zwang den König ins Exil.<br />

Nach der deutschen Zustimmung zum<br />

Internierungsvorschlag fiel schließlich<br />

die Wahl auf Görlitz als Aufenthaltsort<br />

für das IV. griechische Armeekorps, wo<br />

ein inzwischen von Russen, Engländern<br />

und Franzosen geräumtes Kriegsgefangenenlager<br />

in der Oststadt, östlich der<br />

Siedlung Rabenberg, zur Verfügung<br />

stand. Die Griechen trafen mit mehreren<br />

Eisenbahntransporten nacheinander<br />

in Görlitz ein, der erste Transport<br />

mit 900 Soldaten, 60 Offizieren und 15<br />

Geschützen am 28.<strong>September</strong> 1916 an<br />

der Südseite der Bahnanlagen. Von dort<br />

aus marschierten sie durch das Stadtzentrum<br />

zur Ostseite der Neiße, Mehrere<br />

Görlitzer Fotografen hielten diesen<br />

Marsch fest und verbreiteten bereits am<br />

ersten Tag darauf tausende Ansichtskarten,<br />

die sofort gesammelt oder verschickt<br />

wurden. Von den angekündigten<br />

18000 Mann waren es noch mehr als<br />

6000, die rund 500 Offiziere lebten in<br />

Privatquartieren, dazu knapp 100 Frauen<br />

von Offizieren oder Unteroffizieren,<br />

fünf Kinder und mehrere Geistliche. Bei<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

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<br />

<br />

<br />

Geschichte<br />

<br />

<br />

5


Ankunft<br />

Vor 100 Jahren<br />

der<br />

in Görlitz<br />

Griechen<br />

–<br />

Erinnerungsfoto, Atellier Lüttgens, Görlitz<br />

Lagerzeitung der Griechen in Görlitz<br />

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6<br />

Geschichte


Ankunft von 6500<br />

der<br />

Griechen<br />

Griechen<br />

Oberst Chatzopoulos<br />

den damals etwa bereits 90000 Einwohnern<br />

war das eine erhebliche Zahl. Sarkastisch<br />

schrieb später Hugo Rietzsch,<br />

Geheimer Regierungsrat und Syndikus<br />

der Landstände der Preußischen Oberlausitz:<br />

„Als das griechische Armeekorps<br />

dann eintraf, stellte sich heraus, daß<br />

von dem angeblichen 18000 Mann umfassenden<br />

Armeekorps ein Drittel noch<br />

im Lande ausgerissen und ein zweites<br />

Drittel sich auf der Herfahrt und zum<br />

Teil Hermarsch verkrümelt hatte“. Die<br />

Aufnahme durch die Bevölkerung bewegte<br />

sich zwischen freundlicher Neugier<br />

und Sympathie bis zur empörten<br />

Ablehnung. Die Internierten, die Fahnen<br />

und Waffen behielten, fanden unter<br />

dem Kommando von Oberst Chatzopoulos<br />

eine bequeme Unterkunft, den<br />

Wehrsold weitergezahlt und eine neue<br />

Uniformausstattung. Die zahlungskräftigen<br />

Offiziere bevölkerten die Görlitzer<br />

Gaststätten und konnten ohne Lebensmittelkarten<br />

in den Geschäften kaufen.<br />

Ironisch vermerkte der Görlitzer Rechtsanwalt<br />

und Schriftsteller Dr. Paul Mühsam<br />

in seinem Tagebuch: „Jetzt sieht<br />

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Geschichte<br />

7


Ankunft<br />

Vor 100 Jahren<br />

der<br />

in Görlitz<br />

Griechen<br />

–<br />

Griechenbäckerei bei Bäcker Dorn, Salomonstraße 27, 1917<br />

man in den Schaufenstern griechische<br />

Aufschriften aller Art. Auf einmal erregt<br />

auch das Französischsprechen nicht<br />

mehr die Empörung der Chauvinisten.‘‘<br />

Deutlich wurde Hugo Rietzsch in seinem<br />

Erinnerungsbuch: „Die Griechen, die in<br />

unserem Klima natürlich froren, kauften<br />

in allen Läden mit ihren Geldbezügen<br />

alle sowieso überknappen wollenen<br />

Sachen auf, so daß die Einheimischen<br />

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8 Geschichte


Ankunft von 6500<br />

der<br />

Griechen<br />

Griechen<br />

noch weniger davon bekamen, ebenso<br />

alle Schokolade und alles Konfekt. Auch<br />

dadurch machten sie sich unbeliebt, daß<br />

sie, da sie den ganzen Tag nichts zu tun<br />

hatten, auf allen Bänken im Park und in<br />

de Anlagen dauernd herumlungerten.<br />

Nur bei einem Teil der weiblichen Bevölkerung<br />

(leider ein Charakteristikum in<br />

Deutschland, die würdelose Neigung zu<br />

Ausländern) fanden sie derartigen Anklang,<br />

daß nach Jahresfrist eine große<br />

Anzahl von „kleinen Korinthen“ zur Welt<br />

gekommen ist.“ (Mit Recht fürchtete<br />

man, besonders in kirchlichen Kreisen,<br />

daß dadurch die an der Front stehenden<br />

Görlitzer Ehemänner beunruhigt werden<br />

könnten, schädlich für die Kampfmoral.)<br />

Da wegen der vielen zum Kriegsdienst<br />

eingezogenen Männer ein Mangel an<br />

Arbeitskräften bestand, konnten jedoch<br />

bald über 4500 Griechen in der für die<br />

Versorgung lebenswichtigen Landwirtschaft<br />

und teils auch in der Industrie<br />

arbeiten.<br />

Für die griechischen Soldaten wurde in<br />

ihrer Sprache eine Zeitung herausgegeben<br />

Sie enthielt Berichte zur Kriegslage,<br />

Informationen über Görlitz und Werbung<br />

für Gaststätten und Geschäfte.<br />

Einen Sammelband bewahrt die Oberlausitzische<br />

Bibliothek.<br />

Die königlichen Akademien in Berlin und<br />

München nutzten die Anwesenheit von<br />

griechischen Soldaten aus verschiedenen<br />

Regionen ihres Heimatlandes, um<br />

sprachwissenschaftliche Studien anzustellen<br />

und um mit den damaligen Möglichkeiten<br />

Tonaufnahmen von Dialekten,<br />

Liedern und Volksinstrumenten vorzunehmen.<br />

Auch Professor Heisenberg<br />

war (als Hauptmann der Landwehr)<br />

daran beteiligt. Die Aufnahmen (65 mit<br />

Sprachproben und 7 Einzelgesänge) erfolgten<br />

im Juli 1917 und haben sich im<br />

Lautarchiv der Berliner Humboldt- Universität<br />

erhalten; dazu gehören auch<br />

gründlich geführte Personalbögen. Damit<br />

wurden Grundlagen zur Erforschung<br />

neugriechischer Dialekte wesentlich bereichert.<br />

Die revolutionären Ereignisse 1918 untergruben<br />

die Lagerdisziplin und spalteten<br />

die Insassen nach politischen<br />

Lagern, zumal bereits kurz davor, am<br />

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Geschichte<br />

9


Ankunft<br />

Vor 100 Jahren<br />

der<br />

in Görlitz<br />

Griechen<br />

–<br />

Tonaufnahme im Griechenlager,1917 Abschiedsdank an die Görlitzer<br />

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10<br />

Geschichte


Ankunft von 6500<br />

der<br />

Griechen<br />

Griechen<br />

Bucheinband Gerassimos Alexatos: “Griechen in Görlitz”<br />

17. August, der Lagerkommandant<br />

Oberst Chatzopoulos,<br />

gestorben und in Görlitz beigesetzt<br />

worden war. Einzelne<br />

verließen das Lager und versuchten<br />

die Heimkehr auf eigene<br />

Faust. Der geordnete Abzug<br />

erfolgte ab Februar 1919.<br />

In der Heimat wurden die<br />

Rückkehrer als „Verräter‘‘ beschimpft<br />

und bestraft, Offiziere<br />

auch mit dem Tode. Das IV.<br />

Armeekorps wurde aufgelöst<br />

und erst in jüngerer Vergangenheit<br />

rehabilitiert und neu<br />

aufgestellt. Einzelne Griechen<br />

blieben in Görlitz, gründeten<br />

hier ihre eigenen Familien und<br />

beruflichen Existenzen. Die<br />

Nachkommen leben unter uns.<br />

In Zusammenarbeit der Görlitzer<br />

Friedhofsverwaltung und<br />

der Botschaft Griechenlands in<br />

Berlin wurden begrüßenswerte<br />

und erfolgreiche Versuche<br />

unternommen, das Andenken<br />

der Griechen in Görlitz 1916<br />

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Geschichte<br />

11


Ankunft<br />

Vor 100 Jahren<br />

der<br />

in Görlitz<br />

Griechen<br />

–<br />

Grabstein von Oberst Chatzopoulos<br />

bis 1919 angemessen und nachhaltig zu<br />

würdigen. Grabsteine hier verstorbener<br />

Offiziere wurden wiederentdeckt und restauriert<br />

und 2003 feierlich wieder aufgestellt.<br />

Einige Jahre später wurden an<br />

gleicher Stelle zwei Gedenkplatten mit<br />

den Namen aller damals hier verstorbenen<br />

Griechen in griechischer und deutscher<br />

Sprache enthüllt. Die Weiherede<br />

hielt der heutige Kommandeur des wiederaufgestellten<br />

IV. Armeekorps, um die<br />

Ehre der einst Gescholtenen wiederherzustellen.<br />

Anwesend war auch der Botschafter<br />

der Republik Griechenland bei<br />

diesem auch für Görlitz herausragenden<br />

Ereignis. Der griechische Autor Gerassimos<br />

Alexatos veröffentlichte 2010 und<br />

2014 in griechischer Sprache zwei reich<br />

illustrierte Bücher über „Griechen in Görlitz<br />

1916-1919‘‘, darin auch zahlreiche<br />

Erinnerungsberichte, die von den griechischen<br />

Nachkommen dem Verfasser<br />

zugänglich gemacht worden waren. Eine<br />

für deutsche Leser gekürzte und übersetzte<br />

Ausgabe ist in Vorbereitung. Auch<br />

in der deutschen militärgeschichtlichen<br />

Forschung fand das Thema Beachtung.<br />

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12<br />

Geschichte


Ankunft von 6500<br />

der<br />

Griechen<br />

Griechen<br />

Marschkolonne vor dem Bahnpostamt, 28.9.1916<br />

In der Zeitschrift „Militärgeschichte‘‘ des<br />

Militärgeschichtlichen Forschungsamts,<br />

Heft 3/2011, und der „Zeitschrift für<br />

Heereskunde‘‘, Nr. 440, April/Juni 2011,<br />

veröffentlichte Björn Opfer-Klinger informative<br />

Berichte.<br />

Für die Görlitzer Heimatfreunde, insbesondere<br />

aber für die Jugend, ist das<br />

Gedenken 100 Jahre nach der Ankunft<br />

der Griechen in Görlitz gewiß aufschlußreich,<br />

auch in unmittelbarer Gegenwart<br />

mit dem Massenzustrom ausländischer<br />

Flüchtlinge. Manches scheint sich zu<br />

wiederholen. Der damalige Oberbürgermeister<br />

Georg Snay, Freund und Kenner<br />

der antiken griechischen Philosophie<br />

und Dichtung, beendete seine damalige<br />

Begrüßungsansprache mit den Worten:<br />

„Schwer und ernst ist die Zeit, in der wir<br />

leben. Nehmen Sie freundlich vorlieb<br />

mit dem, was wir Ihnen bieten können!<br />

Lassen Sie es sich wohl gefallen, und<br />

wenn Sie dereinst frohen Mutes in Ihr<br />

Vaterland zurückkehren, dann mögen<br />

Sie gern der Zeiten gedenken, die Sie<br />

bei uns verlebt haben!‘‘<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

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Geschichte<br />

13


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Oberlausitzer<br />

Gartenfreuden in den letzten<br />

Gartenfest<br />

Sommertagen –<br />

A<br />

Erleben, Genießen, Kaufen: Vom 16. bis<br />

18. <strong>September</strong> wird der Park um das in<br />

Sachsen einmalig klassizistische Schloss<br />

Krobnitz erneut zum Schauplatz des<br />

Oberlausitzer Gartenfestes. Pflanzen,<br />

Terrassenmöbel und Whirlpools sind nur<br />

einige Höhepunkte der Ausstellung, die<br />

ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm<br />

für Jung und Alt begleitet. Der<br />

Herbst kann kommen: Kurz vor Beginn<br />

der buntesten aller Jahreszeiten macht<br />

die Gartenkönig-Reihe zum Abschluss<br />

der Saison in Krobnitz halt. „Wir hoffen in<br />

diesem durchwachsenen Sommer natürlich<br />

auf gutes Wetter“, sagt André König,<br />

Geschäftsführer der ARCOS GmbH aus<br />

Suhl, die das Lausitzer Gartenfest seit<br />

2013 in Kooperation mit dem Schlösserland<br />

Sachsen veranstaltet. „Das Wetter<br />

hat noch einiges wiedergutzumachen.<br />

Doch natürlich bietet das Gartenfest in<br />

Krobnitz traditionell ein Angebot, mit dem<br />

sich alle Gartenfreunde auf den Herbst<br />

vorbereiten können“, erklärt König.<br />

Schließlich beginnt im Oktober die beste<br />

Pflanzzeit etwa für Stauden und Gehölze<br />

– die Pflanzenauswahl beim Oberlausitzer<br />

Gartenfest trägt dem Rechnung und<br />

umfasst Zier-, Nadel- und Laubhölzer sowie<br />

Magnolien, Azaleen, Rosen und Balkonpflanzen.<br />

Daneben werden die etwa<br />

60 erwarteten Aussteller vieles dabei<br />

haben, was eine herbstliche Gartendekoration<br />

verlangt: Accessoires für Haus<br />

und Garten von Gartenstecker und Windspielen<br />

bis zu Pflanzkörben. Außerdem<br />

lässt sich im Herbst gut planen, welche<br />

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14 Ausblick


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Schloss<br />

4. Oberlausitzer<br />

Krobnitz<br />

Gartenfest<br />

Veränderungen im Frühjahr umgesetzt<br />

werden sollen. Rustikale und elegante<br />

Gartenmöbel, Infrarotkabinen und Whirlpools<br />

bieten dabei genauso Anschauung<br />

wie Gartenlauben und Gewächshäuser.<br />

Eine Auswahl an Schmuck, Accessoires<br />

und kulinarischen Spezialitäten wie Käse<br />

und Wein runden das Angebot ab.<br />

Begleitet wird das Fest von einem wissensgeladenen<br />

Rahmenprogramm, das<br />

ab Samstag auf volle Touren kommt:<br />

Während „Waldgeist“ und Gästeführer<br />

Steffen Günther eindrücklich alte Sagen<br />

nacherzählt und seinen Zuhörern<br />

viel Spannendes über Wälder berichten<br />

kann, kommen Laien und erfahrene<br />

Gärtner bei den Vorträgen des Experten<br />

Jens Zappe vom Rosengarten Dresden<br />

auf ihre Kosten. „Musik zum Klatschen,<br />

Stampfen, Hüpfen, Wippen“ lautet indes<br />

ein Motto des Kinderliedermachers „Biber“<br />

alias Gerhard Dier, der ebenfalls am<br />

Samstag und Sonntag selbstkomponierte<br />

Lieder und allerlei Spiele in petto hat. Für<br />

die Großen wiederum sind ab Samstagvormittag<br />

Klassiker des Rock und Pop die<br />

festliche Untermalung für das letzte Gartenfest<br />

des Jahres.<br />

Am Freitag kommen ab 19.30 Uhr zudem<br />

in echter Open-Air-Atmosphäre alle Fans<br />

des IrishFolk auf ihre Kosten, wenn wie<br />

in den Vorjahren die „SeldomSober Company“<br />

aufspielt. Alle zahlenden Tagesbesucher<br />

des Gartenfestes am Freitag sind<br />

hierzu herzlich eingeladen. Für alle anderen<br />

Gäste öffnet die Abendkasse um<br />

18:00 Uhr, der Eintritt beträgt 15 Euro.<br />

Oberlausitzer Gartenfest Schloss Krobnitz <strong>2016</strong><br />

Eintritt:<br />

6 Euro pro Person und Tag<br />

5 Euro für Schüler, Studenten und<br />

Schwerbehinderte<br />

Kinder bis 12 Jahre in Begleitung Erwachsener<br />

frei<br />

Öffnungszeiten:<br />

Freitag 13.00 bis 19.00 Uhr<br />

Samstag & Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Einlass jeweils bis 60 Minuten vor Ausstellungsende.<br />

- Hunde sind angeleint herzlich willkommen.<br />

- Kostenlos: Bollerwagenverleih und Depotservice<br />

zum Transport und zur Aufbewahrung Ihrer<br />

Einkäufe.<br />

- ec-cash-Service vor Ort<br />

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Ausblick<br />

15


Portikus<br />

Vor 200 Jahren in<br />

im<br />

Görlitz<br />

Stadtpark<br />

–<br />

Auf Görlitzer Ansichtskarten wurde das<br />

merkwürdige Bauwerk in aller Welt bekannt.<br />

Banausen nannten es eine Theaterkulisse<br />

zum „Raub der Sabinerinnen“,<br />

Schwärmer verglichen es - unglaublich!<br />

- mit dem Brandenburger Tor in Berlin.<br />

So oder so blieb der „Portikus“ ein unverwechselbares<br />

und unentbehrliches Markenzeichen<br />

für die preußischen Jahrzehnte<br />

der Stadtgeschichte zwischen 1815 und<br />

1945. Für den Spaziergänger, der von der<br />

Friedrich-Wilhelm-Straße die Promenade<br />

betrat, um am Ständehaus vorüber zum<br />

Blockhaus zu flanieren, war das helle Säulentor<br />

eine Art Eingang zum Stadtpark.<br />

Irgendwie gaben sich die meisten dem<br />

Glauben hin, das Bauwerk müsse schon<br />

zu Urväters Zeiten dort gestanden haben.<br />

Dabei läßt sich seine Geschichte leicht<br />

überschauen. Der Geburtstag des Portikus<br />

fiel auf den Tag genau zusammen<br />

mit der Erbhuldigung der Stadt Görlitz<br />

an den neuen preußischen Landesherrn,<br />

nachdem die östliche Oberlausitz durch<br />

den Wiener Kongreß 1815 von Sachsen<br />

abgetrennt und an die Siegermacht Preußen<br />

übergeben worden war. Es war der 3.<br />

August 1815. Theodor Neumann lieferte<br />

1850 in seiner „Geschichte von Görlitz“ auf<br />

der Grundlage zeitgenössischer Quellen<br />

eine genaue Beschreibung: „Vor der Treppe<br />

des Salzhauses nach der Brüderstraße<br />

zu war am 2. August ein Tempel errichtet<br />

worden, worin auf einem mit Blumen-<br />

Gewinden verzierten Altare die von den<br />

Gebrüdern Wichmann in Berlin verfertigte<br />

Büste des Königs von Preußen aufgestellt<br />

war. Die vordere Seite dieses Altares<br />

enthielt die Inschrift, Fridericus Wilhelmus<br />

III“, auf der rechten „Liebe gründet“, auf<br />

der linken Seite ,des Volkes Treue‘. Oben<br />

war der Adler, in einem Fange einen Palmenzweig,<br />

im andern einen Lorbeerkranz<br />

haltend, angebracht und in der Mitte des<br />

Gebälkes zwischen zwei Lorbeerkränzen<br />

der Satz ,Dem edlen Könige von Preußen/<br />

Ehrfurcht, Liebe, Gehorsam, Treue/Die<br />

Stadt Görlitz“. Auf vier Stufen gelangte<br />

man zu vier Säulen, welche das Haupt-<br />

Gebälke trugen. lm Schlußsteine des Portals<br />

war der verschlungene Namenszug<br />

in Blumen angebracht und darüber ein<br />

Lorbeerkranz. Auf der Spitze des Frontons<br />

befand sich die aufgehende Sonne mit<br />

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16<br />

Geschichte


Portikus im Stadtpark<br />

im Stadtpark<br />

Zeichnung Günter Hain, 1988<br />

der Krone in der Mitte. Schon von früh 7<br />

Uhr an war das Jäger-Korps der Bürgergarde<br />

mit ihrer Musik und Fahne als Ehrenwache...<br />

aufgestellt worden.“ Vor die-<br />

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Geschichte<br />

17


Portikus<br />

Vor 200 Jahren in<br />

im<br />

Görlitz<br />

Stadtpark<br />

–<br />

Promenade mit Portikus, Lithographie um 1865<br />

ser Kulisse spielte sich die Huldigungsfeier<br />

ab, die Tausende von Zuschauern erlebten.<br />

Die zeitweilige preußische Garnison<br />

und die Bürgergarde hatten das Geviert<br />

des Obermarktes zwischen Salzhaus und<br />

Brüdergasse in Paradeaufstellung umsäumt.<br />

Von den Stufen des Tempels aus<br />

hielt Stadtrichter Dr. Straphinus die Huldigungsrede,<br />

Hochrufe und Ehrensalven<br />

schlossen sich an. Bis zum nächsten Mor-<br />

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18<br />

Geschichte


Portikus im Stadtpark<br />

im Stadtpark<br />

gen wurde getafelt. Für die Honoratioren<br />

gab es 150 Gedecke im Rathause. Festessen<br />

und Bälle waren in sechs weiteren<br />

Sälen. „Abends“ so berichtete Neumann,<br />

„veranstalteten die Schüler der höheren<br />

Klassen des Gym- nasiums einen Aufzug<br />

mit Fackeln zu dem prachtvoll erleuchteten<br />

Tempel, sie brachten dem Könige ein<br />

Hoch und sangen, die Fackeln vor dem<br />

Tempel auf einen Haufen werfend, das<br />

Lied ,Gaudeamus igıtur`.“ Die frischgebackenen<br />

preußischen Untertanen fanden<br />

den Ehrentempel für ihren neuen Landesherrn<br />

so ausnehmend schön, daß sie ihn<br />

ein Jahr darauf am Geburtstage Friedrich<br />

Wilhelms III., also am 3. August 1816, vor<br />

dem Webertore bei den Stadtscheunen<br />

aufstellen ließen. Allerdings nagten Wind<br />

und Wetter respektlos an dem vaterländischen<br />

Provisorium. Rundum entstand<br />

der Stadtpark, säumten Lindenalleen die<br />

früheren Feldwege zu den Viehweiden:<br />

Lindenweg, Schützenweg, Promenade.<br />

Stadtbaurat Weinhold entwarf einen<br />

schlichteren, aber größeren Neubau. (Das<br />

Entwurfsblatt ist heute im Graphischen<br />

Kabinett der Städtischen Kunstsammlungen<br />

zu besichtigen.) Das mittlerweile vergammelte<br />

Schmuckstück von 1815 verschwand,<br />

und man darf wohl mit Recht<br />

annehmen, daß es die preußischen Vorväter<br />

mindestens noch als Brennholz nutzten.<br />

1844 war der neue Portikus fertig,<br />

wie sein Vorgänger aus - Holz, also nicht<br />

für die Ewigkeit gedacht, denn neue Huldigungen<br />

konnten möglicherweise neue<br />

Tempelkosten verursachen. In dieser<br />

Form blieb der Portikus ein rundes Jahrhundert<br />

lang stehen, was für die Widerstandsfähigkeit<br />

einheimischer Hölzer und<br />

Farbanstriche spricht. Das schmucklose,<br />

klassisch schlichte und leuchtend helle<br />

Tor bot einen angenehmen Kontrast zum<br />

dunklen Grün der alten Bäume ringsum.<br />

Es stand quer über der Straße, wo die<br />

Schützenstraße in die Promenade einmündete,<br />

doch fuhr man „im Gegensatz<br />

zum Berliner Vorbild“ - nicht hindurch. Für<br />

hochrangige Gäste der Stadt, die im Ständehaus<br />

residierten, blieb es eine festliche<br />

Kulisse, etwa für Kaiser Wilhelm I. für Zar<br />

Nikolaus ll. von Rußland, für König Albert<br />

von Sachsen oder für Kaiser Wilhelm II..<br />

Weit vertrauter war der Portikus den Gör-<br />

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Geschichte<br />

19


Portikus<br />

Vor 200 Jahren in<br />

im<br />

Görlitz<br />

Stadtpark<br />

–<br />

Lithographie von Sommerschuh um 1845 (Ausschnitt)<br />

litzer Spaziergängern, die in den Abendstunden<br />

oder am Wochenende hier vorüberzogen,<br />

um in der Stadthalle Konzerte<br />

oder Sportwettkämpfe zu erleben oder<br />

einfach die Alltagssorgen abzuschütteln.<br />

Arbeiterkinder aus der Altstadt fanden<br />

rund um den Säulenbau ihr bescheidenes<br />

Ferienparadies, wenn der Parkwächter<br />

ein Auge zudrückte. Und vor allem war<br />

hier ein herrlicher Treffpunkt für junge<br />

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20 Geschichte


Portikus im Stadtpark<br />

im Stadtpark<br />

Ansichtskarte um 1905<br />

Liebespaare. Wenn bei den Heimatfesten<br />

weißes Scheinwerferlicht auf den Portikus<br />

fiel, schwebte er wie ein Traumschloß im<br />

Dunkel des Parks. Erst nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg, als wir schlimm froren, verkrümelte<br />

sich der Holzbau unversehens, und<br />

Teilchen für Teilchen kam in die lauwarmen<br />

Öfen der - kriegsbedingt - über 100000<br />

Einwohner. Auch dieses stille Sterben des<br />

Preußensymbols war auf seine Art echt<br />

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Geschichte<br />

21


Portikus<br />

Vor 200 Jahren in<br />

im<br />

Görlitz<br />

Stadtpark<br />

–<br />

Portikus im Scheinwerferlicht 1938<br />

preußisch - ohne Jammern und mit Sinn<br />

fürs Praktische. Wenn heute ab und zu<br />

vom widersprüchlichen preußischen Erbe<br />

der Stadtgeschichte die Rede ist, dann<br />

darf man den ehemaligen Portikus zu jenen<br />

freundlichen Harmlosigkeiten zählen,<br />

die zuweilen der Erinnerung wert sind.<br />

Dr. Ernst Kretzschmar<br />

Aus: Allerlei aus Alt-Görlitz, 1988<br />

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22<br />

Geschichte


Camera obscura<br />

obscura<br />

auf der Landeskrone Görlitz<br />

Während die Camera obscura auf dem<br />

Berg „Oybin“ des Zittauer Gebirges seit<br />

Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad<br />

besitzt und sich als touristische Attraktion<br />

großer Beliebtheit erfreut, dürfte<br />

nur wenigen bekannt sein, dass sich auf<br />

dem Hausberg von Görlitz, der Landeskrone,<br />

ebenfalls eine „camera obscura“<br />

befand.<br />

Bei einer Camera obscura handelt es<br />

sich nicht etwa um eine „versteckte Kamera“,<br />

sondern um eine dunkle Kammer<br />

(obscur lateinisch: dunkel, verborgen,<br />

auch geheimnisvoll). Einfach beschrieben,<br />

handelt es sich um einen dunklen<br />

Raum, welcher im Dach eine kleine<br />

Öffnung besitzt, durch die ein „Spiegel-<br />

Linsensystem“ die Bilder der Umgebung<br />

sehen lässt, allerdings seitenverkehrt<br />

und auf dem Kopf stehend. Bis in die<br />

Gegenwart muss die Camera obscura<br />

mitunter für schulische Erklärungsversuche<br />

optischer und fotografischer Zusammenhänge<br />

herhalten. Bereits in der<br />

Antike waren die technischen Prinzipien<br />

einer „Lochkamera“ zur Herstellung von<br />

Bildern mit einer linearen Perspektive<br />

auf Gemälden, Zeichnungen und Karten,<br />

auch für tektonische Umsetzungen<br />

und später für Fotografien bekannt. Übrigens<br />

arbeitete bereits „Canaletto“ für<br />

seine Stadt- Ansichten von Dresden, Pirna,<br />

Warschau u. a. mit dieser Methode.<br />

Auch andernorts existierten begehbare<br />

camerae obscurae, wobei die meisten<br />

jüngeren Baudatums sind, beispielsweise<br />

in Deutschland Augsburg (2012),<br />

Hainichen b. Freiberg (1883, erneuert<br />

1985), Mülheim-Ruhr (1992), Stade<br />

(1992), ferner in Ingolstadt, Hamburg,<br />

Harburg, Dresden (Technische Sammlungen<br />

der Stadt). Nahezu durch alle<br />

Kontinente, einem „Siegeszug“ gleich,<br />

sind ebenfalls Standorte für solche<br />

„Sehmaschinen“ anzutreffen. Die Camera<br />

obscura auf dem Berg Oybin wurde<br />

im Jahre 1852 vom ortsansässigen Uhrmacher<br />

Weber unweit des „Kaiserbetts“,<br />

einer markanten Felsformation, erbaut<br />

und bis zum Jahre 1965 in Familienbetrieb<br />

verwaltet. In den darauf folgenden<br />

Jahren, dem Verfall und Vandalismus<br />

zum Opfer gefallen, wurde das Gebäude<br />

im Jahre 1973 abgerissen. Nachdem<br />

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Geschichte<br />

23


Camera obscura<br />

obscura<br />

auf der Landeskrone Görlitz –<br />

Camera obscura auf der Landeskrone, um 1900<br />

1980 mit dem Wiederaufbau begonnen<br />

wurde, konnte bereits nach 4-monatiger<br />

Bauzeit unter der Leitung des Dr.-lng.<br />

Siegfried lllgen und mit tatkräftiger Unterstützung<br />

durch Studenten der Ingenieurschule<br />

für Elektronik und Informationsverarbeitung<br />

Görlitz die Anfertigung<br />

und Lieferung des Linsensystems durch<br />

das Kombinat „Feinoptische Werke Görlitz“<br />

(1981-1983) erfolgen, nunmehr<br />

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24<br />

Geschichte


Camera<br />

heute kaum noch<br />

obscura<br />

bekannt<br />

Camera Obscura auf dem Berg Oybin bei Zittau<br />

auch mit einem Rundblick von 360°. Als<br />

Projektionswand dient seitdem das leicht<br />

gewölbte Dach eines Trabant-Autos,<br />

nunmehr sozusagen als ein ”weltweites<br />

Alleinstellungs-Merkmal“. Seit der Wiedereröffnung<br />

am 31.8.1983 liegen die<br />

Betreibung, Pflege, Organisation von<br />

Führungen, technischen Demonstrationen,<br />

geprägt durch Sachkenntnis und<br />

persönliches Engagement, dankens-<br />

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Geschichte<br />

25


Camera obscura<br />

obscura<br />

auf der Landeskrone Görlitz –<br />

Blick auf die Projektionswand “Trabant-Dach” mittels Camera obscura auf Zittau im Dunst<br />

werterweise in den Händen von Herrn<br />

Dr.-lng. lllgen und seiner Familie. Liebevoll<br />

wird die Camera obscura nicht nur<br />

von den Einwohnern Oybins als „Erster<br />

Farbfernseher aus dem „ Mittelalter“ bezeichnet.<br />

Leider ist über die Dauer und das Betreiben<br />

sowie das weitere Schicksal der<br />

Camera obscura auf der Landeskrone in<br />

Görlitz nur sehr wenig überliefert, ledig-<br />

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26 Geschichte


Camera<br />

heute kaum noch<br />

obscura<br />

bekannt<br />

lich eine Information darüber, dass im<br />

Jahre 1881 eine solche Camera in Betrieb<br />

genommen wurde. „Ein herrlicher<br />

Standort sollte für den beschwerlichen<br />

Aufstieg entschädigen“. Zudem richtete<br />

man bereits 1889, einer zunehmenden<br />

Beliebtheit Rechnung tragend, eigens<br />

eine „Pferdebus- Linie“ ein! Der damalige<br />

Standort der Camera obscura dürfte<br />

unterhalb des 1796 errichteten „Kleinen<br />

Aussichtsturmes” gelegen haben, welcher<br />

sich ca. 170 Meter vom Nordgipfel<br />

(Höhe 419,5 Meter) befand. Auf diesem<br />

Plateau soll sich vorher der sogenannte<br />

„Meier-Hof“ (bereits im Jahre <strong>158</strong>6 abgerissen)<br />

befunden haben. Heute befinden<br />

sich auf dem Berg ein Hotel mit<br />

Gaststättenbetrieb sowie ein begehbarer<br />

Aussichtsturm mit Blick auf Görlitz<br />

und Umgebung. Bild und Bericht mögen<br />

dazu beitragen, die Camera obscura auf<br />

der Landeskrone nicht ganz in Vergessenheit<br />

geraten zu lassen.<br />

Dr. Bernhard Wolf,<br />

Schöpstal Luftaufnahme Landeskrone um 1930,<br />

bereits ohne Camera obscura (vorn links)<br />

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Geschichte<br />

27


20 Jahre Walkowiak & Brendle –<br />

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A<br />

Die Geschichte des Görlitzer <strong>StadtBILD</strong>es<br />

ist eng mit der Historie des Dachdeckermeisterbetriebes<br />

Walkowiak & Brendle<br />

verbunden.<br />

Bereits in der ersten Ausgabe wurde das<br />

Projekt <strong>StadtBILD</strong> im Februar 2000 von<br />

den Dachprofis für die Region mit einer<br />

ganzseitigen Inseration unterstützt. Und<br />

diese Treue hält bis heute, dafür möchten<br />

wir uns als Team des <strong>StadtBILD</strong>es bedanken<br />

und wünschen dem Unternehmen für<br />

die Zukunft das Beste.<br />

Eine der ersten Schieferarbeiten, 1998<br />

Am 1. <strong>September</strong> 1996 wurde die Firma<br />

Walkowiak & Brendle als GbR gegründet.<br />

Die Anfänge waren schwer, aber um so<br />

erstaunlicher ist es, in welchem kurzen<br />

Zeitraum sich die Firma auf dem Markt<br />

etablierte. Die Auftragsbearbeitung und<br />

die Buchhaltung wurden in den ersten<br />

Jahren noch von zu Hause abgewickelt.<br />

Ihren wahren Stellenwert in der Görlitzer<br />

Baulandschaft erreichte die GbR Anfang<br />

Juli 1999 mit dem Einzug in ihr in Eigeniniative<br />

saniertes Firmendomizil an der<br />

Reicherbacher Straße 95.<br />

Seitdem ist in den hellen, sanierten Büroräumen<br />

eine optimale Kundenbetreuung<br />

direkt vom Standort Görlitz möglich.<br />

Außerdem bietet das Gelände Ausstellungsflächen<br />

für verschiedenste Baumaterialien.<br />

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28 Geschichte


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Walkowiak<br />

Ihr Dachprofi für die Region.<br />

& Brendle<br />

Mitarbeiter bei der Arbeit<br />

Im Dezember 2001 schrieben wir in der<br />

Ausgabe 12 des <strong>StadtBILD</strong>es: „Zahlreiche<br />

Häuser in und um Görlitz zeugen vom<br />

Handwerk der nun schon 20 Mitarbeiter,<br />

die sich auf Dachdeckerarbeiten, Dachspenglerarbeiten,<br />

Zimmermannsarbeiten<br />

und vor allem kunstvolle Schieferarbeiten<br />

spezialisiert haben.“<br />

In diesem Jahr erfolgte auch die neue<br />

Firmierung in die OHG, die aber nur kurze<br />

Zeit bestand und dann in die heutige<br />

Rechtsform der Walkowiak & Brendle<br />

GmbH überging. Weiterhin schrieben wir<br />

damals: „Besonders eindrucksvoll ist von<br />

der ARAL-Tankstelle das Schlesienwappen<br />

und das Görlitz-Wappen zu sehen,<br />

und dies zeigt, welche imposanten Gestaltungsmöglichkeiten<br />

mit der Schiefer-<br />

Faserzementplattentechnik gegeben sind.<br />

Gerade dort kann man auch die persönliche<br />

Note des Unternehmens, die kunstvolle<br />

Einarbeitung von Motiven im Schie-<br />

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Geschichte<br />

29


20 Jahre Walkowiak & Brendle –<br />

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A<br />

Schlesienadler als kunstvolle Schieferarbeit an der Reichenbacher Str. 95<br />

ferstil, begutachten.“<br />

Die Philosophie der beiden Gründer Francois<br />

Walkowiak und Torsten Brendle war<br />

es von Anfang an, „Ihr Dachprofi für die<br />

Region“ zu sein. Dies bedeutet eine tagtäglich<br />

neue Herausforderung.<br />

Ständig wurden die Mitarbeiter qualifiziert<br />

und geschult, damit auch neueste und<br />

modernste Technologien umgesetzt werden<br />

können.<br />

Die logische Folge war eine Vergrößerung<br />

der Leistungspalette, die heute auch Solartechnik<br />

und Teichbau mit umfasst, aber<br />

auch Blitzschutz und Schornsteinkopfsanierung<br />

stehen mit in ihrer Agenda.<br />

Das Kerngeschäft ist aber auch heute<br />

noch das Dach, von der kleinen Dachreparatur<br />

bis hin zur Umdeckung aller Dach-<br />

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30<br />

Geschichte


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Walkowiak<br />

Ihr Dachprofi für die Region.<br />

& Brendle<br />

Fahrzeugfuhrpark 2013 an der Reichenbacher Str. 95<br />

formen mit den vielfältigsten Materialien<br />

wie Dachziegeln in allen Variationen, Betondachsteinen,<br />

Schiefer usw. Gartenlaube,<br />

Villa, Bürohaus oder Industriegebäude<br />

... kein Dach ist der Firma zu klein oder<br />

zu groß.<br />

Es werden jede Art von Dachform - vom<br />

Steil- bis zum Flachdach - mit dem gewünschten<br />

Eindeckungsmaterial gedeckt.<br />

Maßgeschneiderte Kundenlösungen sind<br />

die Spezialität der Walkowiak & Brendle<br />

GmbH.<br />

Ob Betondachsteine, Tonziegel, Schiefer<br />

oder Metall - alles wird perfekt und fachgerecht<br />

eindeckt.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt des Unternehmens<br />

sind Flachdächer, sei es im industriellen<br />

oder privaten Bereich. Sie stellen<br />

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Geschichte<br />

31


A<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

info@walkowiak-brendle.de • www.walkowiak-brendle.de


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Walkowiak<br />

Ihr Dachprofi für die Region.<br />

& Brendle<br />

hohe Anforderungen an Abdichtungssysteme<br />

und Dämmung und sind heute weitaus<br />

besser als ihr Ruf. Bei fachgerechter<br />

Planung, Ausführung und Wartung können<br />

sie sogar die Lebensdauer des Gebäudes<br />

übertreffen. Für die Abdichtung<br />

von Dächern, die ständig und zuverlässig<br />

Schutz gegen alle Witterungseinflüsse<br />

bieten müssen, ist hohe Fachkompetenz<br />

und beste Qualität in jeder Phase der Bauausführung<br />

erforderlich.<br />

Das Flachdach ist nach der Außenwand<br />

in der Baustatistik die zweitgrößte Schadensgruppe.<br />

Diese Tatsache sollte jedoch<br />

nicht zu falschen Rückschlüssen führen,<br />

denn wer auf Billigangebote zurückgreift,<br />

darf sich über teure Folgeschäden<br />

nicht wundern. Allein durch den Einsatz<br />

hochwertiger Materialien kann man die<br />

Lebensdauer erhöhen und die Schadenanfälligkeit<br />

minimieren. Deshalb sind die<br />

Beratung und die Planung, als auch die<br />

richtige Wahl der Abdichtung maßgebend<br />

für die Haltbarkeit des Daches.<br />

Schweißbahnen, Dämmstoffe und Oberflächenbeläge<br />

werden fachgerecht nach<br />

Kundenwunsch und erfolgter Beratung<br />

eingebaut.<br />

Eine weitere Spezialität der Firma ist der<br />

First-und Dachschmuck. Dieser gehört als<br />

spielerische oder symbolhafte Ergänzung<br />

zur Tradition des Ziegeldaches. Aus gutem<br />

Ton, von Hand liebevoll geformt, macht<br />

der Schmuck jedes Dach sehr individuell,<br />

da diesem Schmuck eine die unter ihm<br />

lebenden Menschen beschützende bzw.<br />

Glück bringende Bedeutung zugeschrieben<br />

wird.<br />

Die Bedeutung der Firstfiguren ist seit unseren<br />

Vorfahren dieselbe. Die Firste vieler<br />

Bauernhäuser zieren noch heute nachgebildete<br />

Pferdeköpfe. Sie galten früher<br />

als Abwehrzauber und symbolisieren die<br />

Freude des Christen über den endgültigen<br />

Sieg über die Dunkelheit. Der Hahn<br />

wiederum steht für Wachsamkeit gegen<br />

Feuer und das Böse, aber auch gegen<br />

Lüge und Verleumdung. Diese Symbolik<br />

stammt aus der Bibel und erinnert an<br />

Petri Verleugnung Christi vor dem ersten<br />

Hahnenschrei.<br />

Der Überlieferung nach beendet der Hahn<br />

mit seinem Ruf auch die Herrschaft der<br />

nächtlichen Dämonen. Genauso ist er<br />

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Geschichte<br />

33


20 Jahre Walkowiak & Brendle –<br />

Anzeige<br />

A<br />

So schön können Dächer sein...ein Beispiel von vielen<br />

wohl wegen seiner Rolle im Hühnerhof<br />

ein Zeichen von Männlichkeit und Sinnlichkeit.<br />

Aber auch schlichtere Figuren können das<br />

Dach schmücken: Pinienzapfen, Rosetten,<br />

Kreuze, Kugeln oder Spitzen vollenden<br />

das vollkeramische Dach. So wird es zu<br />

einem individuellen Schmuckstück.<br />

Aber auch Holzbauarbeiten wie komplette<br />

Dachstühle, die Sanierung von alten<br />

Holzstühlen, das Herstellen und der Einbau<br />

von Holztreppen, Carports und vieles<br />

mehr zählt zum Leistungsspektrum der<br />

Firma. Eine Spezialität von Walkowiak &<br />

Brendle sind die Schieferarbeiten.<br />

Die Materie des Schiefers ist außergewöhnlich<br />

vielschichtig. Im Zusammenhang<br />

von Gesteinsqualität, richtiger Zurich-<br />

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34<br />

Geschichte


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Walkowiak<br />

Ihr Dachprofi für die Region.<br />

& Brendle<br />

tung des Decksteins und Verlegetechnik<br />

ist die Technologie nur vom Spezialisten<br />

zu beherrschen, der sich in der Materie<br />

auskennen und sein Handwerk perfekt<br />

beherrschen muß. Schieferkauf und –<br />

verarbeitung sind somit Vertrauenssache,<br />

wobei der jeweilige Dachdecker aufgefordert<br />

ist, das in ihn gesetzte Vertrauen zu<br />

rechtfertigen.<br />

Dieses natürliche Material läßt sich auf<br />

dem Dach und an der Fassade in vielen<br />

Variationen verarbeiten. Eine Gestaltung<br />

von Flächen mit verschiedenen Decksteinen<br />

und Farben ist möglich. An der Fassade<br />

sind die Möglichkeiten fast grenzenlos:<br />

von normalen Strukturen bis zur bildlichen<br />

Darstellung.<br />

Der traditionelle Beruf des Dachdeckers<br />

beinhaltet sämtliche Schieferverarbeitung<br />

für Dächer und Fassaden. Seine lebendige<br />

Struktur und der natürliche Glanz geben<br />

jedem Dach und jeder Fassade ihre unverwechselbare<br />

Eleganz und Schönheit.<br />

Die Vielfalt der Deckarten unterstreicht<br />

den ausdrucksvollen Charakter einer<br />

Schieferdeckung. Aber auch an die Zukunft<br />

ist gedacht. Die Umwandlung von<br />

Sonnenenergie in elektrischen Strom auf<br />

dem Dach mittels Photovoltaik vernichtet<br />

keine Ressourcen und hinterläßt keine gefährlichen<br />

Rückstände.<br />

Photovoltaik-Anlagen haben zudem noch<br />

weitere Vorteile. Im Vergleich zu Windoder<br />

Wasserkraftanlagen sind sie mit<br />

wenig Aufwand und ohne Eingriffe in<br />

das Landschaftsbild zu installieren - und<br />

zwar genau da, wo der Strom verbraucht<br />

wird: im eigenen Haus. Eine Solaranlage<br />

eignet sich aber auch z. B. zum dauerhaften<br />

Beheizen von Schwimmbädern oder<br />

Gewächshäusern als eine kostengünstige<br />

und umweltschonende Alternative zu herkömmlichen<br />

Heizsystemen.<br />

Das Leistungsspektrum der Walkowiak &<br />

Brendle GmbH ist so vielfältig, dass Sie<br />

sich selbst überzeugen sollten.<br />

Wir wünschen der gesamten Firma alles<br />

Gute für die nächsten Jahre und danken<br />

für eine nun schon fast 17jährige Partnerschaft.<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

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Geschichte<br />

35


Schätze des Ratsarchivs<br />

des Ratsarchivs<br />

–<br />

Der 8. März ist der Tag, an dem Mann<br />

ganz bewusst den Frauen in besonderer<br />

Weise huldigen sollte. Dies soll nun meinerseits<br />

mit Hilfe einiger Schätze aus dem<br />

Ratsarchiv erfolgen. Der amerikanische<br />

Historiker David Landes sieht in der Beteiligung<br />

der Frauen am Berufsleben ein<br />

wichtiges kulturelles Kriterium, einen Indikator<br />

für die Innovationskraft einer Gesellschaft.<br />

Denn die Frauen bilden 50% des<br />

intellektuellen Potentials eines Staates.<br />

Kulturell oder religiös beschränkte Möglichkeiten<br />

zur Erlangung von Bildung und<br />

der Teilnahme am Berufsleben führten<br />

stets zu Rückständigkeit und zum Verlust<br />

an ökonomischer Dynamik. Aber auch in<br />

der Görlitzer Geschichte war es ein langer<br />

Weg, ehe Frauen selbstverständlich<br />

eine zeitgemäße Bildung erhielten. Die<br />

erste reguläre Schule für Mädchen entstand<br />

durch eine Stiftung der wohl vom<br />

Pietismus und der Aufklärungspädagogik<br />

Pestalozzis beeinflussten Christiane Luise<br />

von Gersdorff. Bis zum Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts besuchten Mädchen in Görlitz<br />

eine der vier „Deutschen und Mägdlein<br />

– Schulen“. Deren Besuch begann im<br />

Alter von vier oder fünf Jahren und endete<br />

meist mit dem Erreichen des 13. oder 14.<br />

Lebensjahres. Höhere Bildung blieb ihnen<br />

versagt, wie es dem damals herrschenden<br />

Frauenbild entsprach. Noch 1786 schrieb<br />

der Pädagoge Heinrich Campe: „Käme<br />

ein Mondbürger herab auf unsere Erde,<br />

so würde das traurige Resultat seiner Beobachtung<br />

ungefähr folgendes sein: Was<br />

das weibliche Geschlecht, besonders in<br />

den gesitteten Ständen, betrifft, so scheint<br />

es den Staaten gleichviel zu sein, ob Menschen<br />

oder Meerkatzen daraus werden, so<br />

wenig kümmern sie sich darum.“ Christiane<br />

Luise von Gersdorff und nicht etwa<br />

der Görlitzer Rat ergriff die Initiative, um<br />

diesen Missstand zu beenden. In ihrem<br />

Testament stiftete sie 3000 Taler, deren<br />

Zinsen dazu angewendet werden sollten,<br />

daß junge „Frauenzimmer von adligem<br />

und bürgerlichem Stande, vom 9. bis<br />

16. Jahre, durch ein christliches und geschicktes<br />

Frauenzimmer oder Französin<br />

in weiblichen Arbeiten und guter, wohlanständiger<br />

Lebensart, hienächst zu gewissen<br />

Stunden im Christentum und anderen<br />

für sie schicklichen Wissenschaften als der<br />

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36<br />

Geschichte


Schätze<br />

Wer mag schon<br />

des<br />

eine Meerkatze<br />

Ratsarchivs<br />

im Haushalt?<br />

Fischmarkt mit ehemaliger Mädchen-Bürgerschule, um 1905<br />

französischen Sprache, der Moral, Historie,<br />

Geographie, Rechnen und Schreiben,<br />

durch hierzu bestellte Personen gegen<br />

Erlegung eines mäßigen Geldbetrages …<br />

Anweisung erhalten sollen.“ Die Schule<br />

entwickelte sich zu Beginn unter schwierigen<br />

Bedingungen. Denn die meisten Adligen<br />

und reichen Bürger hatten wenig Sinn<br />

für die moderne Bildung der Mädchen.<br />

Im Jahre 1797 besuchten sie nur 12 bis<br />

14 Mädchen, welche je 4 Taler Schulgeld<br />

zahlten. Sie absolvierten 37 Wochenstunden<br />

Unterricht. Davon entfielen 23 auf<br />

Handarbeiten, 6 auf Französisch, 2 auf Religion,<br />

aber lediglich 6 auf Schönschreiben,<br />

Rechnen, Geschichte und Geographie.<br />

Deutschunterricht stand nicht auf dem<br />

Lehrplan! Nun, es war ein Anfang. Noch<br />

bestand das allgemeine Bildungsziel darin,<br />

in einem wohlhabenden Haushalt die<br />

Hausfrau von „wohlanständiger Conduite<br />

(Benehmen)“ zu spielen. Sie sollte sich<br />

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Geschichte<br />

37


Schätze des Ratsarchivs<br />

des Ratsarchivs<br />

christlich tugendhaft und gesittet aufführen.<br />

Natürlich diente die Gattin auch der<br />

Repräsentation des erfolgreichen Hausherren.<br />

Nachdem die Schule wegen mangelnden<br />

Interesses und aus Geldmangel<br />

im Jahre 1802 geschlossen worden war,<br />

gelang dem engagierten Gymnasiallehrer<br />

Dr. Johann August Rösler im Jahre 1815<br />

die Wiedereröffnung. Besonders der Senator<br />

und Zolleinnehmer Staude, dessen<br />

Tochter Privatunterricht von Rösler erhielt,<br />

unterstützte ihn ungemein bei diesem Projekt.<br />

Am 6. Oktober konnte die Schule im<br />

Haus der Madame Großmann (Untermarkt<br />

5) eröffnet werden. Die 13 Schülerinnen<br />

wurden in zwei Klassen unterrichtet. Neben<br />

Rösler wirkten darin die Dresdner Erzieherin<br />

Louise von Clauer und der Schreibersdorfer<br />

(Kreis Lauban) Pädagoge Johann<br />

Gottfried Wagner. Jetzt waren Pädagogen<br />

tätig, die nun auch der deutschen Literatur<br />

und Sprache, den Naturwissenschaften,<br />

der Geographie und der Geschichte<br />

breiten Raum im Unterricht einräumten.<br />

Es ging nicht mehr allein um den reinen<br />

Nutzen des vermittelten Wissens für die<br />

zukünftige Hausfrau. Rösler wollte seinen<br />

Schülerinnen nicht nur Kenntnisse vermitteln,<br />

sondern auch die Fähigkeit, „richtig<br />

zu denken, zu urteilen und zu schließen.“<br />

Denn „besser ist es, wenn sich das edle<br />

Herz des verwahrlosten Kopfes nicht zu<br />

schämen braucht.“ Schon im Winter des<br />

Jahres 1815 entbrannten die Herzen Röslers<br />

und Louise von Clauers füreinander.<br />

Sie heirateten im Folgejahr, und die Schule<br />

fand ihren Platz in der 2. Etage seines<br />

Hauses Brüderstraße 14. Im Ratsarchiv<br />

wurde sein Tagebuch überliefert, welches<br />

genaue Nachrichten über den Schulalltag<br />

und die Geschichte der Mädchenbildung<br />

bis zum Jahre 1845 bietet. 1833 gründete<br />

der Magistrat eine städtische höhere Mädchenschule,<br />

die Schülerinnen aus allen<br />

Schichten offenstehen sollte. 1838 erbaute<br />

man für sie am Fischmarkt ein modernes<br />

Schulgebäude (heute Musikschule). 1851<br />

verschmolz jene mit der Gersdorffschen<br />

Anstalt. Zehn Jahre später baute man die<br />

Schule gar zu einem Lehrerinnenseminar<br />

aus. Der Grund für die höhere Bildung der<br />

Görlitzer Mädchen war gelegt.<br />

Siegfried Hoche<br />

Ratsarchivar<br />

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38<br />

Impressum:<br />

Herausgeber (V.i.S.d.P.):<br />

incaming media GmbH<br />

Geschäftsführer:<br />

Andreas Ch. de Morales Roque<br />

Carl-von-Ossietzky Str. 45<br />

02826 Görlitz<br />

Ruf: (03581) 87 87 87<br />

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Ausgabe: 15. <strong>September</strong> <strong>2016</strong><br />

Redaktionsschluss: 20. <strong>September</strong><br />

<strong>2016</strong><br />

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