Ausgabe Nr. 13 - Humboldtianer.de

den Mittelpunkt meiner Bemühungen
gestellt zu werden?
Elite
In wenigen Augenblicken erhalten Sie
Ihre Abiturzeugnisse. Damit gehören
Sie nun zu einer Elite. Dieses Wort Elite
scheint so gar nicht zu Ihrem Selbstverständnis
zu passen. Eliten, das ist richtig,
gründen sich auf Unterschiede.
Doch dieser Begriff ist all zu oft Missverständnissen
ausgesetzt. Unser Streben
nach Gerechtigkeit und Ausgleich
erzeugt die Abneigung, sich von anderen
zu unterscheiden. Eliten aber gründen
sich auf Unterschiede und all zu oft
auf Missverständnisse. Fest steht, wer
sich selbst lautstark dazu zählt, gehört
meistens nicht dazu. Und Gründe für ein
intuitives Misstrauen gegenüber jeglicher
Art von Elite – erst recht einer
selbst erwählten – liegen auf der Hand.
Elite – das klingt nach Privileg, Vorrecht,
unverdientem Reichtum. Die
Heftigkeit von Debatten um diesen
Begriff wird in Deutschland Ost wie
West gleichermaßen geführt. Doch wie
sollen Sie diesen Begriff, wenn Sie ihn
für sich akzeptieren, verstehen?
Über den Bankier Fürstenberg wird
folgende Geschichte erzählt: Als 1918
die Revolution ausbricht, verlangt sein
Chauffeur, von nun nicht mehr als Otto,
sondern als Herr Lehmann angesprochen
zu werden. Gut, Herr Lehmann,
antwortet der Bankier, dann bestehe ich
aber darauf, dass Sie in Zukunft zu mir
Karl und Du sagen, denn ein Unterschied
muss sein.
Herrn Lehmann, also des Fahrers Antwort,
ist nicht überliefert und unwahrscheinlich
ist auch, dass der Bankier
seinen Weg zur Villa zu Fuß antrat.
Beide, der Bankier und der Fahrer, können
für sich den Begriff Elite in Anspruch
nehmen. Der eine navigiert souverän
im Berliner Straßennetz. Er ist auf
Grund seiner besonderen und nachgewiesenen
Befähigung „auserwählt“ für
die Sicherheit verantwortlich zu sein.
Der andere trug wesentlich zur Entwicklung
des Berliner Geschäfts- und Industrielebens
bei. Sicher verfügte der Bankier
über eine Unmenge sozialen ökonomischen
und kulturellen Kapitals,
während der Fahrer Otto jeden Pfennig
zweimal umdrehen musste. Verständlich
sein Wunsch durch die Anrede symbolisch
aufgewertet zu werden. Doch der
Begriff der Elite, wenn er für beide
gelten soll, setzt voraus, dass Elitehandeln
nicht mit sozialem Status verbunden
ist. Das französische Wort „élite“
selbst hat keine soziale Affinität. Es
wird in einer Enzyklopädie erstmalig
1755 als Gütesiegel für etwas Erlesenes,
etwas Besonders, für ein Spitzenprodukt
besonderer Güte verwendet. Deshalb
kann Ihr Abiturzeugnis ein Gütesiegel
sein, welches den Unterschied macht.
Elitäres ist flüchtig, oder sagen wir es
abgewandelt mit Adorno: „Elite mag
man in Gottes Namen sein, niemals darf
man sich als solche zu wichtig nehmen,
vielleicht ist es nötig noch einmal daran
zu erinnern und in diesem Sinne zu
verdeutlichen, dass Elite nicht auf ein
Substantiv zurück geht, sondern auf ein
Verb, also eine Tätigkeit.“ Nur solange
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