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Working Paper - Institut für Politikwissenschaft - Technische ...

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leibt in jedem Fall, dass keynesianische Vorstellungen der Wirtschaftssteuerung und des Sozialstaats<br />

weitgehend irritationsfrei präsentiert werden, das heißt ohne Aufarbeitung der mit dem Keynesianismus<br />

verbundenen historischen Krisenerfahrungen sowie gegenwärtiger Analysen der Probleme keynesianischer<br />

Steuerung in einer postfordistischen Ökonomie, wie sie auch und gerade von Wissenschaftlern<br />

mit marxistischem Hintergrund formuliert werden (vgl. etwa Jessop 2002, Hirsch 2005). 7<br />

Folgte die PDS eher dem Prinzip „Sozialismus statt Programmatik“, so kann <strong>für</strong> die WASG vom Prinzip<br />

„Gerechtigkeit statt Sozialismus“ gesprochen werden. Da beide Programme letztlich keine kohärenten<br />

Konzepte beinhalten, kann man vermuten, dass die anlaufende Programmdebatte in der „Linken“ keine<br />

gravierenden Konflikte jenseits symbolischer Reizfragen hervorrufen wird. Bereits das Eckpunktepapier<br />

von 2007 präsentiert die salomonische Formel der „Zusammenführung von Grundideen alternativer<br />

Politik“ (vgl. Die Linke 2007: 2), die sie mit der Addition von WASG- und PDS-Ausgangspunkten<br />

zu verwirklichen können meint. 8 Obwohl gerade die Linkspartei auf „Politikalternativen“ drängt und<br />

damit Wahlen gewinnt, ist sie organisatorisch womöglich am wenigstens zur Formulierung solcher<br />

Alternativen in der Lage.<br />

Freilich war und ist auch die versöhnende Zusammenführung von Grundideen alternativer Politik nach<br />

dem Prinzip friedlicher Koexistenz immer wieder von Abgrenzungsbestrebungen gefährdet worden. Es<br />

kommt in dieser Situation auch auf symbolische Gesten und Rhetoriken des Führungspersonals an.<br />

Besonders hervorgetan hat sich im Hinblick hierauf immer wieder Oscar Lafontaine. Bereits beim<br />

Wahlparteitag im August 2005 gelang es ihm, den emotionalen Brückenschlag zwischen den Parteien<br />

durch eine Referenzerweisung gegenüber Hans Modrow, dem letzten von der SED gestellten Vorsitzenden<br />

des Ministerrates der DDR (Micus 2007: 217). Er forderte, die „Systemfrage“ zu stellen, ohne<br />

jedoch Ausstiegsoptionen aus dem gegenwärtigen System zu benennen. In einem ganzseitigen Artikel<br />

in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (9. Juli 2007, S. 7) bekannte sich Lafontaine schließlich zur<br />

Formel „Freiheit durch Sozialismus“ – womit er nicht nur versuchte, eine rhetorische Umdeutung des<br />

Freiheitsbegriffs vorzunehmen (die freilich im Einklang mit der Idee des „demokratischen Sozialismus“<br />

stand), sondern vor allem auch die gemeinsame Identität von WASG und PDS zu stärken und den Sozialismus-Begriff<br />

zu entstigmatisieren. Auch in der Außenpolitik spielt Lafontaine insofern eine zentrale<br />

Rolle, als er den anti-interventionistischen Grundkonsens der PDS vertritt, der in der WASG nicht<br />

unumstritten gewesen ist.<br />

Wie ist die bisher erkennbare programmatische Ausrichtung der neuen Linkspartei abschließend einzuschätzen?<br />

Hat „Die Linke“ die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfahrungen aus<br />

beiden deutschen Staaten angemessen analysiert und Konsequenzen aus dieser Analyse gezogen?<br />

Zweifel daran nährt zunächst die bereits erwähnte Unterlassung einer ernsthaften Auseinandersetzung<br />

mit den Krisensymptomen des Wohlfahrtsstaatsmodells der Nachkriegszeit und deren Ursachen. Ökonomische,<br />

fiskalische und politische Krisenphänomene dieses Modells resultierten teilweise aus einer<br />

Veränderung der Wirtschaftsform, teilweise aus hausgemachten Ursachen (vgl. Jessop 2002: 81-90).<br />

Die seit der Mitte der 1970er Jahre aufgetretenen Krisenphänomene, mit denen sich die Linkspartei<br />

7 Es lässt sich überhaupt bezweifeln, dass „soziale Gerechtigkeit“ als Begriff eines keynesianischen Steuerungsparadigmas<br />

verstanden werden kann, stellt dieses doch im Kern ein Konzept der Bewältigung kapitalistischer Krisen<br />

dar.<br />

8 „Der Kampf gegen den Abbau sozialer Rechte, <strong>für</strong> eine gerechte Verteilung der Arbeit in einer humanisierten<br />

Arbeitswelt und <strong>für</strong> einen erneuerten solidarischen Sozialstaat ist der im Gründungsprogramm formulierte Ausgangspunkt<br />

der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Die Linkspartei.PDS bring in Übereinstimmung<br />

damit ihr historisches Verständnis des demokratischen Sozialismus als Ziel, Weg und Wertesystem und als Einheit<br />

von Freiheits- und sozialen Grundrechten ein – niedergelegt in ihrem Chemnitzer Parteiprogramm“ (Die<br />

Linke 2007: 2).<br />

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