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Working Paper - Institut für Politikwissenschaft - Technische ...

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edingten vorgezogenen Bundestagswahl ein starker Kooperationsdruck aus. Die Öffnung der Liste der<br />

PDS <strong>für</strong> Mitglieder der WASG war die einzige Möglichkeit einer solchen Kooperation, mit der Folge,<br />

dass der „Eindruck einer bereits vereinigten Partei“ (Nachtwey/Spier 2007: 58) entstand. Auch die<br />

Modi der Parteienfinanzierung (Wahlkampfkostenerstattung) setzten Anreize <strong>für</strong> eine baldige Fusion,<br />

da die WASG ansonsten nicht vom Erfolg „ihrer“ Mandate profitieren hätte können.<br />

d) Schließlich muss das diese Situation in spezifischer Weise nutzende Akteurshandeln berücksichtigt<br />

werden. Die Gewerkschaften können hier als Schlüsselakteure aufgefasst werden. Im Zuge einer langjährigen<br />

Entfremdung von der Sozialdemokratischen Partei sei aufflammender Protest gegen die Modernisierungspolitik<br />

der Regierung Schröder von den Gewerkschaften toleriert oder sogar gefördert<br />

worden. Bei der Gründung der WASG spielten gut organisierte, über Kontaktnetzwerke und politische<br />

Erfahrung verfügende Gewerkschafter eine entscheidende Rolle. Die immer neuen Wahlniederlagen<br />

der SPD bei den Landtagswahlen 2003 und 2004 waren außerdem auch <strong>für</strong> SPD-Politiker ein Anlass,<br />

mit der neuen Partei links von der SPD zu liebäugeln.<br />

Wie ist dieses Argument der politischen Gelegenheitsstruktur und insbesondere das der Repräsentationslücke<br />

einzuschätzen? Ganz allgemein kann zunächst festgehalten werden, dass es wohl immer eine<br />

spezifische „Gelegenheitsstruktur“ geben muss, wenn Handlungsstrategien ein Erfolg beschieden ist,<br />

der ihnen üblicherweise versagt bleibt. Der interessante Punkt liegt eher in der Bedeutung bestimmter<br />

Momente einer solchen Struktur, ihrer Eindeutigkeit oder Offenheit im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen<br />

und die darauf gerichteten Versuche, Politik zu deuten. Politik ist immer ein Testen von<br />

Entscheidungen unter Bedingungen von Ungewissheit über kausale Zusammenhänge (Luhmann<br />

2000). Dabei spielen „frames“, also strategisch eingesetzte Deutungsangebote politischer Entscheidungen,<br />

und der Versuch ihrer Änderung („reframing“) eine wichtige Rolle (vgl. Rein/Schön 1993). Die<br />

Tatsache, dass das Erlangen von Regierungsämtern von geringen Verschiebungen in der prozentualen<br />

Verteilung von Stimmenanteilen und dies wiederum von Faktoren wie Wahlbeteiligung oder der antizipierten<br />

Wirkung von Sperrklauseln abhängen kann, macht zusätzlich deutlich, dass der strategischen<br />

Kalkulation entlang durchschaubarer Ursache-Wirkungs-Beziehungen prinzipielle Schranken gesetzt<br />

sind. Hinter dem wissenschaftlichen Konzept der „Gelegenheitsstruktur“ verbirgt sich die interessantere<br />

Frage, wie Erfolg der Linkspartei und Krise der SPD „erzählt“ werden können (vgl. Bevir/Rhodes<br />

2002) und welches Bild dies auf die beteiligten Akteure wirft.<br />

Mit Blick auf die Ergebnisse von Wahlanalysen ist wohl unbestreitbar, dass „die Linkspartei bei der<br />

Bundestagswahl 2005 Wähler angesprochen [hat], die ihre politischen Positionen nicht gewechselt,<br />

aber ihre Bindung an die SPD aufgegeben haben“ (Nachtwey/Spier 2007: 14). Dieser Befund wird<br />

gerne dahingehend pointiert, dass die Linkspartei „metaphorisch gesprochen, ‘Fleisch vom Fleische der<br />

Sozialdemokratie‘“ darstellt (ebd.). Insgesamt hat die Linkspartei 4,1 Mio. Zweitstimmen bekommen. 3<br />

Dabei gewann sie knapp eine Millionen Stimmen netto von der SPD; allerdings erhielt sie auch<br />

430.000 von vorherigen Nichtwählern (Hilmer/Müller-Hilmer 2006: 202f.). Schoen und Falter sprechen<br />

davon, dass die Linkspartei in den alten Ländern, von der parteipolitischen Herkunft ihrer Wählerschaft<br />

her betrachtet, „wie eine Ausgründung der SPD [erscheint], was mit der Entstehungsgeschichte<br />

der WASG und deren Selbstverständnis als Bewahrerin ‘echter’ sozialdemokratischer Politik<br />

durchaus in Einklang steht“ (Schoen/Falter 2005: 37). Allerdings macht die Begrenzung dieser zugespitzten<br />

Aussage auf die alten Bundesländer bereits deutlich, dass die Erzählung von der Linkspartei<br />

als Reinkarnation bzw. Klon der SPD mit Vorsicht zu genießen ist.<br />

3 Siehe http://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahl2005/ergebnisse/bundesergebnisse/b_tabelle_99.html.<br />

In Deutschland entscheidend bekanntlich der Zweitstimmenanteil über die Stärke der Fraktionen im Parlament.<br />

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