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immobilia 2023/04 - SVIT

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IMMOBILIENRECHT<br />

BUNDESGERICHTSENTSCHEIDE<br />

NEUE ENTSCHEIDE<br />

IM MIETRECHT<br />

Im ersten Entscheid unterstreicht<br />

das Bundesgericht, dass die Hürden<br />

für die Genehmigung eines Untermietverhältnisses<br />

hoch sind. In einem<br />

zweiten Entscheid hat sich das<br />

höchste Gericht vertieft mit der Verrechnungseinrede<br />

der Mieterin im<br />

Ausweisungsverfahren auseinandergesetzt.<br />

TEXT— ZARINA FÜGLISTER*<br />

BILD: 123RF.COM<br />

Schauplatz Genf: Gemäss<br />

Art. 262 OR kann die Vermieterin<br />

ihre Zustimmung<br />

zur Untermiete unter<br />

Umständen verweigern –<br />

namentlich, wenn der<br />

Vermieterin aus der Untermiete<br />

wesentliche Nachteile<br />

entstehen.<br />

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1. UNTERMIETE ODER<br />

BEHERBERGUNG VON<br />

FAMILIENANGEHÖRIGEN?<br />

Der vorliegende Fall behandelte eine<br />

4,5-Zimmer-Wohnung in Genf, welche von<br />

der Vermieterin A an die Eheleute B vermietet<br />

wurde. Im Jahr 2009 verstarb die<br />

Ehefrau B. Daraufhin nahm der Ehemann/<br />

Vater B seine Tochter C zusammen mit ihrem<br />

Ehemann und den Kindern in seiner<br />

Wohnung auf. Der Mietvertrag sah vor, dass<br />

die Untermiete der vorherigen Zustimmung<br />

der Vermieterin A bedarf und die Gebrauchsleihe<br />

nicht zulässig ist.<br />

Nachdem die Vermieterin A feststellte,<br />

dass der Briefkasten mit dem Familiennamen<br />

der Tochter beschriftet war, sprach<br />

sie die ordentliche Kündigung des Mietvertrags<br />

aus aufgrund unzulässiger Untermiete.<br />

Die Kündigung wurde vom Bundesgericht<br />

(in einem separaten Verfahren)<br />

aufgrund eines Verstosses gegen Treu und<br />

Glauben für ungültig erklärt. Während<br />

dieses Verfahrens kündigte die Vermieterin<br />

A den Mietvertrag ausserordentlich<br />

nach Art. 257f OR, weil der Mieter (Vater<br />

B) den Untermietvertrag mit seiner Tochter<br />

C nicht innerhalb der von ihr angesetzten<br />

Frist beendete.<br />

Schlussendlich gelangte die Vermieterin<br />

A ans Bundesgericht. Strittig war<br />

die Wirksamkeit der ausserordentlichen<br />

Kündigung des Mietvertrags durch die<br />

Vermieterin A. Zunächst klärte das Bundesgericht,<br />

ob die Aufnahme der Tochter<br />

C mitsamt ihrer Familie gegen Übernahme<br />

eines Teils der Hauptmiete und ohne<br />

das Vorliegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht<br />

des Mieters (Vater B) als Beherbergung<br />

von Familienangehörigen zu<br />

qualifizieren sei oder ob es sich um eine<br />

Untermiete handelte.<br />

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung<br />

ist die Mieterin nicht verpflichtet,<br />

die Mietsache selbst zu nutzen, sofern<br />

vertraglich nicht anderes vereinbart wurde.<br />

Die Mieterin kann die Sache untervermieten<br />

oder sie einem Dritten in Form<br />

einer Gebrauchsleihe überlassen. Neben<br />

der Gebrauchsleihe lässt das Bundesgericht<br />

auch die Beherbergung von Familienangehörigen<br />

zu, insbesondere von Ehegatten/Konkubinatspartnern,<br />

Kindern sowie<br />

anderen Angehörigen wie Freunden. Nach<br />

Erlöschen einer elterlichen Unterhaltspflicht<br />

rechtfertige es das Kindesverhältnis<br />

allein jedoch nicht, eine Beherbergung<br />

von Familienangehörigen anzunehmen.<br />

Eine Beherbergung von Familienangehörigen<br />

sei weder eine Untermiete noch eine<br />

Gebrauchsleihe, weil es an einem animus<br />

contrahendi (Rechtsbindungswillen)<br />

fehle. Die Beherbergung von Familienangehörigen<br />

sei grundsätzlich zulässig, solange<br />

sie nicht zu einer Überbelegung der Räumlichkeiten<br />

führe.<br />

Im vorliegenden Fall bewohnte der Mieter<br />

(Vater B) weiterhin ein Zimmer in der<br />

Wohnung, wobei die Tochter C sowie ihr<br />

Ehemann den grössten Teil der Miete bezahlten.<br />

Entgegen den kantonalen Instanzen<br />

befand das Bundesgericht, dass das<br />

Verhältnis zwischen Vater B und Tochter C<br />

als Untermiete im Sinne von Art. 262 OR zu<br />

qualifizieren sei, wobei die Aufteilung des<br />

Mietzinses an sich jedoch keine Untermiete<br />

begründe.<br />

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IMMOBILIA / April <strong>2023</strong>

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