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Hintergrund<br />
jeweils nationalen Fernsehsender<br />
blieben den Veranstaltern – die<br />
internationale Vermarktung musste<br />
über ISC laufen. Im Klartext:<br />
Jeder ausländische Sender<br />
musste gesalzene Minutenpreise<br />
oder Pauschalpreise für fertige<br />
Produktionen berappen. Zahlbar<br />
an ISC. Das brachte die meisten<br />
Veranstalter auf die Palme. Denn sie<br />
sahen gerade in den internationalen<br />
Fernsehrechten eine willkommene<br />
Einnahmequelle, welche die FIA<br />
ihnen jetzt zugeschüttet hatte.<br />
Ein wichtiger Punkt war das<br />
Vorgehen des Heidelberger TV-<br />
Produzenten Wolfgang Eisele,<br />
dem eine wichtige Einnahmequelle<br />
weggebrochen war. Um die<br />
Existenz seiner Firma zu retten, die<br />
unter anderem auch die Truck-EM<br />
filmte, flog Eisele im November<br />
1996 zu Ecclestone nach London,<br />
um ihn dazu zu überreden,<br />
Eisele wenigstens die Rechte<br />
an der Truck-EM zu überlassen.<br />
Ecclestone weigerte sich. Eisele<br />
sah keinen anderen Ausweg,<br />
als über den Brüsseler Anwalt<br />
Wolfgang Deselaers die Legalität<br />
von Ecclestones Imperium im<br />
Lichte des Kartellrechts zu prüfen.<br />
Eiseles Anwalt argumentierte:<br />
Die Fernsehrechte müssen jener<br />
Seite gehören, die auch das<br />
finanzielle Risiko trägt – also nicht<br />
der ISC. Am 27. Mai folgte eine<br />
formelle Beschwerde bei der EU-<br />
Wettbewerbskommission in Brüssel.<br />
Der oberste Wettbewerbshüter Karel<br />
van Miert aus Belgien wurde mit<br />
dem Fall betraut – als traditioneller<br />
Sozialist und Bürokrat beinahe<br />
52/60<br />
schon naturgegeben ein erbitterter<br />
Gegenspieler des erfolgreichen<br />
Vorzeige-Kapitalisten Ecclestone.<br />
Der folgende Streit hätte für<br />
Ecclestone zu keinem ungünstigeren<br />
Zeitpunkt stattfinden können. Denn<br />
er feilte bereits seit 1994 daran,<br />
die Formel 1 über die neue Firma<br />
Formula One Holdings (FOH) an die<br />
Börse zu bringen. Auf einmal drohten<br />
nun die EU-Wettbewerbshüter<br />
damit, alle Verträge, Absprachen<br />
und Firmenkonstruktionen des<br />
Ecclestone-Imperiums kritisch zu<br />
durchleuchten. Die Börsenpläne<br />
hatte Ecclestone zum großen Teil<br />
hinter dem Rücken und ohne<br />
Absprache der alten FOCA-<br />
Weggefährten vorangetrieben.<br />
Die fühlten sich entsprechend<br />
überfahren – und gingen auf die<br />
„<br />
Die Börsenpläne<br />
hatte<br />
Ecclestone<br />
zum grossen<br />
Teil hinter dem<br />
Rücken und<br />
ohne Absprache<br />
der alten<br />
FOCA Weggefährtenvorangetrieben<br />
Barrikaden. Auch bei diesem Streit<br />
drehte es sich um die Vergabe von<br />
TV-Rechten: Die FIA hatte die<br />
Formel 1-Fernsehrechte 1995 für 15<br />
Jahre an Ecclestone weitergegeben.<br />
Der benötigte die Stabilität, um<br />
das von ihm überschätzte Liebkind<br />
Pay-TV aufzubauen. Aber nicht<br />
SPORT MOTOR NEWS GER 01/2012<br />
alle FOCA-Teamchefs mochten<br />
anerkennen, dass die FIA im<br />
Besitz der Formel 1-Fernsehrechte<br />
war. Frank Williams, McLaren-<br />
Chef Ron Dennis und Ken Tyrrell<br />
weigerten sich daher, die für Januar<br />
1997 vorgesehene Neuauflage<br />
des Concorde Agreement zu<br />
unterschreiben. Das streitbare Trio<br />
drohte Ecclestone ebenfalls mit<br />
einer EU-Beschwerde.<br />
Um die Teamchefs wieder auf<br />
Linie zu kriegen, musste die FIA<br />
beim Concorde Agreement mehr<br />
Zugeständnisse machen als geplant.<br />
Unter anderem erstritten sie sich<br />
ein größeres Mitspracherecht bei<br />
Regeländerungen, die Ecclestone<br />
bislang immer getreu seinem Motto<br />
umgesetzt hatte, zum Führen eines<br />
<strong>Sport</strong>s sei nur die Diktatur, aber<br />
nicht die Demokratie geeignet.<br />
Das neue Concorde Agreement<br />
der Formel 1 stürzte de facto diese<br />
Diktatur – mit der mittelbaren<br />
Folge, dass alle Beschlüsse<br />
einstimmig verabschiedet werden<br />
müssen und daher in der Formel 1<br />
kaum noch tiefgreifende Reformen<br />
durchgesetzt werden können.<br />
Während an der Formel 1-Front mit<br />
dem neuen Concorde Agreement<br />
kurzfristig Ruhe eintrat, gaben die<br />
Brüsseler Richter der Beschwerde<br />
von Eisele Recht – sie sahen in<br />
der zentralen Rechtevermarktung<br />
an der Truck-EM einen Verstoß<br />
gegen die Europäischen<br />
Wettbewerbsbestimmungen<br />
und forderten die FIA auf,<br />
die Rechte an die Ausrichter<br />
zurückzugeben. Im folgenden