Taxi Times DACH - 2. Quartal 2023
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GENEHMIGUNGSBEHÖRDEN<br />
DIE<br />
NEBELKERZEN<br />
VON UBER<br />
UND BOLT<br />
Sowohl das Freshfields- als auch das<br />
Oppenländer-Gutachten weisen bei ihren<br />
Argumentationen Schwächen und<br />
Widersprüche auf.<br />
Bei der Umsetzung des § 51a des Personenbeförderungsgesetzes<br />
(PBefG) herrscht auf Verwaltungsebene große<br />
Unsicherheit. Dazu beigetragen hat das Gutachten der<br />
weltweit tätigen Kanzlei Freshfields, Bruckhaus, Deringer. Dort<br />
wird auf insgesamt 13 Seiten erläutert, warum die Einführung<br />
von Mindesttarifen für Mietwagen auf Basis des § 51a PBefG besser<br />
nicht erfolgen sollte.<br />
Die einseitige Auslegung erzielte ihre Wirkung: Mit Ausnahme<br />
des Landratsamts Rastatt traute sich bisher keine Genehmigungsbehörde,<br />
Mindestentgelte für Mietwagen auf Basis einer Allgemeinverfügung<br />
festzulegen. Fast ein Jahr lang blieb dieses<br />
Gutachten unwidersprochen und hängt noch heute wie ein Damoklesschwert<br />
über dem <strong>Taxi</strong>gewerbe – verstärkt von einem weiteren<br />
Gutachten der Kanzlei Oppenländer, erstellt Ende März im Auftrag<br />
des estnischen Plattformvermittlers Bolt.<br />
Erst mit den beiden jeweils vom <strong>Taxi</strong>gewerbe in Auftrag gegebenen<br />
Gutachten von Zuck und Kleiner werden viele rechtliche<br />
Interpretationen relativiert. Manche werden sogar als das entlarvt,<br />
was sie von Anfang an sein sollten: juristische Nebelkerzen, welche<br />
die behördliche Handlungsfähigkeit verhindern sollten.<br />
11 THESEN WERDEN WIDERLEGT<br />
Allein im Kleiner-Gutachten werden elf Freshfields-Thesen widerlegt,<br />
beispielsweise die Irrelevanz des EuGH-Urteils vom 8. September<br />
2022 auf eine mögliche Festlegung von Mindesttarifen<br />
oder die Auslegung von Freshfields, wonach der § 8, Absatz 2<br />
PBefG den Mietwagen als „öffentlichen Verkehr“ definiert.<br />
Das Freshfields-Gutachten setzt zudem eine Gefährdung der<br />
Daseinsvorsorge voraus, um Mindesttarife für Mietwagen einführen<br />
zu dürfen. „Diese Anforderung findet jedoch weder eine Stütze<br />
im Wortlaut noch der Systematik oder dem Sinn und Zweck<br />
der Regelung. Die tatbestandlichen Anforderungen werden hierdurch<br />
überspannt“, heißt es dazu im Kleiner-Gutachten. Letztlich<br />
werden große Teile des Freshfields-Gutachten auf diese Weise<br />
entdämonisiert.<br />
Um das im März von Oppenländer verfasste Bolt-Gutachten ad<br />
absurdum zu führen, benötigt es dagegen nicht einmal juristische<br />
Fachkenntnisse. Hier genügt schon das elementare Grundwissen<br />
zur <strong>Taxi</strong>branche.<br />
WENIG LEGITIMIERTE BEHÖRDE<br />
Die Rechtsanwälte Jürschik und Schulte kritisieren im Oppenländer-Gutachten<br />
beispielsweise, dass der Paragraph 51a Abs. 1<br />
PBefG die Entscheidungen über tarifbezogene Regelungen der<br />
jeweiligen Genehmigungsbehörde überlässt. „Der Gesetzgeber<br />
trifft die Entscheidung zur Preisregulierung des Mietwagenverkehrs<br />
somit nicht selbst, sondern delegiert sie an die demokratisch<br />
wenig legitimierte Genehmigungsbehörde als untere Arbeitseinheit<br />
der Exekutive.“<br />
Im Vergleich dazu, so heißt es im übernächsten Absatz, werden<br />
Beförderungsentgelte im Taxenverkehr nicht „lokal“ von der<br />
Genehmigungsbehörde, sondern von der Landesregierung im<br />
Wege der Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1<br />
GG mit landesweiter Geltung festgelegt. Die demokratische Legitimation<br />
einer Landesregierung sei deutlich stärker ausgeprägt<br />
als die einer Genehmigungsbehörde. Jürschik und Schulte schlussfolgern<br />
daraus, dass tarifbezogene Regelungen im Mietwagenverkehr<br />
einem „demokratischen Minus“ unterliegen würden. Diese<br />
Argumentation zerschießt sich allerdings von selbst, denn mit<br />
Ausnahme des Saarlands werden in allen anderen 15 Bundesländern<br />
die Befugnisse zur Festlegung des <strong>Taxi</strong>tarifs ebenfalls an die<br />
unteren Genehmigungsbehörden delegiert.<br />
Bei solchen Argumentationen stellt sich zwangsläufig die Frage,<br />
wie juristisch wertvoll und glaubhaft ein Gutachten sein kann,<br />
dessen Verfasser aus Unwissenheit (oder wider besseres Wissen)<br />
falsche Tatsachen formulieren. <br />
jh<br />
FOTOS: freepik.com, Adobe Stock / Goran Jakus / New Africa<br />
8 <strong>2.</strong> QUARTAL <strong>2023</strong> TAXI