2023-07_RegioBusiness
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06 Blickpunkt<br />
Juli <strong>2023</strong> I Jahrgang 22 I Nr. 248<br />
Immer noch<br />
nicht spitze<br />
Die Region Heilbronn-Franken hinkt – wie auch ganz Deutschland<br />
– bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich noch immer<br />
hinterher. Der erhoffte nachhaltige Schub durch die erzwungene<br />
Separierung und die hohen Homeoffice-Zahlen während der<br />
Corona-Pandemie blieb aus. VON MARIUS STEPHAN<br />
Die Künstliche Intelligenz<br />
ist spätestens seit ChatGPT<br />
wieder in aller Munde. Die<br />
smarten Systeme funktionieren<br />
aktuell über große Datenmengen,<br />
anhand derer sie „lernen“ und<br />
sich wiederholende Muster erkennen<br />
können. Dies funktioniert<br />
jedoch nur, wenn diese Daten einerseits<br />
digital vorliegen und andererseits<br />
möglichst in Echtzeit<br />
von einem Rechner auf den anderen<br />
transferiert werden können.<br />
Zwar liegen die schnellen Gigabit-<br />
Anschlüsse mittlerweile in vielen<br />
Gewerbegebieten der Region, von<br />
einem flächendeckenden Ausbau<br />
kann jedoch nicht gesprochen<br />
werden. Auf der anderen Seite<br />
stehen die Unternehmen, die ihre<br />
Prozesse digitalisieren müssen,<br />
um neue Technologien nutzen zu<br />
können und damit schneller und<br />
effizienter zu werden. Aber: Im<br />
vergangenen Jahr verlangsamte<br />
sich der Fortschritt gemessen<br />
am Index sogar. Die Wirtschaft in<br />
Deutschland ist im Jahr 2022 im<br />
Vergleich zu 2021 nur geringfügig<br />
digitaler geworden: Der Digitalisierungsindex,<br />
den das Bundeswirtschaftsministerium<br />
anhand<br />
von 37 Indikatoren berechnet,<br />
steigt von 1<strong>07</strong>,9 auf 108,9 Punkte.<br />
Nach dem starken Anstieg im<br />
Jahr 2021 kann 2022 von einer<br />
Stagnation der Digitalisierung gesprochen<br />
werden.<br />
Auch im Index für die digitale<br />
Wirtschaft und Gesellschaft<br />
(DESI) der Europäischen Kommission<br />
belegt Deutschland nur<br />
Rang 13 von 28 EU-Staaten. Die<br />
Spitzengruppe bildeten im vergangenen<br />
Jahr Finnland, Dänemark<br />
und die Niederlande.<br />
TREIBER 2022 war kein eindeutiger<br />
Treiber der Digitalisierung<br />
auszumachen. Die unternehmensinternen<br />
Kategorien, darunter<br />
Geschäftsmodelle und Prozesse,<br />
legen im Durchschnitt um<br />
nur 0,9 Punkte zu. Die unternehmensexternen<br />
Kategorien, zu denen<br />
auch Humankapital und technische<br />
Infrastruktur zählen, verlieren<br />
sogar im Schnitt 0,3 Punkte<br />
– trotz forciertem Ausbau.<br />
Den stärksten absoluten Zuwachs<br />
im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet<br />
die unternehmensexterne<br />
Kategorie Gesellschaft. Sie<br />
bildet ab, wie digitalaffin die Bevölkerung<br />
ist und inwiefern sie<br />
digitale Produkte und Dienstleistungen<br />
nutzt. Die Gesellschaft<br />
zeigt sich auf der Nachfrageseite<br />
als entscheidender Treiber des digitalen<br />
Fortschritts.<br />
Große Unternehmen, die IKT-<br />
Branche, die Bundeslandgruppe<br />
Süd, die aus Baden-Württemberg<br />
und Bayern besteht, sind wie<br />
auch im Vorjahr deutliche Digitalisierungsvorreiter.<br />
Auf der Indexebene<br />
der Regionstypen lösen<br />
Kernstädte die Agglomerationen<br />
an der Spitze ab.<br />
Kleine Unternehmen, das „Sonstige<br />
Produzierende Gewerbe“ und<br />
Infrastruktur: Der Glasfaserausbau ist das Rückgrat der Digitalisierung. Die schnellen Internetanbindungen<br />
machen den für die Digitalisierung benötigten hohen Datendurchsatz erst möglich.<br />
Foto: dpa/Sina Schuldt<br />
die „geringverdichteten ländlichen<br />
Räume“ haben wie auch<br />
schon im Jahr 2021 am meisten<br />
Aufholbedarf. Es bleibt weiterhin<br />
umso wichtiger, die Rahmenbedingungen<br />
für die Digitalisierung<br />
in Deutschland zu verbessern:<br />
Wie wichtig die Digitalisierung in<br />
den Unternehmen ist, zeigt auch<br />
die Fülle an Seminaren, die beispielsweise<br />
die IHK Heilbronn-<br />
Franken und andere Institutionen<br />
zu diesem Thema anbieten.<br />
FAKTOREN „Das Digitalisierungsmomentum<br />
der Coronapandemie<br />
hat noch nicht zu einem<br />
umfassenden und nachhaltigen<br />
Digitalisierungsschub in der<br />
deutschen Wirtschaft geführt. Wegen<br />
der Konfluenz verschiedener<br />
Krisen, darunter die Energiekrise,<br />
die Lieferkettenschwierigkeiten<br />
und die Preisentwicklung, und<br />
der somit fortbestehenden Ausnahmesituation<br />
ist jedoch nicht<br />
auszuschließen, dass ein solcher<br />
Schub noch ausgelöst wird. Dafür<br />
müssten sich der starke Kostendruck<br />
und die Unsicherheiten,<br />
denen Unternehmen gegenwärtig<br />
gegenüberstehen, verringern.<br />
Dann werden die Unternehmen<br />
wieder mehr Investitionsspielraum<br />
haben, um weiterreichende<br />
Digitalisierungsprojekte voranzutreiben“,<br />
analysiert das Ministerium.<br />
Auch deshalb liegen die<br />
Schwerpunkte vieler Institutionen<br />
aktuell auf digitalen Fragen.<br />
Handreichungen für den gelungene Wandel<br />
Für heimische Unternehmen gibt es zahlreiche Angebote, um die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz vorantreiben. VON ADINA BAUER<br />
Die Arbeitsrealität in Unternehmen<br />
wandelt sich rasant.<br />
Vor allem die Digitalisierung<br />
verändert Wirtschaft und<br />
Gesellschaft tiefgreifend. Sie wirkt<br />
sich auf bestehende Geschäftsund<br />
Produktionsmodelle aus, ermöglicht<br />
und erfordert Innovationen<br />
bei Produkten sowie Dienstleistungen<br />
und beeinflusst die Arbeit<br />
in den Betrieben.<br />
Laut Studie der TU München gibt<br />
es bei den Strategien zur Umsetzung<br />
der Digitalisierung in der<br />
Region noch Luft nach oben.<br />
Verständlich: Für viele – vor allem<br />
kleine und mittlere – Unternehmen<br />
(KMU) ist es herausfordernd,<br />
beim Tempo all dieser Veränderungen<br />
mitzuhalten. Dabei<br />
gibt es in der Region einige Unterstützungsangebote,<br />
die den Firmen<br />
unter die Arme zu greifen.<br />
Hilfe: Geschäfts- und Produktionsmodelle ändern sich dank neuer Technologien rasant. Politik, Institutionen<br />
und Unternehmen bieten Förderungen, um Schritt zu halten. So hat Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut<br />
jüngst einen Bewilligungsbescheid über 950 000 Euro an das Digitalisierungszentrum<br />
Ostwürttemberg überreicht.<br />
Foto: IHK Ostwürttemberg<br />
FÖRDERPROGRAMM Da wäre<br />
zum einen das kürzlich gestartete<br />
Bundesprogramm INQA-Coaching.<br />
Hier können KMU 80 Prozent<br />
Förderung ihrer Digitalisierungsvorhaben<br />
erhalten und bekommen<br />
einen Coach an die<br />
Seite, der die Umsetzung mit einer<br />
agilen Methode begleitet. Die<br />
Wirtschaftsförderung des Landkreises<br />
Schwäbisch Hall (WFG)<br />
ist INQA-Beratungsstelle und erste<br />
Ansprechpartnerin für Unternehmen<br />
in der Region.<br />
Die WFG ist eine von zwei INQA-<br />
Beratungsstellen in Baden-Württemberg.<br />
Das neue Coaching baut<br />
auf den Praxiserfahrungen des<br />
Vorgängerprogramms „unternehmensWert:Mensch<br />
Plus“ auf.<br />
„Wir freuen uns, dass wir kürzlich<br />
den Bewilligungsbescheid<br />
vom Bundesministerium für Arbeit<br />
und Soziales erhalten haben.<br />
Damit können wir die erfolgreiche<br />
Arbeit der letzten Jahre hier<br />
fortsetzen und optimale Unterstützung<br />
für unsere Wirtschaft sicherstellen“,<br />
so Landrat Gerhard Bauer.<br />
Für die Beratungsstelle zeichnet<br />
sich Melanie Schlebach verantwortlich,<br />
die unter Telefon<br />
0 79 04 / 9 45 99 15 oder per<br />
E-Mail an schlebach@wfgsha.de<br />
erreichbar ist.<br />
BERATUNG Von der Buchhaltungssoftware<br />
bis zum 3D-Drucker<br />
– auch im Handwerk ist die<br />
Digitalisierung ein weites Feld.<br />
Daher gibt es für die Betriebe<br />
spezielle Angebote, wie zum Beispiel<br />
die Innovations- und Digitalisierungsberatung<br />
in Tauberbischofsheim.<br />
Bei einem Sprechtag<br />
am Mittwoch, 12. Juli, haben<br />
Handwerksbetriebe von 9 bis 16<br />
Uhr die Gelegenheit, eine Kurzberatung<br />
zum Beispiel zu unterschiedlichen<br />
Förderprogrammen<br />
durch Jan Boßler in Anspruch zu<br />
nehmen. Er ist Beauftragter für<br />
Innovation und Technologie bei<br />
der Handwerkskammer. Bei Bedarf<br />
kann ein weiterer Termin mit<br />
ihm für eine ausführliche Beratung<br />
vereinbart werden. Er informiert<br />
Betriebe nicht nur, sondern<br />
kann auch die Umsetzung von<br />
Projekten begleiten. Eine Anmeldung<br />
zum Sprechtag ist erforderlich<br />
unter www.hwk-heilbronn.<br />
de/termine.<br />
ZENTRUM Das Digitalisierungszentrum<br />
„digiZ“ ist eine gemeinsame<br />
Einrichtung der IHK Ostwürttemberg<br />
sowie den Landkreisen<br />
Heidenheim und Ostalbkreis.<br />
An den Standorten in Aalen, Heidenheim<br />
und Schwäbisch Gmünd<br />
stehen die Kernthemen Künstliche<br />
Intelligenz, digitale 3D-Technologien,<br />
Industrie 4.0 und Robotik<br />
im Fokus. Das „digiZ“ ist damit<br />
eine wichtige Anlaufstelle für Hilfe<br />
suchende Unternehmen. Und das<br />
wird so bleiben: Im Juni hat das<br />
Digitalisierungszentrum Ostwürttemberg<br />
eine weitere Förderung<br />
von 950 000 Euro erhalten. Thilo<br />
Rentschler, Hauptgeschäftsführer<br />
der IHK Ostwürttemberg, ist<br />
begeistert: „Das digiZ ist ein wichtiger<br />
Bestandteil im Transformationsprozess<br />
der regionalen Wirtschaft.<br />
Mit dieser Förderung können<br />
wir den Unternehmen in der<br />
Region noch besser dabei helfen,<br />
die Chancen der Digitalisierung<br />
zu nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
weiter zu stärken.“<br />
FORSCHUNGSPROJEKT Zusätzlich<br />
zu den Angeboten und Bemühungen<br />
von Politik und Institutionen,<br />
die Digitalisierung und<br />
den Einsatz von Künstlicher Intelligenz<br />
voranzutreiben, werden<br />
auch zahlreiche Unternehmen aus<br />
der Region aktiv. So wie Lauda Dr.<br />
R. Wobser. Der Temperierexperte<br />
arbeitet aktuell gemeinsam mit<br />
dem Institut für Antriebstechnik<br />
(IAA) der Hochschule Aalen an<br />
der Entwicklung eines Prognostics<br />
an Health Management-Systems<br />
zur KI-basierten Zustandsüberwachung<br />
von Temperiergeräten<br />
an automobilen Prüfständen.<br />
Das Projekt wird vom Ministerium<br />
für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus<br />
Baden-Württemberg im<br />
Rahmen des Förderprogramms<br />
InvestBW mit 424 000 Euro unterstützt.<br />
Lauda will mit dem Projekt die<br />
Digitalisierung der Temperiertechnik<br />
weiter vorantreiben und<br />
Kunden eine innovative Lösung<br />
zur Erhöhung der Lebensdauer,<br />
Zuverlässigkeit und Performance<br />
der Temperiergeräte ermöglichen.<br />
„Die Entwicklung der<br />
künstlichen Intelligenz und der<br />
daraus entstehenden und möglichen<br />
Lösungen schreitet exponentiell<br />
voran“, erklärt Lauda-Geschäftsführer<br />
Dr. Marc Stricker.<br />
Und er betont: „Durch das innovative<br />
Forschungsprojekt und die<br />
enge Zusammenarbeit mit der<br />
Hochschule Aalen können wir unseren<br />
erfolgreichen Weg – die Digitalisierung<br />
der Temperiertechnik<br />
– konsequent und vor allem<br />
im kontinuierlichen Austausch<br />
verfolgen. Künstliche Intelligenz<br />
muss heute in Lösungen integriert<br />
werden und bietet enormes Optimierungspotenzial.“