BOLD THE MAGAZINE No.66
EXKLUSIV IM INTERVIEW: WILLEM DAFOE | DER IRISCHE MUSIKER HOZIER IM GESPRÄCH | ESPRIT: TRIBUTE TO HERITAGE | ALICE SPRINGS: EMPATHETIC IMAGES OF PEOPLE | ANDREAS GURSKY | THE FUTURE IS SUSTAINABLE: VOLVO DESIGNCHEF JEREMY OFFER IM INTERVIEW
EXKLUSIV IM INTERVIEW: WILLEM DAFOE | DER IRISCHE MUSIKER HOZIER IM GESPRÄCH | ESPRIT: TRIBUTE TO HERITAGE | ALICE SPRINGS: EMPATHETIC IMAGES OF PEOPLE | ANDREAS GURSKY | THE FUTURE IS SUSTAINABLE: VOLVO DESIGNCHEF JEREMY OFFER IM INTERVIEW
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INTERVIEW / HOZIER<br />
<strong>BOLD</strong> <strong>THE</strong> <strong>MAGAZINE</strong> // 39<br />
Betrug, Verrat. Der erste Song „De Selby“<br />
reflektiert die Dunkelheit, den Abstieg. Der<br />
Song ist benannt nach einem Charakter<br />
aus einem Buch des irischen Schriftstellers<br />
Flann O’Brien. Er ist irre, ein Wahnsinniger in<br />
einer Art Alice-im-Wunderland-Geschichte.<br />
„I, Carrion (Icarian)“ ist von der Geschichte<br />
von Ikarus inspiriert und steht am Ende des<br />
Kreises Lust, direkt nach „Francesca“. Ein<br />
Kreis hat auch zwei Songs, während der<br />
Song „Abstract“ nicht wirklich in einen Kreis<br />
gehört.<br />
Klingt kompliziert. Haben Sie das alles<br />
im Kopf oder haben Sie sich Schaubilder<br />
gemalt?<br />
Mir kommt es gar nicht so kompliziert<br />
vor (lacht). Aber ja, ich hatte schon ein<br />
paar Schaubilder. Manche Songs habe<br />
ich einfach geschrieben und erst später<br />
ergab sich, in welchen Kreis sie passen,<br />
andere habe ich bewusst für einen Kreis<br />
geschrieben. Es hat mir einfach sehr<br />
viel Spaß gemacht, die Songs mit vielen<br />
verschiedenen Stimmen zu schreiben. In<br />
jedem Canto trifft der Protagonist jemand<br />
anderes. Eine andere Geschichte, eine<br />
andere Perspektive, eine andere Person, die<br />
durch die Hölle irrt. Am Ende des Albums<br />
steht „First Light“, der Aufstieg. Der letzte,<br />
tiefe Atemzug und eine Dankbarkeit dafür,<br />
es geschafft zu haben. Was mir bei all dem<br />
aber wichtig war, ist, dass die Songs auch<br />
einzeln funktionieren. Wer tiefer eintauchen<br />
möchte, kann das tun. Aber Songs wie<br />
„Francesca“ und „To Someone From A Warm<br />
Climate (Uiscefhuaraithe)“ sind gleichzeitig<br />
auch einfach Liebeslieder.<br />
Tiefer eintauchen konnte man bei<br />
Ihrer Musik schon immer. Mit dem<br />
Song „Swan Upon Leda“ haben Sie<br />
sich für das Recht auf Abtreibung<br />
eingesetzt, und „Nina Cried Power“<br />
ist eine Hommage an Künstler wie<br />
Nina Simone oder Bob Dylan und<br />
deren Protestsongs. Ist es Ihnen<br />
wichtig, dass Ihre Kunst diese zweite<br />
Ebene bietet?<br />
Wenn es möglich ist, ja. Es gibt Songs, die<br />
nicht so sehr danach streben wie andere,<br />
und es macht Spaß, Stücke zu schreiben,<br />
die etwas leichter oder alberner sind. Aber<br />
diese zweite Ebene ist schon etwas, womit<br />
ich gerne spiele. Es gibt ja das unmittelbare<br />
Hören, das zweite Hören und das 100. Hören<br />
– und ich hoffe eben, dass für die, die tiefer<br />
graben wollen, auch beim 100. Mal noch<br />
etwas in meinen Songs zu finden ist.<br />
Sind Sie jemand, der generell viel<br />
nachdenkt?<br />
Ich habe ja keinen Vergleich. Aber ich muss<br />
sagen, ich schlafe nicht besonders gut.<br />
Wenn man alleine ist, ohne Ablenkung,<br />
dann fängt das Gehirn an zu arbeiten. Also<br />
ja – vermutlich denke ich recht viel nach.<br />
Ich könnte deutlich mehr schaffen und<br />
machen, wenn ich nicht so viel dasitzen und<br />
nachdenken würde. Es dauert bei mir auch<br />
sehr lange, bis ein Song fertig ist.<br />
Eine zusätzliche Ebene bieten oft auch<br />
Ihre Musikvideos. Es ist sicherlich kein<br />
Zufall, dass in dem Video zu „Eat Your<br />
Young“ die ukrainische Schauspielerin<br />
Ivanna Sakhno zu sehen ist, oder?<br />
Nein, wobei es nicht so ist, dass ich bewusst<br />
eine Schauspielerin aus der Ukraine gesucht<br />
habe. Ivanna und ich haben uns kennengelernt,<br />
als wir beide in Los Angeles gearbeitet<br />
haben, und wir wurden Freunde. Wir sprachen<br />
viel über die Invasion durch Russland,<br />
und sie engagiert sich da auch sehr.<br />
Was kann denn Popmusik überhaupt<br />
ändern, wenn es um so große Themen<br />
wie Homophobie, Abtreibungsrechte<br />
oder Krieg geht?<br />
Nicht viel, fürchte ich! Ich glaube, Songs<br />
sind bloß ein Vehikel für die Zeit, sie können<br />
sie zusammenfassen oder einfangen. Vor<br />
100 Jahren hat ein irischer Revolutionär mal<br />
gesagt, es gibt keinen revolutionären Geist,<br />
der ohne poetischen Ausdruck auskommt<br />
– ich glaube das stimmt. Jede Bürgerrechtsbewegung,<br />
jede Revolution hatte ihre<br />
Songs. Aber es sind die Menschen, die die<br />
Veränderung anstoßen. Der Song fängt nur<br />
das Gefühl ein.<br />
Apropos Gefühle einfangen – in der<br />
zweiten Hälfte Ihres Albums, die<br />
deutlich düsterer und ruhiger klingt,<br />
scheinen Ihre irischen Wurzeln durch.<br />
Sie singen vom Ort Gweebara und dem<br />
irischen Wort: Uiscefhuaraithe. Was<br />
hat es damit auf sich?<br />
Uiscefhuaraithe ist ein irisches Wort für<br />
das Gefühl der Kälte, die ein Objekt durch<br />
Wasser erlangt, zum Beispiel, wenn man<br />
einen Stein aus einem Fluss nimmt. Als