s'Psairer Heftl - September Ausgabe 2023

MENSCHEN, GLAUBE & KIRCHE
September 2023: „Bäume sind Heiligtümer“ (Hermann Hesse)
Lebensort BAUM
„Am Brunnen vor dem Tore
Da steht ein Lindenbaum.
Ich träumt' in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort.
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort.“ Usw.
Wer kennt nicht dieses berühmte Gedicht
„Der Lindenbaum“ von Wilhelm
Müller, vertont von Franz Schubert in
seinem Liederzyklus „Winterreise“.
Der Baum ist ein Lebensort für den
Menschen. Ein Ort der Kindheit, der Jugend,
der Liebe, aber auch des Alters,
der Ruhe und Geborgenheit.
24 s‘Psairer Heftl - N° 09 ▪ 2023
Der Baum - Symbol des Lebens
Bäume sind Biotope, Lebensorte für
zahllose Lebewesen. Ich sah heuer im
Sommer auf einer Riesenleinwand im Innenhof
des Zeughauses in Innsbruck den
preisgekrönten Film: DIE EICHE - MEIN
ZUHAUSE (2022) der Franzosen Michel
Seydoux und Laurent Charbonnier.
Was so alles in einer großen Eiche und
rund herum von ihr lebt, das ist eine
richtige Wohngemeinschaft von Eichhörnchen,
Rüsselkäfern, Wildschweinen,
Ringelnattern und vielen anderen. Ein
wunderschön gefilmter Naturfilm, der
ganz ohne Sprache auskommt und dabei
Lebensgeschichten erzählt.
Ein Baum ermöglicht die Lebensgemeinschaft
vieler Geschöpfe. Ein Baum ist
ein Wunderwerk der Schöpfung, allein
schon durch die Photosynthese. Jeder
Baum ist ein Bruder des Menschen, beide
erhalten einander gewissermaßen
durch Mund-zu-Mund-Beatmung am
Leben.
Bäume sind Heiligtümer
„Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen
zu sprechen und ihnen zuzuhören weiß,
erfährt die Wahrheit.“ sagt Hermann
Hesse, der meistgelesene deutsche
Dichter.
Wer Bäume betrachtet, der erfährt etwas
vom Sinn des Lebens, vom Zusammenhang
der Welt, vom Plan Gottes mit
uns Menschen.
Bäume sind Heiligtümer. Sie können
uns Ehrfurcht lehren, Ehrfurcht vor der
Schöpfung, Ehrfurcht vor dem Leben auf
dieser Erde, Ehrfurcht, die uns klein werden
lässt, und bereit, der Schöpfung zu
dienen, sie nicht kurzsichtig und selbstsüchtig
auszubeuten, sondern sie zu
schützen und zu pflegen, damit wir von
ihr leben können, damit wir in ihr geborgen
sein können, wir und auch unsere
Nachfahren.
Leider werden im brasilianischen
Dschungel Baumriesen umgesägt, um
Land zu gewinnen, wo dann Rinder gehalten
werden, mit deren Fleisch Geschäfte
gemacht werden, sodass reiche
Leute noch reicher werden, zum Schaden
der Armen, ja aller Menschen auf
der ganzen Welt, denn diese Baumriesen
bilden die Lunge der Erde.
oswald@kuenzer.it
Pfarrer im Hinterpasseier
Die Fotos (selbstgemacht) zeigen den 400
Jahre alten Bergahorn beim Gasthaus Tomanegger,
zwischen Jenesien und Flaas, mit
gigantischen Maßen: Der Stammumfang (es
sind drei Stämme) beträgt 1,70 m - 3,00 m
- 1,8 m, seine Höhe 18 m, und die weit ausladende
und dicht belaubte Baumkrone hat
einen Durchmesser von 18,5 m. Ein Baum
mit einer besonderen Geschichte und Vitalität
- bis heute!