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Katharina Greschat: Kirchengeschichte I: Von der Alten Kirche bis zum Hochmittelalter (Leseprobe)

Der Band bringt in elf Kapiteln das Grundwissen im Fach Kirchengeschichte bis zum Hochmittelalter in einem Umfang näher, wie es Inhalt eines Studiums der Evangelischen Theologie sein sollte. Dabei wird ein großer Bogen vom 2. bis zum 13. Jahrhundert, also von den Anfängen der nachapostolischen Zeit bis zu den einflussreichen Lehrsystemen der Scholastik, gespannt. Auch wenn das schon lange her ist, so bleibt dies für das europäische Christentum nach wie vor – und zum Teil auch in überraschender Weise – dennoch prägend. Dabei steht in diesem Lehrbuch nicht die Vermittlung einer Überfülle an Namen, Daten und Fakten im Vordergrund. Es kommt hier vielmehr darauf an, Zusammenhänge zu verstehen, und zu entdecken, dass auch die Beschäftigung mit der Kirchengeschichte einen Beitrag zur konstruktiven Auseinandersetzung mit der Vielfalt des Christlichen in einer globalisierten Welt leisten kann.

Der Band bringt in elf Kapiteln das Grundwissen im Fach Kirchengeschichte bis zum Hochmittelalter in einem Umfang näher, wie es Inhalt eines Studiums der Evangelischen Theologie sein sollte. Dabei wird ein großer Bogen vom 2. bis zum 13. Jahrhundert, also von den Anfängen der nachapostolischen Zeit bis zu den einflussreichen Lehrsystemen der Scholastik, gespannt. Auch wenn das schon lange her ist, so bleibt dies für das europäische Christentum nach wie vor – und zum Teil auch in überraschender Weise – dennoch prägend. Dabei steht in diesem Lehrbuch nicht die Vermittlung einer Überfülle an Namen, Daten und Fakten im Vordergrund. Es kommt hier vielmehr darauf an, Zusammenhänge zu verstehen, und zu entdecken, dass auch die Beschäftigung mit der Kirchengeschichte einen Beitrag zur konstruktiven Auseinandersetzung mit der Vielfalt des Christlichen in einer globalisierten Welt leisten kann.

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3.2 MODELLE, DAS CHRISTLICHE ZUM AUSDRUCK ZU BRINGEN 35<br />

Eine an<strong>der</strong>e Anknüpfung an die alttestamentliche Prophetie findet<br />

sich bei den ebenfalls nicht als proto-orthodox gewerteten Montanis -<br />

mus (Polycarpmartyrium), einer Bewegung aus Phrygien und Kleinasien,<br />

die sich selbst »Neue Prophetie« nannte. Nach dem Zeugnis <strong>der</strong><br />

<strong><strong>Kirche</strong>ngeschichte</strong> des Euseb kam sie etwa in den Jahren 171/172 auf und<br />

wurde von einem gewissen Gaius, einem uns ebenfalls unbekannten<br />

Apollonius, von Serapion von Antiochien und von einem anonymen<br />

Presbyter (h. e. V,16 f.) bekämpft; eine anonyme Quelle verarbeitete auch<br />

Epiphanius von Salamis (Panarion 48,1,2–14,2), allerdings wird die Entstehung<br />

dieser Bewegung hier auf 156/157 datiert. Die Montanisten<br />

meinten, <strong>der</strong> Paraklet (Joh 16,12 f.) spreche in <strong>der</strong> Endzeit durch die prophetischen<br />

Orakel <strong>der</strong> Propheten Montanus sowie Maximilla und Priscilla,<br />

die sich in <strong>der</strong> Tradition biblischer Propheten und Prophetinnen<br />

sahen, wie dieser Ausspruch deutlich macht:<br />

»Der Herr hat mich gesandt als Anhänger, Enthüller und Deuter dieser Mühsal,<br />

dieses Bundes und dieser Verheißung, <strong>der</strong>, willens o<strong>der</strong> nicht, gezwungen<br />

ist, die Erkenntnis Gottes wahrzunehmen.« 77<br />

Die Gegner <strong>der</strong> »Neuen Prophetie« waren keine Gegner <strong>der</strong> Prophetie<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Endzeiterwartung, doch kritisierten sie insbeson<strong>der</strong>e die ekstatische<br />

Prophetie mit <strong>der</strong> Behauptung, in dieser Weise hätten sich keine<br />

Propheten und Prophetinnen des <strong>Alten</strong> Testaments je geäußert. Letztere<br />

hätten eben gerade nicht öffentlich – wie die Montanisten – prophezeit<br />

(so Origenes). Die Naherwartung wurde später mit Chiliasmus (Erwartung<br />

des unmittelbar bevorstehenden tausendjährigen Reiches auf<br />

Erden – vgl. Offb 20,2–4) verbunden. In Nordafrika sympathisierte <strong>der</strong> in<br />

Karthago wirkende Theologe Tertullian mit den Montanisten. Er bezog<br />

sich positiv auf ekstatische Offenbarungen, die eine vermutlich montanistische<br />

Prophetin während des Gottesdienstes hatte und einer kleineren<br />

Gruppe erläuterte (De anima 9,4). Nach seinem Zeugnis for<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

Hl. Geist angesichts <strong>der</strong> Kürze <strong>der</strong> Zeit ein Leben in radikaler Christusnachfolge,<br />

die sich etwa von einem bloß gewöhnlichen Frauenleben <strong>der</strong><br />

Zeit unterscheide:<br />

»Wünscht nicht in euren Bettchen, bei unglücklichen Entbindungen o<strong>der</strong> an<br />

weichlichen Fiebern von hinnen zu scheiden, son<strong>der</strong>n im Martyrium, damit<br />

<strong>der</strong> verherrlicht werde, <strong>der</strong> für euch gelitten hat.« 78<br />

77 Epiph. Pan. 48,13,1 als Spruch <strong>der</strong> Maximilla.<br />

78 Tert. de fug. 9.

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