8 Nr. 6/<strong>2023</strong> AKTUELL STRATEGIEN GEGEN DIE KRISE Krieg, Pandemie, Naturkatastrophen – diese und viele andere Negativereignisse haben weltweit unabsehbare soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen. Auch <strong>Südtirols</strong> Unternehmen werden aktuell auf die Probe gestellt. Welche Strategien helfen ihnen, möglichst schadlos durch Krisen zu kommen?
AKTUELL Nr. 6/<strong>2023</strong> 9 Schlechte Zeiten waren immer die „ besten Zeiten für gute Ideen.“ Es mag Zufall sein, dass dieser Spruch auf einem Kalenderblatt im Oktober <strong>2023</strong> steht und damit etwas Optimismus verbreitet. Von schlechten Zeiten ist man in weiten Teilen Europas und auch in Südtirol zwar noch weit entfernt. Doch es herrscht begründete Unsicherheit angesichts zahlreicher Ereignisse und Entwicklungen, von denen keiner weiß, wie sie ausgehen – vom Ukraine-Krieg und der allgemeinen geopolitischen Lage bis hin zu Naturkatastrophen, die den Klimawandel bestätigen, und dem demografischen Wandel, der allen Branchen Personalsorgen bereitet. Mit dran an allem hängt auch die Migrationsfrage. Rein wirtschaftlich gesehen hat die Verunsicherung mit Corona begonnen. Es folgte eine Zeit des Aufholens mit dem Ergebnis einer Überhitzung der Konjunktur samt steigender Inflation. Diese wiederum veranlasste die Europäische Zentralbank, den Leitzins ganze zehn Mal zu erhöhen, um die Nachfrage und damit die Teuerung zu bremsen. Das wirkt, bringt jetzt aber Unruhe in jene Bereiche, in denen Zinsen fällig, sprich Schulden abzustottern sind. Wie geht es <strong>Südtirols</strong> Unternehmen in diesen ungewissen Zeiten? Sind sie gegen eine mögliche Rezession gewappnet? Wenn ja, womit? Und stimmt es tatsächlich, dass schlechte Zeiten die besten Zeiten für gute Ideen sind? Der „Radius“ hat sich bei einigen Unternehmen, einem Verbandspräsidenten und dem Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes der Handelskammer Bozen informiert. Krisen managen und Chancen nutzen Mehr als 11.000 Bedienstete arbeiten für Markas. Damit zählt das von der Familie Kasslatter geführte Bozner Dienstleistungsunternehmen zu den großen Arbeitgebern in Südtirol bzw. Italien, Österreich und Deutschland. Aktuell spricht Generaldirektorin Evelyn Kirchmaier von vier großen Unsicherheitsfaktoren, mit denen sich Evelyn Kirchmaier, Markas die Führung des Unternehmens beschäftigt. Ganz oben steht der Arbeitskräftemangel, der Markas besonders hart trifft, weil vor allem die Bereiche Reinigung und Verpflegung äußerst personalintensiv sind. „Weil wir für viele öffentliche Institutionen wie Krankenhäuser oder Schulen tätig sind, müssen wir zudem damit rechnen, dass in schlechteren Zeiten der Sparstift vermutlich als Erstes bei den eigenen Lieferanten angesetzt wird, also auch bei uns.“ Nicht zuletzt wirken sich Inflation und Zinserhöhungen negativ aus, da Preissteigerungen aufgrund fixer Verträge oft nicht an die Kunden weitergegeben werden können und notwendige Investitionen mit jedem Zinsschritt der Europäischen Zentralbank erheblich teurer werden. Welche Strategien hat nun ein so weit verzweigtes Unternehmen wie Markas, um solche Unsicherheitsfaktoren zu bewältigen? Evelyn Kirchmaier nennt drei zentrale Schritte: „Krisen so gut wie möglich absehen, ihre Dynamik verstehen und ihren Einfluss aufs Geschäft einschätzen können und schließlich die eigene Organisation so schnell und so gut wie möglich an die neuen Herausforderungen anpassen.“ Freilich sei eine Pandemie schwer absehbar, aber Konjunkturschwankungen müssten durchaus einkalkuliert werden. Der Fachkräftemangel sei zwar abzusehen gewesen, man habe letzthin aber dennoch rasch handeln müssen und habe zum Beispiel für Italien eine Lösung gefunden. „Wir hatten das Recruiting früher dezentral organisiert. Jetzt haben wir eine Art Taskforce von drei Mitarbeitern gebildet, die sich hauptberuflich ausschließlich um die Personalsuche kümmern.“ Von Krisen dürfe sich ein Unternehmen nicht erdrücken lassen, meint Evelyn Kirchmaier. Im Gegenteil. Sie zwängen es dazu, Thomas Ausserhofer, Unionbau eingefahrene Routinen zu durchbrechen und die Ausrichtung der eigenen Organisation zu hinterfragen. „Das entfacht Kreativität und Innovationsgeist. Man setzt sich neue Ziele und findet meistens bessere Methoden, um etwas zu erreichen.“ In guten Zeiten die Hausaufgaben machen Thomas Ausserhofer ist Bauunternehmer. Er und sein Bruder Christoph leiten die Firma Unionbau in Sand in Taufers mit rund 180 Mitarbeitern. Die Baubranche ist – wie es Thomas Ausserhofer ausdrückt – „ein wichtiger Indikator für die allgemeine konjunkturelle Entwicklung“. Warum? „Weil nur dann gebaut wird, wenn die Leute glauben, dass sie das, was sie bauen, in Zukunft auch nutzen können.“ Das war in den vergangenen Jahren der Fall, ab 2019 sogar so massiv, dass der Bauunternehmer selbst von einer Überhitzung des Marktes spricht. Aktuell seien die Auftragsbücher zwar noch voll, „weil Bauen nicht etwas Kurzfristiges ist und laufende Projekte abgeschlossen werden“, aber der Trend gehe eindeutig abwärts. „Beruhigung“ nennt es Thomas Ausserhofer, weil er weniger eine Krise als ein Zurück zu vernünftiger Bautätigkeit erkennt. Deshalb sei es auch nicht angebracht, in Panik zu geraten. „Ein Unternehmen sollte mit solchen Situationen umgehen können“, ist er überzeugt. Will heißen? „In florierenden Zeiten vorausschauend agieren, sich bei Investitionen nie übermäßig verschulden, die finanzielle Lage des Betriebes ständig im Blick haben und zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, die Kunden zu bedienen.“ Als eine der großen Herausforderungen der Zukunft, denen sich die Baubranche, aber auch insgesamt die Wirtschaft in Europa stellen müsse, nennt auch Thomas Ausserhofer den Fachkräfterückgang. Genau darin sieht er vor allem für die Handwerkerberufe eine Chance: „Der Mangel an Arbeitskraft wird die Digitalisierung und Automatisierung von standardisierten Prozessen schneller vorantreiben, auch am Bau.“