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Magazin für Kunst und Kultur
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Magazin für Kunst und Kultur<br />
DER KUNSTBLITZ<br />
kostenlos<br />
Oktober - Dezember|<strong>2023</strong><br />
www.kunstblitz.de<br />
16 | FONDATION BEYELER<br />
40 | VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
06 | ALBERTINA, MICHELANGELO UND DIE FOLGEN<br />
52 | ART A10 Wildau
PIERLUIGI ISOLA<br />
LA VISIONE AUREA<br />
18. November <strong>2023</strong>- 18. Februar 2024<br />
Panorama Museum<br />
Am Schlachtberg 9<br />
06567 Bad Frankenhausen / Thüringen<br />
Di bis So 10 - 17 Uhr<br />
24. Dezember geschlossen<br />
31. Dezember 10 - 15 Uhr<br />
Tel.: 034671 619-0<br />
www.panorama-museum.de
UNTER UNS<br />
Liebe Leser*innen,<br />
die ART A10 in Wildau (bei Berlin) zeigt<br />
in diesem Jahr die Arbeiten von 28<br />
Künstler*innen, die ihre Gemälde, Zeichnungen,<br />
Fotos und Skulpturen vom 19.10.<strong>2023</strong><br />
bis 05.11.<strong>2023</strong> einem sehr aufmerksamen<br />
Publikum jährlich präsentieren. Zusammen<br />
mit der Allee-Center-ART (Magdeburg)<br />
bieten beide Ausstellungen eine einzigartige<br />
Bühne für die Kunstszene der Regionen<br />
Berlin/Brandenburg (ART A10) und Sachsen<br />
Anhalt (ALLEE-CENTER-ART).<br />
Beide Kunstprojekte sind seit 2015 bewährte<br />
Publikumsmagnete. „Die leichteste ART, der<br />
KUNST zu begegnen“ hat sich auch deshalb<br />
unter den „Insidern“ sehr schnell etabliert.<br />
Die Präsentation ist ähnlich wie bei einer<br />
Kunstmesse, hat aber eine größere Besucherzahl<br />
zu verzeichnen, die so schnell nur wenige<br />
Kunstgalerien und Museen erreichen können.<br />
Für Künstler*innen ist die Beteiligung an<br />
der Ausstellung kostenlos! Die Kunstschaffenden<br />
haben keinerlei Gebühren zu tragen,<br />
während etablierte Kunstmessen bekanntlich<br />
sehr kostspielig sind! Zudem müssen die<br />
Künstler*innen beim Verkauf ihrer Werke keinerlei<br />
Provisionen abgeben. Zusätzlich haben<br />
sie die Chance, bei beiden Ausstellungen<br />
Preise zu gewinnen.<br />
Patrizio Medagli<br />
Unsere Empfehlung: Kunstschaffende aus<br />
der Region Sachsen Anhalt dürfen sich ab<br />
jetzt schon für die nächste Allee-Center-ART<br />
(Magdeburg, 19.02.2024 - 09.03.2024) bewerben.<br />
Wenn Sie in Wildau oder Umgebung sind, besuchen<br />
Sie die ART A10. Und wenn Sie das<br />
eine oder andere Kunstwerk für Ihre Sammlung<br />
entdecken, nehmen Sie die Gelegenheit<br />
wahr und machen Sie sich glücklich!<br />
„Ein Kunstwerk zu verschenken oder selbst zu<br />
erwerben, ist wie das Pflanzen eines Baumes,<br />
der nicht nur denjenigen belohnt, der ihn mit<br />
Sorgfalt pflegt, sondern auch den folgenden<br />
Generationen seine Früchte gibt“<br />
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre!<br />
3
DER KUNSTBLITZ | INHALT<br />
6 MICHELANGELO UND DIE FOLGEN<br />
ALBERTINA WIEN<br />
16 NIKO PIROSMANI<br />
FONDATION BEYELER<br />
22 PICASSO SPANISCHE DIALOGE<br />
BODE MUSEUM<br />
28 LOVE IS A BATTLEFIELD<br />
HORST JANSSEN<br />
34 ALICE SPRINGS<br />
RETROSPEKTIVE<br />
40 PABLO PICASSO<br />
MAX BECKMANN<br />
VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
NIKO PIROSMANI, TATARISCHER KAMELTREIBER<br />
Öl auf Karton, 99,3 x 99,3 cm<br />
Sammlung des Shalva Amiranashvili Museum of<br />
Fine Arts of Georgia,<br />
Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi<br />
© Infinitart Foundation<br />
IMPRESSUM Herausgeber und Eigentümer: Patrizio Medagli Verantwortlich<br />
für den redaktionellen Inhalt: Patrizio Medagli Redaktion:<br />
Patrizio Medagli, Helga Wicher, Giuliana Medagli, Ulrich Walter,<br />
Anke Elster, Elena Medagli. Redaktion Postadresse: Krutscheider<br />
Weg 82, 42327 Wuppertal (Germany) Telefon 0202 738217, info@<br />
derkunstblitz.com, www.derkunstblitz.com. Verlag: Weinheimer<br />
Verlags-GmbH Konzeption/Layout: Eduardo Rahmani, Gertenbachstraße<br />
20, 42899 Remscheid, Tel: 02191 5658298, Fax: 02191 54598,<br />
info@bvg-menzel.de, www.bvg-menzel.de Bildmaterial: A10Center<br />
Wildau, Albertina Wien, Horst Janssen Museum Oldenburg, Fondation<br />
Beyeler Basel, Helmut Newton Foundation Museum für Fotografie<br />
Berlin, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Bode-Museum Berlin,<br />
Wilhelm-Fabry-Museum. Titelseite/Quelle: Albertina Wien, Fondation<br />
Beyeler Basel, A10 Center Wildau, Von der Heydt-Museum Wuppertal.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine<br />
Gewähr übernommen. Der Nachdruck ist – auch auszugsweise – nur<br />
mit Quellenangabe gestattet. Mit Namen oder Initialen gezeichnete<br />
Beiträge geben die Meinung des Verfassers, aber nicht unbedingt die<br />
der Edition ARTistica wieder.<br />
48 ÖSTERREICH - DEUTSCHLAND<br />
ALBERTINA WIEN<br />
52 ART A10 <strong>2023</strong><br />
A10 CENTER WILDAU<br />
64 FESTGEHALTEN<br />
WILHELM-FABRY-MUSEUM<br />
66 KITSCH UND KUNST<br />
KUNSTRAUM GEWERBEPARK-SÜD<br />
4<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
FONDATION BEYELER<br />
17. 9. <strong>2023</strong> – 28. 1. 2024<br />
RIEHEN / BASEL<br />
Niko Pirosmani, Giraffe, Oil on oilcloth, 137.4 × 111.7 cm,<br />
The Collection of Shalva Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia, © Infi nitart Foundation<br />
5
DER KUNSTBLITZ | PROPTER HOMINES HALLE | ALBERTINA<br />
MICHELANGELO<br />
Der Meister der Renaissance: Michelangelo<br />
gehört zu jener Handvoll von<br />
Künstlern, deren Ruhm seit Jahrhunderten<br />
ungebrochen ist. Obwohl seine Kunst<br />
und seine Ideale zutiefst im Denken seiner<br />
Zeit – der Blütezeit der Renaissance und des<br />
fortschreitenden 16. Jahrhunderts – verwurzelt<br />
sind, reicht die Wirkung seiner Kunst bis<br />
in die Gegenwart. Jedes Jahrhundert erlebt<br />
seine eigene Michelangelo-Renaissance und<br />
damit die Wiederbelebung jenes antiken<br />
Ideals, das der große Florentiner mit seinem<br />
Entwurf für das nie ausgeführte Fresko der<br />
Schlacht von Cascina, den Ignudi in der Sixtinische<br />
Kapelle und den Sterbenden Sklaven<br />
für das Grabmal von Papst Julius II. zu einem<br />
unübertroffenen Maßstab für den idealen<br />
Männerakt gemacht hat.<br />
Michelangelo und die Folgen handelt von<br />
der Entstehung und der Macht, dem Bedeutungsschwund<br />
und dem Verfall eines<br />
Kanons – jenes Kanons, den Michelangelo<br />
mit seinen Akten vor 500 Jahren nachhaltig<br />
prägt – und davon, wie die folgenden<br />
Generationen sich an diesem Vorbild abgearbeitet<br />
haben.<br />
UND<br />
DIE<br />
FOLGEN<br />
BIS 14.1.2024<br />
6<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
MICHELANGELO BUONARROTI<br />
Sitzender Jünglingsakt und zwei Armstudien um 1510/11<br />
Rötel, weiß gehöht 28 x 19 cm ALBERTINA, Wien<br />
7
DER KUNSTBLITZ | PROPTER HOMINES HALLE | ALBERTINA<br />
DIE DARSTELLUNG DES<br />
MENSCHLICHEN KÖRPERS<br />
Die reichen Bestände der grafischen Sammlung<br />
der ALBERTINA erlauben eine Auseinandersetzung<br />
mit Michelangelos Ideal, welches<br />
sich auf eindrucksvolle Weise in seinen<br />
Zeichnungen wie in seinen Skulpturen als<br />
athletischer und kraftvoller Männerakt präsentiert,<br />
der von inneren Spannungen bis<br />
hin zum Zerreißen geprägt ist.<br />
Der neue Status der Zeichnung als eigenständiges<br />
Kunstwerk im 15. Jahrhundert,<br />
das die künstlerische Idee und das Temperament<br />
des Künstlers wie ein Kondensat<br />
verdichtet, zeigt sich nicht zuletzt durch die<br />
hohe Nachfrage von Sammlern nach diesen<br />
Preziosen. Die Provenienz der Zeichnungen<br />
RAFFAELLO SANTI<br />
Junger Mann, einen Alten auf dem Rücken<br />
tragend (Aeneas und Anchises) 1514 Rötel<br />
30 x 17 cm, ALBERTINA, Wien<br />
CHARLES-JOSEPH NATOIRE<br />
Bacchantin mit Tamburin um 1740, Schwarze Kreide,<br />
Rötel, mit Deckweiß gehöht, braun laviert<br />
28 x 21 cm, ALBERTINA, Wien<br />
8<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
des Renaissancemeisters in der ALBERTINA<br />
weist im 17. Jahrhundert Peter Paul Rubens<br />
als Besitzer aus und unterstreicht die<br />
Bedeutung des italienischen Genies in der<br />
folgenden Künstlergeneration. Der klassische<br />
Akt, wie er uns in den Zeichnungen der<br />
ALBERTINA von Michelangelo über Raffael<br />
und Beccafumi bis zu Bandinelli, da Volterra<br />
oder Salviati selbstbewusst entgegentritt,<br />
trachtet immer schon nach dem harmonischen<br />
Ausgleich zwischen allgemeinen<br />
Formeln wie standardisierten Posen, dem<br />
Studium der Anatomie nach antiken Skulpturen<br />
oder der maßstäblichen Gliederung<br />
der Körperteile nach den formalisierten<br />
Proportionen des Vitruv einerseits und dem<br />
Zeichnen nach der Natur andererseits. Die<br />
zwei Künstler Rembrandt und Rubens prä-<br />
GUSTAV KLIMT<br />
Studie für die linke der „Drei Gorgonen“<br />
im Beethovenfries, 1901, Schwarze Kreide<br />
45 × 32 cm, ALBERTINA, Wien<br />
EGON SCHIELE<br />
Mädchenakt mit verschränkten Armen, 1910,<br />
Schwarze Kreide, Pinsel, Aquarell, auf braunem<br />
Papier 45 x 28 cm, ALBERTINA, Wien<br />
9
DER KUNSTBLITZ | PROPTER HOMINES HALLE | ALBERTINA<br />
gen mit ihren gegensätzlichen Positionen<br />
den Barock. Rubens beschäftigt sich mit<br />
dem realen, lebenden Modell und erweckt<br />
die antike Nacktheit auf neue Weise zum<br />
Leben. Rembrandt wiederum scheut nicht<br />
davor zurück, die Hässlichkeit des realen Körpers,<br />
des Menschen in seiner Vergänglichkeit<br />
und Schwäche, darzustellen. Damit setzt er<br />
einen starken Kontrast zu den athletischen<br />
Körpern des Buonarroti. Im Klassizismus<br />
bleibt der Typus des schönen und muskulösen<br />
nackten männlichen Körpers, bestehen. Fast<br />
200 Jahre nach dem Tod des florentinischen<br />
Meisters findet der michelangeleske Kanon<br />
seine Fortsetzung in der vorherrschenden<br />
Vorstellung des idealen Akts. Die Maler ihrer<br />
Zeit, wie Anton Raphael Mengs oder Pompeo<br />
Girolamo Batoni, schaffen Werke, die in der<br />
PETER PAUL RUBENS<br />
Aktstudie eines Mannes in vorgebeugter Haltung<br />
um 1613. Schwarze Kreide und Rötel, mit weißer<br />
Kreide gehöht, 40 x 25 cm, ALBERTINA, Wien<br />
JOHANN PETER PICHLER<br />
Rückenakt 1789. Kreide, laviert, weiß gehöht, hellgraues Papier,<br />
50 x 42 cm<br />
ALBERTINA, Wien<br />
10<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
Präzision der Modellierung der Muskulatur,<br />
der Darstellung komplizierter Posen und der<br />
durch komplexe Körperhaltungen bedingten<br />
perspektivischen Verkürzungen auf Michelangelo<br />
zurückgehen. Sie erinnern besonders<br />
an die meisterhaften Zeichnungen, die<br />
mit Werken wie der Schlacht von Cascina<br />
oder dem Deckenfresko in der Sixtinischen<br />
Kapelle in Verbindung stehen. Ebenso sklavisch<br />
wie anachronistisch ahmen Künstler<br />
noch im Zeitalter Klimts und Schieles die<br />
heroischen, athletischen Gestalten nach:<br />
nur mehr äußerlich, an der Oberfläche,<br />
ohne die geistige Tiefe des Buonarroti. Der<br />
von Michelangelo geprägte Kanon hat seinen<br />
Zenit endgültig überschritten, da die<br />
Darstellung des männlichen Akts als Symbol<br />
eines heroischen Individuums in der<br />
MICHELANGELO BUONARROTI<br />
Studien für die Libysche Sibylle um 1510/11. Rötel 29 x 21<br />
cm The Metropolitan Museum of Art, New York, Purchase,<br />
Joseph Pulitzer Bequest, 1924, inv. no. 24.197.2<br />
Foto: © bpk / The Metropolitan Museum of Art<br />
UGO DA CARPI<br />
Diogenes um 1527<br />
Clair-obscur-Holzschnitt in vier Platten<br />
48 x 35 cm, ALBERTINA, Wien<br />
11
DER KUNSTBLITZ | PROPTER HOMINES HALLE | ALBERTINA<br />
MICHELANGELO BUONARROTI<br />
Männlicher Rückenakt um 1504 20 x 27 cm schwarze Kreide, weiß gehöht,<br />
ALBERTINA, Wien<br />
modernen Gesellschaft immer weniger auf<br />
Resonanz trifft. Die Schau steht unter dem<br />
historischen Vorzeichen, dass jahrhundertelang<br />
nur Männer Männer zeichnen, und<br />
auch Frauen nur von Männern dargestellt<br />
werden. Der Mann definiert den Kanon des<br />
Männerakts so sehr wie jenen des Frauenakts.<br />
Michelangelo selbst zeichnet kaum<br />
eine nackte Frau, sondern verleiht männlichen<br />
Körpern weibliche Anmut. Die Frau<br />
ist für die Kunst wie die Rückseite des<br />
Mondes: Man weiß, dass sie existiert, sie<br />
ist aber terra incognita. In einigen wenigen<br />
exemplarischen Beispielen aus dem 17. und<br />
18. Jahrhundert wird in der Ausstellung das<br />
realitätsferne Ideal der Frau gezeigt. Lange<br />
Zeit wird die Darstellung der nackten Frau<br />
durch ihre Identifikation mit Laster, Sittenlosigkeit<br />
und Geschlechtstrieb diskriminiert<br />
und diffamiert. Die Sittenlosigkeit der Frau<br />
bringt Tod und Sünde in der Gestalt Evas;<br />
das Laster der Luxuria tritt eitel und nackt<br />
12<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
VON DER HEYDT<br />
MUSEUM WUPPERTAL<br />
PABLO PICASSO |<br />
MAX BECKMANN<br />
MENSCH<br />
MYTHOS<br />
WELT<br />
17.9.23 — 7.1. 24<br />
Pablo Picasso, Der Maler bei der Arbeit, 1964, Sprengel Museum Hannover © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
Die Ausstellung wird gefördert durch<br />
Kulturpartner<br />
13
DER KUNSTBLITZ | PROPTER HOMINES HALLE | ALBERTINA<br />
in Erscheinung. Die Tugenden sind weithin<br />
in wallende Gewänder gekleidet. Das Gegenbild<br />
zur tugendhaft verhüllten Frau beschreibt<br />
die nackte Frau als Weibermacht,<br />
als Hexe, als verführerische Venus.<br />
Der Ausblick am Ende der Ausstellung ist<br />
beispielhaft gewählt. Er steht stellvertretend<br />
für ein Jahrhundert, in dem Michelangelos<br />
Kanon seine Autorität verloren<br />
hat und widmet sich exemplarisch dem<br />
Gegensatz zwischen dem secessionistischen<br />
Schönheitskult anhand von Gustav<br />
Klimts kurvilinearer Idealität der Frau und<br />
der Hässlichkeit und Pathologisierung des<br />
erstmals seiner Sexualität nicht-beraubten<br />
Aktes bei Egon Schiele.<br />
Albertina<br />
Albertinaplatz 1 |<br />
1010 Wien<br />
T +43 (0)1 534 83 0<br />
www.albertina.at<br />
REMBRANDT HARMENSZ. VAN RIJN<br />
Adam and Eva (Der Sündenfall)<br />
1638 Radierung, 16 x 12 cm<br />
ALBERTINA, Wien<br />
14<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
15
DER KUNSTBLITZ | FONDATION BEYELER<br />
PIROSMANI<br />
NIKO<br />
NIKO PIROSMANI, FRAU MIT BIERKRUG<br />
Öl auf Öltuch, 112,6 x 90 cm. Sammlung des Shalva Amiranashvili<br />
Museum of Fine Arts of Georgia, Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi<br />
© Infinitart Foundation<br />
Niko Pirosmani (1862–1918) ist<br />
eine mythenumwobene Legende.<br />
Der georgische Künstler ist<br />
einer der rätselhaften Einzelgänger<br />
der modernen Kunst. Wie Vincent<br />
van Gogh, Henri Rousseau und Marc Chagall<br />
gelang es ihm, Bilder zu malen die von<br />
16<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
Bis 28. Januar 2024<br />
NIKO PIROSMANI, GIRAFFE<br />
Öl auf Wachstuch, 137,4 x 111,7 cm. Sammlung des Shalva<br />
Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia, Georgisches<br />
Nationalmuseum, Tbilissi © Infinitart Foundation<br />
GIRAFFE<br />
ÖL AUF WACHSTUCH<br />
Dieses Bild wird von der Giraffe bestimmt,<br />
deren Körper das Format in Höhe und Breite<br />
komplett ausfüllt. Die Proportionen sind<br />
falsch und ebenso die Farbe und die<br />
Musterung des Fells. Dafür tritt das Wesen<br />
des Tieres umso deutlicher hervor. Der Blick<br />
mit geneigtem Kopf wirkt sanftmütig. Die<br />
Beine, über der Horizontlinie nicht monumental<br />
wiedergegeben, mit ihren zarten<br />
Enden, verschaffen der Giraffe Weitsicht.<br />
Sie ist gross, trotz Hufen wirkt sie elegant<br />
und eher scheu. Setzte Pirosmani gar eine<br />
Träne in den Winkel ihres Auges? Diese<br />
vermenschlichende Art der Tierdarstellung<br />
erinnert an die Gemälde seines französischen<br />
Zeitgenossen Henri Rousseau. Wie dieser ist<br />
Pirosmani den außereuropäischen Tieren aus<br />
seinen Bildern nie in der Realität begegnet.<br />
Die Giraffe kannte er wohl aus Illustrationen<br />
oder Schilderungen. Nachdem 1827 eine<br />
Giraffe namens «Zarafa» lebendig per Schiff<br />
von Alexandria nach Marseille gebracht<br />
worden war, verbreitete sich in ganz Europa<br />
eine beispiellose «Giraffomanie».<br />
den Menschen auf der Strasse ebenso<br />
geliebt werden wie von Avantgardekünstlern.<br />
Mit grosser Empfindsamkeit<br />
verwandelte der autodidaktische Künstler<br />
Alltägliches in Aussergewöhnliches.<br />
Oft blicken die würdevoll dargestellten<br />
Menschen und Tiere die Betrachtenden<br />
eindringlich und zugleich entrückt an. Dabei<br />
entwickeln sie in harmonischer Ruhe<br />
eine faszinierende Präsenz. In leuchtenden<br />
Farben auf schwarzem Hintergrund malte<br />
Pirosmani ikonische Bilder von glühender<br />
Intensität Die bisher bedeutendste internationale<br />
Ausstellung führt mit rund 50<br />
17
DER KUNSTBLITZ | FONDATION BEYELER<br />
NIKO PIROSMANI, DIE SCHAUSPIELERIN MARGARITA<br />
Öl auf Wachstuch, 115,9 x 94 cm<br />
Sammlung des Shalva Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia,<br />
Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi<br />
© Infinitart Foundation<br />
Hauptwerken in die künstlerische Welt von<br />
Pirosmani ein. Der georgische Maler Niko<br />
Pirosmani (1862–1918) hat wie kaum ein<br />
anderer vermocht, in seiner Kunst Tradition,<br />
Volkskultur, Spiritualität und moderne<br />
Bildgestaltung zu verbinden. Bereits zu<br />
Lebzeiten erfreute sich seine Malerei hoher<br />
Wertschätzung sowohl in der breiten Bevölkerung<br />
als auch bei Künstler:innen und<br />
Schriftsteller:innen.<br />
Heute gilt Pirosmani als Georgiens Nationalkünstler.<br />
Auf den ersten Blick scheinbar<br />
unspektakulär, sprechen seine Bilder sehr<br />
grundsätzlich Menschliches an. Sie verwandeln<br />
alltägliche Motive in zeitlose Gleichnisse.<br />
Pirosmani besaß die Fähigkeit, mit<br />
wenigen Farben und Pinselstrichen das Wesentliche<br />
zu zeigen. Seine Werke gleichen<br />
Ikonen, die man nicht mehr vergisst.<br />
BIOGRAFIE<br />
Niko Pirosmani wird 1862 als Sohn einer<br />
Bauernfamilie im georgischen Dorf Mirsaani<br />
geboren. Nach dem frühen Tod der Eltern<br />
kommt der Achtjährige in eine Familie in<br />
18<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
NIKO PIROSMANI, FISCHER IN ROTEM HEMD<br />
Öl auf Wachstuch, 111 x 89,5 cm<br />
The Collection of Shalva Amiranashvili Museum of Fine<br />
Arts of Georgia © Infinitart Foundation<br />
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Le-Dantju und den georgischen Künstlern<br />
Kirill und Ilja Sdanewitsch entdeckt. Ein<br />
Jahr später werden vier seiner Gemälde in<br />
der Ausstellung «Mischen» (Zielscheibe) in<br />
Moskau gemeinsam mit Werken von Marc<br />
Chagall, Natalja Gontscharowa, Michail<br />
Larionow und Kasimir Malewitsch präsentiert.<br />
Ilja Sdanewitsch, der zeitweise über<br />
50 Bilder des Künstlers besitzt, versucht<br />
1914 eine Pirosmani-Ausstellung in Paris<br />
zu organisieren, was jedoch durch den Ausbruch<br />
des Ersten Weltkriegs vereitelt wird.<br />
1916 wird Pirosmani in die Gesellschaft der<br />
georgischen Künstler in Tbilissi eingeladen,<br />
der er jedoch bald schon wieder den Rüder<br />
Hauptstadt Tbilissi, wo er Georgisch und<br />
Russisch lesen und schreiben lernt. Er wird<br />
zu Theateraufführungen mitgenommen und<br />
bringt sich selbst das Malen bei. In einer<br />
Druckerei erlernt er den Beruf des Schriftsetzers;<br />
ab 1890 arbeitet er als Bremser für<br />
die Transkaukasische Eisenbahn. Für kurze<br />
Zeit betreibt er einen Milchladen.<br />
Parallel malt Pirosmani Schilder für Geschäfte<br />
und Tavernen. 1912 werden seine<br />
Werke von dem russischen Künstler Michail<br />
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19
DER KUNSTBLITZ | FONDATION BEYELER<br />
NIKO PIROSMANI, DER ARZT AUF DEM ESEL<br />
Öl auf Karton, 79,4 x 99,6 cm<br />
Sammlung des Shalva Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia,<br />
Georgisches Nationalmuseum, Tbilissi © Infinitart Foundation<br />
cken kehrt. Im Jahr 1918 stirbt Pirosmani in<br />
grosser Armut. Heute ist er der berühmteste<br />
Künstler Georgiens.<br />
Die Ausstellung wurde von Sam Keller, Direktor,<br />
und Irakliy Purtskhvanidze, Berater<br />
der Fondation Beyeler, entwickelt. Kuratiert<br />
wurde sie von Daniel Baumann; mit Beiträgen<br />
der georgischen Künstler:innen Thea<br />
Djordjadze und Andro Wekua. Als Projektleiterin<br />
verantwortlich war Regula Moser,<br />
Associate Curator der Fondation Beyerler.<br />
Fondation Beyeler<br />
Baselstrasse 101<br />
CH-4125 Riehen / Basel<br />
www.fondationbeyeler.ch<br />
20<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
21
DER KUNSTBLITZ | MUSEUMSINSEL BERLIN, BODE-MUSEUM<br />
KASTILISCHE DAME<br />
um 1530 Halbfigur, Pinienholz, Eigentum des<br />
Kaiser Friedrich<br />
Museumsvereins© Staatliche Museen zu<br />
Berlin, Skulpturensammlung und Museum für<br />
Byzantinische Kunst / Antje Voigt<br />
Bis 21. Januar 2024<br />
Spanische Dialoge<br />
Picasso aus dem<br />
Museum Berggruen<br />
zu Gast im Bode-<br />
Museum<br />
Das Bode-Museum bewahrt die<br />
wichtigste Sammlung spanischer<br />
Skulptur vor 1800 in Deutschland<br />
auf. Die neue Ausstellungsreihe<br />
„Spanische Dialoge“ präsentiert<br />
den Besucher*innen diesen spektakulären<br />
Sammlungsbestand jenseits aller konventionellen<br />
kunsthistorischen Gattungs- und<br />
Epochengrenzen und lässt sie in Dialog mit<br />
eingeladenen Künstler*innen und Institutionen<br />
treten. Den Start machen in diesem<br />
Sommer acht ausgewählte Meisterwerke<br />
Pablo Picassos aus dem Museum Berggruen.<br />
22<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
23
DER KUNSTBLITZ | MUSEUMSINSEL BERLIN, BODE-MUSEUM<br />
PABLO PICASSO FEMME ASSISE,<br />
1940 Öl, Pappe und Holz auf Karton© Staatliche Museen zu<br />
Berlin, Nationalgalerie, Museum Berggruen / Jens Ziehe /<br />
Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
Aus Anlass des 50. Todestages von Pablo<br />
Picasso (1881–1973) beleuchtet „Spanische<br />
Dialoge: Picasso aus dem Museum<br />
Berggruen zu Gast im Bode-Museum“ die<br />
wichtige Rolle, die die historische spanische<br />
Kunst in ihrer Kontinuität als auch in<br />
ihren Brüchen in der künstlerischen Praxis<br />
des wohl wichtigsten spanischen Künstlers<br />
des 20. Jahrhunderts spielte.<br />
Für Picasso hatte Kunst weder eine Vergangenheit<br />
noch eine Zukunft. Sie entwickelte<br />
sich nicht, war weder alt noch modern,<br />
sondern sollte nur danach beurteilt werden,<br />
wie relevant sie aktuell ist. Picasso studierte,<br />
interpretierte und adaptierte das Werk<br />
seiner Vorgänger*innen und zeigte dadurch,<br />
wie wichtig der Blick in die Vergangenheit<br />
ist, um die Gegenwart zu verstehen und<br />
darzustellen. Auch deshalb bleibt Picasso<br />
im 21. Jahrhundert eine herausragende,<br />
wenn auch streitbare Figur.<br />
Schon früh erwarb Picasso unzählige<br />
Kunstreproduktionen und Originale von<br />
alten Meistern und Zeitgenoss*innen, die<br />
ihm als stetige Quelle der Reflexion für<br />
seine eigenen Werke dienten. Insbesondere<br />
die spanische Kunst nahm in seiner universalen<br />
Vorstellungswelt einen zentralen<br />
Platz ein, nachdem er sie während seiner<br />
Kindheit und seines Studiums in so unterschiedlichen<br />
und geografisch weit voneinander<br />
entfernten Regionen wie Andalusien<br />
(Málaga), Galicien (A Coruña), Katalonien<br />
(Barcelona) und Madrid in all ihrem Reichtum<br />
kennengelernt hatte.<br />
Die Ausstellung lädt Besucher*innen in vier<br />
Sektionen ein, sich multidisziplinär mit der<br />
spanischen Kunst auseinanderzusetzen.<br />
So schlägt die erste Sektion eine Brücke<br />
zwischen Spanien und Deutschland im 21.<br />
Jahrhundert und kontextualisiert historische<br />
Vorurteile, die bis heute zwischen beiden<br />
Ländern bestehen. Die zweite Sektion<br />
24<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
PABLO PICASSO FEMME ASSISE DANS UN FAUTEUIL, 1939<br />
Öl auf Leinwand© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Museum Berggruen / Jens Ziehe / Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
25
DER KUNSTBLITZ | MUSEUMSINSEL BERLIN, BODE-MUSEUM<br />
PABLO PICASSO PORTRAIT DE NUSCH, 1937<br />
Öl auf Leinwand© Staatliche Museen zu Berlin,<br />
Nationalgalerie, Museum Berggruen / Jens Ziehe / Succession Picasso / VG Bild-<br />
Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
analysiert die Verwendung von Porträts als<br />
Machtinstrument seit dem 14. Jahrhundert.<br />
Die Kontrolle über das, was und wie wir etwas<br />
zeigen, ebenso wie Bildstrategien, die<br />
uns als Teil einer sozialen Gruppe definieren,<br />
beherrschen heute die Welt der sozialen<br />
Netzwerke. Ihr Ursprung ist jedoch fast<br />
so alt wie die Geschichte der Kunst selbst.<br />
Die Darstellung von Macht und der eigenen<br />
Persönlichkeit reflektiert die Ausstellung<br />
anhand von Picassos „Frau in einem<br />
Sessel“ (1939) und „Eine kastilische Dame“<br />
aus dem 16. Jahrhundert. Die dritte Sektion<br />
widmet sich den Gefühlen und ihrer Darstellung.<br />
Dieses Thema ist keineswegs ein<br />
neues Phänomen, sondern stand bereits im<br />
16. und 17. Jahrhundert im Mittelpunkt der<br />
spanischen Kunst. Auf Picasso übten Emotionen<br />
eine große Faszination aus, was die<br />
spannungsvolle Gegenüberstellung seines<br />
„Bildnis Nusch“ (1937) und Pedro Roldáns<br />
(1624–1699) „Mater Dolorosa“ (1670/75)<br />
veranschaulichen. Die Illusion, das Transzendente<br />
real erscheinen zu lassen, wird in<br />
26<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
der vierten Sektion verhandelt. In Zeiten der<br />
digitalen Kommunikation scheint es zunehmend<br />
schwieriger, zwischen Wirklichkeit<br />
und Fiktion zu unterscheiden. Ein Gros der<br />
vor 1800 in Spanien entstandenen Kunst<br />
sollte direkt mit seinem Publikum kommunizieren<br />
und versuchte dabei, die Grenzen<br />
der sichtbaren Welt zu überschreiten. So tat<br />
es Diego de Siloé (1490/95–1563), der wie<br />
die meisten spanischen Bildhauer*innen<br />
allein wie auch im Verbund mit Malern<br />
arbeitete, um künstlerische Illusionen zu<br />
erschaffen, die über die materielle Welt hinausgehen.<br />
Vier Jahrhunderte später brach<br />
Pablo Picasso mit dem Kubismus endgültig<br />
mit der Trennung von Malerei und Skulptur,<br />
von Fläche und Raum.<br />
Museumsinsel Berlin,<br />
Bode-Museum<br />
Am Kupfergraben,<br />
10117 Berlin<br />
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr<br />
27
DER KUNSTBLITZ | HORST-JANSSEN-MUSEUM OLDENBURG<br />
Wie erotisch ist die Kunst von Horst Janssen?<br />
28Love is a Battlefield<br />
Bis 28. Januar 2024<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
HORST JANSSEN<br />
„Gila - Die Zeus“, 1978, Bleistift, Farbstift, Aquarell © VG Bild-Kunst Bonn <strong>2023</strong><br />
29
DER KUNSTBLITZ | HORST-JANSSEN-MUSEUM OLDENBURG<br />
HORST JANSSEN<br />
„Memorial“, 1988, Pastellkreide © VG Bild-Kunst Bonn <strong>2023</strong><br />
Das Horst-Janssen-Museum Oldenburg<br />
zeigt ab dem 14. Oktober<br />
<strong>2023</strong> die Ausstellung „Love<br />
is a Battlefield – Wie erotisch<br />
ist die Kunst von Horst Janssen?“. Für den<br />
norddeutschen Grafiker und Zeichner konnte<br />
alles erotisch aufgeladen sein, selbst<br />
Landschaften oder Gegenstände wie eine<br />
geöffnete Geldbörse. Er selbst sprach von<br />
„lüsternen Linien“ und ließ in seinen Bildern<br />
Körper so miteinander verschmelzen, dass<br />
der bzw. die Betrachter*in kaum weiß, wo<br />
der eine Körper beginnt und der andere<br />
aufhört. „Janssens erotische Zeichnungen<br />
entpuppen sich mitunter als Suchbilder<br />
und erschließen sich oft erst nach längerem<br />
Hinsehen. Sie lassen sich – abhängig<br />
vom eigenen Erfahrungshorizont – sehr<br />
unterschiedlich interpretieren“, erläutert<br />
die Museumsleiterin Dr. Jutta Moster-Hoos.<br />
„Wir möchten in und mit dieser Ausstellung<br />
mit unseren Besucher*innen ins Gespräch<br />
kommen“, sagt die Kuratorin Dr. Sabine<br />
Siebel. „Wir möchten wissen: Wie erotisch<br />
30<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
HORST JANSSEN<br />
„Love is a Battlefield“ Bis dass Hayn uns vereint, 1984, Radierung © VGBild-Kunst Bonn <strong>2023</strong><br />
31
DER KUNSTBLITZ | HORST-JANSSEN-MUSEUM OLDENBURG<br />
HORST JANSSEN<br />
„Svanshall 10.00“, 1969, Bleistift und Buntstift © VG Bild-Kunst Bonn <strong>2023</strong><br />
ist die Kunst von Horst Janssen? Was sehen<br />
die Betrachter*innen? Wie unterschiedlich<br />
interpretieren verschiedene Generationen<br />
und Geschlechter Janssens Werke, die<br />
oftmals weibliche Figuren aus männlicher<br />
Sicht zeigen und aus einer Zeit (1960er bis<br />
1980er Jahre) stammen, als von #MeToo<br />
noch keine Rede war.“ Bereits im Vorfeld<br />
der Ausstellung findet eine Online-Umfrage<br />
zu ausgewählten erotischen Zeichnung<br />
Janssens statt (www.horst-janssenmuseum.de/ausstellungen/umfrage)<br />
und<br />
auch in der Ausstellung selbst sollen die<br />
Besucher*innen zu Wort kommen.<br />
„Love is a Battlefield – Wie erotisch ist die<br />
Kunst von Horst Janssen?“ ist vom 14. Oktober<br />
<strong>2023</strong> bis zum 28. Januar 2024 im Horst-<br />
Janssen-Museum Oldenburg zu sehen.<br />
32<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
HORST JANSSEN<br />
„Milly“, 1969, Blei-und Farbstifte © VG Bild-Kunst Bonn <strong>2023</strong><br />
KURZPORTRAIT HORST JANSSEN:<br />
Horst Janssen wurde am 14. November<br />
1929 in Hamburg geboren und<br />
wuchs in Oldenburg auf. Seine außerordentliche<br />
Begabung als Zeichner<br />
offenbarte sich schon während<br />
seiner Schulzeit. Bei Kriegsende, nach<br />
dem Tod von Mutter und Großeltern,<br />
nahm seine Tante den 16-jährigen<br />
Janssen zu sich nach Hamburg.<br />
Sie unterstützte seine künstlerische<br />
Ausbildung an der Landeskunstschule,<br />
wo Alfred Mahlau ihn als<br />
Meisterschüler annahm und förderte.<br />
Eine erfolgreiche künstlerische<br />
Laufbahn begann, die dem<br />
als Exzentriker und Egomane verschrienen<br />
Janssen Weltruhm einbringen<br />
sollte.<br />
Seine Ausstellungen wurden in<br />
New York, Chicago, Los Angeles,<br />
Tokio, Taipeh, Moskau, Venedig,<br />
Rom, Oslo, Paris, Hamburg, Dresden,<br />
Oldenburg und vielen anderen<br />
Städten gezeigt.<br />
In späteren Lebensabschnitten hat<br />
sich Janssen zunehmend an glückliche<br />
Jugendjahre in Oldenburg<br />
erinnert. 1992 erhielt er die Ehrenbürgerwürde<br />
der Stadt Oldenburg.<br />
Horst Janssen starb am 31.<br />
August 1995 und wurde auf eigenen<br />
Wunsch auf dem Oldenburger<br />
Gertruden-Kirchhof beigesetzt.<br />
Horst-Janssen-Museum<br />
Am Stadtmuseum 4-8<br />
26121 Oldenburg<br />
33
DER KUNSTBLITZ | HELMUT NEWTON FOUNDATION MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE<br />
Alice Springs. Retrospektive<br />
Bis 19. November <strong>2023</strong><br />
34<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
ALICE SPRINGS, SIRPA LANE, PARIS 1972,<br />
© Helmut Newton Foundation<br />
35
DER KUNSTBLITZ | HELMUT NEWTON FOUNDATION MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE<br />
Die Berliner Helmut Newton Stiftung<br />
eröffnete ihre neue Ausstellung<br />
Alice Springs. Retrospektive.<br />
Anlässlich des 100. Geburtstag<br />
von June Newton alias Alice Springs werden<br />
über 200 Fotografien auf der gesamten<br />
Ausstellungsfläche im ersten Stock des Museums<br />
für Fotografie gezeigt.<br />
Während bereits 2010 und 2016 größere<br />
Alice Springs-Ausstellungen in der HNF<br />
realisiert wurden, wurden viele Aufnahmen<br />
dieser Retrospektive bislang noch nie gezeigt.<br />
Eine ausgiebige Recherche im hauseigenen<br />
Archiv, insbesondere des kürzlich<br />
nach Berlin verbrachten Bestandes aus der<br />
gemeinsamen Wohnung der Newtons in<br />
Monaco, hat einen neuen Einblick auch in<br />
das Schaffen von Alice Springs ermöglicht –<br />
und diese teilweise spektakulären Ergebnisse<br />
werden nun, als vintage oder exhibition<br />
prints, erstmals zu sehen sein.<br />
Unter dem Pseudonym Alice Springs arbeitete<br />
June Newton seit 1970 als Fotografin,<br />
insbesondere im Bereich Porträt. Am Anfang<br />
des eigenen Œuvres stand eine Grippe<br />
Helmut Newtons. June Newton ließ sich<br />
von ihm die Handhabung von Kamera und<br />
Belichtungsmesser erklären und fotografierte<br />
1970 in Paris ein Werbebild für die<br />
französische Zigarettenmarke „Gitanes“.<br />
Das Porträt des rauchenden Models war<br />
ALICE SPRINGS, CHARLOTTE RAMPLING, PARIS<br />
1982, © Helmut Newton Foundation<br />
der Startschuss für die neue Karriere der<br />
australischen Theaterschauspielerin, die in<br />
Frankreich aufgrund der Sprachbarriere nur<br />
wenig Aussicht auf ein Engagement besaß.<br />
In der Folgezeit vermittelte ihr José Alvarez,<br />
der damals in Paris eine Werbeagentur<br />
leitete, Aufträge für Werbeaufnahmen von<br />
pharmazeutischen Produkten. Und Alvarez,<br />
inzwischen Chef der „Editions du Regard“,<br />
war es auch, der 1983 den ersten Porträtband<br />
von Alice Springs verlegte.<br />
Ab Mitte der siebziger Jahre entstanden<br />
nämlich auch zahlreiche Porträts, Men-<br />
36<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
ALICE SPRINGS, PRINCESS<br />
CAROLINE OF MONACO WITH<br />
HER SON ANDREA AND KARL<br />
LAGERFELD, LA VIGIE,<br />
MONACO 1986,<br />
© Helmut Newton Foundation<br />
schenbilder voller Empathie, die bis heute<br />
die für Alice Springs so charakteristische<br />
Mischung aus Einfühlung und Neugierde<br />
auf ihre Zeitgenossen transportieren. In den<br />
Porträts ihrer Fotografenkollegen – darunter<br />
Richard Avedon, Brassaï, Ralph Gibson,<br />
Sheila Metzner und Robert Mapplethorpe<br />
– sowie anderer Prominenter wie Nicole Kidman,<br />
Isabelle Adjani, Vivienne Westwood,<br />
Liam Neeson oder Claude Chabrol gelingt<br />
es Alice Springs nicht nur, das Aussehen der<br />
Dargestellten einzufangen, sondern auch<br />
deren Aura.<br />
Auch wenn die meisten der Porträtierten<br />
37
DER KUNSTBLITZ | HELMUT NEWTON FOUNDATION MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE<br />
ALICE SPRINGS, JUNE<br />
AND MODEL, PARIS<br />
1970S,<br />
© Helmut Newton<br />
Foundation<br />
zum kulturellen Jetset gehören, macht<br />
Alice Springs grundsätzlich keinen Unterschied<br />
zwischen den gesellschaftlichen<br />
Schichten. Ihren Kamerablick auf die Menschen<br />
konzentriert sie meist auf deren<br />
Gesichter; zuweilen fasst sie sie im engen<br />
Bildausschnitt als Brust- oder Dreiviertelporträt.<br />
Die Porträtierten schauen neugierig,<br />
offen und direkt in ihre Kleinbildkamera.<br />
Nur wenige Studioporträts sind darunter,<br />
die Mehrzahl entstand vielmehr – meist bei<br />
natürlichem Licht – im öffentlichen Raum<br />
sowie vor oder in den Wohnungen der Protagonisten.<br />
So begegnen uns eitle Posen oder<br />
38<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
ein natürliches Selbstbewusstsein ebenso<br />
wie schüchterne Blicke. Die Bildnisse, im<br />
Auftrag von Zeitschriften ebenso wie aus<br />
freiem Antrieb entstanden, werden zu visuellen<br />
Kommentaren, zu Interpretationen<br />
der Dargestellten. Alice Springs lässt jedem<br />
und jeder Porträtierten seine oder ihre Individualität.<br />
Dabei gelingt es ihr immer wieder,<br />
dem allgemeingültigen und bekannten<br />
Bild ein möglichst klischeefreies, neues<br />
und ungewöhnliches Abbild hinzuzufügen.<br />
Möglicherweise hilft ihr die tiefe Kenntnis<br />
des Schauspiels, gleichzeitig auf und hinter<br />
die Fassade des Menschlichen zu schauen.<br />
Interessant sind auch die Porträts ihres<br />
Mannes, häufig während seiner Shootings<br />
entstanden, die gemeinsam mit Newtons<br />
Porträts seiner Frau sowie ausgewählten<br />
Selbstporträts die repräsentative Werkschau<br />
abrunden.<br />
Diese privaten Bilder führen gewissermaßen<br />
die gemeinsame frühere Ausstellung<br />
Us and Them weiter. Im hinteren Ausstellungsraum<br />
sind Aufnahmen aus diesem legendären<br />
Gemeinschaftsprojekt und andere<br />
gegenseitige Porträts zu sehen. So schließt<br />
sich der Kreis gleich mehrfach, denn das<br />
Leben und das Werk von Helmut und June<br />
Newton war auf vielfältigste Weise verbunden<br />
und trifft in der Berliner Ausstellung<br />
nun erneut zusammen.<br />
ALICE SPRINGS, HELMUT AS A NUN, ADVERTISEMENT FOR<br />
JEAN-LOUIS DAVID, PARIS 1970S,<br />
© Helmut Newton Foundation<br />
Museum Helmut Newton Barberini Foundation<br />
Humboldtstraße Museum für Fotografie 5-6,<br />
14467 Jebensstrasse Potsdam2<br />
Telefon: D – 10623 0331 Berlin 236014499<br />
www.museum-barberini.de/<br />
Telefon: +49 30 3186 4825<br />
39
MENSCH – MYTHO<br />
DER KUNSTBLITZ | VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
PABLO PICASSO |<br />
PABLO PICASSO, LIEGENDER FRAUENAKT MIT KATZE, 1964<br />
Leinwand 97,5 x 195 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
40<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
MAX BECKMANN<br />
S – WELT Bis 07. Januar 2024<br />
41
DER KUNSTBLITZ | VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
PABLO PICASSO, RAUB DER SABINERINNEN, 1962<br />
Gemälde / Öl auf Leinwand 97 x 130 cm<br />
Centre Pompidou, Paris © bpk / CNAC-MNAM /<br />
Christian Bahier / Philippe Migeat<br />
© Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
MAX BECKMANN, SELBSTBILDNIS ALS KRAN-<br />
KE<strong>NP</strong>FLEGER, 1915<br />
Öl auf Leinwand 55,5 x 38,5 cm<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
Pablo Picasso (1881 – 1973) und<br />
Max Beckmann (1884 – 1950)<br />
sind Schlüsselfiguren der Moderne.<br />
Beide leisten in der ersten<br />
Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidende<br />
Beiträge zu einer Neudefinition der Möglichkeiten<br />
und der Aufgaben gegenständlicher<br />
Malerei. Auf breiter Basis und im<br />
Rahmen einer Ausstellung miteinander<br />
vergleichen konnte man ihre Werke und<br />
damit ihre künstlerischen Haltungen und<br />
Auffassungen indes noch nie. Das Von der<br />
Heydt-Museum Wuppertal und das Sprengel<br />
Museum Hannover haben sich zusammengetan,<br />
um dies erstmals zu ermöglichen.<br />
Das Von der Heydt-Museum ist mit<br />
seiner Ausstellungsstation offizieller Partner<br />
des internationalen Projekts „Celebration<br />
Picasso 1973-<strong>2023</strong>“, das <strong>2023</strong> an den<br />
50. Todestag des Künstlers erinnert. Für das<br />
gemeinsame Projekt stützen sich die beiden<br />
Museen in erster Linie auf ihre eigenen reichen<br />
Bestände. Das Von der Heydt-Museum<br />
war das erste Museum weltweit, das ein Gemälde<br />
von Pablo Picasso erworben hat, und<br />
zwar im Jahr 1911. Und eines der Schlüssel-<br />
42<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
werke Max Beckmanns, sein „Selbstbildnis<br />
als Krankenpfleger“ (1915), wurde schon<br />
1925 durch den Barmer Kunstverein für den<br />
öffentlichen Kunstbesitz in Wuppertal gesichert.<br />
Beckmann und Picasso, die die bewegte<br />
Epoche vom Fin de Siècle über zwei<br />
Weltkriege bis in die Zeit nach 1945 durchlebten,<br />
haben mit ihrer Kunst unseren Blick<br />
auf das 20. Jahrhundert geprägt. Von unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen ausgehend,<br />
gelangten sie eigenständig zu individuellen<br />
Lösungen großer Fragen der Kunst und kreisen<br />
mit ihrem Schaffen um Kernfragen der<br />
menschlichen Existenz. Trotz unterschiedlicher<br />
künstlerischer Auffassungen berühren<br />
ihre Positionen sich dabei immer wieder<br />
auf überraschende Weise. Während beide<br />
PABLO PICASSO, HUMMER UND SIPHON, 1948<br />
Leinwand 81,5 x 101 cm, Von der Heydt-Museum<br />
Wuppertal © Succession Picasso / VG Bild-Kunst,<br />
Bonn <strong>2023</strong><br />
MAX BECKMANN, INDERIN, 1943<br />
Öl auf Leinwand 77 x 59,5 cm<br />
Sprengel Museum Hannover<br />
Künstler einerseits alte Regeln der Bildordnung<br />
zerstörten, griffen sie andererseits auf<br />
kunsthistorische Traditionen zurück; sei es,<br />
wie bei Picasso, um die Kunstgeschichte<br />
nach neuen, eigenen Maßstäben fortzuschreiben,<br />
oder, wie im Falle Beckmanns,<br />
um einen von modernen Mythen geprägten<br />
Bildkosmos zu schaffen. Beides setzt<br />
eine intensive Auseinandersetzung mit dem<br />
43
DER KUNSTBLITZ | VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
PABLO PICASSO, DAS KÄRGLICHE MAHL, PARIS, 1904<br />
Blatt 1 der Folge La suite des saltim-banques<br />
Radierung von Zinkplatte, Blatt: 52 x 42,8 cm<br />
Sprengel Museum Hannover © Succession Picasso /<br />
VG Bild-Kunst, Bonn <strong>2023</strong><br />
Bild und seinen Möglichkeiten voraus: mit<br />
dem Verhältnis zu Gegenständlichkeit und<br />
Räumlichkeit, mit der Beziehung zwischen<br />
Figuration und Abstraktion sowie mit der<br />
Erneuerung und Umdeutung ikonografischer<br />
Traditionen. Aber auch das eigene<br />
Leben, ihr künstlerisches Selbstverständnis,<br />
die politischen und gesellschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen ihrer kreativen Arbeit<br />
sowie das Zeitgeschehen wurden von<br />
Picasso und Beckmann mit Vitalität und<br />
Verve thematisiert. Picasso und Beckmann<br />
entwickelten ihre Lebenswerke unabhängig<br />
voneinander und bewegten sich in unterschiedlichen<br />
Netzwerken. Gerade deshalb<br />
ist bemerkenswert, wie sie in ihrem<br />
Bestreben, der gegenständlichen, auf den<br />
Menschen und sein Weltverhältnis sich<br />
konzentrierenden Malerei neuen Sinn und<br />
neue Richtung zu geben, oftmals gleichsam<br />
Schulter an Schulter agierten und zu parallelen<br />
Auffassungen kommen. Andererseits<br />
vertraten sie nicht selten auch einander<br />
diametral entgegengesetzte Haltungen.<br />
Wenngleich beide Künstler, Beckmann<br />
und Picasso, einander wohl nie persönlich<br />
begegnet sind, auch nicht während Beckmanns<br />
mehrfachen Paris-Aufenthalten,<br />
nahmen sie einander gegenseitig wahr.<br />
Tatsächlich fühlte Beckmann sich von Picassos<br />
beispiellosem Erfolg in der internationalen<br />
Kunstwelt lebenslang herausgefordert<br />
und angespornt. Nur zu gern hätte<br />
er seine Bilder neben denen seines heimlichen<br />
Rivalen ausgestellt gesehen.<br />
Von Picasso wiederum ist überliefert, dass<br />
er Beckmanns Werk schätzte. Nach dem<br />
Besuch von dessen erster Ausstellung in<br />
Paris 1931 soll er über ihn gesagt haben:<br />
„Il est très fort“.<br />
44<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
45
DER KUNSTBLITZ | VON DER HEYDT-MUSEUM<br />
CELEBRATION PICASSO<br />
Am 8. April <strong>2023</strong> jährte sich der Todestag<br />
des spanischen Künstlers Pablo<br />
Picasso zum fünfzigsten Mal. In diesem<br />
Jahr werden sein Werk und sein künstlerisches<br />
Vermächtnis in Frankreich, Spanien<br />
und international gefeiert.<br />
Die Picasso-Feier 1973-<strong>2023</strong> umfasst<br />
rund fünfzig Ausstellungen und Veranstaltungen<br />
in renommierten Kultureinrichtungen<br />
in Europa und Nordamerika, die<br />
zusammen einen historischen Überblick<br />
über den Umgang mit Picassos Werk geben.<br />
Die Gedenkveranstaltung, die von<br />
offiziellen Feierlichkeiten in Frankreich<br />
und Spanien begleitet wird, wird eine Bestandsaufnahme<br />
der Forschungen und<br />
Interpretationen des Werks des Künstlers<br />
ermöglichen, insbesondere im Rahmen<br />
eines wichtigen internationalen Symposiums<br />
im Herbst <strong>2023</strong>, das auch mit der<br />
Eröffnung des Zentrums für Picasso-Studien<br />
in Paris zusammenfällt.<br />
MAX BECKMANN, LUFTAKROBATEN, 1928<br />
Leinwand 215 x 100 cm<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
Von der Heydt-Museum<br />
Turmhof 8<br />
42103 Wuppertal<br />
von-der-heydt-museum.de<br />
46<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
47
DER KUNSTBLITZ | ALBERTINA WIEN<br />
ALBERT OEHLEN<br />
Untitled, 2020. ALBERTINA, Wien – Dauerleihgabe<br />
Privatsammlung Düsseldorf<br />
© Bildrecht, Wien <strong>2023</strong><br />
Österreich – Deutschland<br />
Malerei von 1970 bis 2020<br />
Wie im Fußball so in der<br />
Kunst? Nein. Gewiss nicht.<br />
Das Länderverhältnis Österreich<br />
- Deutschland stellt<br />
sich in der bildenden Kunst gänzlich anders<br />
da als im Sport: Es gibt keine harten Fronten,<br />
keinen Wettkampf, keine Gewinner und<br />
Verlierer, kein Jung und Alt.<br />
48<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
Bis 21. 1. 2024<br />
GEORG BASELITZ<br />
Hadendoa, 1972 Öl auf Leinwand 200 × 160 cm.<br />
ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection<br />
© Georg Baselitz <strong>2023</strong><br />
Foto: Mischa Nawrata<br />
Die große Herbstausstellung der ALBERTI-<br />
NA MODERN widmet sich hervorragenden<br />
Künstlerinnen und Künstlern aus beiden<br />
Ländern. Sie thematisiert jedoch nicht die<br />
lange Geschichte, die uns verbindet, sondern<br />
lässt in einer direkten Gegenüberstellung<br />
wichtige Sammlungspositionen der<br />
ALBERTINA in einen spannenden Dialog<br />
treten – so etwa Maria Lassnig mit Georg<br />
Baselitz, Arnulf Rainer mit Gerhard Richter,<br />
Franz West mit Sigmar Polke.<br />
Der Österreicher Siegfried Anzinger und<br />
der Deutsche Daniel Richter, die beide der<br />
gleichen Generation angehören, zeigen den<br />
künstlerischen Aufbruch der 80er Jahre.<br />
Generationenübergreifende Dialoge eröffnen<br />
neue Bezüge wie etwa jener zwischen<br />
Wolfgang Hollegha und Katharina Grosse.<br />
Auch Albert Oehlen, der international<br />
etablierte Künstler aus Deutschland ist zu<br />
nennen: Vor Jahren entdeckte er als Kurator<br />
einer Schau der Sammlung Essl die<br />
– viel zu spät anerkannte – Österreicherin<br />
Martha Jungwirth und widmete dieser experimentellen<br />
Aquarellistin damals einen<br />
ganzen Raum. Die ALBERTINA nimmt nun<br />
den transgenerationalen Dialog zwischen<br />
diesen beiden Künstlern erneut auf.<br />
Durch diese Dialoge möchte die Ausstellung<br />
Konzepte und Intentionen präsentieren,<br />
welche sich stilistisch, ästhetisch und<br />
thematisch überschneiden. Diese Entgegenstellungen<br />
eröffnen einen neuen Blick auf<br />
die Werke von – weithin und vielfach seit<br />
langem etablierten<br />
–Künstlerinnen und Künstlern aus Deutschland<br />
und Österreich. Altbekanntes wird<br />
durch diese Gegenüberstellungen – nicht<br />
nur visuell – zu einem ganz neuen Erlebnis.<br />
Ben Willikens und Eduard Angeli teilen<br />
nicht nur die Generation und fundamentale<br />
Erfahrungen der sie prägenden 60er Jahre,<br />
sondern auch eine melancholische Weltsicht,<br />
die den Österreicher wie den Deut-<br />
49
DER KUNSTBLITZ | ALBERTINA WIEN<br />
XENIA HAUSNER<br />
EXILES 3, 2017<br />
240 × 330 cm<br />
Öl auf Papier auf<br />
Dibond<br />
ALBERTINA, Wien<br />
– Familiensammlung<br />
Haselsteiner<br />
© Xenia Hausner<br />
/ Bildrecht Wien,<br />
<strong>2023</strong><br />
schen Orte der Einsamkeit und Verlassenheit<br />
entdecken lassen. Xenia Hausner und Neo<br />
Rauch finden eine gemeinsame Basis in der<br />
Auseinandersetzung mit ihren Themen. In<br />
den hier ausgewählten Werken setzen sich<br />
beide mit dem Fremden und dem Ausgesetzt-Sein<br />
auseinander. So unterschiedlich<br />
die beiden koloristisch, maßstäblich und im<br />
Pathos der Figuren wirken mögen, basiert<br />
ihr räumliches Gestaltungsprinzip auf einer<br />
bühnenbildartigen Inszenierung. In ihren<br />
großformatigen Gemälden entfaltet sich<br />
die Intensität der Themen wie einst in der<br />
Historienmalerei mit dem genus grande, die<br />
beim Publikum starke, pathetische Affekte<br />
hervorrufen wollte. Dabei schaffen es beide<br />
Maler, dem Pathos – hier schwere Körper,<br />
die träge bewegt werden, und Gesten,<br />
die größer gemacht werden als im realen<br />
Leben – die ursprüngliche Würde zurückzugeben.<br />
Weder bei Hausner noch bei Rauch<br />
wirkt das überzogen oder hohl. Künstlerinnen,<br />
die erst in den letzten Jahren national<br />
und international breite Öffentlichkeit erfahren<br />
haben wie Isolde Maria Joham oder<br />
Liliane Tomasko, werden Seite an Seite mit<br />
den Bahnbrecherinnen der Kunstgeschichte<br />
Maria Lassnig und Brigitte Kowanz gezeigt.<br />
Das Künstlerkollektiv Gelitin begegnet der<br />
Kunst der transsexuellen deutschen Künstlerin<br />
Verena Bretschneider. Eine Ausstellung<br />
wie Österreich-Deutschland ruft geradezu<br />
50<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
GERHARD RICHTER<br />
Abstraktes Bild Nr. 611 1, 1986, Öl auf Leinwand<br />
200 × 140 cm. ALBERTINA, Wien – Sammlung<br />
Batliner © Gerhard Richter 2019<br />
Foto: ALBERTINA, WIEN<br />
NEO RAUCH<br />
Kommen wir zum Nächsten, 2005 Öl auf Leinwand<br />
280 × 210 cm. ALBERTINA, Wien – The ESSL<br />
Collection, 2005 - courtesy Galerie EIGEN + ART<br />
Leipzig/Berlin / © Bildrecht, Wien <strong>2023</strong><br />
danach, das Österreichische in der österreichischen<br />
Kunst und das Deutsche in der<br />
deutschen Kunst zu definieren. Tatsächlich<br />
zeigt jedoch dieses bilaterale Konzept, dass<br />
das Prinzip des Nationalstils abgedankt hat.<br />
Der Individualstil – gespeist aus globalen<br />
Quellen und einem jederzeit abrufbaren<br />
internationalen Informationsfundus – verdrängt<br />
das Prinzip der Schule einer nationalen<br />
Kunst. Die Ausstellung wird von Dr.<br />
Klaus Albrecht Schröder und Constanze<br />
Malissa kuratiert.<br />
ALBERTINA<br />
1010 Wien<br />
T +43 (0)1 534 83 0<br />
www.albertina.at<br />
51
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
ART A10 <strong>2023</strong><br />
Im A10 Center Wildau<br />
19.10. - 05.11.<strong>2023</strong><br />
Unsere Zeit befindet sich erneut<br />
vor einer technischen Revolution.<br />
Sie ahnen sicherlich schon,<br />
worüber ich gerade reden<br />
möchte: Es geht um die Künstliche Intelligenz,<br />
die zurzeit in aller Munde ist.<br />
Das Thema erweckt Neugier, Unsicherheiten,<br />
sowie Hoffnung und gleichzeitig auch<br />
Zweifel über die Zukunft der gesamten<br />
Menschheit. Mittlerweile ist die KI in den<br />
Schulen angekommen. Mit ihrer Hilfe werden<br />
Themenbereiche recherchiert, Statistiken<br />
leicht erfasst und ausgewertet.<br />
In der Kunst gibt es, wie in vielen anderen<br />
Gebieten, geteilte Meinungen darüber…<br />
Manche Kunstkritiker*innen gehen davon<br />
aus, dass KI in der Zeitgenössischen Kunst<br />
neue Ausdrucksmöglichkeiten bieten wird.<br />
Wir werden Zeuge von der unmittelbaren<br />
Geburt neuer Kunstbewegungen, die dieses<br />
Jahrhundert zwischen Illusionen, Realität,<br />
Visionen und Fälschungen prägen wird.<br />
Andere Beobachter und Kunstschaffende<br />
vermuten, dass ihre kreative Arbeit durch<br />
die Verwendung von KI überflüssig wird.<br />
Wie es bei technischen Fortschritten immer<br />
der Fall ist, gibt es am Ende Gewinner<br />
und Verlierer. Stillstand ist auf jeden<br />
Fall keine Lösung. Ich bin mir allerdings<br />
auch sicher, dass der Mensch zahlreiche<br />
Fähigkeiten besitzt, die keine Maschine so<br />
schnell kopieren wird. In der Kunst zum<br />
Beispiel, wird sich die Nutzung der Kreativität<br />
noch lange durchsetzen, während<br />
die einfache „Reproduktion“ von Bildern<br />
und Skulpturen oder das Kopieren von<br />
bekannten Stilen keine Verwendung mehr<br />
finden wird. Deswegen sind wir besonders<br />
stolz, auch in diesem Jahr die Werke von<br />
28 Künstler*innen präsentieren zu können,<br />
die uns ihr individuelles „Können“<br />
beweisen wollen. Ihre Arbeiten sind nicht<br />
bloße Reproduktionen bekannter Motive,<br />
sondern die gelungenen Ergebnisse von<br />
Emotionen, Überlegungen, Inspirationen,<br />
Erfahrungen und stilistischen Experimenten,<br />
die sie mit ihrer „Seele“ durchgeführt<br />
haben, die bekannterweise noch keine Maschine<br />
ersetzt.<br />
Aus lauter Neugier habe ich den Versuch<br />
gestartet, eine Auskunft bei „Bard“ (die<br />
KI-App von Google) über die ART A10 zu<br />
bekommen. Ich muss zugeben, dass das<br />
Ergebnis mich positiv überrascht hat. Es<br />
zeigt, dass KI unsere Ziele mit Interesse<br />
verfolgt hat!<br />
52<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
Die ART A10 Wildau ist eine Kunstausstellung,<br />
die jedes Jahr im A10 Center in Wildau stattfindet.<br />
Sie ist eine Plattform für regionale Künstlerinnen<br />
und Künstler aus Brandenburg und<br />
Berlin, um ihre Werke einem breiten Publikum<br />
zu präsentieren. Die Ausstellung findet in den<br />
Räumlichkeiten des A10 Centers statt, einem<br />
Einkaufszentrum mit rund 200 Geschäften und<br />
Restaurants. Dies macht die ART A10 zu einem<br />
attraktiven Ziel für Menschen aus der Region<br />
und darüber hinaus. Die Ausstellungsfläche<br />
umfasst rund 1.000 Quadratmeter und ist in<br />
verschiedene Themenbereiche unterteilt. Im<br />
Mittelpunkt stehen die Bereiche Malerei, Grafik,<br />
Fotografie und Bildhauerei.<br />
Jedes Jahr bewerben sich rund 200 Künstlerinnen<br />
und Künstler für die ART A10. Eine Jury<br />
wählt schließlich rund 30 Werke aus, die in der<br />
Ausstellung gezeigt werden.<br />
Die ART A10 ist ein beliebtes Kulturereignis in<br />
der Region. In den vergangenen Jahren haben<br />
rund 350.000 Besucher die Ausstellung besucht.<br />
DIE ART A10 VERFOLGT FOLGENDE ZIELE:<br />
• Den regionalen Kunstschaffenden eine Plattform<br />
bieten, um ihre Werke einem breiten Publikum<br />
zu präsentieren.<br />
• Die Kunst in die Öffentlichkeit bringen und<br />
für mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft<br />
sorgen.<br />
•Den Austausch zwischen Künstlerinnen und<br />
Künstlern aus verschiedenen Bereichen fördern.<br />
BEDEUTUNG<br />
Die ART A10 ist eine wichtige Veranstaltung für<br />
die regionale Kunstszene. Sie bietet den Künstlerinnen<br />
und Künstlern die Möglichkeit, ihre<br />
Werke einem großen Publikum zu präsentieren<br />
und ihre Arbeit einem breiteren Publikum bekannt<br />
zu machen.<br />
Die Ausstellung ist auch ein wichtiger Beitrag<br />
zur kulturellen Vielfalt in der Region. Sie zeigt<br />
die Vielfalt der künstlerischen Ausdrucksformen<br />
und regt zum Dialog und zur Auseinandersetzung<br />
mit Kunst an.<br />
ZUKUNFT<br />
MICHAEL DITTRICH<br />
Center Manager<br />
Die ART A10 ist eine etablierte Veranstaltung,<br />
die sich in den vergangenen Jahren zu einem<br />
festen Bestandteil des Kulturkalenders in der<br />
Region entwickelt hat.<br />
Die Organisatoren der Ausstellung planen, die<br />
ART A10 auch in Zukunft fortzusetzen und weiter<br />
auszubauen. Ziel ist es, die Ausstellung zu<br />
einem noch attraktiveren Ziel für Künstlerinnen<br />
und Künstler und Besucherinnen und Besucher<br />
zu machen.“<br />
In diesem Sinne: Entdecken Sie mit uns neue Talente<br />
der regionalen Kunstszene und lassen Sie<br />
sich von der Anziehungskraft der Kunst verführen!<br />
Wir wünschen Ihnen viel Freude, inspirierende<br />
Momente und gute Unterhaltung bei<br />
der Betrachtung der Kunstwerke!<br />
Text von Michael Dittrich<br />
Center Manager (A10 Center Wildau)<br />
53
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
„KUNST, DIE DICH AN DEINE LEBENSENERGIE ERIN-<br />
NERN MÖCHTE. INSPIRIERT VON DEN KÜSTEN UND<br />
DER WEITE DES UNIVERSUMS. DEM INNEREN KOM-<br />
PASS VERTRAUEN UND DEINE ENERGIE FLIESST.“<br />
Heike Bobusch<br />
“KUNST IST ALLES!“<br />
Diana Achtzig<br />
„OB ICH LANDSCHAFTSBILDER, PORTRÄTS ODER<br />
STILLLEBEN MALE: ICH MALE DIREKT AUS DER<br />
EMOTION HERAUS. VERÄRGERT, VERLETZT, VER-<br />
BLÜFFT, GREIFE ICH ZUM PINSEL ODER MALE MIT<br />
DEN BLOSSEN HÄNDEN. ICH MALE SO WIE ICH BIN;<br />
ICH MALE, ALSO BIN ICH!“<br />
Christiane Cicéron<br />
„KUNST IST ABSICHT ZUR SENSIBILITÄT“<br />
Günter Böhme<br />
54<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
55
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
„JEDES EINZELNE KUNSTWERK BERÜHRT UNS AUF UNSE-<br />
RER PERSÖNLICHEN EBENE - JEDER EINZELNE MENSCH<br />
HAT SEINE LEIDENSCHAFT FÜR KUNST. WENN KUNST WIE<br />
EIN MUSIKSTÜCK IN DIR MITSCHWINGT, JUBELT DEIN<br />
UNTERBEWUSSTSEIN UND ES VERÄNDERT DICH MIT JEDER<br />
BETRACHTUNG. DEIN GEFÜHL ZEIGT DIR IMMER WIEDER<br />
NEUE BILDER. LASSE DICH DARAUF EIN, AUCH WENN MEI-<br />
NE WERKE NAMEN TRAGEN, FINDE DEINEN EIGENEN TITEL.“<br />
Elfe<br />
„FOTOGRAFIE BEGREIFE ICH IN IHREM WORTSINN ALS<br />
ZEICHNEN MIT LICHT. JENSEITS DES DOKUMENTARI-<br />
SCHEN DIE GRAFISCHEN UND MALERISCHEN ASPEKTE<br />
DER FOTOGRAFIE AUSZULOTEN, IST MIR BEI MEINEN<br />
ARBEITEN WICHTIG.“<br />
Katrin Heller<br />
“ICH HINTERFRAGE GEFÜHLE VON FREIHEIT UND<br />
SICHERHEIT UND ERFORSCHE HIERFÜR DIE GRENZE<br />
ZWISCHEN ERKENNBARKEIT UND ABSTRAKTION.“<br />
Gerlind Hentze<br />
„MICH EINLASSEN UND ABTAUCHEN<br />
IN DIE WELT DER FARBEN, DAS<br />
LOSLÖSEN VOM DRANG, ETWAS<br />
GEGENSTÄNDLICHES ZU ERSCHAF-<br />
FEN UND AM ENDE EIN FERTIGES<br />
WERK ZU BETRACHTEN- DAS IST<br />
FÜR MICH LEIDENSCHAFTLICHE<br />
MALEREI!“<br />
Franka Höhne<br />
56<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
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57
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
“DIE NATUR DER „WILDEN<br />
FRAU“ LEBT IN UNS - NIE<br />
VERLOREN, NUR VERSCHÜT-<br />
TET. ICH ERGRÜNDE SIE MIT<br />
PINSEL UND STIFT.“<br />
Lilou King<br />
„INSGESAMT STREBE ICH<br />
DANACH, EINE BALANCE<br />
ZWISCHEN REALISMUS UND<br />
FANTASIE ZU FINDEN, UM<br />
EINE EINZIGARTIGE UND<br />
FESSELNDE ERFAHRUNG<br />
FÜR DEN BETRACHTER ZU<br />
SCHAFFEN.“<br />
Karin Koch<br />
AUF DIE IMMER WIEDER KEH-<br />
RENDE FRAGE/FESTSTELLUNG<br />
VIELER BETRACHTER OHNE<br />
KUNSTERFAHRUNG, WARUM<br />
DIE FIGUREN DENN SO ERNST<br />
SCHAUEN, MEINE ANTWORT:<br />
„ES SIND SKULPTUREN. KEINE<br />
PUPPEN!“<br />
Ralf Kleine<br />
„MEINE WERKE<br />
SIND 3D FILME<br />
MIT EINER BILD-<br />
RATE VON EINEM<br />
BILD PRO EWIG-<br />
KEIT (1 FRAME<br />
PER ETERNITY)„<br />
Mario Lehmann<br />
“IN MEINEN BILDERN STREITEN WIRKLICH-<br />
KEIT UND ILLUSION.“<br />
Agnes Brigitte Schröck<br />
58<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
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59
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
„GEDULD BEI DER LANDSCHAFT, DAS GEFÜHL FÜR<br />
DEN RICHTIGEN AUGENBLICK BEI DER REPORTAGE,<br />
DIE SENSIBILITÄT BEIM PORTRÄT GEHÖREN ZUR<br />
FOTOGRAFIE“<br />
Frank Müller<br />
MICH BILDKÜNSTLERISCH AUSZUDRÜCKEN<br />
BEDEUTET AUCH : FREIRÄUME ZU SCHAFFEN<br />
UND ZU NUTZEN, UM DER ENGE ZU BEGEGNEN.<br />
Uli Mathes<br />
“REFLEXION MIT INTONATION, MEINE GE-<br />
GENWÄRTIGE AUSDRUCKSWEISE.“<br />
Tatyana Mutig<br />
„MEINE STUDIE DER VERÄRGERUNG IST STILLE, DIE<br />
SICHTBAR WIRD. DIE SPANNUNG ZWISCHEN SPRACHE<br />
UND DER WELT, IN DER DAS EXISTIERENDE NACH SEINER<br />
MÖGLICHKEIT VERLANGT, UND NICHT DAS MÖGLICHE<br />
NACH SEINER EXISTENZ. DIES IST EINE LEIDENSCHAFT-<br />
LICHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DER GEGENWART, IN<br />
DER DIE OBERFLÄCHE DER DINGE UND DIE OBERFLÄCH-<br />
LICHKEIT DER MENSCHEN WAHRHAFT BEDEUTSAM UND<br />
SCHMERZVOLL SIND. DIE SUCHE NACH DEM KONTEXT,<br />
MEIN WUNSCH, ZU ENTFLIEHEN, UND MEINE UNFÄHIG-<br />
KEIT DIESEM NACHZUGEHEN. DIE EINFÜHRUNG VON<br />
LEUCHTENDEN BLOCKFARBEN IN DIE ARBEIT MEINER<br />
NEUEN SERIE IST EINE KONZEPTIONELLE IDEE, UM EINEN<br />
WEG ZU FINDEN, DAS UNNÖTIGE ZU IDENTIFIZIEREN<br />
UND LOSZUWERDEN.”<br />
Kristine Narvida<br />
60<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
ALLES FLIESST, BIS SICH EIN GEGENSTANDSLOSES<br />
BILD FORMT.”<br />
Detlef Polley<br />
„DURCH DIE VIELFALT IHRER ERSCHEINUNGSBILDER<br />
KÖNNEN FARBEN UND FORMEN BILDIDEEN SUG-<br />
GERIEREN, FANTASIE UND DARSTELLUNGSFREIHEIT<br />
AKTIVIEREN....„<br />
Joachim Sachse<br />
“MEINE WERKE SIND IN IHRER FARBINTEN-<br />
SIVEN BEWEGTHEIT UND LEBENDIGKEIT VOR<br />
ALLEM EINES: LIEBESGESTÄNDNISSE ANS<br />
JETZT UND EINLADUNGEN ZUM INNEHAL-<br />
TEN - ZUM VERWEILEN IN EBENDIESEM<br />
MOMENT.“<br />
Miriam Smidt<br />
AM 22. OKTOBER <strong>2023</strong> FINDET DIE VERNISSAGE UND<br />
DIE PREISVERLEIHUNG STATT. DIE KARIBISCH STÄM-<br />
MIGE SÄNGERIN Sara de Bourgeois BEREICHERT ZU-<br />
SÄTZLICH DIE VERANSTALTUNG MIT EINEM BUNTEN<br />
REPERTOIRE AN SONGS AUS SOUL, FUNK UND JAZZ.<br />
AUF DIE NEUESTEN EXPONATE DER KÜNSTLER*INNEN<br />
UND AUF DIE PERFORMANCE VON SARA DE BOUR-<br />
GEOIS SIND WIR SEHR GESPANNT!<br />
61
DER KUNSTBLITZ | A 10 CENTER, WILDAU<br />
„IN MEINEN ZEICHNUNGEN VERARBEITE ICH DIE<br />
FLÜCHTIGEN EINDRÜCKE, DIE MIR IM ALLTAG<br />
BEGEGNEN.“<br />
Ulrike Basner<br />
„UNTER EINFLUSS VON LICHT UND FARBEN<br />
ENTSTEHEN NEUE KOMPOSITIONEN,<br />
DIE MICH FOTOGRAFISCH INSPIRIEREN.“<br />
Petra Sommer<br />
“DAS SCHÖNE VERBIRGT SICH IM DETAIL… UND<br />
SPIEGELT SICH IM AUGE DER BETRACHTER.“<br />
Violeta Vollmer<br />
“DIE NATUR IST MEINE INSPIRATION UND MEIN<br />
ATELIER”<br />
Rostylav Voronko<br />
62<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
“ICH FINDE MEINE MOTIVE NICHT, ICH ERFINDE SIE.<br />
DENNOCH IST ES OFT EINE INTERPRETATION DER<br />
EINDRÜCKE, DIE ICH IN DER FREIEN NATUR“ VISUELL<br />
ERLEBT HABE.<br />
Heidrun von Haacke<br />
„MEINE FORMEN SIND WIE WESEN, DIE MAL<br />
VEREINZELT STEHEN, MAL VERBUNDEN ODER SIE<br />
KONKURRIEREN UM DIE AUFMERKSAMKEIT VON<br />
AUSSEN.“<br />
Anne Winkler<br />
„DIE MALEREI IST WIE EIN BUCH. JEDES BILD HAT<br />
SEINE EIGENE GESCHICHTE.“<br />
Anne Winkler<br />
„… FIGUREN IM ABSTRAKTEN RAUM GEZIELT AB-<br />
SICHTSLOS ERARBEITET …„<br />
Marlies Ziemke<br />
63
DER KUNSTBLITZ | WILHELM-FABRY-MUSEUM<br />
EIN BILD VON TINO ZIMMERMANN<br />
FESTGEHALTEN<br />
Kunst als Wegweiser im Dunkel der Psyche<br />
Die Ausstellung im Wilhelm-Fabry-Museum,<br />
kuratiert von der Kunsthistorikerin<br />
Manja Wilkens, setzt sich aus zwei Themen-Clustern<br />
zusammen.<br />
Zum einen stellt sie das Werk und<br />
das Schicksal des Arztes Matthias<br />
Kube vor. Kube, Nephrologe und<br />
fünffacher Vater aus Westfalen,<br />
erkrankte 2018 an Morbus Alzheimer. Um<br />
sich dem Grübeln wenigstens zeitweise zu<br />
entziehen, begann er mit der künstlerischen<br />
Bearbeitung von Holzstücken, die er auf<br />
Spaziergängen gefunden hatte. Daraus entwickelte<br />
er gemeinsam mit der Hamburger<br />
Fotografin Marianne Moosherr ein so faszinierendes<br />
Kunstprojekt, dass er kurz vor seinem<br />
Tod erheitert überzeugt war, er sei ein<br />
Künstler und kein Arzt. Kunst, so das Fazit,<br />
ist manchmal die bessere Medizin. Gezeigt<br />
werden seine virtuos geschnitzten Holzobjekte,<br />
sowie die konzeptuellen Aufnahmen<br />
der Porträtfotografin Moosherr, die seine<br />
Arbeiten im Wortsinne greifbar machen und<br />
zeigen, wie viel Kunst in der Natur steckt.<br />
Auch der zweite Themenkomplex wird<br />
64<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
5.11.<strong>2023</strong> - 25.2.2024<br />
mittels des Mediums Fotografie erfahrbar<br />
gemacht. Die Aufnahmen präsentieren die<br />
persönliche Geschichte des 1990 geborenen<br />
Tino Zimmermann, der über das Medium<br />
Fotografie einen Weg fand, sich von seiner<br />
Sucht und einer psychischen Erkrankung zu<br />
befreien. Das Fotografieren ermöglichte es<br />
ihm, wieder in einen geregelten Alltag zurückzufinden.<br />
Die zwischen 2011 und 2016<br />
entstandenen Arbeiten dokumentieren unverstellt<br />
das oft melancholische Leben in<br />
der abgelegenen brandenburgischen Provinz,<br />
in der Tino Zimmermann aufwuchs. Die<br />
Aufnahmen mündeten in einer 450 Seiten<br />
starken Publikation, für die der Autor 2019<br />
mit dem deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet<br />
wurde. Von 2016 bis 2018 studierte<br />
Zimmermann Fotojournalismus und Dokumentarfotografie<br />
in Hannover, nach vier<br />
Semestern wechselte er an die Kunstakademie<br />
Karlsruhe, um Freie Kunst zu studieren..<br />
Mit beiden Ausstellungspositionen wird die<br />
Bandbreite des Vergessens, bedingt durch<br />
Krankheit, Medikation, Drogen sowie das<br />
Bewahren über das Haptische und Visuelle,<br />
veranschaulicht.<br />
Das ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ widmete<br />
2022 Matthias Kube und Morbus Alzheimer<br />
unter dem Titel „Vom Vergessen und Verschweigen,<br />
wenn Menschen ihr Gedächtnis<br />
verlieren“ einen längeren Beitrag.<br />
Wilhelm-Fabry-Museum<br />
Benrather Straße 32a I 40721 Hilden<br />
www.wilhelm-fabry-museum.de<br />
E-Mail: wilhelm-fabry-museum@hilden.de<br />
Tel. 0 21 03 - 59 03<br />
65
DER KUNSTBLITZ | KUNSTRAUM GEWERBEPARK-SÜD IN HILDEN<br />
Kitsch und Kunst. Konfrontation und Grenzgänge<br />
Bis 03.12.<strong>2023</strong><br />
Ist Kitsch definierbar? Und was überhaupt ist Kitsch?<br />
Das Thema der Ausstellung stellt eine Herausforderung<br />
dar, denn zu dem Begriff Kitsch und seiner Bedeutung<br />
gibt es historisch bis in die Gegenwart betrachtet die<br />
konträrsten Positionen. Von den einen geliebt und gehätschelt,<br />
von den anderen verteufelt und verflucht. Gar<br />
als Inbegriff des Bösen und des schlechten Geschmacks<br />
verdammt, verbinden viele mit ihm etwas Alltägliches,<br />
Triviales und in Masse Reproduziertes. Auch der Gedanke<br />
an Kleinbürgerlichkeit, Spießigkeit, Sentimentalität<br />
wird mit diesem Phänomen verknüpft. Von den<br />
negativen Konnotationen hat sich der Begriff heute<br />
weitgehend gelöst und einen Wandel in seiner Wahrnehmung<br />
und Definition erfahren. Diese Metamorphose<br />
einer friedlichen Koexistenz von Kitsch und Kunst, einem<br />
klaren hierarchischen Ordnungssystem, geht jedoch<br />
viel weiter. Spielarten, Funktionen, Bedeutungen<br />
und Instrumentalisierungen von Kunst, eingestuft als<br />
Kitsch bis hin zur Geschmacksvorliebe hin zum Existenziellen,<br />
werden an ausgewählten Themenkomplexen<br />
gezeigt. So war der röhrende Hirsch einst ein Muss in<br />
jedem adligen Haushalt oder Jagdschloss und beliebter<br />
Topos für Macht, Stärke und Potenz in der Malerei und<br />
Plastik, ein Motiv, das als Reproduktion in den bürgerlichen<br />
Haushalt einzog und sich zum Inbegriff des Kitsches<br />
wandelte. Ausgewählte Landschaftsbilder sowie<br />
eine Skulptur des Bildhauers Thomas Virnich werden in<br />
diesem Zusammenhang präsentiert. Dem in Serie reproduzierten<br />
Aquarell des Dürer Hasen, als Kunstdruck aus<br />
den Wohnzimmern ganzer Epochen nicht mehr wegzudenken,<br />
zollt der Künstler Ottmar Hörl Tribut mit seinem<br />
multiplen goldenen Dürer Hasen. Bereits in den frühen<br />
1970 Jahren zeigte der Konzeptkünstler Hans-Peter<br />
BILD: ALIBABA<br />
Feldmann, dass sich Kunst aus dem Alltäglichen und<br />
Profanen speisen lässt und spätestens mit dem Ankauf<br />
seines „Ladens“ durch das Münchner Lehnbachhaus<br />
wird deutlich, dass Souvenirs und Nippes als Gesamtkonzept<br />
zur Kunst erhoben werden können. Neben den<br />
genannten Beispielen setzt sich die Ausstellung mit Traditionen,<br />
dem Sammeln, dem Glauben und einfach nur<br />
„schönen“ Bildern auseinander. Dafür werden ausgewählte<br />
Werke etwa von Dominik Hebestreit, Hans-Peter<br />
Feldmann, Cornelia Schoenwald, Pierre & Gilles, Ansgar<br />
M. van Treeck, Damien Hirst, Dennis Josef Meseg, Thomas<br />
Virnich und vielen weiteren Künstlern präsentiert.<br />
Kunstraum Gewerbepark-Süd<br />
Hofstraße 64<br />
40723 Hilden<br />
www.gewerbepark-sued.de/<br />
kunstausstellungen.html<br />
66<br />
HERBST | <strong>2023</strong>
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