Von Bischof zu Bischof - Rotpunktverlag
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192 In 9 Tagen von Chur nach Como<br />
6C Andeer–Monte Spluga<br />
So hätte Neu-Splügen nach der Überflutung des Dorfs aussehen sollen: Skizze von Architekt<br />
Armin Meili, 1944.<br />
folgreiche Ausbruch der Felsengalerie fiel mit dem Ausbruch des Ersten<br />
Weltkriegs <strong>zu</strong>sammen, mit dem Zusammenbruch des Tourismus. (www.<br />
rofflaschlucht.ch > Wasserfall)<br />
Die Geschichte des Gasthauses ist eine kleine Verkehrs- und Auswanderergeschichte,<br />
wie sie klassischer nicht sein könnte. Die Eröffnung der Gotthardbahn,<br />
dieses »Brotschelms«, brachte 1882 auch an der Splügenroute<br />
viele Familien um den Verdienst, der Güterverkehr brach <strong>zu</strong>sammen, die<br />
Gäste blieben aus. Die Gemeinden förderten die Auswanderung nach Amerika<br />
und übernahmen die Reisekosten. So reiste auch die Familie Pitschen-<br />
Melchior, die Wirtsfamilie bei der Roflaschlucht, nach New York. Glücklich<br />
war man nicht, und als Christian Pitschen am Niagara sah, dass man mit<br />
einem Wasserfall Geld verdienen kann, kehrte die Familie in ihr Gasthaus<br />
<strong>zu</strong>rück und begann, den versteckten Wasserfall <strong>zu</strong> erschließen. In den<br />
1950er- und 1960er Jahren, nach den Krisenzeiten des Ersten und des Zweiten<br />
Weltkrieges, erlebte das Haus eine Blütezeit – bis die Autobahn kam, die<br />
oben am Hotel vorbeirauscht. Heute wird das geschichtsträchtige und preisgünstige<br />
Haus in fünfter Generation geführt. Wenn man an einem schönen<br />
Sommertag, zwischen Bikern und Familien und Wandergruppen auf die Forelle<br />
vom Grill wartet und die Ausflügler für den Wasserfall anstehen sieht,<br />
hofft man, die Geschichte möge noch lange weitergehen.<br />
Wir tauschen das Tosen des Wasserfalls mit dem Lärm der schweren Laster,<br />
die auf der A13 vorbeidonnern. Haben wir nicht vor Jahren erfolgreich<br />
der Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene <strong>zu</strong>gestimmt?<br />
Weiter oben könnten wir dem Verkehrslärm mit einem Besuch des<br />
Festungsmuseums Crestawald entfliehen – eine Alternative, die uns auch<br />
nicht <strong>zu</strong> überzeugen vermag. Das Blau des Stausees wirkt beruhigend, und<br />
noch mehr genießen wir die Wanderstunde von Sufers nach Splügen, das<br />
leichte Auf und Ab dem Wald entlang.<br />
Splügen wäre ein formidabler, höchst stimmiger Übernachtungsort. Das<br />
traditionsreiche Bodenhaus (mit günstigen Zimmern in der alten Dependance)<br />
am Dorfplatz gefällt von Mal <strong>zu</strong> Mal besser, und das mächtige Gebäude<br />
der alt-neuen Säumerherberge Weiß Kreuz oben im Dorf ist auch von<br />
innen ein Erlebnis. Allein – bei der Etappierung unserer langen Wanderung<br />
gen Süden passte der alte Passort mit allem Stoßen und Ziehen nicht ins<br />
Schema. Wir empfehlen ein Wiederkommen – mit der Badehose. Denn<br />
schon bald kann man hier vielleicht in einem künstlich angelegten See baden,<br />
der sich unweit der Skilifttalstation stauen soll. Ein romantischer<br />
So blickte Johann Jakob Meyer, Sohn eines Zürcher Seidenfabrikanten, auf Splügen <strong>zu</strong>rück.<br />
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