Von Bischof zu Bischof - Rotpunktverlag
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224 In 9 Tagen von Chur nach Como<br />
6J Menaggio–Lenno oder Como<br />
Wäre er doch in Bern geblieben: Polizeifoto von »Benedetto« Mussolini, 19. Juni 1903,<br />
Untersuchungsgefängnis Bern.<br />
See. Gut gekleidete Kleingruppen streben dem blumengeschmückten Friedhof<br />
von Sant’Ambroggio <strong>zu</strong> – und wir dem nahe liegenden Mezzegra. (Weiter<br />
unten, vor einem Villentor an der Via XXIV maggio 14, wurden am<br />
28. April 1945 Mussolini und seine Geliebte Claretta Petacci von Partisanen<br />
erschossen. »Fatto storico, site of historical event«, steht auf einer Tafel.)<br />
Wir gehen durch Mezzegra weiter bis <strong>zu</strong>m Wegweiser »Pola« und hier<br />
links abwärts. So stoßen wir auf die Via Pola (<strong>zu</strong>erst eine Mulattiera, dann<br />
eine Nebenstraße). Nun wandern wir die Höhe haltend weiter. Beim Wegweiser<br />
»Lenno« wird der Weg wieder schmaler und führt hinunter <strong>zu</strong>r<br />
schattigen Brücke über den Pola-Bach. Ein lauschiger, moosiger Winkel.<br />
Nach der Brücke kann man in einer guten Viertelstunde direkt nach Lenno<br />
absteigen, hinunter auf die Straße und <strong>zu</strong>r Schifflände.<br />
Lenno ist ein wahrer Traum für müde Wanderer. Man kann aus drei ruhig<br />
gelegenen Hotels auswählen, die das ganze Spektrum abdecken. Aus den<br />
Korbsesseln vor dem durchrenovierten teuren Viersternhaus Lenno hat man<br />
die Schifflände direkt vor der Nase und damit die Kontrolle über alles, was<br />
über den See kommt und geht. Das ganze Jahr offen ist das günstige, ebenfalls<br />
am See gelegene Zweisternhaus Plinio (drei Minuten seeabwärts).<br />
Ein paar Schritte seeaufwärts landet man im Park des San Giorgio, unserem<br />
Liebling am Lario: eine sehr gut erhaltene Fast-Neunzigerin von gelassener,<br />
ungelifteter Schönheit, dezent umweht vom Duft der Kletterrosen und<br />
vom Jasmin im Park. »Relax assoluto« heißt hier das Motto, kein Fernseher<br />
und kein Radio, kein Fitnessraum, dafür wahnsinnig bequeme alte Sessel<br />
und Sofas, in denen man sich in anderen Zeiten verlieren kann, »un po’<br />
fuori del mondo«.<br />
Im Nebenhaus, einer ehemaligen Seidenspinnerei und späteren Ölmühle aus<br />
dem 18. Jahrhundert, erzählte uns die grauhaarige, sportlich elegante Hotelière<br />
Margherita Cappelletti Redaelli vor Jahren die Geschichte des Hauses. Großvater<br />
Giulio führte das Hotel Lenno, das damals noch Roma hieß. England hatte<br />
den Comersee entdeckt, das Geschäft lief gut. Als eine Krankheit die Olivenhaine<br />
zerstörte und die Ölpressen stillstanden, erwarb der Nonno das Land neben<br />
dem Roma und baute sein eigenes Hotel. 1920 hatte das San Giorgio seine<br />
erste Saison. Es sah Ruhe suchende Feriengäste und auch italienische Faschisten,<br />
deutsche Besatzer, amerikanische<br />
Befreier. Ein halbes Jahrhundert<br />
lang prägte Luigi Cappelletti,<br />
Giulios Sohn, das San Giorgio.<br />
Seine Tochter Margherita, Mutter<br />
von vier Kindern, übernahm um<br />
1980 – jetzt sind Tochter und<br />
Sohn am Ruder.<br />
Wer in Lenno übernachtet,<br />
kann dem See entlang und dann<br />
auf der Hauptstraße nach Ossucio<br />
hinüber wandern. Direkt am<br />
Belvedro-Bach liegt unübersehbar<br />
die Villa Balbiano, in deren<br />
schönem Park seit den 1960er<br />
Jahren nur noch ein Schild an<br />
die Filanda Gessner, ehemals<br />
Abegg erinnert.<br />
Heute nehmen wir das Nachmittagsschiff<br />
nach Como, lassen<br />
bescheidene Dörfer und traumhafte<br />
Villen an uns vorbeiziehen,<br />
ein Bilderbuchland für<br />
Halbgötter wie George Clooney<br />
und Co. Das war schon 1849<br />
so, wie wir in Johann Georg<br />
Heute noch eine lauschige Ecke am See:<br />
das Hotel Plinio in Lenno.<br />
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