Ärzt*in für Wien 2023/11
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SERVICE CHRONIK<br />
Kinder und Jugendliche<br />
Initiative <strong>für</strong> psychosoziale<br />
Gesundheit<br />
Schon vor der Pandemie<br />
war etwa ein Fünftel aller<br />
Kinder und Jugendlichen<br />
in Österreich psychisch<br />
belastet.<br />
Psychische Gesundheit und Lebensqualität von<br />
Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben<br />
durch die jüngsten Krisen stark gelitten. Eine neue<br />
Initiative, das „ABC der psychosozialen Gesundheit<br />
junger Menschen“, will Hilfsangebote bündeln,<br />
sichtbarer und zugänglicher machen.<br />
► Um das Ziel, Hilfsangebote<br />
besser an die Zielgruppe zu<br />
bringen, zu erreichen, werden Bündnisse<br />
mit Organisationen in ganz Österreich<br />
geschlossen. Weiters soll ein<br />
Aktionsplan erarbeitet und umgesetzt<br />
werden, hieß es bei einem Pressegespräch<br />
in <strong>Wien</strong>.<br />
Schon vor der Pandemie war etwa ein<br />
Fünftel aller Kinder und Jugendlichen<br />
in Österreich psychisch belastet, geht<br />
aus der österreichischen HBSC-Studie<br />
(Health Behaviour in School-aged<br />
Children) hervor, die im Schuljahr<br />
2021/22 durchgeführt wurde. Die Daten<br />
wurden noch während der Corona-Pandemie,<br />
„in der Omikron-Phase“, gesammelt,<br />
sagte Studienleiterin Rosemarie<br />
Felder-Puig. Sie höre aber aus Schulen<br />
und Beratungsstellen, „dass die Situation<br />
anhaltend angespannt ist“.<br />
Deutliche Verschlechterung<br />
Kernaussagen lauten: Gesundheit und<br />
Wohlbefinden der jungen Menschen<br />
haben sich über Jahre hinweg deutlich<br />
verschlechtert. 22 Prozent der Mädchen<br />
und zehn Prozent der Burschen<br />
zeigten Anzeichen einer depressiven<br />
Verstimmung oder Depression. 31 Prozent<br />
der Mädchen und 19 Prozent der<br />
Burschen waren zum Zeitpunkt der<br />
Erhebung mit ihrem Leben nicht sehr<br />
zufrieden. Auch Paul Plener, Klinikvorstand<br />
an der Universitätsklinik <strong>für</strong><br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie an der<br />
Medizinischen Universität <strong>Wien</strong> und<br />
Vorstand der Österreichischen Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
(ÖGKJP), berichtete von einer<br />
31 Prozent<br />
der Mädchen<br />
und 19<br />
Prozent der<br />
Burschen<br />
waren zum<br />
Zeitpunkt<br />
der Erhebung<br />
mit<br />
ihrem Leben<br />
nicht sehr<br />
zufrieden.<br />
5. Schulstufe<br />
7. Schulstufe<br />
9. Schulstufe<br />
<strong>11</strong>. Schulstufe<br />
deutlichen Zunahme von depressiven<br />
Symptomen, Angststörungen, Essstörungen<br />
sowie von Suizidgedanken und<br />
-versuchen, die bis heute anhalte.<br />
Angebote und Informationen<br />
Das „ABC der psychosozialen Gesundheit<br />
junger Menschen“ soll nun Angebote<br />
besser an die Zielgruppe bringen,<br />
sagte Gerlinde Rohrauer-Näf vom<br />
Fonds Gesundes Österreich. Dazu soll<br />
zum einen auf einer Website überprüfte<br />
und verlässliche Information geboten<br />
werden. Zum anderen werden österreichweit<br />
bereits in der Gesundheitsprävention<br />
<strong>für</strong> die Jugend tätige Organisationen<br />
zu „Bündnispartnern“. Der<br />
Aktionsplan schließlich soll allen Maßnahmen<br />
mehr Reichweite verschaffen.<br />
Psychische Belastung der Jugend<br />
Erhebung 2021/22 in Österreich – Beschwerden<br />
mehrmals pro Woche, Angaben in Prozent<br />
Schülerinnen<br />
Niedergeschlagenheit<br />
Angstgefühle<br />
9<br />
19<br />
Schüler<br />
13<br />
7<br />
23<br />
8 21<br />
12<br />
Grafik: © APA, Quelle: BMSGPK<br />
9<br />
36<br />
35<br />
8<br />
14<br />
21<br />
38<br />
41<br />
Nervosität<br />
17<br />
14<br />
18<br />
25<br />
21<br />
29<br />
42<br />
44<br />
Eine „Bündnispartnerin“ ist beispielsweise<br />
die Liga <strong>für</strong> Kinder- und Jugendgesundheit.<br />
Mädchen und Burschen<br />
hätten noch viel zu wenige valide Angebote<br />
zur Vorsorge <strong>für</strong> ihre psychische<br />
Gesundheit, „die meisten Informationen<br />
beziehen sie aus den sozialen Medien“,<br />
sagte Geschäftsführerin Caroline<br />
Culen. Auch bOJA, das bundesweite<br />
Netzwerk Offene Jugendarbeit, und<br />
die Bundesjugendvertretung beteiligen<br />
sich.<br />
Maßnahmen an „beiden Enden“<br />
Die Initiative setze frühzeitig an, nämlich<br />
mit Unterstützung zum Gesundbleiben,<br />
denn es gehe auch darum,<br />
„den Versorgungsbereich zu entlasten“,<br />
sagte Judith delle Grazie vom Gesundheitsministerium.<br />
Dort, gemeint ist<br />
die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit<br />
ihrem anhaltenden Mangel an stationären<br />
Betten und Fachpersonal, klaffen<br />
noch große Lücken. Man müsse<br />
„an beiden Enden etwas tun“, sowohl<br />
in der Prävention als auch am anderen<br />
Ende der Versorgungskette, appellierte<br />
der Jugendpsychiater Plener. Es finde<br />
zwar ein Ausbau der stationären Kapazitäten,<br />
vor allem auf Länderebene,<br />
statt, „es geht aber zu langsam“. Daher<br />
seien solche Initiativen auch „wichtig,<br />
weil wir abfedern müssen“. Man dürfe<br />
nicht zuwarten, bis sich Probleme zu<br />
psychischen Störungen auswachsen,<br />
betonte Rohrauer-Näf. <br />
Service: Informationen unter<br />
https://wohlfuehl-pool.at/abc.<br />
Foto: pixelschoen/GettyImages<br />
34 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> <strong>11</strong>_<strong>2023</strong>