SB_21504NLP
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2023<br />
Abschlussbericht<br />
DVS-Forschung<br />
Elektromagnetische<br />
Härteprüfung für die<br />
Wärmeeinflusszone<br />
von Unterwasser-<br />
Schweißnähten
Elektromagnetische<br />
Härteprüfung für die<br />
Wärmeeinflusszone von<br />
Unterwasser-Schweißnähten<br />
Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben<br />
IGF-Nr.: 21.504 N<br />
DVS-Nr.: V4.3342<br />
Leibniz Universität Hannover<br />
Institut für Werkstoffkunde (IW)<br />
Förderhinweis:<br />
Das IGF-Vorhaben Nr.: 21.504 N / DVS-Nr.: V4.3342 der Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS, Aachener Str. 172, 40223 Düsseldorf, wurde über die<br />
AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)<br />
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des<br />
Deutschen Bundestages gefördert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind online abrufbar<br />
unter: http://dnb.dnb.de<br />
© 2023 DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />
DVS Forschung Band 579<br />
Bestell-Nr.: 170682<br />
Kontakt:<br />
Forschungsvereinigung Schweißen<br />
und verwandte Verfahren e.V. des DVS<br />
T +49 211 1591-0<br />
F +49 211 1591-200<br />
forschung@dvs-hg.de<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung in andere Sprachen, bleiben<br />
vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages sind Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die<br />
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nicht gestattet.
Schlussbericht vom 30.10.2023<br />
zu IGF-Vorhaben Nr. 21.504 N<br />
Thema<br />
Elektromagnetische Härteprüfung für die Wärmeeinflusszone von Unterwasser-Schweißnähten<br />
Berichtszeitraum<br />
01.12.2020 - 31.05.2023 (inkl. 6 Monate kostenneutrale Verlängerung)<br />
Forschungsvereinigung<br />
Forschungsvereinigung Schweißen und verwandte Verfahren e.v. des DVS<br />
Forschungseinrichtung(en)<br />
Leibniz Universität Hannover, Institut für Werkstoffkunde (IW)
Seite 2 des Abschlussberichtes des IGF-Vorhaben 21.504 N<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ............................................................................................................................ 3<br />
2. Stand der Technik ............................................................................................................... 4<br />
3. Arbeitsdiagramm ................................................................................................................. 8<br />
4. Projektergebnisse im Vergleich mit den Zielen .................................................................. 10<br />
4.1. Arbeitspaket 1: Auslegung, Umsetzung und Inbetriebnahme von Sensortechnik zur<br />
Erfassung von Wärmeeinflusszonen ..................................................................................... 10<br />
4.2. Arbeitspaket 2: Entwicklung von Modellen zur Kennwertbestimmung der Härte mittels<br />
Wirbelstromtechnik ............................................................................................................... 15<br />
4.3. Arbeitspaket 3: Untersuchung des Härteprüfmodells hinsichtlich Einflussgrößen ....... 18<br />
4.4. Arbeitspaket 4: Validierung des Prüfsystems zur Abbildung der WEZ an realen<br />
Schweißnähten ..................................................................................................................... 22<br />
4.5. Arbeitspaket 5: UW-Erprobung an praxisrelevanten Anwendungsfällen und<br />
exemplarischen Funktionsnachweis anhand von getemperten Schweißnähten .................... 30<br />
4.6. Arbeitspaket 6: Erstellung eines Anwendungskonzeptes ............................................ 32<br />
4.7. Zusammenfassung Gegenüberstellung der durchgeführten Arbeiten und des<br />
Ergebnisses mit den Zielen ................................................................................................... 34<br />
5. Wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Nutzen für KMU ................................................... 35<br />
5.1. Wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Problemstellung .............................. 35<br />
5.2. Wirtschaftliche Bedeutung der angestrebten Forschungsergebnisse für KMU............ 38<br />
6. Zusammenfassung, Fazit .................................................................................................. 39<br />
7. Umsetzbarkeit und Transfer der Ergebnisse ...................................................................... 40<br />
7.1. Plan zum Ergebnistransfer in die Wirtschaft ............................................................... 40<br />
7.2. Einschätzung der Realisierbarkeit des vorgeschlagenen und aktualisierten<br />
Transferkonzepts .................................................................................................................. 42<br />
8. Verwendung der Zuwendung ............................................................................................ 43<br />
9. Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit ............................................... 43<br />
10. Förderhinweis ................................................................................................................ 43<br />
11. Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 44<br />
2
Seite 3 des Abschlussberichtes des IGF-Vorhaben 21.504 N<br />
1. Einleitung<br />
Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende, mit der Deutschland bis zum Jahr 2045<br />
treibhausgasneutral werden will, ist der Ausbau der Offshore-Windenergie eine wichtige Säule.<br />
Dazu wurden im Windenergie-auf-See-Gesetz § 1 „Zweck und Ziel des Gesetzes“ folgende<br />
Ausbauziele festgelegt: Ausbau der installierten Offshore-Windenergieleistung auf mindestens<br />
30 Gigawatt bis zum Jahr 2030 und auf mindestens 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045.<br />
Dies führt langfristig zu einer steigenden Anzahl von Offshorewindenergieanlagen (OWEA).<br />
Gleichzeitig nimmt der Bestand an älteren OWEA zu, z.B. ist seit 2010 der erste deutsche<br />
Offshore-Windpark „alpha ventus“ in Betrieb. Bei einer angenommenen Lebensdauer von ca. 20-<br />
25 Jahren müsste dieser Offshore-Windpark bereits zum ersten Ausbauziel 2030 außer Betrieb<br />
genommen werden. [1] Offshore-Bauwerke wie Windenergieanlagen sind aufgrund ihrer<br />
exponierten Lage ständigen zyklischen Belastungen durch unterschiedliche<br />
Witterungsbedingungen, aber auch durch den Betrieb ausgesetzt. [2–4] Um auch ältere Anlagen<br />
über ihre geplante Lebensdauer hinaus betreiben zu können, müssen Reparatur- und<br />
Wartungsarbeiten auch unter Wasser durchgeführt werden können. Für solche Reparaturarbeiten<br />
kann das nasse Lichtbogenhandschweißen eingesetzt werden. [5, 6] Beim<br />
Unterwasserschweißen tritt aufgrund der schnellen Abkühlung durch das umgebende Medium<br />
Wasser eine verkürzte t 8/5-Zeit auf, in der die Temperatur von 800 °C auf 500 °C absinkt und<br />
wesentliche Gefügeumwandlungen stattfinden. Oberhalb der Wasserlinie können Vor- und<br />
Nachwärmtechniken eingesetzt werden, um das sich ausbildende bzw. vorhandene Gefüge<br />
einzustellen. Unterhalb der Wasserlinie sind diese jedoch nur sehr eingeschränkt anwendbar. So<br />
bildet sich beim Schweißen unterhalb der Wasserlinie in der Wärmeeinflusszone ein härteres,<br />
martensitisch-bainitisches Gefüge aus. Infolge mechanischer Beanspruchung kann dieses<br />
härtere und sprödere Gefüge zu Rissinitiierungen führen. Aus diesem Grund wird im DVS-<br />
Merkblatt 1818 für die Zuverlässigkeit von Unterwasserschweißverbindungen ein maximaler<br />
CEV-Wert von 0,4 Ma.-% festgelegt. [7–9]<br />
Zur Verdeutlichung der Problematik sind in Abbildung 1 zwei Härteverläufe über den<br />
Probenquerschnitt einer Auftragschweißnaht auf Proben aus dem Werkstoff S430GP dargestellt.<br />
3
Seite 4 des Abschlussberichtes des IGF-Vorhaben 21.504 N<br />
Abbildung 1: Schliffbild einer UW-Schweißnaht auf S430GP mit Angabe der Lage der Härtespur – Vergleich von<br />
Härteprofilen (HV0,2) von an Atmosphäre und Unterwasser geschweißten Auftragschweißnähten auf S430GP [10]<br />
Eine Probe wurde an Atmosphäre und die andere unterhalb der Wasserlinie geschweißt. Es ist<br />
zu erkennen, dass bei beiden Proben eine Härtezunahme im Bereich der Wärmeeinflusszone<br />
auftritt. Bei der unterhalb der Wasserlinie geschweißten Probe ist diese Zunahme jedoch deutlich<br />
größer als bei der an Atmosphäre geschweißten Probe. Da eine zu starke Aufhärtung zu einem<br />
vorzeitigen Versagen führen kann, wird in den Regelwerken die maximale Härte in der<br />
Wärmeeinflusszone zur Qualifizierung von Schweißnähten herangezogen. Die DIN EN ISO<br />
15614-1 gibt eine maximale Härte von 380 HV10 und die amerikanische Norm AWS D3.6M:2017<br />
eine maximale Härte von 325 HV10 vor. [11, 12] Für die Qualifizierung von Schweißverbindungen<br />
werden bisher zumeist Vergleichsproben hergestellt. Für eine genauere Qualifizierung bietet sich<br />
jedoch eine zerstörungsfreie Prüfung am Ort der Reparatur an. Bislang existierte jedoch kein<br />
zerstörungsfreies Prüfverfahren zur Bestimmung der maximalen Härte in der<br />
Wärmeeinflusszone. Daher wurde in diesem Projekt eine Prüftechnik auf Basis der<br />
Harmonischen Analyse von Wirbelstromsignalen entwickelt und das Potential zur<br />
Härtebestimmung dargestellt. Zur Interpretation der Messsignale wurden unter anderem ein<br />
Klassifikationsmodell auf Basis eines k-nächste-Nachbarn Algorithmus und ein<br />
Regressionsmodell auf Basis der Gauß-Prozess-Regression entwickelt.<br />
2. Stand der Technik<br />
2.1. Unterwasser-Schweißprozess<br />
Das Schweißen in nasser Umgebung wird mehr als jedes andere Schweißverfahren von den<br />
vorherrschenden Umgebungsbedingungen beeinflusst. Die entstehende Problematik beinhaltet<br />
insbesondere folgende maßgebliche Umstände [13, 14]:<br />
• Die Dissoziation des den Lichtbogen umgebenden Wassers in die Bestandteile Wasser-<br />
und Sauerstoff und die damit resultierende Wasserstoffschädigung des Schweißguts.<br />
4
Seite 5 des Abschlussberichtes des IGF-Vorhaben 21.504 N<br />
• Aufgrund des freigesetzten Sauerstoffs erfolgt ein Abbrand von Legierungselementen wie<br />
beispielsweise Mangan und Silizium.<br />
• Aufgrund der hohen Abkühlgeschwindigkeit entsteht eine hohe Härte in dem Schweißgut<br />
und der WEZ.<br />
• Einfluss der Wassertiefe auf die Porosität des Schweißgutes durch behinderte Entgasung<br />
der Schmelze. Die Einsatztiefe beträgt derzeit noch etwa 50 bis 80 m.<br />
• Aufkohlung des Schweißgutes durch erhöhtes Kohlenstoffangebot. Die<br />
Kohlenstoffanreicherung ist tiefenabhängig und steigt mit dem Umgebungsdruck.<br />
Die wesentlichen Nachteile aller nassen Schweißprozesse liegen somit in der Anwesenheit von<br />
Wasser begründet. Trotz dessen stehen den Nachteilen die Vorteile des geringen<br />
Geräteaufwandes und der damit verbundenen extrem schnellen Verfügbarkeit und örtlichen<br />
Flexibilität gegenüber. Des Weiteren erfolgt eine deutliche Kostensenkung durch die direkte<br />
Instandsetzungs- und Konstruktionsschweißung im Wasser ohne aufwändige<br />
Habitatsbereitstellung [13, 14].<br />
Der nasse Lichtbogenhandschweißprozess wird in der Regel bei Reparaturen bis zu einer<br />
Wassertiefe von etwa 50 m verwendet. Aufgrund der komplexen Umgebungsbedingungen wird<br />
jedoch bei der Verarbeitung der eingesetzten Bau- und Feinkornstähle die Prozessgrenze<br />
teilweise überschritten [6]. Weiterhin verlangen die vorherrschenden Schweißbedingungen eine<br />
hohe Konzentration des Unterwasserschweißers auf die exakte Ausführung des<br />
Schweißprozesses und die umgebenden Verfahrensbedingungen. Die Umstände haben zur<br />
Folge, dass die Taucher sehr schnell ermüden und dementsprechend eine erhöhte<br />
Fehleranfälligkeit während des Schweißprozesses entsteht [14].<br />
Während des Unterwasserschweißens mit einer Stabelektrode entsteht eine Dampf-Gas-<br />
Kaverne. Diese ist erforderlich, um die Schmelze vor der Wassereinwirkung zu schützen und zur<br />
Stabilisierung des Lichtbogens beizutragen. Die Kaverne besteht hauptsächlich aus H 2 und CO.<br />
Beim Schweißen treten im Lichtbogen Temperaturen von bis zu 5000 K auf, wodurch<br />
Dissoziations- und Rekombinationsreaktionen in der Gasdampfblase sowie um den Lichtbogen<br />
erfolgen [15]. Der entstehende diffusible Wasserstoff bzw. Wasserstoffpartialdruck sorgt für eine<br />
erhöhte Aufnahme dessen ins flüssige Schweißgut. Die hohen Abkühlraten beim UW-Schweißen<br />
verhindern jedoch eine Auswärtsdiffusion, wodurch der Wasserstoff übersättigt im Werkstoff<br />
verbleibt. Die wasserstoffunterstützte Kaltrissneigung (HAC) von Stählen ist ein häufig<br />
auftretendes Schadensbild. Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Kaltrissneigung sind die<br />
lokale Wasserstoffkonzentration, lokale Gefügeausbildung und der lokale Spannungszustand.<br />
Erreicht die Kombination der drei Haupteinflussgrößen einen kritischen Zustand, so kann es zur<br />
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