Gesundheit 2023 - Jahrbuch der Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft in Österreich
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Impressum<br />
Herausgeber: Sanofi-Aventis GmbH<br />
Redaktionsteam: Maria Crist<strong>in</strong>a de Arteaga, Daniela Dall<strong>in</strong>ger, Stephanie Dirnbacher-<br />
Krug, Juliane Pamme, Edda Reitter<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Rechte <strong>der</strong><br />
Verbreitung, <strong>der</strong> Vervielfältigung, <strong>der</strong> Übersetzung, des Nachdrucks <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gabe<br />
auf fotomechanischem o<strong>der</strong> ähnlichem Wege, bleiben, auch nur bei auszugsweiser<br />
Verwertung, dem Herausgeber überlassen.<br />
Der Redaktionsschluss dieses <strong>Jahrbuch</strong>s war am 26.11.<strong>2023</strong>. Geschehnisse nach<br />
diesem Datum konnten nicht mehr berücksichtigt werden.<br />
Grafik: ADMAN werbeagentur, 1180 Wien<br />
Druck: HH Global, Paul-Heyse-Str. 28, München 80336 Germany<br />
Lektorat: Stephanie Dirnbacher-Krug, Bernhard Paratschek<br />
Auf umweltzertifiziertem Papier gedruckt!<br />
©Sanofi <strong>2023</strong>, 15. Ausgabe
•<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>2023</strong><br />
<strong>Jahrbuch</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
•
Inhaltsverzeichnis<br />
E<strong>in</strong>leitende Worte ....................................... 6<br />
Julia Guizani................................................ 6<br />
Rolf Gleißner............................................... 7<br />
15Jahre<br />
15. AUSGABE JUBILÄUM RÜCKBLICK AUSBLICK. ....... 8<br />
Gastbeitrag: Gerald Bach<strong>in</strong>ger............................... 11<br />
Gastbeitrag: Thomas Czypionka.............................13<br />
Gastbeitrag: Herwig Ostermann.............................15<br />
Gastbeitrag: Daniel Peter Gressl .............................17<br />
Gastbeitrag: Carol<strong>in</strong> Vollbrecht <strong>und</strong> Sophie Weißgärber. ......19<br />
Gastbeitrag: Vera Vorstandlechner...........................21<br />
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN. . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 24<br />
Gastbeitrag: Michael He<strong>in</strong>isch.............................. 27<br />
Gastbeitrag: Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi.............................. 28<br />
Gastbeitrag: Peter Lehner.................................. 29<br />
Gastbeitrag: Romana Ruda................................. 30<br />
Gastbeitrag: Ursula Weismann.............................. 32<br />
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT. ...... 34<br />
Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 36<br />
Gastbeitrag: Canan Aytek<strong>in</strong> ................................ 39<br />
Gastbeitrag: Christoph Jandl............................... 40<br />
Gastbeitrag: Ulrike Mursch-Edlmayr. ........................ 42<br />
Gastbeitrag: Kathar<strong>in</strong>a Pils ................................. 43<br />
Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann ........................... 44<br />
Gastbeitrag: Bernhard Wurzer.............................. 46<br />
4
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM<br />
UND ALS BETROFFENE.................................. 48<br />
Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 50<br />
Gastbeitrag: Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger. ................. 53<br />
Gastbeitrag: Brigitte Ettl ................................... 54<br />
Gastbeitrag: Iris Herscovici................................. 56<br />
Gastbeitrag: Ulrike Holzer.................................. 57<br />
Gastbeitrag: Ingrid Korosec ................................ 58<br />
Gastbeitrag: Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel. ...................... 60<br />
Gastbeitrag: Michaela Wlattnig............................. 62<br />
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT. ................. 64<br />
Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 66<br />
Gastbeitrag: Petar Bajić.................................... 69<br />
Gastbeitrag: Benjam<strong>in</strong> Bittschi.............................. 70<br />
Gastbeitrag: Alexan<strong>der</strong> Burz.................................71<br />
Gastbeitrag: Annelies Fitzgerald............................ 72<br />
Gastbeitrag: Gabriele Jaksch............................... 74<br />
Gastbeitrag: Karlhe<strong>in</strong>z Kopf ................................ 76<br />
Gastbeitrag: Julia Schitter.................................. 77<br />
Veranstaltungen ........................................ 78<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager <strong>2023</strong>. ....................... 82<br />
5
EINLEITENDE WORTE<br />
Julia Guizani<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong>,<br />
Sanofi <strong>Österreich</strong><br />
Zukunftsvision KI! Ich b<strong>in</strong> überzeugt: Das Beste liegt noch vor uns, <strong>und</strong><br />
künstliche Intelligenz (KI) wird dabei e<strong>in</strong>e DER Schlüsseltechnologien<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Vor 15 Jahren, als unser <strong>Jahrbuch</strong> erstmals erschien, hätte man Fitnesstracker,<br />
ChatGPT <strong>und</strong> Co eher e<strong>in</strong>em Science-Fiction-Film zugeordnet<br />
– heute s<strong>in</strong>d sie Realität <strong>und</strong> lassen uns die unfassbaren Möglichkeiten<br />
von KI erahnen. Auch im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich ist das<br />
Potenzial enorm. Daher widmen sich die Beiträge <strong>in</strong> unserem <strong>Jahrbuch</strong><br />
zunehmend <strong>der</strong> KI <strong>und</strong> ihrer steigenden Bedeutung.<br />
KI wird die Medikamentenentwicklung beschleunigen, Nebenwirkungen<br />
reduzieren sowie Diagnosen <strong>und</strong> Behandlungen für die<br />
Patient:<strong>in</strong>nen optimieren. Bei Krebserkrankungen zum Beispiel ist die<br />
anfallende Datenmenge oft gewaltig: Gewebeproben, Tumormarker<br />
<strong>und</strong> genetische Informationen müssen komb<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> richtig gedeutet<br />
werden.<br />
Die Bereitstellung <strong>und</strong> die Auswertung von digitalen Informationen<br />
spielen auch bei <strong>der</strong> aktuellen Diskussion „Ambulant vor stationär“<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. ELGA <strong>und</strong> e-Rezepte waren erste Projekte auf<br />
diesem Weg, <strong>der</strong> nun mit allen Playern konsequent weiterverfolgt<br />
wird. Dabei muss <strong>der</strong> sensible Umgang mit Daten natürlich im Fokus<br />
stehen – mit klaren Regeln, die Sicherheit, Transparenz <strong>und</strong> Fairness<br />
gewährleisten.<br />
Als Partner<strong>in</strong> unseres angeschlagenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems wird KI<br />
also erheblich zur Entlastung beitragen. Der F<strong>in</strong>anzausgleich vom<br />
Herbst <strong>2023</strong> hat dafür e<strong>in</strong>en weiteren Schritt gesetzt: Der B<strong>und</strong> <strong>in</strong>vestiert<br />
künftig 17 Mio. Euro pro Jahr <strong>in</strong> Digitalisierung, also <strong>in</strong> das Thema<br />
eHealth. Über aktuelle Entwicklungen, Chancen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
von KI <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> können Sie sich <strong>in</strong> diesem <strong>Jahrbuch</strong> e<strong>in</strong><br />
Bild machen. Ich wünsche Ihnen viele spannende E<strong>in</strong>drücke <strong>und</strong> Erkenntnisse!<br />
6
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Rolf Gleißner<br />
Leiter Abteilung für<br />
Sozialpolitik <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />
Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong><br />
Bei Drucklegung hatten sich B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Län<strong>der</strong> beim F<strong>in</strong>anzausgleich<br />
auf 973 Mio. Euro per annum an B<strong>und</strong>esmitteln gee<strong>in</strong>igt. Davon entfallen<br />
300 Mio. Euro auf den nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich <strong>und</strong> 603 Mio.<br />
Euro auf „Spitalsambulanzen <strong>und</strong> Strukturreformen“. Nun, Spitalsambulanzen<br />
sollten ja eigentlich entlastet werden, <strong>und</strong> mit dem F<strong>in</strong>anzausgleich<br />
verb<strong>in</strong>det sich stets die Hoffnung auf Strukturreformen.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d die Schlagworte bekannt: „Digital vor ambulant vor stationär“,<br />
„mehr Prävention“, „flächendeckende Patientenversorgung“ etc.<br />
Das „Was“ ist meist e<strong>in</strong>facher als das „Wie“. Wie setzt man Ziele um,<br />
<strong>und</strong> zwar nicht nur pro forma, son<strong>der</strong>n so, dass sie messbar wirken?<br />
Noch mehr Präventionsprojekte br<strong>in</strong>gen nichts, wenn man den Output<br />
an den Schlagzeilen anstatt etwa an <strong>der</strong> Zahl gesun<strong>der</strong> Lebensjahre<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zahl vermiedener Unfälle, Grippeerkrankungen o<strong>der</strong> Diabetesfälle<br />
misst – denn nur so kann unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />
nachhaltig auch e<strong>in</strong>e Gesellschaft mit mehr Alten <strong>und</strong> weniger Jungen<br />
versorgen.<br />
Aus den Schlagworten sollten Maßnahmen <strong>und</strong> messbare Wirkung<br />
werden. Inzwischen war Weihnachten. Vielleicht geht <strong>der</strong> Wunsch ja <strong>in</strong><br />
Erfüllung.<br />
7
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
•<br />
15. Ausgabe<br />
Jubiläum<br />
Was kommt,<br />
was geht, was bleibt<br />
•<br />
8
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
RÜCKBLICK<br />
• Gastbeitrag: Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />
• Gastbeitrag: Thomas Czypionka<br />
• Gastbeitrag: Herwig Ostermann<br />
AUSBLICK<br />
• Gastbeitrag: Daniel Peter Gressl<br />
• Gastbeitrag: Carol<strong>in</strong> Vollbrecht<br />
<strong>und</strong> Sophie Weißgärber<br />
• Gastbeitrag: Vera Vorstandlechner<br />
9
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
10
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
RÜCKBLICK<br />
Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />
NÖ Patienten- <strong>und</strong><br />
Pflegeanwalt<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
Wichtiges wurde umgesetzt,<br />
Gr<strong>und</strong>sätzliches wurde übersehen!<br />
In den letzten 15 Jahren s<strong>in</strong>d im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem viele Initiativen<br />
<strong>und</strong> gute Reformschritte e<strong>in</strong>geleitet <strong>und</strong> umgesetzt worden, etwa die fortschreitende<br />
Digitalisierung, die Schaffung von Primärversorgungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
die ersten Schritte zu Qualitätstransparenz, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung 1450 o<strong>der</strong><br />
die Fortschritte im Bereich <strong>der</strong> Patientensicherheit. Bei all diesen Reformen wurde<br />
aber – <strong>und</strong> das zieht sich wie e<strong>in</strong> roter Faden durch – e<strong>in</strong> wichtiger <strong>und</strong> erfolgskritischer<br />
Aspekt nicht ausreichend wahrgenommen. Dieser gr<strong>und</strong>sätzliche Hebel liegt<br />
nicht gut sichtbar unter <strong>der</strong> Oberfläche <strong>und</strong> wird daher leicht <strong>und</strong> oft übersehen.<br />
Es geht schlicht darum, dass e<strong>in</strong> öffentliches Versorgungssystem nur dann <strong>in</strong> möglichst<br />
hohem Ausmaß effizient <strong>und</strong> effektiv se<strong>in</strong> kann, wenn die Patient:<strong>in</strong>nen bzw.<br />
Bürger:<strong>in</strong>nen „<strong>in</strong>s Boot“ geholt werden <strong>und</strong> dort nach besten Kräften mitru<strong>der</strong>n<br />
können <strong>und</strong> dürfen. Es geht also darum, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>und</strong> Empowerment<br />
größtmöglich zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zu stärken.<br />
Die Konsequenzen von ger<strong>in</strong>ger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>und</strong> mangelndem Empowerment<br />
haben wir jüngst <strong>in</strong> den Verwerfungen <strong>der</strong> Coronapandemie hautnah zu<br />
spüren bekommen, <strong>und</strong> die ausgeprägte Wissenschaftsskepsis <strong>der</strong> Bevölkerung ist<br />
ebenfalls e<strong>in</strong> Fanal für diese defizitäre Situation.<br />
E<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche Neuorientierung ist notwendig. Bei allen ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />
Weichenstellungen ist anzustreben, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>der</strong><br />
Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger:<strong>in</strong>nen bestmöglich zu stärken.<br />
„Es geht schlicht darum, dass e<strong>in</strong> öffentliches Versorgungssystem<br />
nur dann <strong>in</strong> möglichst hohem Ausmaß effizient <strong>und</strong> effektiv se<strong>in</strong><br />
kann, wenn die Patient:<strong>in</strong>nen bzw. Bürger:<strong>in</strong>nen „<strong>in</strong>s Boot“ geholt<br />
werden <strong>und</strong> dort nach besten Kräften mitru<strong>der</strong>n können <strong>und</strong> dürfen.“<br />
Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />
11
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
12
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
RÜCKBLICK<br />
Thomas Czypionka<br />
Leiter <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sökonomie<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik, Institut für Höhere Studien<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik im Wandel: Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>und</strong> Chancen <strong>der</strong> Digitalisierung <strong>und</strong> Innovation<br />
Sie bewegt sich, aber nicht schnell genug, <strong>und</strong> das ist e<strong>in</strong> Problem: Geme<strong>in</strong>t ist die<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik. Während die realweltlichen Entwicklungen rasant s<strong>in</strong>d, laufen<br />
die Reformen h<strong>in</strong>terher, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abstand vergrößert sich immer weiter.<br />
Nehmen wir zum Beispiel die Digitalisierung: Während die breite Anwendung<br />
künstlicher Intelligenz (KI) <strong>in</strong> diversen Fächern unmittelbar bevorsteht, erzählte mir<br />
erst kürzlich e<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong>, wie sie <strong>in</strong> ihrem Krankenhaus noch Mäppchen herumträgt.<br />
Nach wie vor s<strong>in</strong>d auch viele Bef<strong>und</strong>e <strong>in</strong> ELGA nicht masch<strong>in</strong>enlesbar, o<strong>der</strong><br />
sie f<strong>in</strong>den sich dort erst gar nicht.<br />
Das Erlernen des E<strong>in</strong>satzes neuer Technologien wie<strong>der</strong>um erfor<strong>der</strong>t Zeit, die das<br />
Personal nur haben wird, wenn Prozesse effizienter ablaufen. Wenn das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spersonal<br />
durch Adm<strong>in</strong>istration <strong>und</strong> unnötige Doppeluntersuchungen geb<strong>und</strong>en<br />
wird, steigt das Frustrationslevel. Das ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei den Jüngeren e<strong>in</strong><br />
Problem, die zwar <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, aber sehr viel teamorientierter <strong>und</strong><br />
„s<strong>in</strong>nsuchen<strong>der</strong>“ an ihre Arbeit herangehen – das Ausland ruft.<br />
E<strong>in</strong>e gewaltige Beschleunigung erfahren auch viele Bereiche <strong>der</strong> Pharmakotherapie.<br />
CAR-T ist kaum ausgerollt, <strong>und</strong> schon wird daran gearbeitet, die modifizierten<br />
Immunzellen <strong>in</strong> solide Tumoren zu locken. Erste Gentherapien s<strong>in</strong>d bereits im E<strong>in</strong>satz,<br />
für bisher unbehandelbare Orphan Diseases werden <strong>in</strong>dividualisierbare Antisense-RNA-Plattformen<br />
entwickelt.<br />
Ohne Innovationen <strong>in</strong> den Versorgungsprozessen fallen wir immer weiter h<strong>in</strong>ter unsere<br />
Möglichkeiten zurück. Statt alles zuerst <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesetz gießen zu wollen, obwohl<br />
noch gar ke<strong>in</strong>e Erfahrungen bestehen, braucht es mehr Freiheiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Versorgung vor Ort. Nur so wird Fortschritt möglich.<br />
„Ohne Innovationen <strong>in</strong> den Versorgungsprozessen fallen wir<br />
immer weiter h<strong>in</strong>ter unsere Möglichkeiten zurück.“<br />
Thomas Czypionka<br />
13
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
14
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
RÜCKBLICK<br />
Herwig Ostermann<br />
Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
<strong>Österreich</strong> GmbH (GÖG)<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>:<br />
Verborgene Erfolge <strong>der</strong> letzten 15 Jahre<br />
Liebe Leser:<strong>in</strong>nen!<br />
Wenn man mich bittet, <strong>in</strong> 1.500 Zeichen e<strong>in</strong>en Beitrag darüber zu verfassen, was<br />
wohl <strong>in</strong> den letzten 15 Jahren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik die wichtigsten Themen waren,<br />
dann fühle ich mich e<strong>in</strong> wenig an Buridans Esel er<strong>in</strong>nert – denn wenn man so wie<br />
ich das Privileg hatte, so nahe bei verschiedenen Themen wissenschaftlich-konzeptionell<br />
<strong>und</strong> mitunter auch entscheidungsunterstützend e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>,<br />
dann fällt e<strong>in</strong>em die Auswahl schwer. Und streng genommen können viele Maßnahmen<br />
nicht gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufgewogen werden.<br />
Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, auf drei Errungenschaften h<strong>in</strong>zuweisen,<br />
die vielleicht im öffentlichen Diskurs weniger Beachtung gef<strong>und</strong>en haben, aber aus<br />
me<strong>in</strong>er Sicht hochrelevant s<strong>in</strong>d:<br />
1. Im Jahr 2013 wurde das österreichische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sm<strong>in</strong>isterium Mitglied des<br />
European Observatory on Health Policies and Systems. Der Fachöffentlichkeit<br />
ist vielleicht die Serie <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystemberichte „Health Systems <strong>in</strong> Transition“<br />
bekannt (www.hspm.org). Seit Beg<strong>in</strong>n dieser Kooperation profitiert die<br />
österreichische Verwaltung stark von diesem Wissensaustausch.<br />
2. Seit Anfang 2015 werden <strong>in</strong> allen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n regionale Frühe-Hilfen-Netzwerke<br />
nach e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Gr<strong>und</strong>modell auf- bzw. ausgebaut, seit Kurzem<br />
stehen diese flächendeckend zur Verfügung. Wichtig bei diesem <strong>in</strong>ternationalen<br />
Best-Practice-Beispiel für Familien <strong>in</strong> belastenden Lebenssituationen ist:<br />
E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same F<strong>in</strong>anzierung stellt die Zusammenarbeit aller Sektoren sicher.<br />
3. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospiz- <strong>und</strong> Palliativversorgung ist kürzlich e<strong>in</strong> Durchbruch geglückt:<br />
Mit dem neuen Hospiz- <strong>und</strong> Palliativfonds konnte e<strong>in</strong>e Drittelf<strong>in</strong>anzierung durch<br />
B<strong>und</strong>, Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Sozialversicherungsträger umgesetzt werden. Im Wege e<strong>in</strong>es<br />
Zweckzuschusses wird nun <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e bedarfsadäquate <strong>und</strong> flächendeckende<br />
Versorgung mit Hospiz- <strong>und</strong> Palliativangeboten umgesetzt.<br />
15
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
16
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
AUSBLICK<br />
Daniel Peter Gressl<br />
1. Vizepräsident<br />
ÖGKV-Präsidium<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
Zukunft des Pflegeberufs <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>und</strong> Chancen für Innovation <strong>und</strong> Professionalisierung<br />
Seit Beendigung me<strong>in</strong>er Ausbildung zum Diplomierten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Krankenpfleger<br />
im Jahr 2012 hatte ich immer wie<strong>der</strong> das Gefühl, dass man dem Satz Glauben<br />
schenken darf, dass man <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich mit <strong>der</strong><br />
Professionalisierung des Pflegeberufs h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kt. Ich stelle mir also die Frage,<br />
ob das „w<strong>in</strong>dow of opportunity“ von politischer Seite schon verfehlt wurde <strong>und</strong> ob<br />
wir für die zukünftigen Verän<strong>der</strong>ungen nicht mehr ausreichend vorbereitet s<strong>in</strong>d.<br />
Dass wir mit e<strong>in</strong>er alternden <strong>und</strong> unges<strong>und</strong>en Bevölkerung, e<strong>in</strong>em Mangel an Fachkräften,<br />
Ungleichheit <strong>der</strong> Geschlechter am Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Pensionierungswellen<br />
zu kämpfen haben werden, ist nichts Unvorhergesehenes.<br />
Es stellt sich daher nicht mehr die Frage, welche Verän<strong>der</strong>ungen entscheidend<br />
s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n wie wir gr<strong>und</strong>sätzlich mit Verän<strong>der</strong>ungen umgehen werden. Um diese<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Zukunft zu meistern, werden wir nicht nur mehr Pflegekräfte<br />
benötigen, son<strong>der</strong>n vor allem Pflegekräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen<br />
<strong>und</strong> Kompetenzen. Je komplexer die Herausfor<strong>der</strong>ungen, desto mehr<br />
kompetente Pflegekräfte braucht das Land.<br />
Des Weiteren s<strong>in</strong>d unterschiedliche Organisationen im staatlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>und</strong><br />
Sozialsystem stark gewachsen, die Strukturen s<strong>in</strong>d aber oftmals nicht mitgewachsen.<br />
Das stellt e<strong>in</strong> unkalkulierbares Risiko dar. E<strong>in</strong> Ausstieg vieler Fachkräfte ist<br />
sichtbar, <strong>und</strong> viele von ihnen suchen ihre Autonomie im Bereich <strong>der</strong> Privatwirtschaft.<br />
Für die Zukunft werden Organisationen <strong>in</strong> Strukturverän<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Innovationen<br />
<strong>in</strong>vestieren, aber auch mit neuen Player:<strong>in</strong>nen am Arbeitsmarkt konkurrieren<br />
bzw. kooperieren müssen.<br />
„Je komplexer die Herausfor<strong>der</strong>ungen, desto mehr<br />
kompetente Pflegekräfte braucht das Land.“<br />
Daniel Peter Gressl<br />
17
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
18
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
AUSBLICK<br />
Carol<strong>in</strong> Vollbrecht<br />
Student<strong>in</strong> an <strong>der</strong> MedUni Wien,<br />
Vorsitzende ÖH Med Wien<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
Sophie Weißgärber<br />
Student<strong>in</strong> an <strong>der</strong> MedUni Wien,<br />
2. Stv. Vorsitzende ÖH Med Wien<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />
<strong>der</strong> Zukunft<br />
„Verdoppelung <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>studienplätze zur Bekämpfung des Ärztemangels angedacht“,<br />
„Ganze Stationen wegen Pflegemangel gesperrt“ – Schlagzeilen wie diese<br />
begleiten uns be<strong>in</strong>ahe seit Tag e<strong>in</strong>s unseres Mediz<strong>in</strong>studiums, vor allem auch im<br />
Zuge unserer ÖH-Tätigkeit.<br />
Die Komb<strong>in</strong>ation aus Interesse an <strong>der</strong> Funktionsweise des menschlichen Körpers<br />
sowie die Möglichkeit, <strong>in</strong> diesem Beruf Menschen helfen <strong>und</strong> dadurch etwas bewirken<br />
zu können, hat uns ursprünglich dazu <strong>in</strong>spiriert, e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>studium anzustreben.<br />
Für uns Studierende steht die Ausbildung <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Qualität an erster Stelle. Kurzsichtige<br />
Pläne wie e<strong>in</strong>e schnelle Erhöhung <strong>der</strong> Studienplätze o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Zwangsverpflichtung<br />
nach dem Studium gefährden diese Priorität. E<strong>in</strong>e Studienplatzerhöhung<br />
bedeutet ohne massivste strukturelle Än<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>en Qualitätsverlust des<br />
Studiums <strong>und</strong> noch längere Wartezeiten auf Ausbildungsplätze.<br />
Das Bestreben, uns neben <strong>der</strong> Ausbildung auch für unsere Mitstudierenden <strong>und</strong><br />
unsere ges<strong>und</strong>heitspolitischen Anliegen e<strong>in</strong>zusetzen, hat uns beide <strong>in</strong> die ÖH geführt<br />
– denn aktuelle Themen wie das Verteilungsproblem <strong>und</strong> mögliche Zwangsverpflichtungen<br />
frischer Absolvent:<strong>in</strong>nen liegen uns sehr am Herzen. Wir wünschen<br />
uns für die Zukunft, dass für unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>und</strong> für alle dar<strong>in</strong> Beschäftigten<br />
endlich mit Weitblick entschieden wird.<br />
19
15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />
20
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
AUSBLICK<br />
Vera Vorstandlechner<br />
Assistenzärzt<strong>in</strong> für Plastische, Rekonstruktive <strong>und</strong><br />
Ästhetische Chirurgie an <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>ischen Universität Wien<br />
15Jahre<br />
JAHRBUCH<br />
GESUNDHEIT<br />
Bedeutende Verän<strong>der</strong>ungen im kl<strong>in</strong>ischen Alltag<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>in</strong> den kommenden Jahren<br />
Die Herausfor<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vielfältig: E<strong>in</strong>e alternde Gesellschaft stellt uns vor neue<br />
mediz<strong>in</strong>ische <strong>und</strong> gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ungen. Gleichzeitig sehen wir e<strong>in</strong>en<br />
Mangel an mediz<strong>in</strong>ischem Fachpersonal <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e rasche Entwicklung <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>,<br />
die ständige Weiterbildung <strong>und</strong> laufende Investitionen erfor<strong>der</strong>t.<br />
Doch es gibt auch vielversprechende Chancen: Die personalisierte Mediz<strong>in</strong> ermöglicht<br />
<strong>in</strong>dividuell angepasste Therapien. Die Anwendung von KI <strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>lagen-,<br />
translationaler <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ischer Forschung sowie bei <strong>der</strong> Analyse großer Datensätze<br />
wird die Wissenschaft weiter beschleunigen. Zudem helfen uns künftig KI- <strong>und</strong><br />
computergestützte Hilfsmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Mediz<strong>in</strong>, objektivere Entscheidungen<br />
zu treffen <strong>und</strong> die Patientenversorgung zu unterstützen.<br />
Diese Verän<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e ständige Anpassung unseres <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Pflegepersonal.<br />
Wir stehen vor spannenden, aber auch anspruchsvollen Zeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Forschung <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ischen Versorgung. Die Rolle junger Forscher:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Ärzt:<strong>in</strong>nen wird <strong>in</strong> diesem Wandel entscheidend se<strong>in</strong> – sie stehen vor <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich ständig verän<strong>der</strong>nden Wissenschaftslandschaft zu orientieren,<br />
aber gleichzeitig br<strong>in</strong>gen sie frische Ideen <strong>und</strong> Enthusiasmus mit, um die kl<strong>in</strong>ische<br />
Forschung voranzutreiben <strong>und</strong> die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>der</strong> Zukunft zu<br />
gestalten.<br />
„Die Anwendung von KI <strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>lagen-, translationaler <strong>und</strong><br />
kl<strong>in</strong>ischer Forschung sowie bei <strong>der</strong> Analyse großer Datensätze<br />
wird die Wissenschaft weiter beschleunigen.“<br />
Vera Vorstandlechner<br />
21
•<br />
Innovationen<br />
im<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />
•<br />
22
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
• Gastbeitrag: Michael He<strong>in</strong>isch<br />
• Gastbeitrag: Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi<br />
• Gastbeitrag: Peter Lehner<br />
• Gastbeitrag: Romana Ruda<br />
• Gastbeitrag: Ursula Weismann<br />
23
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
Wie beurteilen Expert:<strong>in</strong>nen die Innovationskraft im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen?<br />
Und was schlagen sie vor, um die Innovationsfähigkeit <strong>in</strong> Zukunft sicherzustellen?<br />
Wir haben nachgefragt.<br />
Innovationsfähigkeit sicherstellen, aber wie?<br />
Was wir laut Expert:<strong>in</strong>nen brauchen, um die Innovationsfähigkeit im österreichischen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen <strong>in</strong> den kommenden Jahren sicherzustellen, ist:<br />
1. Geld<br />
Ohne entsprechende f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen wird <strong>Österreich</strong><br />
an Innovationskraft e<strong>in</strong>büßen. Dabei geht es<br />
vor allem um Investitionen <strong>in</strong> die Digitalisierung, um<br />
zum Beispiel die elektronische Krankenakte ELGA <strong>in</strong><br />
Spitälern umzusetzen o<strong>der</strong> um ELGA im nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Bereich auszubauen.<br />
1<br />
2<br />
schlecht<br />
3<br />
2,4<br />
4<br />
5<br />
ausgezeichnet<br />
2. M<strong>in</strong>dset<br />
Innovationsfähigkeit setzt e<strong>in</strong> entsprechendes M<strong>in</strong>dset<br />
voraus. Für die befragten Expert:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>kludiert<br />
es das Bewusstse<strong>in</strong> über die Notwendigkeit von Innovation,<br />
e<strong>in</strong> „Digital First“-M<strong>in</strong>dset <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e positive<br />
E<strong>in</strong>stellung zu Fehlerkultur.<br />
Innovationskraft im<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />
Mit e<strong>in</strong>er durchschnittlichen<br />
Bewertung von<br />
2,4 gibt es def<strong>in</strong>itiv Luft<br />
nach oben.<br />
3. Geme<strong>in</strong>sames Vorgehen/Strategie<br />
Weitere Voraussetzungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e klar kommunizierte Strategie, e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />
Vorgehen aller Akteur:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> wechselseitige <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />
für das Thema Innovation, vor allem <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die F<strong>in</strong>anzierung.<br />
4. Transparenz<br />
Damit Innovation stattf<strong>in</strong>den kann, braucht es transparente Verfahren mit klar def<strong>in</strong>ierten<br />
Regulativen, die auch Probierparagrafen beziehungsweise Regulatory<br />
Sandboxes enthalten.<br />
24
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Das größte Potenzial von KI liegt …<br />
Wo sehen Expert:<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Branche das größte Potenzial von künstlicher Intelligenz<br />
(KI) im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen?<br />
Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
Großes Potenzial liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung.<br />
Die Erfassung <strong>und</strong> Analyse von gigantischen Datenbeständen<br />
<strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit wird vor allem die<br />
Entwicklung <strong>in</strong>novativer Medikamente beschleunigen.<br />
Unterstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />
Die Nutzung von Big Data durch KI <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>elles<br />
Lernen (ML) hebt die Bildgebung auf e<strong>in</strong> neues Level.<br />
Beispielsweise wird dadurch die kl<strong>in</strong>ische Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />
bei Therapien durch Behandlungsalgorithmen<br />
erleichtert.<br />
Wissensverbreitung<br />
KI <strong>und</strong> ML tragen zu e<strong>in</strong>er exponentiellen Verbreitung<br />
von Expertenwissen bei <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d dadurch e<strong>in</strong>e bedeutende<br />
Unterstützung für Health Professionals.<br />
1<br />
2<br />
niedrig<br />
3<br />
2,8<br />
Digitalisierungsgrad<br />
des österreichischen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />
Die Mehrheit <strong>der</strong><br />
Expert:<strong>in</strong>nen stuft den<br />
Digitalisierungsgrad<br />
lediglich als mittelmäßig<br />
e<strong>in</strong>.<br />
4<br />
5<br />
hoch<br />
Patienten<strong>in</strong>formation <strong>und</strong> -kommunikation<br />
Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Information von <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kommunikation mit Patient:<strong>in</strong>nen orten<br />
Expert:<strong>in</strong>nen großes Potenzial für den E<strong>in</strong>satz von KI. Der zwischenmenschliche<br />
Kontakt soll dadurch aber nicht ersetzt werden.<br />
Nie<strong>der</strong>gelassener Bereich<br />
Für vielversprechend, wenn auch noch unausgereift, halten die Befragten den E<strong>in</strong>satz<br />
von KI im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich.<br />
Verwaltung<br />
KI <strong>und</strong> ML s<strong>in</strong>d für die Erledigung von Rout<strong>in</strong>eaufgaben prädest<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> werden<br />
daher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwaltung bereits immer öfter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis e<strong>in</strong>gesetzt. Zu geeigneten<br />
Aufgaben für KI zählen etwa die automatisierte Term<strong>in</strong>vergabe o<strong>der</strong> die automatische<br />
Erstellung von Patientenbriefen.<br />
25
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
26
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Michael He<strong>in</strong>isch<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung <strong>der</strong> V<strong>in</strong>zenz Gruppe<br />
Krankenhausbeteiligungs- <strong>und</strong> Management GmbH<br />
Innovationen<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir <strong>in</strong> vielen Bereichen unseres <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />
e<strong>in</strong>en Paradigmenwechsel erlebt. Alle<strong>in</strong>e durch die Entschlüsselung<br />
des menschlichen Genoms haben sich gänzlich neue Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik<br />
<strong>und</strong> personalisierten Therapie von Patient:<strong>in</strong>nen ergeben. Aber nicht nur <strong>der</strong><br />
Umfang <strong>und</strong> die Qualität unserer mediz<strong>in</strong>ischen Datenbestände haben sich vervielfacht:<br />
Mittlerweile verfügen wir auch über die <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />
Werkzeuge, um aus diesen Daten mit künstlicher Intelligenz (KI) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er globalen<br />
Vernetzung Forschung <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ische Anwendung zu revolutionieren.<br />
Möglich ist also vieles, doch wie stehen die Betroffenen, die Patient:<strong>in</strong>nen, den<br />
technologischen Möglichkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> gegenüber, die ja zuallererst<br />
<strong>der</strong> menschlichen Beziehung verpflichtet se<strong>in</strong> sollte?<br />
Laut <strong>der</strong> IFES-Studie „Patientenbedürfnisse“, die 2020 im Auftrag <strong>der</strong> V<strong>in</strong>zenz<br />
Gruppe erstellt wurde, s<strong>in</strong>d die <strong>Österreich</strong>er*<strong>in</strong>nen durchaus aufgeschlossen gegenüber<br />
neuen digitalen Entwicklungen. Man kann hier auf e<strong>in</strong>e wohlwollende, positiv<br />
gestimmte Neugierde aufbauen. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es auch e<strong>in</strong> enormes Informationsbedürfnis.<br />
Dies zeigt sich auch im Ergebnis, wonach für 64 Prozent <strong>der</strong><br />
Befragten die Vorteile <strong>der</strong> Digitalisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
überwiegen – allerd<strong>in</strong>gs würden nur 14 Prozent das auf jeden Fall unterstreichen.<br />
Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen braucht die Kraft <strong>der</strong> Innovationen. Aber es braucht auch<br />
das Vertrauen <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> ihren Nutzen.<br />
„Mittlerweile verfügen wir auch über die <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />
Werkzeuge, um aus diesen Daten mit künstlicher<br />
Intelligenz (KI) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er globalen Vernetzung Forschung <strong>und</strong><br />
kl<strong>in</strong>ische Anwendung zu revolutionieren.“<br />
Michael He<strong>in</strong>isch<br />
27
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi<br />
Professor of Labor Science and Organization,<br />
Institute of Management Science, TU Wien<br />
Academic Director of the Executive MBA Program IDEa<br />
Car<strong>in</strong>g<br />
Robots<br />
Der E<strong>in</strong>satz von Robotern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege ist e<strong>in</strong> viel diskutiertes<br />
Zukunftsszenario, das unterschiedliche Erwartungen weckt.<br />
Künftig wird <strong>der</strong> Anteil älterer Menschen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Bedarf<br />
an Betreuung stark ansteigen. In diesem Zusammenhang<br />
besteht e<strong>in</strong>erseits die Hoffnung, dass Roboter Menschen dabei<br />
unterstützen können, bis <strong>in</strong>s hohe Alter e<strong>in</strong> selbstbestimmtes<br />
Leben <strong>in</strong> ihrer gewohnten Umgebung zu führen;<br />
an<strong>der</strong>erseits ist <strong>der</strong> Ersatz von menschlichen Pflegekräften<br />
durch Roboter mit <strong>der</strong> Befürchtung verb<strong>und</strong>en, dass durch<br />
das Fehlen menschlicher Kontakte pflegebedürftige Menschen<br />
zunehmend isoliert werden.<br />
Dabei stellt sich die gr<strong>und</strong>legende Frage, für welche Tätigkeiten<br />
Roboter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong>zeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> naher Zukunft zur<br />
Verfügung stehen werden. Im vom FWF geför<strong>der</strong>ten transdiszipl<strong>in</strong>ären<br />
Forschungsprojekt „Car<strong>in</strong>g Robots // Robotic<br />
Care“ werden mögliche Rollen von Robotern <strong>und</strong> verwandten<br />
Technologien im komplexen Kontext <strong>der</strong> Pflege untersucht.<br />
Forscher:<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> TU Wien <strong>und</strong> <strong>der</strong> PLUS Universität Salzburg<br />
entwickeln geme<strong>in</strong>sam mit ihren Forschungspartner:<strong>in</strong>nen<br />
<strong>der</strong> Caritas Wien <strong>und</strong> des Technischen Museums<br />
Robotik-Technologie, die die Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen<br />
– <strong>der</strong> Pflegebedürftigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pflegekräfte – <strong>in</strong>s Zentrum<br />
stellt.<br />
www.car<strong>in</strong>grobots.eu<br />
28
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Peter Lehner<br />
Obmann <strong>der</strong> Sozialversicherungsanstalt<br />
<strong>der</strong> Selbständigen<br />
Tiefgreifende Transformation<br />
statt e<strong>in</strong>maliger Reform<br />
Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem ist im Wandel. Es wird immer im Wandel se<strong>in</strong>, denn die Erneuerungs-<br />
<strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungsprozesse, die es bestimmen, hören nie auf. Die demographische<br />
Struktur verän<strong>der</strong>t sich, die Gesellschaft per se ebenso, <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
mediz<strong>in</strong>ische Fortschritt ist e<strong>in</strong>e laufende Entwicklung, die mit neuen Therapien<br />
<strong>und</strong> Arzneimitteln permanent e<strong>in</strong> neues <strong>und</strong> an<strong>der</strong>es Angebot schafft. Um e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes,<br />
effizientes <strong>und</strong> zukunftsorientiertes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem zu ermöglichen,<br />
wird e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige, e<strong>in</strong>fache <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreform nicht reichen. E<strong>in</strong>e solche kann<br />
nicht diesen komplexen Prozess abbilden <strong>und</strong> vor allem nicht den künftigen Entwicklungen<br />
vorausgreifen.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreform, die wir brauchen, ist e<strong>in</strong> dynamischer Prozess, e<strong>in</strong>e laufende,<br />
dauerhafte <strong>und</strong> tiefgreifende Transformation. Wir brauchen die digitale Transformation,<br />
denn <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von neuen Technologien ermöglicht Effizienz <strong>und</strong> endlich<br />
Transparenz. Transparenz ist etwas, das wir für die Weiterentwicklung dr<strong>in</strong>gend<br />
benötigen. Die zweite Transformation ist die Präventionstransformation. Wir müssen<br />
unser Reparatur-System zu e<strong>in</strong>em Vorsorge-System umwandeln. Dazu braucht<br />
es nicht nur Weichenstellungen im System selbst, son<strong>der</strong>n Eigenverantwortung<br />
<strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>itiative jedes E<strong>in</strong>zelnen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz ist das F<strong>und</strong>ament für<br />
e<strong>in</strong> Präventionssystem.<br />
Das bedeutet, dass die Bereitschaft <strong>und</strong> das M<strong>in</strong>dset für die zwei Transformationen<br />
bestehen müssen. Auf dieser Basis können die Stakehol<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam erfolgreich<br />
an <strong>der</strong> ständigen Anpassung <strong>und</strong> Adaption des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems arbeiten.<br />
„Wir müssen unser Reparatur-System zu e<strong>in</strong>em Vorsorge-System<br />
umwandeln. Dazu braucht es nicht nur Weichenstellungen im<br />
System selbst, son<strong>der</strong>n Eigenverantwortung <strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
jedes E<strong>in</strong>zelnen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz ist das F<strong>und</strong>ament für e<strong>in</strong><br />
Präventionssystem.“<br />
Peter Lehner<br />
29
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
Romana Ruda<br />
Future Health Lab<br />
Manag<strong>in</strong>g Partner<br />
Neue Formen <strong>der</strong> Kooperation<br />
<strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> Unsicherheit<br />
Schon Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> war <strong>der</strong> Überzeugung, dass man Probleme<br />
nicht mit demselben Denken lösen kann, durch das sie<br />
entstanden s<strong>in</strong>d. Was macht Denk- <strong>und</strong> Handlungsweisen<br />
aus, die wir brauchen, um <strong>der</strong> Vielzahl an Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen erfolgreich begegnen zu können?<br />
Wir müssen uns im Klaren darüber se<strong>in</strong>, dass wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Zeitalter <strong>der</strong> Unsicherheit bef<strong>in</strong>den. Kaum jemals waren wir<br />
mit e<strong>in</strong>er solch dynamischen, unsicheren Umwelt <strong>und</strong> unvorhersehbaren<br />
Entwicklungen konfrontiert. Die durch solch<br />
disruptive Entwicklungen entstehende Komplexität braucht<br />
kollaborative Organisationsformen <strong>und</strong> New Lea<strong>der</strong>ship, das<br />
antizipativ, proaktiv <strong>und</strong> vernetzt handelt. Kooperationsfähigkeit<br />
wird zur zentralen Führungsfrage, denn das geme<strong>in</strong>same<br />
Bewältigen schwieriger Herausfor<strong>der</strong>ungen br<strong>in</strong>gt<br />
Wertschätzung, Respekt <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sames Wachsen mit<br />
sich.<br />
A. Kahane 1 spricht sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Konzept „stretched collaboration“<br />
für Zusammenarbeit von Menschen aus, die e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
nicht mögen bzw. nicht vertrauen – „collaborat<strong>in</strong>g with the<br />
enemy“ ist se<strong>in</strong>e Devise für erfolgreiche Zusammenarbeit.<br />
Es muss uns gel<strong>in</strong>gen, geme<strong>in</strong>sam an den schwierigen systemischen<br />
Problemen zu arbeiten <strong>und</strong> dabei die Gefangenheit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Stakehol<strong>der</strong>position zu überw<strong>in</strong>den. Das Future<br />
Health Lab nimmt diese Herausfor<strong>der</strong>ung an <strong>und</strong> setzt<br />
genau auf solche Vorgehensweisen – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vertrauensvollen<br />
Umfeld, <strong>in</strong> dem alle sich auf Augenhöhe begegnen, mit<br />
dem Willen, das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>der</strong> Zukunft geme<strong>in</strong>sam<br />
zu gestalten.<br />
1: Vgl.: Kahane, A., Barnum, J. (2017). Collaborat<strong>in</strong>g with the enemy : how to work with<br />
people you don't agree with or like or trust / (First edition.). Oakland, CA :: Berrett-Koehler<br />
Publishers, Inc.<br />
30
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
31
INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
Ursula Weismann<br />
Kaufmännische Geschäftsführer<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialversicherungs-<br />
Chipkarten Betriebs- <strong>und</strong> Errichtungsgesellschaft m.b.H. (SVC)<br />
Die Digitalisierung e<strong>in</strong>es Prozesses hat funktioniert,<br />
wenn sich niemand mehr vorstellen kann, zum analogen<br />
Vorgehen zurückzukehren<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Sozialversicherung gilt das bereits für zahlreiche Prozesse:<br />
Krankensche<strong>in</strong>e holen? Unvorstellbar – vor Langem von <strong>der</strong> e-card abgelöst. Bewilligungen<br />
für Medikamente abstempeln lassen? Läuft längst digital.<br />
Wahlarzt-Rechnungen postalisch e<strong>in</strong>reichen? Über die App e<strong>in</strong>e Leichtigkeit. Und<br />
seit Mitte 2022 reiht sich e<strong>in</strong> weiteres Service <strong>in</strong> diese Aufzählung e<strong>in</strong>, denn auch<br />
die Ausstellung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>lösung von Kassenrezepten funktioniert nun elektronisch:<br />
Am e<strong>in</strong>fachsten mit <strong>der</strong> e-card, am <strong>in</strong>formativsten mit den Apps <strong>der</strong> SV. Innerhalb<br />
kürzester Zeit hat das e-Rezept E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> Ord<strong>in</strong>ationen <strong>und</strong> Apotheken gehalten<br />
<strong>und</strong> ist ganz selbstverständlich geworden. Die Vorteile <strong>der</strong> papierlosen Ausstellung<br />
<strong>und</strong> E<strong>in</strong>lösung von Rezepten liegen auf <strong>der</strong> Hand.<br />
32
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
„Denn nur mit Mut zur Weiterentwicklung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em<br />
praktikablen Gesamtpaket wird das größtmögliche Potenzial <strong>der</strong><br />
Prozessdigitalisierung erreicht, <strong>und</strong> damit die Rückkehr zum<br />
analogen Prozess unvorstellbar.“<br />
Ursula Weismann<br />
Das haben auch zahlreiche Wahlärzt:<strong>in</strong>nen erkannt, die nun am e-card-System teilnehmen,<br />
um für sich <strong>und</strong> ihre Patient:<strong>in</strong>nen die Vorzüge des e-Rezepts zu nutzen.<br />
Mit e<strong>in</strong>er geplanten Funktionserweiterung sollen auch privat zu zahlende Medikamente<br />
elektronisch verordnet <strong>und</strong> e<strong>in</strong>gelöst werden können – zu Recht.<br />
Denn nur mit Mut zur Weiterentwicklung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em praktikablen Gesamtpaket<br />
wird das größtmögliche Potenzial <strong>der</strong> Prozessdigitalisierung erreicht, <strong>und</strong> damit die<br />
Rückkehr zum analogen Prozess unvorstellbar. Und die Umwelt freut sich auch.<br />
33
•<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Zukunft<br />
•<br />
34
• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
• Gastbeitrag: Canan Aytek<strong>in</strong><br />
• Gastbeitrag: Christoph Jandl<br />
• Gastbeitrag: Ulrike Mursch-Edlmayr<br />
• Gastbeitrag: Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />
• Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann<br />
• Gastbeitrag: Bernhard Wurzer<br />
35
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
Wie ist es um die österreichische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung bestellt? Und wie wird sie<br />
sich <strong>in</strong> Zukunft entwickeln? Wir haben Expert:<strong>in</strong>nen um ihre E<strong>in</strong>schätzung gebeten.<br />
Die prägendsten Zukunftstrends<br />
Die wichtigsten Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung für die kommenden<br />
zehn Jahre s<strong>in</strong>d:<br />
1. Künstliche Intelligenz<br />
E<strong>in</strong>igkeit herrscht über die große Bedeutung von Digitalisierung<br />
<strong>und</strong> künstlicher Intelligenz (KI). Beides wird<br />
auch massiv dazu beitragen, die Rolle <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen<br />
zu stärken. E<strong>in</strong> Schlüsselfaktor, um das Potenzial voll zu<br />
nutzen, ist die Beteiligung <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />
2. Personalmangel<br />
Bereits jetzt herrscht im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich Personalmangel.<br />
Diese Situation wird sich <strong>in</strong> den kommenden<br />
zehn Jahren aufgr<strong>und</strong> des s<strong>in</strong>kenden Angebots<br />
auf dem Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> <strong>der</strong> wachsenden<br />
Nachfrage durch die alternde Gesellschaft an<strong>der</strong>erseits<br />
verschärfen.<br />
3. Präzisionsmediz<strong>in</strong><br />
Im mediz<strong>in</strong>ischen Bereich erwarten die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
bahnbrechende Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präzisionsmediz<strong>in</strong>,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Onkologika.<br />
4<br />
5<br />
nicht<br />
genügend<br />
3<br />
2,9<br />
Note für die österreichische<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />
Die <strong>der</strong>zeitige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />
<strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> wird von den<br />
Befragten im Durchschnitt<br />
mit „Befriedigend“<br />
beurteilt.<br />
2<br />
1<br />
sehr gut<br />
4. Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kompetenzverteilung<br />
In den kommenden zehn Jahren werden sich auch die Versorgungsstrukturen än<strong>der</strong>n.<br />
Dabei wird es sowohl um die f<strong>in</strong>anzielle als auch die strukturelle Kompetenzverteilung<br />
zwischen B<strong>und</strong>, Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Sozialversicherung gehen.<br />
36
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Wie för<strong>der</strong>n wir Prävention?<br />
Lediglich 15 Prozent aller <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen nehmen Vorsorgeuntersuchungen <strong>in</strong><br />
Anspruch. Wir haben gefragt, was nötig ist, um Prävention zu för<strong>der</strong>n.<br />
1. Health Literacy<br />
E<strong>in</strong> Schlüsselfaktor ist die Stärkung <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz alias Health Literacy.<br />
Wichtig s<strong>in</strong>d hier frühe <strong>und</strong> ganzheitliche Ansätze – Stichwort „Health <strong>in</strong> all Policies“.<br />
2. Mehr Angebot <strong>und</strong> Personal<br />
E<strong>in</strong> öffentliches digitales Angebot von Präventionsmaßnahmen kann als wirksamer<br />
Hebel fungieren. Gleichzeitig braucht es Personal im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich,<br />
das Präventionsmaßnahmen umsetzt.<br />
3. Ökonomische Anreize<br />
E<strong>in</strong>ige Expert:<strong>in</strong>nen halten ökonomische Anreize o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>führung von Bonus-<br />
Malus-Systemen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenversicherung für s<strong>in</strong>nvoll.<br />
KI <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung?<br />
Laut Expert:<strong>in</strong>nen wird KI die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>in</strong> diesen Bereichen beson<strong>der</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n:<br />
1. Neue Möglichkeiten <strong>in</strong> Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />
Durch den Zugriff auf große Datenmengen werden sich neue Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Diagnostik <strong>und</strong> Therapie ergeben. Darüber h<strong>in</strong>aus trägt KI zum Patient Empowerment<br />
bei: Sie vere<strong>in</strong>facht <strong>und</strong> beschleunigt Bild- <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>übermittlung, ermöglicht<br />
Videokonsultationen, bietet Assistenzfunktionen für ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ndes<br />
Verhalten <strong>und</strong> ebnet den Zugang zu Expertenwissen.<br />
2. Mehr Telemediz<strong>in</strong><br />
Telemediz<strong>in</strong> wird bedeuten<strong>der</strong>, vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Notversorgung, bei Krankschreibungen<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>ischen Gr<strong>und</strong>versorgung.<br />
3. Unterstützung <strong>in</strong> Spitälern<br />
Die Expert:<strong>in</strong>nen erwarten sich von KI e<strong>in</strong>e Unterstützung <strong>der</strong> Spitäler – allerd<strong>in</strong>gs<br />
müssen dafür noch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.<br />
37
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
38
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Canan Aytek<strong>in</strong><br />
Generaldirektor-Stellvertreter<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> PV<br />
Rehabilitation für pflegende <strong>und</strong><br />
betreuende Angehörige<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl von Menschen pflegt aktuell ihre Familienmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den eigenen<br />
vier Wänden, <strong>und</strong> dieser Trend wird aufgr<strong>und</strong> des demografischen Wandels zunehmen.<br />
Die pflegenden Angehörigen leisten dadurch e<strong>in</strong>en unschätzbaren Beitrag<br />
zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung, s<strong>in</strong>d aber gleichzeitig mit erheblichen körperlichen<br />
<strong>und</strong> emotionalen Belastungen konfrontiert.<br />
Die PV (Pensionsversicherung) hat aus diesem Gr<strong>und</strong> das Pilotprojekt „PV Reha-<br />
JET ® für pflegende <strong>und</strong> betreuende Angehörige“ entwickelt, an dem die pflegenden<br />
Angehörigen, die erwerbsfähig s<strong>in</strong>d, entwe<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> zu pflegenden<br />
Person geme<strong>in</strong>sam teilnehmen können.<br />
Im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens erhalten die Angehörigen nicht nur psychologische<br />
Unterstützung <strong>und</strong> fachgerechte Informationen, son<strong>der</strong>n lernen auch<br />
durch gezieltes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, wie sie mit den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege umgehen<br />
<strong>und</strong> ihren Alltag im Spannungsfeld von Beruf, Betreuung <strong>und</strong> familiärem Umfeld<br />
organisieren. Ziel ist es, die körperliche <strong>und</strong> emotionale Beschwerdesymptomatik<br />
<strong>der</strong> pflegenden Angehörigen langfristig zu m<strong>in</strong>imieren, um ihre Teilhabe am sozialen<br />
Leben <strong>und</strong> vor allem ihre Erwerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern.<br />
Das Pilotprojekt „PV RehaJET ® für pflegende <strong>und</strong> betreuende Angehörige“ bildet<br />
damit e<strong>in</strong>en weiteren Meilenste<strong>in</strong> im Rehabilitationsangebot <strong>der</strong> PV. Auch <strong>in</strong> Zukunft<br />
ist es <strong>der</strong> PV <strong>in</strong> ihrer Vorreiterrolle e<strong>in</strong> Hauptanliegen, Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für <strong>in</strong>dividuelle <strong>und</strong> maßgeschnei<strong>der</strong>te Rehabilitationsmaßnahmen bereitzustellen<br />
<strong>und</strong> die Rehabilitationsleistungen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Versicherten laufend weiterzuentwickeln.<br />
„Ziel ist es, die körperliche <strong>und</strong> emotionale Beschwerdesymptomatik<br />
<strong>der</strong> pflegenden Angehörigen langfristig zu m<strong>in</strong>imieren, um ihre<br />
Teilhabe am sozialen Leben <strong>und</strong> vor allem ihre Erwerbsfähigkeit<br />
nachhaltig zu sichern.“<br />
Canan Aytek<strong>in</strong><br />
39
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Christoph Jandl<br />
Generalsekretär des <strong>Österreich</strong>ischen Verbands<br />
<strong>der</strong> Impfstoffhersteller (ÖVIH) <strong>und</strong> Head of Medical Affairs<br />
Austria & Nordics, Valneva Austria GmbH<br />
Impfungen – e<strong>in</strong> zentraler Teil<br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorsorge<br />
Der Wert von Impfungen wurde uns durch die COVID-19-Pandemie<br />
e<strong>in</strong>drücklich vor Augen geführt, aber auch abseits e<strong>in</strong>er<br />
Pandemie führen Infektionskrankheiten wie Masern,<br />
Influenza o<strong>der</strong> RSV jährlich zu Hun<strong>der</strong>ttausenden Erkrankungs-<br />
<strong>und</strong> Tausenden Todesfällen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>.<br />
Durch den Klimawandel werden Erkrankungen wie Dengue,<br />
Chikungunya o<strong>der</strong> Zika, die von Moskitos übertragen werden,<br />
auch auf dem europäischen Kont<strong>in</strong>ent immer wahrsche<strong>in</strong>licher.<br />
Dies konnten wir am Beispiel des lokalen Dengue-Ausbruchs<br />
im September <strong>2023</strong> am Gardasee mitverfolgen. Ich<br />
b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass Impfungen e<strong>in</strong> zentraler Bestandteil<br />
zukünftiger ges<strong>und</strong>heitspolitischer Strategien se<strong>in</strong> sollten.<br />
E<strong>in</strong> starker Fokus im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem auf<br />
Prävention (<strong>und</strong> im Speziellen auf das Impfen) ist sehr zu begrüßen.<br />
Mit dem elektronischen Impfregister <strong>und</strong> dem Pilotprojekt<br />
„Öffentliches Impfprogramm Influenza“ wurden bereits<br />
wichtige Meilenste<strong>in</strong>e gesetzt.<br />
Weitere wichtige Maßnahmen wären:<br />
• Erweiterung von Impfprogrammen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong><br />
Erwachsene auf zusätzliche Indikationen<br />
• Informationskampagnen zur Sensibilisierung <strong>und</strong><br />
Aufklärung r<strong>und</strong> um das Impfen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung auch<br />
als Maßnahme gegen Impfskepsis<br />
• Verbesserung des Zugangs zu Impfungen<br />
• Ausweitung des e-Impfpasses auf alle empfohlenen<br />
Impfungen <strong>und</strong> Implementierung von Er<strong>in</strong>nerungssystemen<br />
• Def<strong>in</strong>ition von angestrebten Durchimpfungsraten <strong>und</strong><br />
zeitnahe Offenlegung <strong>der</strong> aktuellen Zahlen aus dem<br />
elektronischen Impfregister<br />
40
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
41
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Ulrike Mursch-Edlmayr<br />
Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Österreich</strong>ischen Apothekerkammer<br />
„<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shaus“ <strong>Österreich</strong>:<br />
Apotheken s<strong>in</strong>d das F<strong>und</strong>ament<br />
Das flächendeckende Versorgungsnetz <strong>der</strong> wohnortnahen<br />
öffentlichen Apotheken <strong>und</strong> die Kompetenz <strong>der</strong> 6.800<br />
Apotheker:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d unverzichtbare Bauste<strong>in</strong>e des österreichischen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems. Geme<strong>in</strong>sam beraten sie <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> täglich bis zu 500.000 Menschen <strong>und</strong> versorgen<br />
sie zuverlässig mit Arzneimitteln <strong>und</strong> pharmazeutischer Expertise.<br />
Stellt man sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung wie e<strong>in</strong> Haus vor,<br />
dann s<strong>in</strong>d öffentliche Apotheken das unverzichtbare Erdgeschoß<br />
<strong>und</strong> Krankenhausapotheken die zentralen Säulen für<br />
das oberste Spitals-Stockwerk. Gerade die oberen Stockwerke<br />
des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shauses geraten durch die aktuellen ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen immer stärker unter<br />
Druck, strukturelle Probleme werden immer sichtbarer.<br />
Das Potenzial von Apotheken ist enorm. Die Apotheke kann<br />
zentrale Wegweiser<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfragen <strong>und</strong> Schnittstelle<br />
zu Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kl<strong>in</strong>iken, Expert<strong>in</strong> für Medikamente <strong>und</strong><br />
Arzneimittelsicherheit o<strong>der</strong> Berater<strong>in</strong> für Präventionsmaßnahmen<br />
<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Lebensstil se<strong>in</strong>. Auch die Herstellung<br />
maßgeschnei<strong>der</strong>ter Arzneimittel bei bestimmten Indikationen<br />
o<strong>der</strong> nicht lieferbaren Fertigpräparaten o<strong>der</strong> das Anbieten<br />
von Impfungen <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stests gehören<br />
dazu.<br />
Apotheken s<strong>in</strong>d gleichsam das Scharnier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shaus,<br />
das offenk<strong>und</strong>ig <strong>in</strong> die Jahre gekommen ist <strong>und</strong><br />
dr<strong>in</strong>gend reformiert werden muss. Diese Sanierung kann nur<br />
mit den Apotheker<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Apothekern gel<strong>in</strong>gen – denn sie<br />
s<strong>in</strong>d das nie<strong>der</strong>schwellige F<strong>und</strong>ament des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems.<br />
42
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />
Chefärzt<strong>in</strong> des<br />
<strong>Österreich</strong>ischen Roten Kreuzes<br />
Telemediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> künstliche Intelligenz –<br />
Chancen <strong>und</strong> Risiken<br />
Smarte Geräte, künstliche Intelligenz (KI), die Vernetzung des Alltags – <strong>der</strong> technische<br />
Fortschritt sorgt auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> für Umbrüche. Telemediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> KI verän<strong>der</strong>n<br />
das Leben von mediz<strong>in</strong>ischem Personal <strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />
Mittels Telemediz<strong>in</strong>, <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung ohne direkten Kontakt, können<br />
Menschen, für die Arztbesuche zu gefährlich o<strong>der</strong> beschwerlich s<strong>in</strong>d, über Onl<strong>in</strong>e-<br />
Term<strong>in</strong>e betreut werden. Vernetzte Geräte ermöglichen engmaschige Kontrollen<br />
e<strong>in</strong>zelner Parameter. Elektronische Rezepte <strong>und</strong> Krankschreibungen s<strong>in</strong>d für chronisch<br />
kranke Menschen e<strong>in</strong>e Erleichterung. Tele-Rehabilitation, die Betreuung von<br />
Patient:<strong>in</strong>nen via Kamera durch Physiotherapeut:<strong>in</strong>nen, ist e<strong>in</strong> ergänzendes Angebot.<br />
Die Rolle von künstlicher Intelligenz sollte man differenziert betrachten. Sie ist hilfreich<br />
bei Diagnosestellungen durch Bewertung von kl<strong>in</strong>ischen Bil<strong>der</strong>n – etwa bei<br />
Hautverän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> pathologischen Präparaten. Als Speicher für den enorm<br />
schnellen Wissenszuwachs unterstützt KI bei <strong>der</strong> Erstellung von Differentialdiagnosen<br />
<strong>und</strong> Therapieempfehlungen durch Vernetzung mit kl<strong>in</strong>ischen Beschwerden<br />
<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />
Der ethische Aspekt darf jedoch nicht vernachlässigt werden. Der Mensch besteht<br />
nicht nur aus Laborparametern. Es gilt, auch die alltagsrelevante Funktion <strong>und</strong> biographische<br />
Prägung zu berücksichtigen. Empathie <strong>und</strong> Begleiten im familiären<br />
Kontext kann KI nicht bereitstellen – sie ist e<strong>in</strong>e technische Unterstützung. Die<br />
Letztverantwortung bleibt zwischen Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />
„Der ethische Aspekt darf jedoch nicht vernachlässigt werden.<br />
Der Mensch besteht nicht nur aus Laborparametern. Es gilt,<br />
auch die alltagsrelevante Funktion <strong>und</strong> biographische Prägung<br />
zu berücksichtigen.“<br />
Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />
43
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Elisabeth Potzmann<br />
Präsident<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>ischer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>und</strong><br />
Krankenpflegeverband<br />
Pflegequalität<br />
ist e<strong>in</strong>e Wohlstandsfrage<br />
Wir alle haben sehr herausfor<strong>der</strong>nde Jahre h<strong>in</strong>ter uns – neue Erkrankungen wie<br />
Long COVID beschäftigen uns nun.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe haben die Aufgabe, auch dabei für größtmögliche Lebensqualität<br />
zu sorgen. Um diese Herausfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen, ist im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />
über den Tellerrand zu schauen: Manche Än<strong>der</strong>ung gel<strong>in</strong>gt vor dem<br />
<strong>der</strong>zeit gültigen gesetzlichen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, etwa Anpassungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dienstplan-<br />
„E<strong>in</strong>e große Erleichterung für chronisch kranke Menschen<br />
wird die Erstverordnungsbefugnis für Pflegefachpersonen br<strong>in</strong>gen:<br />
Sie ersparen sich dadurch Wege, <strong>und</strong> die Pflegefachpersonen<br />
können ohne große Verzögerung tätig werden.“<br />
Elisabeth Potzmann<br />
44
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
gestaltung, e<strong>in</strong>ige Gesetze bzw. Verordnungen s<strong>in</strong>d gemäß <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
gestarteten Prozesse noch ausständig, wie die Spezialisierungsverordnung;<br />
an<strong>der</strong>e Gesetze mussten zusätzlich auf den Weg gebracht werden, da die Befugnisse<br />
des Gehobenen Dienstes <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Krankenpflege <strong>der</strong> Ausbildung<br />
nicht länger gerecht werden. Somit freuen wir uns sehr, dass die Wartezeit auf<br />
die Pflegegelde<strong>in</strong>stufung künftig zusätzlich verkürzt werden kann, da nun auch<br />
Pflegende Erste<strong>in</strong>stufungen durchführen.<br />
E<strong>in</strong>e große Erleichterung für chronisch kranke Menschen wird die Erstverordnungsbefugnis<br />
für Pflegefachpersonen br<strong>in</strong>gen: Sie ersparen sich dadurch Wege,<br />
<strong>und</strong> die Pflegefachpersonen können ohne große Verzögerung tätig werden. Das<br />
wird etwa im W<strong>und</strong>management zu e<strong>in</strong>er unmittelbaren <strong>und</strong> folglich verbesserten<br />
Versorgung führen. H<strong>in</strong>zu kommt <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Primärversorgung, welcher die<br />
Versorgungsstruktur <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> nachhaltig verän<strong>der</strong>n wird. Wir blicken e<strong>in</strong>er<br />
spannenden Zukunft entgegen.<br />
45
GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Bernhard Wurzer<br />
Generaldirektor<br />
<strong>Österreich</strong>ische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse<br />
Die mo<strong>der</strong>nste<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse 2030<br />
Die <strong>Österreich</strong>ische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse (ÖGK) spielt e<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s.<br />
Als größter Sozialversicherungsträger des Landes trägt die<br />
ÖGK stetig zur Sicherstellung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung<br />
bei. Mit ihrem umfangreichen Netzwerk an Vertragsärzt:<strong>in</strong>nen,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>se<strong>in</strong>richtungen gewährleistet<br />
die ÖGK ihren Versicherten Zugang zu mediz<strong>in</strong>isch<br />
notwendigen Behandlungen <strong>und</strong> Unterstützung.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse setzt verstärkt auf Digitalisierungsmaßnahmen<br />
– die elektronische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakte ELGA wird<br />
laufend weiterentwickelt, sodass das e-Rezept bereits den<br />
Alltag von Versicherten <strong>und</strong> Vertragspartner:<strong>in</strong>nen erleichtert.<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>der</strong> Zukunft wird stärker auf<br />
Technologie, Telemediz<strong>in</strong>, personalisierte Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> Datenanalyse<br />
setzen. Die ÖGK hat sich zum Ziel gesetzt, bis<br />
2030 zur mo<strong>der</strong>nsten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse Europas zu werden.<br />
Als proaktive Sozialversicherung sollen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprobleme<br />
im Voraus verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t o<strong>der</strong> frühzeitig erkannt werden. Dies<br />
wird durch regelmäßige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>schecks, präventive<br />
Maßnahmen, ges<strong>und</strong>e Lebensstilentscheidungen <strong>und</strong> den<br />
E<strong>in</strong>satz von Technologie erreicht.<br />
Indem Menschen aktiv auf ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> achten, können<br />
potenzielle Risiken m<strong>in</strong>imiert <strong>und</strong> die Lebensqualität verbessert<br />
werden. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten <strong>und</strong> -analysen sollen e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden, um <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisse besser zu verstehen<br />
<strong>und</strong> personalisierte Empfehlungen zu geben.<br />
46
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
47
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
•<br />
Patientenmitbestimmung<br />
im System<br />
<strong>und</strong> als Betroffene<br />
•<br />
48
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
• Gastbeitrag: Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />
• Gastbeitrag: Brigitte Ettl<br />
• Gastbeitrag: Iris Herscovici<br />
• Gastbeitrag: Ulrike Holzer<br />
• Gastbeitrag: Ingrid Korosec<br />
• Gastbeitrag: Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel<br />
• Gastbeitrag: Michaela Wlattnig<br />
49
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
Ob Tipps, um ges<strong>und</strong> zu werden, Fitnessempfehlungen o<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Ratschläge<br />
– dank Internet <strong>und</strong> Apps ist es für Patient:<strong>in</strong>nen so e<strong>in</strong>fach wie noch nie,<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>in</strong>formationen zu erhalten. Wir haben Expert:<strong>in</strong>nen gefragt, welche<br />
Folgen das für die Patientenmitbestimmung hat.<br />
Was tun gegen Fake News?<br />
Circa 1,76 Millionen <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen nutzen das Internet für mediz<strong>in</strong>ische <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>heitliche Fragen. Was s<strong>in</strong>d effektive Mittel, um Fake News entgegenzuwirken?<br />
Das s<strong>in</strong>d die Top-Antworten <strong>der</strong> befragten Expert:<strong>in</strong>nen:<br />
1. Aufklärung<br />
Expert:<strong>in</strong>nen empfehlen, die Bevölkerung mit Aufklärungskampagnen über Grenzen<br />
<strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Digitalisierung zu <strong>in</strong>formieren. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />
soll auf die Aufklärung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen gelegt werden.<br />
2. Bildung<br />
Für genauso wichtig wie Aufklärung halten die Befragten Bildung im Bereich Digital<br />
Health. Dass <strong>Österreich</strong> hier Aufholbedarf hat, zeigt die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz-<br />
Erhebung aus 2020: Demnach haben r<strong>und</strong> 30 Prozent aller <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen, die<br />
das Internet für ges<strong>und</strong>heitliche o<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Fragen nutzen, Schwierigkeiten<br />
im Umgang mit digitalen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>in</strong>formationen. Fast die Hälfte davon hat Probleme<br />
bei <strong>der</strong> Beurteilung, ob die gef<strong>und</strong>enen Informationen vertrauenswürdig<br />
s<strong>in</strong>d. Hier braucht es frühzeitige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbildung <strong>und</strong> die Vermittlung digitaler<br />
Kompetenzen, um gegenzusteuern.<br />
3. Transparenz<br />
E<strong>in</strong>e transparente Information <strong>der</strong> Bevölkerung, transparente Wissenschaft <strong>und</strong><br />
Wissenschaftsvermittlung helfen dabei, den Gefahren von Fake News vorzubeugen.<br />
4. Qualitätssicherung/Zertifizierungen<br />
Immer wie<strong>der</strong> wird betont, wie wichtig qualitätssichernde Maßnahmen, beispielsweise<br />
Zertifikate, im Digital-Health-Bereich s<strong>in</strong>d. Darüber h<strong>in</strong>aus wäre es laut e<strong>in</strong>igen<br />
Expert:<strong>in</strong>nen för<strong>der</strong>lich, das Thema Digital Health bei anerkannten Institutionen<br />
anzusiedeln.<br />
50
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Zusammenarbeit <strong>und</strong> Datenaustausch im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten gibt es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> genug – bei <strong>der</strong>en Vernetzung hapert es<br />
aber. Für e<strong>in</strong>e bessere Zusammenarbeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en besseren Datenaustausch zwischen<br />
den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleister:<strong>in</strong>nen braucht es laut den Befragten:<br />
1. Investitionen <strong>in</strong> die Digitalisierung<br />
Der Fokus liegt hier auf dem Ausbau <strong>der</strong> elektronischen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakte ELGA.<br />
71%<br />
ne<strong>in</strong><br />
29%<br />
ja<br />
2. Technische Infrastruktur<br />
: In H<strong>in</strong>blick auf die technische Infrastruktur hat <strong>Österreich</strong><br />
Aufholbedarf. E<strong>in</strong>e nie<strong>der</strong>schwellige Struktur sowie<br />
<strong>in</strong>teroperable Netzwerke s<strong>in</strong>d Voraussetzungen<br />
für e<strong>in</strong>e reibungslose Zusammenarbeit <strong>und</strong> Datenaustausch.<br />
3. Auflösen des Silodenkens<br />
Institutionen haben wenig Interesse daran, ihre Daten<br />
zu teilen. Hier muss e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong> Richtung mehr<br />
Offenheit stattf<strong>in</strong>den. Das wie<strong>der</strong>um setzt Vertrauen<br />
voraus.<br />
Informationen für<br />
Patient:<strong>in</strong>nen<br />
Mehr als zwei Drittel <strong>der</strong><br />
befragten Expert:<strong>in</strong>nen<br />
f<strong>in</strong>den, dass Patient:<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> nicht<br />
ausreichend <strong>in</strong>formiert<br />
werden.<br />
4. Rechtssicherheit<br />
Für e<strong>in</strong>e umfassende Verknüpfung <strong>der</strong> Datenbestände fehlen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> die<br />
Rechtsgr<strong>und</strong>lagen. Es braucht e<strong>in</strong>en gesetzlichen Auftrag, etwa <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er gesetzlichen<br />
Verpflichtung zu Datenaustausch, -verknüpfung <strong>und</strong><br />
-nutzung. Gleichzeitig erweist sich die Datenschutz-Gr<strong>und</strong>verordnung als Hemmschuh.<br />
Die befragten Expert:<strong>in</strong>nen pochen daher auf klare Vorgaben <strong>und</strong> juristische<br />
Unterstützung <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />
51
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
52
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />
Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Kompetenz<strong>und</strong><br />
Servicestelle für Selbsthilfe (ÖKUSS)<br />
Patientenmitbestimmung<br />
im System <strong>und</strong> als Betroffene<br />
In vielen europäischen Län<strong>der</strong>n hat die Beteiligung von Patient:<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e lange<br />
Tradition. So unterschiedlich die Kulturen, so unterschiedlich s<strong>in</strong>d auch die Strukturen<br />
<strong>und</strong> Prozesse dafür. Das Erfahrungswissen von den Patient:<strong>in</strong>nen abzuholen<br />
kann dabei auf vielfältige Weise erfolgen: In manchen Län<strong>der</strong>n übernehmen unabhängige<br />
Organisationen, z. B. Patientenverbände, die Aufgabe, <strong>der</strong>en Perspektive<br />
zu vertreten, <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en werden staatlich organisierte Bevölkerungsbefragungen<br />
e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
An<strong>der</strong>e Formen von Beteiligung s<strong>in</strong>d die Teilhabe an Gremien o<strong>der</strong> die Mitarbeit an<br />
<strong>der</strong> Entwicklung konkreter Outcomes wie z. B. an Leitl<strong>in</strong>ien. Auch Forschungsprojekte<br />
sowie Konferenzen zum strukturierten Austausch mit Nutzer:<strong>in</strong>nen werden<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Begleitete Beteiligungsmethoden, wie z. B. e<strong>in</strong> Bürger:<strong>in</strong>nen-Rat <strong>und</strong><br />
digitale Möglichkeiten, wurden unter an<strong>der</strong>em auch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> kürzlich e<strong>in</strong>gesetzt<br />
(z. B. Agenda <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung).<br />
Neben <strong>der</strong> Umsetzung ist es aber auch zentral, Strukturen, Prozesse <strong>und</strong> Kapazitäten<br />
f<strong>und</strong>iert aufzubauen, um Beteiligungsaktivitäten strukturiert zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong><br />
zu begleiten. Ziel muss es se<strong>in</strong>, Beteiligung e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong> ressourcenschonend zu<br />
gestalten. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Selbsthilfe erarbeitet ÖKUSS hierzu fachliche<br />
Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> wir stärken Selbsthilfe-Vertreter:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Weiterbildungen.<br />
Auch wenn wir <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> aktuelle Erfahrungen vorweisen können, ist die Beteiligungskultur<br />
noch nicht so ausgeprägt, um im Spitzenfeld <strong>der</strong> europäischen Län<strong>der</strong><br />
mit dabei zu se<strong>in</strong>.<br />
„Neben <strong>der</strong> Umsetzung ist es aber auch zentral, Strukturen,<br />
Prozesse <strong>und</strong> Kapazitäten f<strong>und</strong>iert aufzubauen, um Beteiligungsaktivitäten<br />
strukturiert zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong> zu begleiten. “<br />
Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />
53
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Brigitte Ettl<br />
ehemalige Ärztliche Direktor<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik Hietz<strong>in</strong>g <strong>und</strong><br />
Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Plattform Patientensicherheit<br />
„Stärkt die Stimme <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> Patienten!“ Patientenbeteiligung<br />
senkt Schadensbelastung um 15 Prozent<br />
Internationale Untersuchungen zeigen, dass etwa jede zehnte<br />
Person, die als Patient:<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>se<strong>in</strong>richtung<br />
behandelt wird, Schäden erleidet. Dabei s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens 50<br />
Prozent dieser Schäden vermeidbar 1 .<br />
Die Auswirkungen von „patient engagement“, also Patientenbeteiligung,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> Patientensicherheit s<strong>in</strong>d<br />
beachtlich: Durch <strong>der</strong>en Implementierung kann die Schadensbelastung<br />
um 15 Prozent verr<strong>in</strong>gert werden 2 . So können<br />
jedes Jahr unzählige Leben gerettet werden. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
werden erhebliche Summen gespart, die im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />
dr<strong>in</strong>gend gebraucht werden. Deshalb wurde die Beteiligung<br />
von Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> ihren Familien im Global Patient<br />
Safety Action Plan 2021–2030 verankert.<br />
Die <strong>Österreich</strong>ische Plattform Patient:<strong>in</strong>nensicherheit publiziert<br />
laufend Empfehlungen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Patientenbeteiligung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung, wie das Patientensicherheitshandbuch,<br />
<strong>und</strong> arbeitet im DACH-Raum mit<br />
Schwesterorganisationen geme<strong>in</strong>sam an Projekten.<br />
Mit dem Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient<br />
Safety wurde <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nenbeirat gegründet, <strong>in</strong> dem<br />
Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Angehörige vertreten s<strong>in</strong>d. Das Ziel dieser<br />
Maßnahmen ist die Beteiligung von Patient:<strong>in</strong>nen sowie die<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ihrer Angehörigen, um die Patientensicherheit zu<br />
erhöhen <strong>und</strong> bessere Ergebnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Versorgung zu erreichen.<br />
1: https://www.who.<strong>in</strong>t/health-topics/patient-safety#tab=tab_1<br />
2: https://www.who.<strong>in</strong>t/news-room/fact-sheets/detail/patient-safety<br />
54
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
55
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Iris Herscovici<br />
Co-Grün<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>und</strong> Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
von selpers<br />
Mehr als Worte:<br />
Patientenzentrierung im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />
Patientenzentrierung im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen bedeutet, den<br />
Menschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung zu stellen. Dafür müssen<br />
wir die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung nicht nur aus Sicht <strong>der</strong><br />
Expert:<strong>in</strong>nen betrachten, son<strong>der</strong>n auch die Perspektive <strong>und</strong><br />
die Situation <strong>der</strong> betroffenen Menschen <strong>in</strong> den Fokus rücken.<br />
Das erfor<strong>der</strong>t, aus diesem oft <strong>in</strong> den Raum geworfenen<br />
Schlagwort Patientenzentrierung mehr als nur e<strong>in</strong>e Floskel zu<br />
machen. Wenn wir patientenzentriert se<strong>in</strong> wollen, müssen wir<br />
darauf achten, dass Patient:<strong>in</strong>nen verstehen, was gesagt<br />
wird, <strong>und</strong> wissen, was sie beitragen können.<br />
Das heißt auch, die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.<br />
Patient:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d schließlich nicht nur Erkrankte, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten<br />
<strong>und</strong> Informationsbedürfnissen; Menschen, die dort<br />
abgeholt werden müssen, wo sie gerade stehen.<br />
Nur dann können sie gute Entscheidungen treffen – sei es im<br />
H<strong>in</strong>blick auf ihre Therapie o<strong>der</strong> ihren Lebensstil. Informationen,<br />
Infrastrukturen <strong>und</strong> Prozesse müssen sich den Menschen<br />
anpassen <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />
Die Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Menschen zu sehen <strong>und</strong><br />
sie <strong>in</strong> den Mittelpunkt unserer Kommunikation zu stellen sollte<br />
das klare Ziel e<strong>in</strong>es zukunftsorientierten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />
se<strong>in</strong>. So können wir es schaffen, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />
<strong>und</strong> damit die Adhärenz <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen zu verbessern.<br />
Das bedeutet nicht nur e<strong>in</strong>e Entlastung des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spersonals,<br />
son<strong>der</strong>n auch Kostenreduzierung <strong>und</strong> vor allem:<br />
schnellere Genesung, weniger Komplikationen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e höhere<br />
Lebensqualität für die Betroffenen.<br />
56
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Ulrike Holzer<br />
Obfrau Pro Rare Austria –<br />
Allianz für seltene Erkrankungen <strong>Österreich</strong><br />
Patientenbeteiligung zur Verbesserung<br />
des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems<br />
Wir freuen uns, dass wir wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geladen wurden, e<strong>in</strong>en Beitrag <strong>in</strong> dieser Jubiläumsausgabe<br />
zu verfassen <strong>und</strong> so die seltenen Erkrankungen prom<strong>in</strong>ent repräsentieren<br />
zu dürfen. Herzliche Gratulation zum 15-jährigen Bestehen!<br />
Beteiligung im System <strong>und</strong> Entscheidungsprozess<br />
Zahlreiche Studien beweisen, dass „shared decision mak<strong>in</strong>g“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Versorgung zu besseren Ergebnissen führt. Was auf <strong>in</strong>dividueller Ebene <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>-Kommunikation gilt, sollte unserer Me<strong>in</strong>ung nach auf allen Entscheidungsebenen<br />
angewendet werden, wo über die Zukunft von Patient:<strong>in</strong>nen<br />
entschieden wird. Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den bedeutet,<br />
dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Perspektive beleuchtet wird – die Erfahrungen, die Betroffene<br />
<strong>und</strong> Angehörige Tag für Tag mit <strong>der</strong> Erkrankung sammeln, s<strong>in</strong>d wertvoll <strong>und</strong> unersetzlich.<br />
Was fehlt noch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>?<br />
Vieles ist <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> schon gelungen, z. B. die Aufmerksamkeit für die speziellen<br />
Bedarfe <strong>der</strong> Betroffenen e<strong>in</strong>er seltenen Erkrankung bei allen Stakehol<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit zu erhöhen.<br />
Nur durch e<strong>in</strong>e systematische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Patient:<strong>in</strong>nen auf allen Ebenen können<br />
wir jedoch unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem optimieren. Es braucht daher noch viel<br />
mehr: rechtliche Verankerung von Patientenorganisationen als zentrale Stakehol<strong>der</strong>gruppe<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, systematische Inkludierung <strong>in</strong> Expertenkommissionen,<br />
z. B. zum Ablauf von Prozessen, automatische frühzeitige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />
kl<strong>in</strong>ische Studien <strong>und</strong> nicht zuletzt adäquate Basis- <strong>und</strong> Projektför<strong>der</strong>ungen.<br />
„Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den bedeutet,<br />
dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Perspektive beleuchtet wird –<br />
die Erfahrungen, die Betroffene <strong>und</strong> Angehörige Tag für Tag<br />
mit <strong>der</strong> Erkrankung sammeln, s<strong>in</strong>d wertvoll <strong>und</strong> unersetzlich.“<br />
Ulrike Holzer<br />
57
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Ingrid Korosec<br />
Präsident<strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong>ischer Seniorenb<strong>und</strong><br />
Patientenmitbestimmung<br />
ohne <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz?<br />
Das Recht Kranker, über Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten sowie <strong>der</strong>en Risiken<br />
<strong>und</strong> Folgen <strong>in</strong>formiert zu werden, ist gesetzlich verankert. Sie müssen zudem <strong>in</strong><br />
jede Therapie explizit e<strong>in</strong>willigen. Die viel zitierten mündigen Patient:<strong>in</strong>nen entscheiden<br />
geme<strong>in</strong>sam mit den Ärzt:<strong>in</strong>nen über die Behandlung – gut <strong>in</strong>formiert,<br />
selbstbewusst <strong>und</strong> mit besseren Heilungschancen. Warum wollen dann 20 Prozent<br />
<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen nicht mitbestimmen? Warum s<strong>in</strong>d 15 Prozent jener, die <strong>in</strong>tensiv<br />
mitbestimmen, mit <strong>der</strong> Therapie beson<strong>der</strong>s unzufrieden?<br />
Weil echte Patientenmitbestimmung hohe <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz voraussetzt.<br />
Diese erwirbt man nicht über Dr. Google <strong>und</strong> Social Media, <strong>und</strong> auch nicht durch<br />
Gespräche mit Ärzt:<strong>in</strong>nen nach <strong>der</strong> Diagnose. Wem gr<strong>und</strong>legendes Wissen über<br />
„ges<strong>und</strong>/krank?“ <strong>und</strong> das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem fehlen, <strong>der</strong> kann nur <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />
entscheiden. Woh<strong>in</strong> <strong>der</strong> „ges<strong>und</strong>e Hausverstand“ <strong>in</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfragen führt, hat<br />
58
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
„Wem gr<strong>und</strong>legendes Wissen über „ges<strong>und</strong>/krank?“ <strong>und</strong><br />
das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem fehlen, <strong>der</strong> kann nur <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />
entscheiden.“<br />
Ingrid Korosec<br />
die Pandemie gezeigt. Die Fähigkeit, ges<strong>und</strong>heitsrelevante Informationen zu f<strong>in</strong>den,<br />
sie zu verstehen, kritisch zu bewerten <strong>und</strong> auf konkrete Lebenslagen umzulegen,<br />
ist e<strong>in</strong> langsamer Lernprozess. Das Health Literacy Population Survey Project<br />
2019 stellte <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im Vergleich zu 2011 kaum Verbesserung fest – wir s<strong>in</strong>d im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Vergleich weiter unterdurchschnittlich.<br />
Ist das Ganze also e<strong>in</strong> Plädoyer gegen Patientenmitbestimmung? Ne<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n für<br />
raschen <strong>und</strong> flächendeckenden Aufbau <strong>der</strong> nötigen Kompetenzen, um wissensbasierte<br />
Entscheidungen zu treffen! Das beg<strong>in</strong>nt nicht erst im Krankheitsfall, son<strong>der</strong>n<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit, wenn noch alles <strong>in</strong> Ordnung ist.<br />
59
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel<br />
Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong> Interessengeme<strong>in</strong>schaft<br />
pflegen<strong>der</strong> Angehöriger<br />
Das bittere Erbe <strong>der</strong> Pandemie –<br />
Long COVID <strong>und</strong> die Auswirkungen auf<br />
pflegende Angehörige<br />
Wenn Menschen aller Altersstufen von den Nachwirkungen<br />
e<strong>in</strong>er COVID-19-Infektion betroffen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> unter Long CO-<br />
VID o<strong>der</strong> danach Post-COVID leiden, s<strong>in</strong>d auch die pflegenden<br />
Angehörigen mitbetroffen. Bei diesen Erkrankungen wird<br />
es den Aufbau e<strong>in</strong>er weiteren guten Behandlungsstruktur sowie<br />
e<strong>in</strong>e adäquate Pflegegelde<strong>in</strong>stufung brauchen. Sie s<strong>in</strong>d<br />
aufgr<strong>und</strong> des wellenförmigen Verlaufs <strong>der</strong> Symptome <strong>der</strong> Erkrankung<br />
an<strong>der</strong>s zu beurteilen, als das bei vielen an<strong>der</strong>en<br />
pflegegeldrelevanten E<strong>in</strong>stufungen <strong>der</strong> Fall ist. Erst wenn die<br />
Pflegegelde<strong>in</strong>stufung gewährleistet ist, haben auch die pflegenden<br />
Angehörigen Anspruch auf diverse wichtige Unterstützungsleistungen.<br />
Unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen ist auch bei Long COVID <strong>und</strong> Post-<br />
COVID gefor<strong>der</strong>t, um bei diesen langfristigen Erkrankungen,<br />
die den gesamten Lebenslauf betroffener Menschen markant<br />
verän<strong>der</strong>n, verantwortungsvoll mit den Maßnahmen umzugehen<br />
<strong>und</strong> dem bisher wenig bekannten Krankheitsbild mit<br />
Sorgfalt <strong>und</strong> großer Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Forschung, Behandlung<br />
<strong>und</strong> Rehabilitation zu begegnen.<br />
Deshalb hat die Interessengeme<strong>in</strong>schaft pflegen<strong>der</strong> Angehöriger<br />
dieses Thema für das Jahr <strong>2023</strong> zum Topthema erklärt.<br />
60
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
61
PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Michaela Wlattnig<br />
PatientInnen- <strong>und</strong> Pflegeombudsfrau Land Steiermark, Sprecher<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> ARGE Patienten- <strong>und</strong> Pflegeanwaltschaften <strong>Österreich</strong>s<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sentscheidungen<br />
auf Augenhöhe – „Shared Decision Mak<strong>in</strong>g“<br />
Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungen e<strong>in</strong>zubeziehen <strong>und</strong> es ihnen<br />
zuzutrauen, Entscheidungen für ihren Behandlungsprozess<br />
zu treffen, erhöht die Akzeptanz von Folgen <strong>und</strong> Konsequenzen<br />
mediz<strong>in</strong>ischer <strong>und</strong> pflegerischer Interventionen.<br />
Die Basis für e<strong>in</strong> solches „Shared Decision Mak<strong>in</strong>g“ bildet die<br />
Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Behandler:<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />
Patient:<strong>in</strong>. Informationen sollten verständlich vermittelt werden<br />
<strong>und</strong> den Patient:<strong>in</strong>nen die Möglichkeit eröffnen, Fragen<br />
zu stellen, um dann geme<strong>in</strong>sam den Behandlungsprozess<br />
festzulegen. Für e<strong>in</strong> gutes Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es solchen Prozesses<br />
ist <strong>der</strong> Faktor Zeit wesentlich. Das Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>nen-Gespräch<br />
ist zentral <strong>und</strong> muss e<strong>in</strong>e entsprechende Wertigkeit<br />
erfahren. Es ist dr<strong>in</strong>gend notwendig, Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />
dah<strong>in</strong> gehend zu schulen; genauso wichtig ist es aber<br />
auch, dass es zu e<strong>in</strong>er monetären Abgeltung <strong>der</strong> Gespräche<br />
kommt.<br />
Patient:<strong>in</strong>nen haben das Recht auf Aufklärung über ihren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<br />
sowie über ihre erfor<strong>der</strong>liche Mitwirkung<br />
bei <strong>der</strong> Behandlung. Patientenanwaltschaften erfahren <strong>in</strong><br />
den an sie herangetragenen Anliegen sehr oft, dass die Ursache<br />
von Unsicherheiten <strong>und</strong> Unzufriedenheiten die fehlende<br />
o<strong>der</strong> nicht optimale Kommunikation zwischen Behandler:<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong> ist.<br />
Es gilt deshalb, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das<br />
Augenmerk auf den Faktor Zeit für das Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>nen-<br />
Gespräch als zentrales Element des Behandlungsprozesses<br />
zu legen <strong>und</strong> entsprechende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen dafür zu<br />
schaffen.<br />
62
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Mediz<strong>in</strong> für die Welt<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> für Alle<br />
Soziale Verantwortung weitergedacht<br />
• Der Zugang zu hochwertiger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung ist für e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />
nicht gewährleistet. Als mo<strong>der</strong>nes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sunternehmen will<br />
Sanofi das än<strong>der</strong>n.<br />
• Sanofi Global Health ist e<strong>in</strong>e neu gegründete Non-Profit E<strong>in</strong>heit im Konzern. Sie<br />
wird den 40 ärmsten Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt den Zugang <strong>und</strong> die kont<strong>in</strong>uierliche Versorgung<br />
mit 30 lebenswichtigen Medikamenten von Sanofi ermöglichen.<br />
• Die Arzneimittel decken e<strong>in</strong> breites Spektrum an Therapiegebieten ab, darunter<br />
Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tuberkulose, Malaria <strong>und</strong> Krebs.<br />
Quellen:<br />
Sanofi Presseaussendung 04.07.2022: https://www.sanofi.com/en/media-room/press-releases/2022/2022-07-04-10-00-<br />
00-2473350<br />
https://www.sanofi.de/de/verantwortung/<strong>in</strong>itiativen<br />
https://www.sanofi.com/en/about-us/our-stories/my-child-matters-improv<strong>in</strong>g-childhood-cancer-survival-<strong>in</strong>-thedevelop<strong>in</strong>g-world<br />
https://www.sanofi.com/en/our-responsibility/healthcare-for-all/<br />
Foto Copyright: © Andrew Mar<strong>in</strong>kovich<br />
63
•<br />
Wirtschaftsfaktor<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
•<br />
64
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
• Gastbeitrag: Petar Bajić<br />
• Gastbeitrag: Benjam<strong>in</strong> Bittschi<br />
• Gastbeitrag: Alexan<strong>der</strong> Burz<br />
• Gastbeitrag: Annelies Fitzgerald<br />
• Gastbeitrag: Gabriele Jaksch<br />
• Gastbeitrag: Karlhe<strong>in</strong>z Kopf<br />
• Gastbeitrag: Julia Schitter<br />
65
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />
Mit circa 11 Prozent des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts stellen die laufenden <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben<br />
e<strong>in</strong>en bedeutenden Wirtschaftsfaktor <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> dar. Welche Rolle<br />
werden hier Digitalisierung, künstliche Intelligenz (KI) <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>elles Lernen<br />
spielen? Und wor<strong>in</strong> sollte <strong>der</strong> Staat <strong>in</strong>vestieren? Expert:<strong>in</strong>nen gaben uns Antworten<br />
auf diese Fragen:<br />
Investitionen <strong>in</strong> mehr ges<strong>und</strong>e Lebensjahre?<br />
Anfang <strong>2023</strong> kritisierte <strong>der</strong> Rechnungshof von 2014 bis 2019 e<strong>in</strong>en Rückgang <strong>der</strong><br />
ges<strong>und</strong>en Lebensjahre <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. In welche Bereiche soll die öffentliche Hand<br />
<strong>in</strong>vestieren, um gegenzusteuern?<br />
1. Prävention<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Expert:<strong>in</strong>nen könnte die öffentliche Hand wesentlich mehr <strong>in</strong> Prävention<br />
<strong>in</strong>vestieren, als sie es bisher tut, zum Beispiel zur Vermeidung von Diabetes<br />
mellitus, Herzkreislauferkrankungen o<strong>der</strong> Adipositas.<br />
2. Bildung<br />
Investitionen <strong>in</strong> die Bildung erachten die Befragten für ebenso wichtig, um die ges<strong>und</strong>en<br />
Lebensjahre <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung zu steigern. So soll <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> schon im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />
thematisiert <strong>und</strong> als Unterrichtsfach <strong>in</strong> den Schulen verankert werden.<br />
3. Anreize für Lebensstilmodifikation<br />
Angesicht <strong>der</strong> Tatsache, dass etwa 50 Prozent aller chronischen Krankheiten auf<br />
e<strong>in</strong>e unges<strong>und</strong>e Lebensweise zurückzuführen s<strong>in</strong>d, können Anreize für e<strong>in</strong>e Lebensstilmodifikation<br />
zur Erhöhung <strong>der</strong> Anzahl an ges<strong>und</strong>en Lebensjahren beitragen.<br />
4. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>nde Sett<strong>in</strong>gs<br />
Laut den befragten Expert:<strong>in</strong>nen soll die öffentliche Hand mit regulatorischen Mitteln<br />
ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>nde Sett<strong>in</strong>gs herstellen. E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong> solches Sett<strong>in</strong>g<br />
wären etwa Vorgaben bei Nahrungsmitteln.<br />
5. Beratung<br />
E<strong>in</strong> Angebot an <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung kann ebenfalls zu e<strong>in</strong>er Steigerung <strong>der</strong> ges<strong>und</strong>en<br />
Lebensjahre beitragen. Dazu ist es nötig, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich, mit den nötigen f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen auszustatten.<br />
66
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Wie weit ist <strong>Österreich</strong> mit eHealth-Projekten?<br />
Mit dem e-Rezept <strong>und</strong> dem zentralen Impfregister hat sich <strong>in</strong> den vergangenen<br />
Jahren <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> viel getan.<br />
Effizientere <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung durch KI<br />
Macht künstliche Intelligenz (KI) die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> effizienter? Derzeit noch nicht<br />
wirklich, aber <strong>in</strong> Zukunft def<strong>in</strong>itiv, so die allgeme<strong>in</strong>e<br />
Expertenme<strong>in</strong>ung – denn momentan komme KI <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung eigentlich<br />
nur <strong>in</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung o<strong>der</strong> projektbezogen<br />
zum E<strong>in</strong>satz.<br />
1<br />
2<br />
gar nicht<br />
weit<br />
3<br />
2,1<br />
4<br />
5<br />
sehr<br />
weit<br />
Fortschritt im<br />
In Zukunft erwarten sich die Befragten von KI <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>ellem<br />
Lernen Effizienzsteigerungen<br />
Bereich eHealth<br />
Die Expert:<strong>in</strong>nen halten<br />
• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissensverbreitung,<br />
<strong>Österreich</strong> im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Vergleich mit<br />
• bei <strong>der</strong> Planung <strong>und</strong> Versorgung,<br />
e<strong>in</strong>em Durchschnittswert<br />
• beim Aufbau von Versorgungspfaden,<br />
von 2,1 für wenig<br />
• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik,<br />
fortschrittlich.<br />
• bei Therapieentscheidungen <strong>und</strong> Therapieanwendungen,<br />
• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
• bei <strong>der</strong> Genehmigung von Medikamenten bzw. Arzneimitteln,<br />
• bei <strong>der</strong> Assistenz für Patient:<strong>in</strong>nen.<br />
Ist die Zukunft <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung digital?<br />
KI-gestützte Symptomchecker, Wearables o<strong>der</strong> digitale Ambulanzen – auch für<br />
Patient:<strong>in</strong>nen gibt es e<strong>in</strong> wachsendes digitales Angebot <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung.<br />
Wie sieht das <strong>in</strong> Zukunft aus? Hier ist die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> von uns befragten<br />
Expert:<strong>in</strong>nen:<br />
Circa<br />
42%<br />
<strong>der</strong> österreichischen Bevölkerung werden sich <strong>in</strong> zehn Jahren digital<br />
um ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kümmern. Die E<strong>in</strong>schätzungen variieren jedoch<br />
erheblich <strong>und</strong> reichen von 20 bis 75 Prozent.<br />
67
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
68
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Petar Bajić<br />
Experte für Sozialversicherung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />
Industriellenvere<strong>in</strong>igung<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft hat sich <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren <strong>und</strong> Jahrzehnten zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Wirtschaftsfaktoren weltweit entwickelt<br />
Sie umfasst nicht nur die Bereiche <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung <strong>und</strong> Pflege, die<br />
oftmals als Kostenfaktoren wahrgenommen werden, son<strong>der</strong>n auch die pharmazeutische<br />
Industrie, Biotechnologie <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische Forschung, die wesentlich<br />
zur Wertschöpfung beitragen. In diesem Kontext hat sich <strong>Österreich</strong> als Forschungs-<br />
<strong>und</strong> Innovationsstandort zunehmend etabliert, wobei die Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
hier e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle e<strong>in</strong>nimmt.<br />
Wie bedeutend <strong>der</strong> Life-Science-Sektor für <strong>Österreich</strong> ist, verdeutlichen die Zahlen:<br />
R<strong>und</strong> 1.000 Unternehmen mit 60.000 Beschäftigten erwirtschaften jährlich<br />
e<strong>in</strong>en Umsatz von 25 Mrd. Euro <strong>und</strong> <strong>in</strong>vestieren r<strong>und</strong> 1,3 Mrd. Euro <strong>in</strong> Forschung <strong>und</strong><br />
Entwicklung. Insbeson<strong>der</strong>e die Pharma<strong>in</strong>dustrie ist <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong> Schlüsselsektor<br />
<strong>und</strong> trägt wesentlich zur Schaffung von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> bei.<br />
Gleichzeitig ist die Konkurrenz auf dem <strong>in</strong>ternationalen Markt <strong>in</strong>tensiv. Die steigenden<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung bei gleichzeitiger<br />
Notwendigkeit, die Kosten zu kontrollieren, erfor<strong>der</strong>n ständige Fortschritte <strong>und</strong> Innovationen.<br />
Umso wichtiger ist daher auch die laufende Weiterentwicklung des<br />
Standorts, um wettbewerbsfähige <strong>und</strong> attraktive Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Unternehmen<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> <strong>und</strong> Europa zu bieten.<br />
„Wie bedeutend <strong>der</strong> Life-Science-Sektor für <strong>Österreich</strong> ist,<br />
verdeutlichen die Zahlen: R<strong>und</strong> 1.000 Unternehmen mit<br />
60.000 Beschäftigten erwirtschaften jährlich e<strong>in</strong>en Umsatz von<br />
25 Mrd. Euro <strong>und</strong> <strong>in</strong>vestieren r<strong>und</strong> 1,3 Mrd. Euro <strong>in</strong> Forschung<br />
<strong>und</strong> Entwicklung.“<br />
Petar Bajić<br />
69
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Benjam<strong>in</strong> Bittschi<br />
Ökonom (Senior Economist)<br />
<strong>Österreich</strong>isches Institut für Wirtschaftsforschung<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist <strong>in</strong>dividuell sehr wichtig, aber sie<br />
ist auch e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> Faktor für die Wirtschaft<br />
„Die Wirtschaft“ me<strong>in</strong>t volkswirtschaftlich das Zusammenspiel<br />
von Privaten, Unternehmen <strong>und</strong> Staat. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist<br />
dabei für alle drei Akteure von Bedeutung.<br />
Für Beschäftigte verursacht e<strong>in</strong> schlechter <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<br />
häufigere Fehlzeiten am Arbeitsplatz, h<strong>in</strong>gegen führt<br />
gute <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu höherer Arbeitsproduktivität, höheren<br />
Löhnen <strong>und</strong> höherer Erwerbsbeteiligung. Umgekehrt haben<br />
Personen mit höheren E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong>en besseren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand.<br />
Besorgniserregend <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> ist, dass die<br />
Erwartung gesun<strong>der</strong> Lebensjahre bei Geburt vergleichsweise<br />
niedrig ist <strong>und</strong> 2021 nur 61,8 Jahre betrug, während Schweden<br />
68,4 Jahre <strong>und</strong> Deutschland 65,6 Jahre verzeichneten. 1<br />
Für Unternehmen ist <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssektor e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Wirtschaftsfaktor mit unterschiedlichen regionalen Stärken,<br />
wie z. B. <strong>der</strong> Herstellung von pharmazeutischen Gr<strong>und</strong>stoffen<br />
(Tirol) <strong>und</strong> Spezialitäten (Wien) o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>technik<br />
(Salzburg). Die Lieferkettenschwierigkeiten <strong>in</strong> letzter Zeit haben<br />
gezeigt, dass es hier gilt, bei kritischen Produkten die Unabhängigkeit<br />
des Wirtschaftsstandorts <strong>Österreich</strong> zu stärken.<br />
Schließlich ist <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> auch für den Staat e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Faktor.<br />
Investitionen <strong>in</strong> Prävention <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>d<br />
dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich, um die Kostenentwicklung zu managen<br />
<strong>und</strong> die Wirtschaft zu stärken. Der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssektor<br />
bleibt somit e<strong>in</strong> Schlüsselbereich für das zukünftige Wohlstandspotenzial<br />
des Landes.<br />
1: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/hlth_hlye/default/table?lang=en<br />
70
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Alexan<strong>der</strong> Burz<br />
Büroleiter-Stellvertreter<br />
Dachverband <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />
Wirtschaftsfaktor<br />
Sozialversicherung<br />
Die österreichische Sozialversicherung<br />
versorgt über neun Millionen Anspruchsberechtigte<br />
im Krankheitsfall <strong>und</strong> unterstützt<br />
dabei, Krankheiten <strong>und</strong> Krankenstände<br />
zu vermeiden bzw. zu verkürzen.<br />
Zudem s<strong>in</strong>d die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben<br />
für sich genommen e<strong>in</strong> wesentlicher<br />
Wirtschaftsfaktor: Sie betrugen (ohne<br />
Langzeitpflege) <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im Jahr<br />
2021 42,7 Mrd. Euro (r<strong>und</strong> 10,5 Prozent<br />
des BIP). Der größte Anteil (47 Prozent)<br />
wurde dabei von <strong>der</strong> österreichischen<br />
Sozialversicherung aufgebracht – sie ist<br />
damit die wichtigste Leistungserbr<strong>in</strong>gungs- <strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierungsstruktur im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen.<br />
Im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen arbeiten beispielsweise mit über 19.000<br />
Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1.500 Apotheker:<strong>in</strong>nen etliche Selbstständige. Zusätzlich arbeiten<br />
im Wirtschaftsbereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen (ÖNACE 86, Stand 07/<strong>2023</strong>, z. B.<br />
Beschäftigte <strong>in</strong> Krankenanstalten <strong>und</strong> bei Arztpraxen) über 145.000 unselbstständig<br />
Beschäftigte (o<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügige). Weiters s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Wirtschaftszweigen<br />
Apotheken sowie E<strong>in</strong>zelhandel mit mediz<strong>in</strong>ischen Artikeln ca. 20.000, <strong>in</strong> <strong>der</strong> pharmazeutischen<br />
Industrie ca. 19.000 <strong>und</strong> im Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen<br />
ca. 18.000 Personen unselbstständig beschäftigt. Durch Vorleistungsverflechtungen<br />
<strong>in</strong>duziert das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen weitere Wertschöpfung <strong>und</strong><br />
Beschäftigung. Zu den Vorleistungen zählen neben pharmazeutischen Erzeugnissen<br />
auch Dienstleistungen des Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> Wohnungswesens sowie Möbel<br />
<strong>und</strong> sonstige Waren (<strong>in</strong>klusive mediz<strong>in</strong>ischer Apparate <strong>und</strong> Geräte).<br />
„Die Sozialversicherung ist e<strong>in</strong> großer Wirtschafts-,<br />
Beschäftigungs- <strong>und</strong> Innovationsfaktor.“<br />
Alexan<strong>der</strong> Burz<br />
71
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Annelies Fitzgerald<br />
Institutsleitung, Karl Landste<strong>in</strong>er Institut<br />
für Human Factors & Human Resources<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>: Kostenfaktor <strong>und</strong><br />
bedeuten<strong>der</strong> Wertschöpfungsbeitrag<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Indikator für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung – sie betragen<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> über 50 Mrd. Euro, davon s<strong>in</strong>d ca. e<strong>in</strong> Fünftel Personalausgaben.<br />
Weitere Erhöhungen <strong>der</strong> Kosten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>bußen <strong>der</strong> Versorgungsqualität entstehen<br />
durch hohe Wechselbereitschaft von Mitarbeitenden, Berufsausstiege,<br />
Werteverschiebungen <strong>und</strong> ger<strong>in</strong>ge Berufsattraktivität. Mit den Zielen, für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik<br />
datenbasierte H<strong>in</strong>weise zur Erhöhung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Arbeit<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen zu liefern sowie e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong> valides Benchmark<br />
zur aktuellen Situation zur Verfügung zu stellen, um auf Organisationsebene<br />
konkrete Maßnahmen zu setzen, haben das Karl Landste<strong>in</strong>er Institut, EUCUSA <strong>und</strong><br />
Health Care Communication e<strong>in</strong> spezifisches Instrument entwickelt: Die Durchführung<br />
erfolgt mittels anonymer Onl<strong>in</strong>ebefragung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sechs Attraktivitätskomponenten<br />
– Gr<strong>und</strong>motivatoren für Austritt o<strong>der</strong> Verbleib im System – erhoben werden.<br />
72
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
www.karl-landste<strong>in</strong>er.at<br />
„Die Kenntnis von wirksamen Attraktivitätsfaktoren für<br />
Rahmen- <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, gepaart<br />
mit dem erfor<strong>der</strong>lichen Transformationswillen, werden <strong>in</strong> Zukunft<br />
den Wettbewerb am Arbeitsmarkt <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bestimmen.“<br />
Annelies Fitzgerald<br />
Zu Forschungszwecken steht e<strong>in</strong> anonymer L<strong>in</strong>k für Mitarbeitende im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />
zur Verfügung, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>richtungsspezifisches Diagnose<strong>in</strong>strument kann<br />
angefor<strong>der</strong>t werden. Die Daten fließen dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesamtstudie e<strong>in</strong>. Die Kenntnis<br />
von wirksamen Attraktivitätsfaktoren für Rahmen- <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen im<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, gepaart mit dem erfor<strong>der</strong>lichen Transformationswillen, werden<br />
<strong>in</strong> Zukunft den Wettbewerb am Arbeitsmarkt <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bestimmen.<br />
73
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Gabriele Jaksch<br />
Präsident<strong>in</strong> von MTD-Austria, Dachverband <strong>der</strong><br />
gehobenen mediz<strong>in</strong>isch-technischen Dienste <strong>Österreich</strong>s<br />
MTD-Berufe leisten e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag<br />
für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen<br />
Die Lebenserwartung steigt stetig, <strong>und</strong> somit auch <strong>der</strong> Wille<br />
<strong>und</strong> die Notwendigkeit, <strong>in</strong> die eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu <strong>in</strong>vestieren,<br />
um länger ges<strong>und</strong> zu leben. Dies führt im ökonomischen<br />
Umkehrschluss wie<strong>der</strong>um zu e<strong>in</strong>er höheren Nachfrage an <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sleistungen.<br />
Dabei liegt es klar auf <strong>der</strong> Hand, dass die sieben gesetzlich<br />
geregelten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe – Biomediz<strong>in</strong>ische Analytik,<br />
Diätologie, Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Orthoptik<br />
<strong>und</strong> Radiologietechnologie – <strong>in</strong> allen Lebensphasen e<strong>in</strong>en<br />
wesentlichen Beitrag zu mehr Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> österreichischen<br />
Bevölkerung leisten.<br />
MTD-Austria, <strong>der</strong> Dachverband <strong>der</strong> gehobenen mediz<strong>in</strong>ischtechnischen<br />
Berufe, vertritt als überbetriebliche Interessensvertretung<br />
sieben Berufsfachverbände mit ca. 40.000 Berufsangehörigen.<br />
Wie wirkt sich nun <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als Faktor auf die Wirtschaft<br />
aus? E<strong>in</strong>erseits tragen alle E<strong>in</strong>richtungen im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />
zur Wertschöpfung <strong>und</strong> Beschäftigung bei, an<strong>der</strong>erseits<br />
steigt durch die genannte Lebenserwartung <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische<br />
bzw. technologische Entwicklungen die Nachfrage<br />
nach <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleistungen, <strong>und</strong> dies bee<strong>in</strong>flusst unmittelbar<br />
die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>der</strong> Menschen.<br />
Der Bedarf an Leistungen <strong>der</strong> MTD-Berufe steigt stetig. Somit<br />
müssen die Studienplätze <strong>der</strong> MTD-Berufe im H<strong>in</strong>blick auf<br />
die zu erwartende Bedarfsentwicklung aufgestockt werden,<br />
um dadurch bereits bestehende eklatante Versorgungslücken<br />
im <strong>in</strong>tra- <strong>und</strong> extramuralen Bereich zu schließen. Dieses<br />
Faktum muss aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> oben genannten Tatsachen rasch<br />
beseitigt werden!<br />
74
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
75
WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Karlhe<strong>in</strong>z Kopf<br />
Generalsekretär <strong>der</strong><br />
Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong><br />
Von betrieblicher <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />
profitieren alle<br />
Die betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung (BGF) hat e<strong>in</strong>e große<br />
Bedeutung für die Wirtschaft. Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> zufriedene<br />
Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d motivierte Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen, <strong>und</strong> nur<br />
ges<strong>und</strong>en Menschen ist es auch möglich, lange im Berufsleben<br />
zu bleiben. Davon profitieren Unternehmen wie Beschäftigte<br />
auch <strong>in</strong> Zeiten des Arbeitskräftemangels.<br />
Konkret zeigen Studien, dass durch E<strong>in</strong>führung von BGF-Programmen<br />
die Zahl <strong>der</strong> Krankenstandstage s<strong>in</strong>kt <strong>und</strong> die Produktivität<br />
im Betrieb steigt. Gleichzeitig wirken sich mehr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
<strong>und</strong> mehr Wohlbef<strong>in</strong>den positiv auf das Betriebsklima<br />
aus, wodurch auch die Fluktuation im Unternehmen ger<strong>in</strong>ger<br />
ist.<br />
Den Wert von BGF haben auch schon viele Unternehmen erkannt<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte,<br />
teils sogar betriebs- <strong>und</strong> branchenübergreifend, umgesetzt.<br />
Von 2005 bis 2022 bekamen auch bereits 1.923 Betriebe das<br />
BGF-Gütesiegel verliehen. Um noch mehr Betriebe zu motivieren<br />
<strong>und</strong> freiwillige Maßnahmen zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>zuführen, setzen wir uns für e<strong>in</strong>e stärkere Steuerbefreiung<br />
dieser Maßnahmen e<strong>in</strong> – denn nicht jedem KMU ist es so e<strong>in</strong>fach<br />
möglich, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprojekte zu starten.<br />
BGF-Programme, die meist stark auf Prävention setzen, haben<br />
aber nicht nur für die Unternehmen selbst e<strong>in</strong>en großen<br />
Nutzen: BGF trägt außerdem dazu bei, ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen<br />
vorzubeugen <strong>und</strong> Krankheiten möglichst früh zu erkennen.<br />
Auf diese Weise leisten Unternehmen, die auf BGF<br />
setzen, auch e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur dr<strong>in</strong>gend notwendigen<br />
Entlastung des österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems.<br />
76
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Julia Schitter<br />
Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe „Internationale Arbeitsmarktpolitik,<br />
Dienstleistungen AMS, Budget“ <strong>der</strong> Sektion BMAW<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> im Betrieb –<br />
Maßnahmen mit Hebelwirkung<br />
Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> leistungsfähige Menschen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen<br />
Erfolg <strong>und</strong> gesellschaftliche Weiterentwicklung. Maßnahmen <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hand zur Steigerung <strong>der</strong> Integrationsmöglichkeiten von Menschen mit<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen E<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt helfen dabei, die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
des demografischen Wandels <strong>und</strong> des hohen Arbeitskräftebedarfs zu<br />
bewältigen. Das BMAW hat hierzu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgende Initiativen gestartet:<br />
Nationale Strategie „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> im Betrieb“<br />
Betriebe aller Größen <strong>und</strong> Branchen sowie Beschäftigte profitieren seit 2019 von<br />
aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten Informationen <strong>und</strong> Unterstützungsleistungen sowie<br />
betrieblichen Good-Practice-Beispielen für betriebliches <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanagement.<br />
Ziel von Betrieblichem <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanagement ist es, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> über<br />
die gesamte Erwerbsspanne zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zu erhalten, Belastungen <strong>und</strong> Krankheitsrisiken<br />
zu m<strong>in</strong>imieren sowie die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung nach temporärer Arbeitsunfähigkeit<br />
zu begleiten.<br />
fit2work<br />
Mit dem Ziel, die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit von Menschen langfristig zu erhalten,<br />
bietet fit2work seit mehr als zehn Jahren kostenlos <strong>und</strong> vertraulich Informationen,<br />
Beratung <strong>und</strong> Unterstützung<br />
• für Personen, <strong>der</strong>en Arbeitsplatz aufgr<strong>und</strong> von ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen<br />
gefährdet ist o<strong>der</strong> die deshalb Schwierigkeiten haben, e<strong>in</strong>e Arbeit zu f<strong>in</strong>den.<br />
• für Unternehmen, die die Arbeitsfähigkeit ihrer Belegschaft erhalten bzw. e<strong>in</strong><br />
betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement etablieren wollen.<br />
www.ges<strong>und</strong>heit-im-betrieb.at<br />
www.fit2work.at<br />
77
VERANSTALTUNGEN<br />
•<br />
Veranstaltungen<br />
<strong>2023</strong><br />
•<br />
78
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Jänner<br />
10. Jänner<br />
Präsentation <strong>Jahrbuch</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
2022 im PULS24-Studio<br />
Thema: Wissen, wie: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
leben ist die beste Investition<br />
Mai<br />
03. Mai<br />
PHARMIG Academy,<br />
13. Rare Diseases Dialog<br />
Thema: Zentraler F<strong>in</strong>anzierungstopf<br />
11.–13. Mai<br />
Austrian Health Forum Schladm<strong>in</strong>g<br />
Podium: Netzwerk Onkologie<br />
Februar<br />
10. Februar<br />
Weltkrebstag<br />
März<br />
29. März<br />
Austrian Health Day<br />
April<br />
07. April<br />
Weltges<strong>und</strong>heitstag<br />
16. Mai<br />
4GAMECHANGERS Festival<br />
Panel: Das Streben nach<br />
Glück: Stressbewältigung <strong>und</strong><br />
psychische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er schnelllebigen Welt<br />
Panel: Schließung <strong>der</strong> Lücke <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz:<br />
Die Befähigung des Individuums,<br />
f<strong>und</strong>ierte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sentscheidungen<br />
zu treffen<br />
20.–21. April<br />
5. PRAEVENIRE Digital<br />
Health Symposion<br />
Themen: Robotics, AI <strong>und</strong> Cyber<br />
Security<br />
22.–26. Mai<br />
8. PRAEVENIRE <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stage<br />
im Stift Seitenstetten<br />
Thema: Nachdenken –<br />
Umsetzten – Jetzt<br />
79
VERANSTALTUNGEN<br />
26. Mai<br />
Ingo Raimon wird<br />
PHARMIG-Präsident<br />
26.–28. Juli<br />
Salzburg Summit <strong>2023</strong><br />
Motto: „Future Now. Resources<br />
for Europe.“<br />
August<br />
Juni<br />
05. Juni<br />
6. Frauen<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sDialog<br />
Thema: Mädchen <strong>und</strong> Frauen.<br />
Selbstbestimmt.<br />
10. August<br />
Frühwarnsystem zur Überwachung<br />
schwerer Atemwegs<strong>in</strong>fektionen <strong>in</strong><br />
Krankenhäusern startet:<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sm<strong>in</strong>isterium <strong>und</strong><br />
Sozialversicherung nehmen<br />
SARI-Dashboard <strong>in</strong> Betrieb<br />
19. August–02. September<br />
European Forum Alpbach<br />
21. August<br />
Digitale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung 1450<br />
präsentiert sich <strong>in</strong> neuem Design<br />
September<br />
15. Juni<br />
Julia Guizani wird neue<br />
FOPI-Präsident<strong>in</strong><br />
22.–23. Juni<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaftskongress<br />
Thema: Unterwegs <strong>in</strong><br />
ungewissen Zeiten – Klartext.<br />
Wissen. Standpunkte.<br />
15. September<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>Österreich</strong> GmbH<br />
(GÖG) feiert ihr 50-jähriges<br />
Bestehen<br />
17. September<br />
Internationaler Tag <strong>der</strong><br />
Patient:<strong>in</strong>nensicherheit<br />
Motto: „Engag<strong>in</strong>g patients<br />
for patient safety“<br />
25.-26. September<br />
AHF Gaste<strong>in</strong><br />
Juli<br />
25. Juli<br />
M<strong>in</strong>isterrat mit Sofortmaßnahmen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreformpaket <strong>und</strong><br />
EU-Datengesetz DATA ACT<br />
80
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
26.–29. September<br />
European Health Forum Gaste<strong>in</strong><br />
Thema: Health systems <strong>in</strong> crisis<br />
– Counter<strong>in</strong>g shockwaves and<br />
fatigue<br />
10. Oktober<br />
Verleihung des <strong>Österreich</strong>ischen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz-Preises<br />
<strong>2023</strong><br />
11. Oktober<br />
8. Konferenz <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen<br />
Plattform <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />
Thema: Psychosoziale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />
<strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den – <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />
Oktober<br />
04. Oktober<br />
M<strong>in</strong>isterrat F<strong>in</strong>anzausgleich ab<br />
dem Jahr 2024 – Gr<strong>und</strong>satze<strong>in</strong>igung<br />
07. Oktober<br />
17. Krebsforschungslauf:<br />
3.500 Läufer:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 86<br />
Unternehmen haben den 17.<br />
Krebsforschungslauf unterstützt.<br />
Zusammen wurde e<strong>in</strong>e Spendensumme<br />
von 260.000 € erreicht<br />
13. Oktober<br />
Tagung <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen<br />
Plattform Patient:<strong>in</strong>nensicherheit<br />
<strong>2023</strong><br />
November<br />
06. November<br />
PHARMIG Academy,<br />
14. Rare Diseases Dialog<br />
Thema: Drehscheibe<br />
Expertisezentren<br />
09. November<br />
Eröffnung <strong>der</strong> mobilen<br />
Ausstellung PharmaLAB im<br />
Technischen Museum Wien<br />
81
•<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<br />
<strong>2023</strong><br />
•<br />
82
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Canan Aytek<strong>in</strong><br />
Generaldirektor-Stellvertreter<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> PV<br />
Katja Bühler<br />
Wissenschaftliche Leiter<strong>in</strong> des<br />
COMET-Kompetenzzentrums VRVis<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Die Akteur:<strong>in</strong>nen am <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smarkt<br />
s<strong>in</strong>d laufend gefor<strong>der</strong>t, rasch <strong>und</strong> wirksam<br />
auf Herausfor<strong>der</strong>ungen zu reagieren. Auf<br />
lange Sicht wird es notwendig se<strong>in</strong>,<br />
praktikable Lösungsansätze für anstehende<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen zu erarbeiten. Dabei ist<br />
es von großer Bedeutung, mehr Menschen<br />
für Jobs im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich, vor allem<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rehabilitation, zu begeistern. Bei all<br />
den Bemühungen um die Bewältigung von<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen müssen aber stets die<br />
Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>der</strong><br />
Überlegungen gerückt werden. Nur so kann<br />
es gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> nachhaltiges <strong>und</strong> an den<br />
realen Bedürfnissen <strong>der</strong> Betroffenen<br />
ausgerichtetes Behandlungsumfeld zu<br />
schaffen.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Bei <strong>der</strong> Versorgung von Patient:<strong>in</strong>nen ist es<br />
wesentlich, e<strong>in</strong> optimales Zusammenspiel<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Versorgungsstationen<br />
sicherzustellen. Durch den gezielten E<strong>in</strong>satz<br />
digitaler Lösungen kann dazu beigetragen<br />
werden, dass Versorgungslücken für<br />
bestimmte Zielgruppen geschlossen<br />
werden. Gleichzeitig ist es möglich, viele<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>prozesse zu automatisieren, um<br />
e<strong>in</strong>e effizientere Vorgehensweise im S<strong>in</strong>ne<br />
<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen zu generieren.<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Gute <strong>und</strong> zuverlässige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mehr <strong>und</strong> mehr datengetriebenen<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft das A <strong>und</strong> O.<br />
Fragen nach Qualität, Anonymität,<br />
Zugänglichkeit <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationaler<br />
Homogenisierung von Daten werden das<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen <strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />
stark beschäftigen. Selbiges gilt auch für<br />
bildgebende Verfahren. In diesen Bereichen<br />
wird die mediz<strong>in</strong>ische Informatik mit<br />
maßgeschnei<strong>der</strong>ten Visualisierungsmethoden<br />
sowie Methoden <strong>der</strong> künstlichen Intelligenz<br />
(KI) sehr viel leisten.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem wird immer mehr<br />
von Daten def<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> geformt. Wie wir<br />
gesehen haben, gibt uns das sehr viele<br />
Chancen, um als <strong>in</strong>ternationale Forschungscommunity<br />
geme<strong>in</strong>sam schneller<br />
<strong>und</strong> zielgerichteter an Lösungen zu<br />
kommen. Als KI-Expert<strong>in</strong> kann ich <strong>in</strong><br />
größter Deutlichkeit sagen: Datenbasierte<br />
Lösungen s<strong>in</strong>d immer nur so gut wie die<br />
Daten, auf denen sie beruhen. Hier muss<br />
man also unbed<strong>in</strong>gt ansetzen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>erseits<br />
nach wie vor e<strong>in</strong> größeres Bewusstse<strong>in</strong><br />
schaffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits auch <strong>in</strong>ternational<br />
noch stärkeren Austausch <strong>und</strong> Kooperationen<br />
anstreben.<br />
83
GESUNDHEITSMANAGERINNEN UND GESUNDHEITSMANAGER <strong>2023</strong><br />
Renée Gallo-Daniel<br />
Über 30 Jahre Erfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
pharmazeutischen Industrie, Generalsekretär<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> Präsident<strong>in</strong> des ÖVIH<br />
Julian M. Hadschieff<br />
Grün<strong>der</strong> <strong>und</strong> Eigentümer <strong>der</strong> Humanocare<br />
Gruppe, stellvertreten<strong>der</strong> Universitätsratsvorsitzen<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>ischen Universität<br />
Innsbruck <strong>und</strong> Präsident des <strong>Österreich</strong>ischen<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tensportverbands<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie<br />
wichtig schnelle Impfstoffentwicklung ist,<br />
um die Ausbreitung von Krankheiten<br />
e<strong>in</strong>zudämmen. E<strong>in</strong>e große Anzahl an<br />
Impfstoffkandidaten für unterschiedliche<br />
Impf<strong>in</strong>dikationen bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Entwicklung<br />
– sie können uns zukünftig auch vor<br />
Krankheiten schützen, gegen die es aktuell<br />
ke<strong>in</strong>en Impfschutz gibt. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
wird die Nutzung von Technologie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft weiter zunehmen:<br />
Telemediz<strong>in</strong>, digitale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakten <strong>und</strong><br />
an<strong>der</strong>e <strong>in</strong>novative Ansätze haben an<br />
Bedeutung gewonnen <strong>und</strong> werden auch <strong>in</strong><br />
Zukunft e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Die<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft wird <strong>in</strong> den<br />
nächsten Jahren verstärkt auf Prävention,<br />
Immunisierungen wie Impfungen <strong>und</strong><br />
digitale Innovationen setzen.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Impfen ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten primärpräventiven<br />
Maßnahmen: Es ist nicht nur<br />
kosteneffektiv, es vermeidet auch erhebliches<br />
Leid. Wichtig ist, die Durchimpfungsraten<br />
<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> zu erhöhen, um diese<br />
positiven Effekte zu vermehren! Dazu<br />
braucht es geeignete Impfkonzepte.<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Was wir nach <strong>der</strong> Pandemie verstärkt<br />
erleben, ist das vermehrte Fragen nach dem<br />
S<strong>in</strong>n des täglichen Tuns. Menschen möchten<br />
e<strong>in</strong>en unmittelbaren Mehrwert o<strong>der</strong><br />
nachhaltigen Nutzen im Job leisten. Daher<br />
ist es außerordentlich wichtig, dass<br />
Arbeitgeber*<strong>in</strong>nen sich <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Attraktivierung des Pflege- <strong>und</strong><br />
Mediz<strong>in</strong>bereichs stellen.<br />
E<strong>in</strong>e große Chance stellt hier vor allem die<br />
Digitalisierung dar. Diese ermöglicht e<strong>in</strong>e<br />
raschere Informationsweitergabe, die<br />
Verarbeitung großer Datenmengen <strong>und</strong><br />
unterstützt sowohl Patient:<strong>in</strong>nen wie auch<br />
Personal mit technischen Devices. Dadurch<br />
können personelle Ressourcen geschont<br />
<strong>und</strong> die Leistungsangebote somit deutlich<br />
verbessert werden. Pflege <strong>und</strong> Mediz<strong>in</strong><br />
brauchen daher die Verknüpfung von<br />
Digitalisierung <strong>und</strong> menschlicher Zuwendung.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Wir müssen durchgängige Versorgungsketten<br />
etablieren sowie die prä- <strong>und</strong> poststationäre<br />
Versorgung besser mit dem Akutbereich<br />
verzahnen. Dafür gilt es, mehr<br />
Menschen für den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich zu<br />
begeistern <strong>und</strong> durch attraktive Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu halten.<br />
84
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
Nad<strong>in</strong>e Nehme<br />
Mitbegrün<strong>der</strong><strong>in</strong> des Start-ups<br />
Medicus AI<br />
Tanja Stamm<br />
Professor<strong>in</strong> <strong>und</strong> Institutsleiter<strong>in</strong> für Outcomes<br />
Research an <strong>der</strong> MedUni Wien, Leiter<strong>in</strong> des<br />
Ludwig Boltzmann Instituts für Arthritis <strong>und</strong><br />
Rehabilitation<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbranche entwickelt sich<br />
unablässig, <strong>und</strong> die Pandemie hat dies<br />
beschleunigt. In den nächsten Jahren<br />
dürfen wir uns auf e<strong>in</strong>ige Trends e<strong>in</strong>stellen,<br />
beg<strong>in</strong>nend bei <strong>der</strong> Stärkung von Infrastruktur,<br />
Ressourcen <strong>und</strong> Protokollen zur<br />
Bewältigung künftiger Pandemien über den<br />
E<strong>in</strong>satz digitaler <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stechnologien<br />
wie Telemediz<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Remote Patient<br />
Monitor<strong>in</strong>g bis h<strong>in</strong> zu Lieferkettenmanagement<br />
<strong>und</strong> präventiver, ganzheitlicher<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Das universelle <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>in</strong><br />
<strong>Österreich</strong> gilt als hochwertig, doch gibt es<br />
Verbesserungsmöglichkeiten. Reformen<br />
s<strong>in</strong>d nötig, um Fragmentierung zu überw<strong>in</strong>den<br />
<strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>versorgung zu verbessern:<br />
In <strong>Österreich</strong> ist sie unterbesetzt <strong>und</strong><br />
unterf<strong>in</strong>anziert. Digitalisierung kann die<br />
Primärversorgung durch Vere<strong>in</strong>fachung von<br />
Telehealth-Diensten, effizientes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdatenmanagement<br />
sowie bessere<br />
Kommunikation zwischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleister:<strong>in</strong>nen<br />
verbessern, um den<br />
Zugang zu mediz<strong>in</strong>ischer Versorgung <strong>und</strong><br />
ihre Qualität zu verbessern.<br />
Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />
weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />
– was lernen wir aus vergangenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />
Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft wird digitaler,<br />
patientenorientierter <strong>und</strong> datenbasierter.<br />
Interdiszipl<strong>in</strong>äre Teams arbeiten r<strong>und</strong> um<br />
die Patient:<strong>in</strong>nen, die Versorgung erfolgt<br />
am optimalen Ort <strong>und</strong> die Kommunikation<br />
zwischen Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstanbietern<br />
nutzt verständliche <strong>und</strong><br />
effektive digitale Systeme.<br />
Die Patient:<strong>in</strong>nen werden zu Partner:<strong>in</strong>nen,<br />
die mitgestalten <strong>und</strong> mitentscheiden.<br />
Entscheidungen erfolgen personalisiert<br />
<strong>und</strong> datenbasiert. Aufgr<strong>und</strong> von Forschungsergebnissen<br />
aus Analysen <strong>der</strong><br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten werden sie mit den<br />
geeignetsten Behandlungen versorgt.<br />
Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />
im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />
verän<strong>der</strong>n?<br />
Ich möchte helfen, die beschriebene<br />
Wunschliste umzusetzen. Wesentliche<br />
Schritte dorth<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d die effektive <strong>und</strong><br />
sichere Nutzung <strong>der</strong> Daten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>beziehung<br />
<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> die Prozesse. Dies<br />
ist auch das zentrale Ziel <strong>in</strong> unserem Projekt<br />
Health Outcomes Observatory, <strong>in</strong> dem wir<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Private Public Partnership die von<br />
Patient:<strong>in</strong>nen berichteten Ergebnisdaten<br />
mit den kl<strong>in</strong>ischen Outcomes erheben <strong>und</strong><br />
analysieren.<br />
85
Fotocredits<br />
EINLEITENDE WORTE<br />
Rolf Gleißner – © Gerhard Berger<br />
Julia Guizani – © Marton Zsolt<br />
15 JAHRE JAHRBUCH – © RÜCKBLICK<br />
Gastbeitrag Bach<strong>in</strong>ger – © NÖ. Patientenanwaltschaft<br />
Gastbeitrag Czypionka – © IHS<br />
Gastbeitrag Ostermann – © R. Ettl<br />
15 JAHRE JAHRBUCH – © AUSBLICK<br />
Gastbeitrag Gressl – © Ö-Nurse Praxis für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s-<strong>und</strong> Krankenpflege<br />
Gastbeitrag Vollbrecht/ Weißgärber beide – © Stefan Sachim<br />
Gastbeitrag Vorstandlechner – © Steffen Sa<strong>in</strong>t-Clair<br />
KAPITEL INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />
Gastbeitrag He<strong>in</strong>isch – © Peter Mayr<br />
Gastbeitrag Köszegi – © Luzia Puiu<br />
Gastbeitrag Lehner – © SVS Starmayr<br />
Gastbeitrag Ruda – © Future Health Lab<br />
Gastbeitrag Weismann – © SVC<br />
KAPITEL GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />
Gastbeitrag Aytek<strong>in</strong> – © Christ<strong>in</strong>e Wurnig<br />
Gastbeitrag Jandl – © Julia Grandegger Head<br />
Gastbeitrag Mursch-Edlmayr – © Christian Husar<br />
Gastbeitrag Pils – © ÖRK Stefan Liewehr<br />
Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann – © Schörg<br />
Gastbeitrag: Bernhard Wurzer – © ÖGK Gossow<br />
KAPITEL PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />
Gastbeitrag Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger – © Ettl<br />
Gastbeitrag Ettl – © R. Ettl<br />
Gastbeitrag Herscovici – © selpers.com<br />
Gastbeitrag Holzer – © Pro Rare Austria, R. Riedl<br />
Gastbeitrag Korosec – © Sab<strong>in</strong>e Klimpt<br />
Gastbeitrag Me<strong>in</strong>hard-Schiebel – © Katr<strong>in</strong> Schuetzenauer<br />
Gastbeitrag Wlattnig – © Land Steiermark<br />
86
GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />
KAPITEL WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />
Gastbeitrag Bajić – © Industriellenver<strong>in</strong>igung<br />
Gastbeitrag Bittschi – © Alexan<strong>der</strong> Mueller<br />
Gastbeitrag Burz – © Fotosudio Wilke<br />
Gastbeitrag Fitzgerald – © RENEZ<br />
Gastbeitrag Jaksch – © Julia Sonnleitner<br />
Gastbeitrag Kopf – © Marek Knopp<br />
Gastbeitrag Schitter – © Werner Haumer<br />
KAPITEL VERANSTALTUNGEN<br />
<strong>Jahrbuch</strong> Präsentation <strong>2023</strong> – © Sanofi<br />
Praevenire Digital Health Symposium – © Digital Health Symposium<br />
AHF Schladm<strong>in</strong>g – © Klaus Ranger/Harald Ste<strong>in</strong>er<br />
4GAMECHANGER – © Sanofi<br />
Ingo Raimon wird PHARMIG-Präsident – © Pharmig Christian Mikes<br />
Frauen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s Dialog GÖG – © BMSGPK Kirchmayer<br />
AHF Gaste<strong>in</strong> – © Ben Kaulfus<br />
European Health Forum Gaste<strong>in</strong> – © framez_European Health Forum Gaste<strong>in</strong><br />
Krebsforschungslauf <strong>2023</strong> – © MedUni Wien Ing Robert Harson<br />
Verleihung <strong>Österreich</strong>ischer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz Preis <strong>2023</strong> – © Evotion<br />
Tagung <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Plattform Patient<strong>in</strong>nensicherheit <strong>2023</strong> – © Manfred Seidl<br />
GESUNDHEITSMANAGER:INNEN<br />
Canan Aytek<strong>in</strong> – © Christ<strong>in</strong>e Wurnig<br />
Katja Bühler – © privat<br />
Renée Gallo-Daniel – © Chris Sauper <strong>und</strong> Komplizen<br />
Julian M. Hadschieff – © Robert Fritz<br />
Nad<strong>in</strong>e Nehme – © Medicus AI<br />
Tanja Stamm – © MedUni Wien Matern<br />
Cover Foto – © Shutterstock<br />
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