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Gesundheit 2023 - Jahrbuch der Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft in Österreich

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Impressum<br />

Herausgeber: Sanofi-Aventis GmbH<br />

Redaktionsteam: Maria Crist<strong>in</strong>a de Arteaga, Daniela Dall<strong>in</strong>ger, Stephanie Dirnbacher-<br />

Krug, Juliane Pamme, Edda Reitter<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Rechte <strong>der</strong><br />

Verbreitung, <strong>der</strong> Vervielfältigung, <strong>der</strong> Übersetzung, des Nachdrucks <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gabe<br />

auf fotomechanischem o<strong>der</strong> ähnlichem Wege, bleiben, auch nur bei auszugsweiser<br />

Verwertung, dem Herausgeber überlassen.<br />

Der Redaktionsschluss dieses <strong>Jahrbuch</strong>s war am 26.11.<strong>2023</strong>. Geschehnisse nach<br />

diesem Datum konnten nicht mehr berücksichtigt werden.<br />

Grafik: ADMAN werbeagentur, 1180 Wien<br />

Druck: HH Global, Paul-Heyse-Str. 28, München 80336 Germany<br />

Lektorat: Stephanie Dirnbacher-Krug, Bernhard Paratschek<br />

Auf umweltzertifiziertem Papier gedruckt!<br />

©Sanofi <strong>2023</strong>, 15. Ausgabe


•<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>2023</strong><br />

<strong>Jahrbuch</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik<br />

<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />


Inhaltsverzeichnis<br />

E<strong>in</strong>leitende Worte ....................................... 6<br />

Julia Guizani................................................ 6<br />

Rolf Gleißner............................................... 7<br />

15Jahre<br />

15. AUSGABE JUBILÄUM RÜCKBLICK AUSBLICK. ....... 8<br />

Gastbeitrag: Gerald Bach<strong>in</strong>ger............................... 11<br />

Gastbeitrag: Thomas Czypionka.............................13<br />

Gastbeitrag: Herwig Ostermann.............................15<br />

Gastbeitrag: Daniel Peter Gressl .............................17<br />

Gastbeitrag: Carol<strong>in</strong> Vollbrecht <strong>und</strong> Sophie Weißgärber. ......19<br />

Gastbeitrag: Vera Vorstandlechner...........................21<br />

INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN. . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 24<br />

Gastbeitrag: Michael He<strong>in</strong>isch.............................. 27<br />

Gastbeitrag: Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi.............................. 28<br />

Gastbeitrag: Peter Lehner.................................. 29<br />

Gastbeitrag: Romana Ruda................................. 30<br />

Gastbeitrag: Ursula Weismann.............................. 32<br />

GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT. ...... 34<br />

Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 36<br />

Gastbeitrag: Canan Aytek<strong>in</strong> ................................ 39<br />

Gastbeitrag: Christoph Jandl............................... 40<br />

Gastbeitrag: Ulrike Mursch-Edlmayr. ........................ 42<br />

Gastbeitrag: Kathar<strong>in</strong>a Pils ................................. 43<br />

Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann ........................... 44<br />

Gastbeitrag: Bernhard Wurzer.............................. 46<br />

4


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM<br />

UND ALS BETROFFENE.................................. 48<br />

Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 50<br />

Gastbeitrag: Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger. ................. 53<br />

Gastbeitrag: Brigitte Ettl ................................... 54<br />

Gastbeitrag: Iris Herscovici................................. 56<br />

Gastbeitrag: Ulrike Holzer.................................. 57<br />

Gastbeitrag: Ingrid Korosec ................................ 58<br />

Gastbeitrag: Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel. ...................... 60<br />

Gastbeitrag: Michaela Wlattnig............................. 62<br />

WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT. ................. 64<br />

Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen. ...................... 66<br />

Gastbeitrag: Petar Bajić.................................... 69<br />

Gastbeitrag: Benjam<strong>in</strong> Bittschi.............................. 70<br />

Gastbeitrag: Alexan<strong>der</strong> Burz.................................71<br />

Gastbeitrag: Annelies Fitzgerald............................ 72<br />

Gastbeitrag: Gabriele Jaksch............................... 74<br />

Gastbeitrag: Karlhe<strong>in</strong>z Kopf ................................ 76<br />

Gastbeitrag: Julia Schitter.................................. 77<br />

Veranstaltungen ........................................ 78<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager <strong>2023</strong>. ....................... 82<br />

5


EINLEITENDE WORTE<br />

Julia Guizani<br />

Geschäftsführer<strong>in</strong>,<br />

Sanofi <strong>Österreich</strong><br />

Zukunftsvision KI! Ich b<strong>in</strong> überzeugt: Das Beste liegt noch vor uns, <strong>und</strong><br />

künstliche Intelligenz (KI) wird dabei e<strong>in</strong>e DER Schlüsseltechnologien<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Vor 15 Jahren, als unser <strong>Jahrbuch</strong> erstmals erschien, hätte man Fitnesstracker,<br />

ChatGPT <strong>und</strong> Co eher e<strong>in</strong>em Science-Fiction-Film zugeordnet<br />

– heute s<strong>in</strong>d sie Realität <strong>und</strong> lassen uns die unfassbaren Möglichkeiten<br />

von KI erahnen. Auch im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich ist das<br />

Potenzial enorm. Daher widmen sich die Beiträge <strong>in</strong> unserem <strong>Jahrbuch</strong><br />

zunehmend <strong>der</strong> KI <strong>und</strong> ihrer steigenden Bedeutung.<br />

KI wird die Medikamentenentwicklung beschleunigen, Nebenwirkungen<br />

reduzieren sowie Diagnosen <strong>und</strong> Behandlungen für die<br />

Patient:<strong>in</strong>nen optimieren. Bei Krebserkrankungen zum Beispiel ist die<br />

anfallende Datenmenge oft gewaltig: Gewebeproben, Tumormarker<br />

<strong>und</strong> genetische Informationen müssen komb<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> richtig gedeutet<br />

werden.<br />

Die Bereitstellung <strong>und</strong> die Auswertung von digitalen Informationen<br />

spielen auch bei <strong>der</strong> aktuellen Diskussion „Ambulant vor stationär“<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle. ELGA <strong>und</strong> e-Rezepte waren erste Projekte auf<br />

diesem Weg, <strong>der</strong> nun mit allen Playern konsequent weiterverfolgt<br />

wird. Dabei muss <strong>der</strong> sensible Umgang mit Daten natürlich im Fokus<br />

stehen – mit klaren Regeln, die Sicherheit, Transparenz <strong>und</strong> Fairness<br />

gewährleisten.<br />

Als Partner<strong>in</strong> unseres angeschlagenen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems wird KI<br />

also erheblich zur Entlastung beitragen. Der F<strong>in</strong>anzausgleich vom<br />

Herbst <strong>2023</strong> hat dafür e<strong>in</strong>en weiteren Schritt gesetzt: Der B<strong>und</strong> <strong>in</strong>vestiert<br />

künftig 17 Mio. Euro pro Jahr <strong>in</strong> Digitalisierung, also <strong>in</strong> das Thema<br />

eHealth. Über aktuelle Entwicklungen, Chancen <strong>und</strong> Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

von KI <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> können Sie sich <strong>in</strong> diesem <strong>Jahrbuch</strong> e<strong>in</strong><br />

Bild machen. Ich wünsche Ihnen viele spannende E<strong>in</strong>drücke <strong>und</strong> Erkenntnisse!<br />

6


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Rolf Gleißner<br />

Leiter Abteilung für<br />

Sozialpolitik <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />

Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong><br />

Bei Drucklegung hatten sich B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Län<strong>der</strong> beim F<strong>in</strong>anzausgleich<br />

auf 973 Mio. Euro per annum an B<strong>und</strong>esmitteln gee<strong>in</strong>igt. Davon entfallen<br />

300 Mio. Euro auf den nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich <strong>und</strong> 603 Mio.<br />

Euro auf „Spitalsambulanzen <strong>und</strong> Strukturreformen“. Nun, Spitalsambulanzen<br />

sollten ja eigentlich entlastet werden, <strong>und</strong> mit dem F<strong>in</strong>anzausgleich<br />

verb<strong>in</strong>det sich stets die Hoffnung auf Strukturreformen.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d die Schlagworte bekannt: „Digital vor ambulant vor stationär“,<br />

„mehr Prävention“, „flächendeckende Patientenversorgung“ etc.<br />

Das „Was“ ist meist e<strong>in</strong>facher als das „Wie“. Wie setzt man Ziele um,<br />

<strong>und</strong> zwar nicht nur pro forma, son<strong>der</strong>n so, dass sie messbar wirken?<br />

Noch mehr Präventionsprojekte br<strong>in</strong>gen nichts, wenn man den Output<br />

an den Schlagzeilen anstatt etwa an <strong>der</strong> Zahl gesun<strong>der</strong> Lebensjahre<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zahl vermiedener Unfälle, Grippeerkrankungen o<strong>der</strong> Diabetesfälle<br />

misst – denn nur so kann unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />

nachhaltig auch e<strong>in</strong>e Gesellschaft mit mehr Alten <strong>und</strong> weniger Jungen<br />

versorgen.<br />

Aus den Schlagworten sollten Maßnahmen <strong>und</strong> messbare Wirkung<br />

werden. Inzwischen war Weihnachten. Vielleicht geht <strong>der</strong> Wunsch ja <strong>in</strong><br />

Erfüllung.<br />

7


15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

•<br />

15. Ausgabe<br />

Jubiläum<br />

Was kommt,<br />

was geht, was bleibt<br />

•<br />

8


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

RÜCKBLICK<br />

• Gastbeitrag: Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />

• Gastbeitrag: Thomas Czypionka<br />

• Gastbeitrag: Herwig Ostermann<br />

AUSBLICK<br />

• Gastbeitrag: Daniel Peter Gressl<br />

• Gastbeitrag: Carol<strong>in</strong> Vollbrecht<br />

<strong>und</strong> Sophie Weißgärber<br />

• Gastbeitrag: Vera Vorstandlechner<br />

9


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

10


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

RÜCKBLICK<br />

Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />

NÖ Patienten- <strong>und</strong><br />

Pflegeanwalt<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

Wichtiges wurde umgesetzt,<br />

Gr<strong>und</strong>sätzliches wurde übersehen!<br />

In den letzten 15 Jahren s<strong>in</strong>d im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem viele Initiativen<br />

<strong>und</strong> gute Reformschritte e<strong>in</strong>geleitet <strong>und</strong> umgesetzt worden, etwa die fortschreitende<br />

Digitalisierung, die Schaffung von Primärversorgungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

die ersten Schritte zu Qualitätstransparenz, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung 1450 o<strong>der</strong><br />

die Fortschritte im Bereich <strong>der</strong> Patientensicherheit. Bei all diesen Reformen wurde<br />

aber – <strong>und</strong> das zieht sich wie e<strong>in</strong> roter Faden durch – e<strong>in</strong> wichtiger <strong>und</strong> erfolgskritischer<br />

Aspekt nicht ausreichend wahrgenommen. Dieser gr<strong>und</strong>sätzliche Hebel liegt<br />

nicht gut sichtbar unter <strong>der</strong> Oberfläche <strong>und</strong> wird daher leicht <strong>und</strong> oft übersehen.<br />

Es geht schlicht darum, dass e<strong>in</strong> öffentliches Versorgungssystem nur dann <strong>in</strong> möglichst<br />

hohem Ausmaß effizient <strong>und</strong> effektiv se<strong>in</strong> kann, wenn die Patient:<strong>in</strong>nen bzw.<br />

Bürger:<strong>in</strong>nen „<strong>in</strong>s Boot“ geholt werden <strong>und</strong> dort nach besten Kräften mitru<strong>der</strong>n<br />

können <strong>und</strong> dürfen. Es geht also darum, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>und</strong> Empowerment<br />

größtmöglich zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zu stärken.<br />

Die Konsequenzen von ger<strong>in</strong>ger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>und</strong> mangelndem Empowerment<br />

haben wir jüngst <strong>in</strong> den Verwerfungen <strong>der</strong> Coronapandemie hautnah zu<br />

spüren bekommen, <strong>und</strong> die ausgeprägte Wissenschaftsskepsis <strong>der</strong> Bevölkerung ist<br />

ebenfalls e<strong>in</strong> Fanal für diese defizitäre Situation.<br />

E<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche Neuorientierung ist notwendig. Bei allen ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />

Weichenstellungen ist anzustreben, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz <strong>der</strong><br />

Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Bürger:<strong>in</strong>nen bestmöglich zu stärken.<br />

„Es geht schlicht darum, dass e<strong>in</strong> öffentliches Versorgungssystem<br />

nur dann <strong>in</strong> möglichst hohem Ausmaß effizient <strong>und</strong> effektiv se<strong>in</strong><br />

kann, wenn die Patient:<strong>in</strong>nen bzw. Bürger:<strong>in</strong>nen „<strong>in</strong>s Boot“ geholt<br />

werden <strong>und</strong> dort nach besten Kräften mitru<strong>der</strong>n können <strong>und</strong> dürfen.“<br />

Gerald Bach<strong>in</strong>ger<br />

11


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

12


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

RÜCKBLICK<br />

Thomas Czypionka<br />

Leiter <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sökonomie<br />

<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik, Institut für Höhere Studien<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik im Wandel: Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>und</strong> Chancen <strong>der</strong> Digitalisierung <strong>und</strong> Innovation<br />

Sie bewegt sich, aber nicht schnell genug, <strong>und</strong> das ist e<strong>in</strong> Problem: Geme<strong>in</strong>t ist die<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik. Während die realweltlichen Entwicklungen rasant s<strong>in</strong>d, laufen<br />

die Reformen h<strong>in</strong>terher, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abstand vergrößert sich immer weiter.<br />

Nehmen wir zum Beispiel die Digitalisierung: Während die breite Anwendung<br />

künstlicher Intelligenz (KI) <strong>in</strong> diversen Fächern unmittelbar bevorsteht, erzählte mir<br />

erst kürzlich e<strong>in</strong>e Kolleg<strong>in</strong>, wie sie <strong>in</strong> ihrem Krankenhaus noch Mäppchen herumträgt.<br />

Nach wie vor s<strong>in</strong>d auch viele Bef<strong>und</strong>e <strong>in</strong> ELGA nicht masch<strong>in</strong>enlesbar, o<strong>der</strong><br />

sie f<strong>in</strong>den sich dort erst gar nicht.<br />

Das Erlernen des E<strong>in</strong>satzes neuer Technologien wie<strong>der</strong>um erfor<strong>der</strong>t Zeit, die das<br />

Personal nur haben wird, wenn Prozesse effizienter ablaufen. Wenn das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spersonal<br />

durch Adm<strong>in</strong>istration <strong>und</strong> unnötige Doppeluntersuchungen geb<strong>und</strong>en<br />

wird, steigt das Frustrationslevel. Das ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei den Jüngeren e<strong>in</strong><br />

Problem, die zwar <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, aber sehr viel teamorientierter <strong>und</strong><br />

„s<strong>in</strong>nsuchen<strong>der</strong>“ an ihre Arbeit herangehen – das Ausland ruft.<br />

E<strong>in</strong>e gewaltige Beschleunigung erfahren auch viele Bereiche <strong>der</strong> Pharmakotherapie.<br />

CAR-T ist kaum ausgerollt, <strong>und</strong> schon wird daran gearbeitet, die modifizierten<br />

Immunzellen <strong>in</strong> solide Tumoren zu locken. Erste Gentherapien s<strong>in</strong>d bereits im E<strong>in</strong>satz,<br />

für bisher unbehandelbare Orphan Diseases werden <strong>in</strong>dividualisierbare Antisense-RNA-Plattformen<br />

entwickelt.<br />

Ohne Innovationen <strong>in</strong> den Versorgungsprozessen fallen wir immer weiter h<strong>in</strong>ter unsere<br />

Möglichkeiten zurück. Statt alles zuerst <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesetz gießen zu wollen, obwohl<br />

noch gar ke<strong>in</strong>e Erfahrungen bestehen, braucht es mehr Freiheiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Versorgung vor Ort. Nur so wird Fortschritt möglich.<br />

„Ohne Innovationen <strong>in</strong> den Versorgungsprozessen fallen wir<br />

immer weiter h<strong>in</strong>ter unsere Möglichkeiten zurück.“<br />

Thomas Czypionka<br />

13


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

14


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

RÜCKBLICK<br />

Herwig Ostermann<br />

Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>Österreich</strong> GmbH (GÖG)<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>:<br />

Verborgene Erfolge <strong>der</strong> letzten 15 Jahre<br />

Liebe Leser:<strong>in</strong>nen!<br />

Wenn man mich bittet, <strong>in</strong> 1.500 Zeichen e<strong>in</strong>en Beitrag darüber zu verfassen, was<br />

wohl <strong>in</strong> den letzten 15 Jahren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik die wichtigsten Themen waren,<br />

dann fühle ich mich e<strong>in</strong> wenig an Buridans Esel er<strong>in</strong>nert – denn wenn man so wie<br />

ich das Privileg hatte, so nahe bei verschiedenen Themen wissenschaftlich-konzeptionell<br />

<strong>und</strong> mitunter auch entscheidungsunterstützend e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>,<br />

dann fällt e<strong>in</strong>em die Auswahl schwer. Und streng genommen können viele Maßnahmen<br />

nicht gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufgewogen werden.<br />

Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, auf drei Errungenschaften h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

die vielleicht im öffentlichen Diskurs weniger Beachtung gef<strong>und</strong>en haben, aber aus<br />

me<strong>in</strong>er Sicht hochrelevant s<strong>in</strong>d:<br />

1. Im Jahr 2013 wurde das österreichische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sm<strong>in</strong>isterium Mitglied des<br />

European Observatory on Health Policies and Systems. Der Fachöffentlichkeit<br />

ist vielleicht die Serie <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystemberichte „Health Systems <strong>in</strong> Transition“<br />

bekannt (www.hspm.org). Seit Beg<strong>in</strong>n dieser Kooperation profitiert die<br />

österreichische Verwaltung stark von diesem Wissensaustausch.<br />

2. Seit Anfang 2015 werden <strong>in</strong> allen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n regionale Frühe-Hilfen-Netzwerke<br />

nach e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Gr<strong>und</strong>modell auf- bzw. ausgebaut, seit Kurzem<br />

stehen diese flächendeckend zur Verfügung. Wichtig bei diesem <strong>in</strong>ternationalen<br />

Best-Practice-Beispiel für Familien <strong>in</strong> belastenden Lebenssituationen ist:<br />

E<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same F<strong>in</strong>anzierung stellt die Zusammenarbeit aller Sektoren sicher.<br />

3. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hospiz- <strong>und</strong> Palliativversorgung ist kürzlich e<strong>in</strong> Durchbruch geglückt:<br />

Mit dem neuen Hospiz- <strong>und</strong> Palliativfonds konnte e<strong>in</strong>e Drittelf<strong>in</strong>anzierung durch<br />

B<strong>und</strong>, Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> Sozialversicherungsträger umgesetzt werden. Im Wege e<strong>in</strong>es<br />

Zweckzuschusses wird nun <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e bedarfsadäquate <strong>und</strong> flächendeckende<br />

Versorgung mit Hospiz- <strong>und</strong> Palliativangeboten umgesetzt.<br />

15


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

16


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

AUSBLICK<br />

Daniel Peter Gressl<br />

1. Vizepräsident<br />

ÖGKV-Präsidium<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

Zukunft des Pflegeberufs <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>: Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>und</strong> Chancen für Innovation <strong>und</strong> Professionalisierung<br />

Seit Beendigung me<strong>in</strong>er Ausbildung zum Diplomierten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Krankenpfleger<br />

im Jahr 2012 hatte ich immer wie<strong>der</strong> das Gefühl, dass man dem Satz Glauben<br />

schenken darf, dass man <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich mit <strong>der</strong><br />

Professionalisierung des Pflegeberufs h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kt. Ich stelle mir also die Frage,<br />

ob das „w<strong>in</strong>dow of opportunity“ von politischer Seite schon verfehlt wurde <strong>und</strong> ob<br />

wir für die zukünftigen Verän<strong>der</strong>ungen nicht mehr ausreichend vorbereitet s<strong>in</strong>d.<br />

Dass wir mit e<strong>in</strong>er alternden <strong>und</strong> unges<strong>und</strong>en Bevölkerung, e<strong>in</strong>em Mangel an Fachkräften,<br />

Ungleichheit <strong>der</strong> Geschlechter am Arbeitsmarkt <strong>und</strong> Pensionierungswellen<br />

zu kämpfen haben werden, ist nichts Unvorhergesehenes.<br />

Es stellt sich daher nicht mehr die Frage, welche Verän<strong>der</strong>ungen entscheidend<br />

s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n wie wir gr<strong>und</strong>sätzlich mit Verän<strong>der</strong>ungen umgehen werden. Um diese<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Zukunft zu meistern, werden wir nicht nur mehr Pflegekräfte<br />

benötigen, son<strong>der</strong>n vor allem Pflegekräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen<br />

<strong>und</strong> Kompetenzen. Je komplexer die Herausfor<strong>der</strong>ungen, desto mehr<br />

kompetente Pflegekräfte braucht das Land.<br />

Des Weiteren s<strong>in</strong>d unterschiedliche Organisationen im staatlichen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>und</strong><br />

Sozialsystem stark gewachsen, die Strukturen s<strong>in</strong>d aber oftmals nicht mitgewachsen.<br />

Das stellt e<strong>in</strong> unkalkulierbares Risiko dar. E<strong>in</strong> Ausstieg vieler Fachkräfte ist<br />

sichtbar, <strong>und</strong> viele von ihnen suchen ihre Autonomie im Bereich <strong>der</strong> Privatwirtschaft.<br />

Für die Zukunft werden Organisationen <strong>in</strong> Strukturverän<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Innovationen<br />

<strong>in</strong>vestieren, aber auch mit neuen Player:<strong>in</strong>nen am Arbeitsmarkt konkurrieren<br />

bzw. kooperieren müssen.<br />

„Je komplexer die Herausfor<strong>der</strong>ungen, desto mehr<br />

kompetente Pflegekräfte braucht das Land.“<br />

Daniel Peter Gressl<br />

17


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

18


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

AUSBLICK<br />

Carol<strong>in</strong> Vollbrecht<br />

Student<strong>in</strong> an <strong>der</strong> MedUni Wien,<br />

Vorsitzende ÖH Med Wien<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

Sophie Weißgärber<br />

Student<strong>in</strong> an <strong>der</strong> MedUni Wien,<br />

2. Stv. Vorsitzende ÖH Med Wien<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />

<strong>der</strong> Zukunft<br />

„Verdoppelung <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>studienplätze zur Bekämpfung des Ärztemangels angedacht“,<br />

„Ganze Stationen wegen Pflegemangel gesperrt“ – Schlagzeilen wie diese<br />

begleiten uns be<strong>in</strong>ahe seit Tag e<strong>in</strong>s unseres Mediz<strong>in</strong>studiums, vor allem auch im<br />

Zuge unserer ÖH-Tätigkeit.<br />

Die Komb<strong>in</strong>ation aus Interesse an <strong>der</strong> Funktionsweise des menschlichen Körpers<br />

sowie die Möglichkeit, <strong>in</strong> diesem Beruf Menschen helfen <strong>und</strong> dadurch etwas bewirken<br />

zu können, hat uns ursprünglich dazu <strong>in</strong>spiriert, e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>studium anzustreben.<br />

Für uns Studierende steht die Ausbildung <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Qualität an erster Stelle. Kurzsichtige<br />

Pläne wie e<strong>in</strong>e schnelle Erhöhung <strong>der</strong> Studienplätze o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Zwangsverpflichtung<br />

nach dem Studium gefährden diese Priorität. E<strong>in</strong>e Studienplatzerhöhung<br />

bedeutet ohne massivste strukturelle Än<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>en Qualitätsverlust des<br />

Studiums <strong>und</strong> noch längere Wartezeiten auf Ausbildungsplätze.<br />

Das Bestreben, uns neben <strong>der</strong> Ausbildung auch für unsere Mitstudierenden <strong>und</strong><br />

unsere ges<strong>und</strong>heitspolitischen Anliegen e<strong>in</strong>zusetzen, hat uns beide <strong>in</strong> die ÖH geführt<br />

– denn aktuelle Themen wie das Verteilungsproblem <strong>und</strong> mögliche Zwangsverpflichtungen<br />

frischer Absolvent:<strong>in</strong>nen liegen uns sehr am Herzen. Wir wünschen<br />

uns für die Zukunft, dass für unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>und</strong> für alle dar<strong>in</strong> Beschäftigten<br />

endlich mit Weitblick entschieden wird.<br />

19


15. AUSGABE JUBILÄUM JAHRBUCH GESUNDHEIT<br />

20


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

AUSBLICK<br />

Vera Vorstandlechner<br />

Assistenzärzt<strong>in</strong> für Plastische, Rekonstruktive <strong>und</strong><br />

Ästhetische Chirurgie an <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>ischen Universität Wien<br />

15Jahre<br />

JAHRBUCH<br />

GESUNDHEIT<br />

Bedeutende Verän<strong>der</strong>ungen im kl<strong>in</strong>ischen Alltag<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>in</strong> den kommenden Jahren<br />

Die Herausfor<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vielfältig: E<strong>in</strong>e alternde Gesellschaft stellt uns vor neue<br />

mediz<strong>in</strong>ische <strong>und</strong> gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ungen. Gleichzeitig sehen wir e<strong>in</strong>en<br />

Mangel an mediz<strong>in</strong>ischem Fachpersonal <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e rasche Entwicklung <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>,<br />

die ständige Weiterbildung <strong>und</strong> laufende Investitionen erfor<strong>der</strong>t.<br />

Doch es gibt auch vielversprechende Chancen: Die personalisierte Mediz<strong>in</strong> ermöglicht<br />

<strong>in</strong>dividuell angepasste Therapien. Die Anwendung von KI <strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>lagen-,<br />

translationaler <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ischer Forschung sowie bei <strong>der</strong> Analyse großer Datensätze<br />

wird die Wissenschaft weiter beschleunigen. Zudem helfen uns künftig KI- <strong>und</strong><br />

computergestützte Hilfsmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> kl<strong>in</strong>ischen Mediz<strong>in</strong>, objektivere Entscheidungen<br />

zu treffen <strong>und</strong> die Patientenversorgung zu unterstützen.<br />

Diese Verän<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e ständige Anpassung unseres <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Pflegepersonal.<br />

Wir stehen vor spannenden, aber auch anspruchsvollen Zeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Forschung <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ischen Versorgung. Die Rolle junger Forscher:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Ärzt:<strong>in</strong>nen wird <strong>in</strong> diesem Wandel entscheidend se<strong>in</strong> – sie stehen vor <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich ständig verän<strong>der</strong>nden Wissenschaftslandschaft zu orientieren,<br />

aber gleichzeitig br<strong>in</strong>gen sie frische Ideen <strong>und</strong> Enthusiasmus mit, um die kl<strong>in</strong>ische<br />

Forschung voranzutreiben <strong>und</strong> die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>der</strong> Zukunft zu<br />

gestalten.<br />

„Die Anwendung von KI <strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>lagen-, translationaler <strong>und</strong><br />

kl<strong>in</strong>ischer Forschung sowie bei <strong>der</strong> Analyse großer Datensätze<br />

wird die Wissenschaft weiter beschleunigen.“<br />

Vera Vorstandlechner<br />

21


•<br />

Innovationen<br />

im<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

•<br />

22


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

• Gastbeitrag: Michael He<strong>in</strong>isch<br />

• Gastbeitrag: Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi<br />

• Gastbeitrag: Peter Lehner<br />

• Gastbeitrag: Romana Ruda<br />

• Gastbeitrag: Ursula Weismann<br />

23


INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

Wie beurteilen Expert:<strong>in</strong>nen die Innovationskraft im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen?<br />

Und was schlagen sie vor, um die Innovationsfähigkeit <strong>in</strong> Zukunft sicherzustellen?<br />

Wir haben nachgefragt.<br />

Innovationsfähigkeit sicherstellen, aber wie?<br />

Was wir laut Expert:<strong>in</strong>nen brauchen, um die Innovationsfähigkeit im österreichischen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen <strong>in</strong> den kommenden Jahren sicherzustellen, ist:<br />

1. Geld<br />

Ohne entsprechende f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen wird <strong>Österreich</strong><br />

an Innovationskraft e<strong>in</strong>büßen. Dabei geht es<br />

vor allem um Investitionen <strong>in</strong> die Digitalisierung, um<br />

zum Beispiel die elektronische Krankenakte ELGA <strong>in</strong><br />

Spitälern umzusetzen o<strong>der</strong> um ELGA im nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Bereich auszubauen.<br />

1<br />

2<br />

schlecht<br />

3<br />

2,4<br />

4<br />

5<br />

ausgezeichnet<br />

2. M<strong>in</strong>dset<br />

Innovationsfähigkeit setzt e<strong>in</strong> entsprechendes M<strong>in</strong>dset<br />

voraus. Für die befragten Expert:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong>kludiert<br />

es das Bewusstse<strong>in</strong> über die Notwendigkeit von Innovation,<br />

e<strong>in</strong> „Digital First“-M<strong>in</strong>dset <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e positive<br />

E<strong>in</strong>stellung zu Fehlerkultur.<br />

Innovationskraft im<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong><br />

Mit e<strong>in</strong>er durchschnittlichen<br />

Bewertung von<br />

2,4 gibt es def<strong>in</strong>itiv Luft<br />

nach oben.<br />

3. Geme<strong>in</strong>sames Vorgehen/Strategie<br />

Weitere Voraussetzungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e klar kommunizierte Strategie, e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames<br />

Vorgehen aller Akteur:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> wechselseitige <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />

für das Thema Innovation, vor allem <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die F<strong>in</strong>anzierung.<br />

4. Transparenz<br />

Damit Innovation stattf<strong>in</strong>den kann, braucht es transparente Verfahren mit klar def<strong>in</strong>ierten<br />

Regulativen, die auch Probierparagrafen beziehungsweise Regulatory<br />

Sandboxes enthalten.<br />

24


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Das größte Potenzial von KI liegt …<br />

Wo sehen Expert:<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Branche das größte Potenzial von künstlicher Intelligenz<br />

(KI) im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen?<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

Großes Potenzial liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung.<br />

Die Erfassung <strong>und</strong> Analyse von gigantischen Datenbeständen<br />

<strong>in</strong>nerhalb kürzester Zeit wird vor allem die<br />

Entwicklung <strong>in</strong>novativer Medikamente beschleunigen.<br />

Unterstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />

Die Nutzung von Big Data durch KI <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>elles<br />

Lernen (ML) hebt die Bildgebung auf e<strong>in</strong> neues Level.<br />

Beispielsweise wird dadurch die kl<strong>in</strong>ische Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

bei Therapien durch Behandlungsalgorithmen<br />

erleichtert.<br />

Wissensverbreitung<br />

KI <strong>und</strong> ML tragen zu e<strong>in</strong>er exponentiellen Verbreitung<br />

von Expertenwissen bei <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d dadurch e<strong>in</strong>e bedeutende<br />

Unterstützung für Health Professionals.<br />

1<br />

2<br />

niedrig<br />

3<br />

2,8<br />

Digitalisierungsgrad<br />

des österreichischen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />

Die Mehrheit <strong>der</strong><br />

Expert:<strong>in</strong>nen stuft den<br />

Digitalisierungsgrad<br />

lediglich als mittelmäßig<br />

e<strong>in</strong>.<br />

4<br />

5<br />

hoch<br />

Patienten<strong>in</strong>formation <strong>und</strong> -kommunikation<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Information von <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kommunikation mit Patient:<strong>in</strong>nen orten<br />

Expert:<strong>in</strong>nen großes Potenzial für den E<strong>in</strong>satz von KI. Der zwischenmenschliche<br />

Kontakt soll dadurch aber nicht ersetzt werden.<br />

Nie<strong>der</strong>gelassener Bereich<br />

Für vielversprechend, wenn auch noch unausgereift, halten die Befragten den E<strong>in</strong>satz<br />

von KI im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich.<br />

Verwaltung<br />

KI <strong>und</strong> ML s<strong>in</strong>d für die Erledigung von Rout<strong>in</strong>eaufgaben prädest<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> werden<br />

daher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verwaltung bereits immer öfter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis e<strong>in</strong>gesetzt. Zu geeigneten<br />

Aufgaben für KI zählen etwa die automatisierte Term<strong>in</strong>vergabe o<strong>der</strong> die automatische<br />

Erstellung von Patientenbriefen.<br />

25


INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

26


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Michael He<strong>in</strong>isch<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung <strong>der</strong> V<strong>in</strong>zenz Gruppe<br />

Krankenhausbeteiligungs- <strong>und</strong> Management GmbH<br />

Innovationen<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir <strong>in</strong> vielen Bereichen unseres <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />

e<strong>in</strong>en Paradigmenwechsel erlebt. Alle<strong>in</strong>e durch die Entschlüsselung<br />

des menschlichen Genoms haben sich gänzlich neue Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik<br />

<strong>und</strong> personalisierten Therapie von Patient:<strong>in</strong>nen ergeben. Aber nicht nur <strong>der</strong><br />

Umfang <strong>und</strong> die Qualität unserer mediz<strong>in</strong>ischen Datenbestände haben sich vervielfacht:<br />

Mittlerweile verfügen wir auch über die <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />

Werkzeuge, um aus diesen Daten mit künstlicher Intelligenz (KI) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er globalen<br />

Vernetzung Forschung <strong>und</strong> kl<strong>in</strong>ische Anwendung zu revolutionieren.<br />

Möglich ist also vieles, doch wie stehen die Betroffenen, die Patient:<strong>in</strong>nen, den<br />

technologischen Möglichkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> gegenüber, die ja zuallererst<br />

<strong>der</strong> menschlichen Beziehung verpflichtet se<strong>in</strong> sollte?<br />

Laut <strong>der</strong> IFES-Studie „Patientenbedürfnisse“, die 2020 im Auftrag <strong>der</strong> V<strong>in</strong>zenz<br />

Gruppe erstellt wurde, s<strong>in</strong>d die <strong>Österreich</strong>er*<strong>in</strong>nen durchaus aufgeschlossen gegenüber<br />

neuen digitalen Entwicklungen. Man kann hier auf e<strong>in</strong>e wohlwollende, positiv<br />

gestimmte Neugierde aufbauen. Allerd<strong>in</strong>gs gibt es auch e<strong>in</strong> enormes Informationsbedürfnis.<br />

Dies zeigt sich auch im Ergebnis, wonach für 64 Prozent <strong>der</strong><br />

Befragten die Vorteile <strong>der</strong> Digitalisierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

überwiegen – allerd<strong>in</strong>gs würden nur 14 Prozent das auf jeden Fall unterstreichen.<br />

Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen braucht die Kraft <strong>der</strong> Innovationen. Aber es braucht auch<br />

das Vertrauen <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> ihren Nutzen.<br />

„Mittlerweile verfügen wir auch über die <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />

Werkzeuge, um aus diesen Daten mit künstlicher<br />

Intelligenz (KI) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er globalen Vernetzung Forschung <strong>und</strong><br />

kl<strong>in</strong>ische Anwendung zu revolutionieren.“<br />

Michael He<strong>in</strong>isch<br />

27


INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

Sab<strong>in</strong>e T. Köszegi<br />

Professor of Labor Science and Organization,<br />

Institute of Management Science, TU Wien<br />

Academic Director of the Executive MBA Program IDEa<br />

Car<strong>in</strong>g<br />

Robots<br />

Der E<strong>in</strong>satz von Robotern <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege ist e<strong>in</strong> viel diskutiertes<br />

Zukunftsszenario, das unterschiedliche Erwartungen weckt.<br />

Künftig wird <strong>der</strong> Anteil älterer Menschen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Bedarf<br />

an Betreuung stark ansteigen. In diesem Zusammenhang<br />

besteht e<strong>in</strong>erseits die Hoffnung, dass Roboter Menschen dabei<br />

unterstützen können, bis <strong>in</strong>s hohe Alter e<strong>in</strong> selbstbestimmtes<br />

Leben <strong>in</strong> ihrer gewohnten Umgebung zu führen;<br />

an<strong>der</strong>erseits ist <strong>der</strong> Ersatz von menschlichen Pflegekräften<br />

durch Roboter mit <strong>der</strong> Befürchtung verb<strong>und</strong>en, dass durch<br />

das Fehlen menschlicher Kontakte pflegebedürftige Menschen<br />

zunehmend isoliert werden.<br />

Dabei stellt sich die gr<strong>und</strong>legende Frage, für welche Tätigkeiten<br />

Roboter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong>zeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> naher Zukunft zur<br />

Verfügung stehen werden. Im vom FWF geför<strong>der</strong>ten transdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Forschungsprojekt „Car<strong>in</strong>g Robots // Robotic<br />

Care“ werden mögliche Rollen von Robotern <strong>und</strong> verwandten<br />

Technologien im komplexen Kontext <strong>der</strong> Pflege untersucht.<br />

Forscher:<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> TU Wien <strong>und</strong> <strong>der</strong> PLUS Universität Salzburg<br />

entwickeln geme<strong>in</strong>sam mit ihren Forschungspartner:<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Caritas Wien <strong>und</strong> des Technischen Museums<br />

Robotik-Technologie, die die Bedürfnisse <strong>der</strong> Menschen<br />

– <strong>der</strong> Pflegebedürftigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Pflegekräfte – <strong>in</strong>s Zentrum<br />

stellt.<br />

www.car<strong>in</strong>grobots.eu<br />

28


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Peter Lehner<br />

Obmann <strong>der</strong> Sozialversicherungsanstalt<br />

<strong>der</strong> Selbständigen<br />

Tiefgreifende Transformation<br />

statt e<strong>in</strong>maliger Reform<br />

Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem ist im Wandel. Es wird immer im Wandel se<strong>in</strong>, denn die Erneuerungs-<br />

<strong>und</strong> Verän<strong>der</strong>ungsprozesse, die es bestimmen, hören nie auf. Die demographische<br />

Struktur verän<strong>der</strong>t sich, die Gesellschaft per se ebenso, <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

mediz<strong>in</strong>ische Fortschritt ist e<strong>in</strong>e laufende Entwicklung, die mit neuen Therapien<br />

<strong>und</strong> Arzneimitteln permanent e<strong>in</strong> neues <strong>und</strong> an<strong>der</strong>es Angebot schafft. Um e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes,<br />

effizientes <strong>und</strong> zukunftsorientiertes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem zu ermöglichen,<br />

wird e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige, e<strong>in</strong>fache <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreform nicht reichen. E<strong>in</strong>e solche kann<br />

nicht diesen komplexen Prozess abbilden <strong>und</strong> vor allem nicht den künftigen Entwicklungen<br />

vorausgreifen.<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreform, die wir brauchen, ist e<strong>in</strong> dynamischer Prozess, e<strong>in</strong>e laufende,<br />

dauerhafte <strong>und</strong> tiefgreifende Transformation. Wir brauchen die digitale Transformation,<br />

denn <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz von neuen Technologien ermöglicht Effizienz <strong>und</strong> endlich<br />

Transparenz. Transparenz ist etwas, das wir für die Weiterentwicklung dr<strong>in</strong>gend<br />

benötigen. Die zweite Transformation ist die Präventionstransformation. Wir müssen<br />

unser Reparatur-System zu e<strong>in</strong>em Vorsorge-System umwandeln. Dazu braucht<br />

es nicht nur Weichenstellungen im System selbst, son<strong>der</strong>n Eigenverantwortung<br />

<strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>itiative jedes E<strong>in</strong>zelnen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz ist das F<strong>und</strong>ament für<br />

e<strong>in</strong> Präventionssystem.<br />

Das bedeutet, dass die Bereitschaft <strong>und</strong> das M<strong>in</strong>dset für die zwei Transformationen<br />

bestehen müssen. Auf dieser Basis können die Stakehol<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam erfolgreich<br />

an <strong>der</strong> ständigen Anpassung <strong>und</strong> Adaption des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems arbeiten.<br />

„Wir müssen unser Reparatur-System zu e<strong>in</strong>em Vorsorge-System<br />

umwandeln. Dazu braucht es nicht nur Weichenstellungen im<br />

System selbst, son<strong>der</strong>n Eigenverantwortung <strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

jedes E<strong>in</strong>zelnen. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz ist das F<strong>und</strong>ament für e<strong>in</strong><br />

Präventionssystem.“<br />

Peter Lehner<br />

29


INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

Romana Ruda<br />

Future Health Lab<br />

Manag<strong>in</strong>g Partner<br />

Neue Formen <strong>der</strong> Kooperation<br />

<strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> Unsicherheit<br />

Schon Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong> war <strong>der</strong> Überzeugung, dass man Probleme<br />

nicht mit demselben Denken lösen kann, durch das sie<br />

entstanden s<strong>in</strong>d. Was macht Denk- <strong>und</strong> Handlungsweisen<br />

aus, die wir brauchen, um <strong>der</strong> Vielzahl an Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen erfolgreich begegnen zu können?<br />

Wir müssen uns im Klaren darüber se<strong>in</strong>, dass wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Zeitalter <strong>der</strong> Unsicherheit bef<strong>in</strong>den. Kaum jemals waren wir<br />

mit e<strong>in</strong>er solch dynamischen, unsicheren Umwelt <strong>und</strong> unvorhersehbaren<br />

Entwicklungen konfrontiert. Die durch solch<br />

disruptive Entwicklungen entstehende Komplexität braucht<br />

kollaborative Organisationsformen <strong>und</strong> New Lea<strong>der</strong>ship, das<br />

antizipativ, proaktiv <strong>und</strong> vernetzt handelt. Kooperationsfähigkeit<br />

wird zur zentralen Führungsfrage, denn das geme<strong>in</strong>same<br />

Bewältigen schwieriger Herausfor<strong>der</strong>ungen br<strong>in</strong>gt<br />

Wertschätzung, Respekt <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sames Wachsen mit<br />

sich.<br />

A. Kahane 1 spricht sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Konzept „stretched collaboration“<br />

für Zusammenarbeit von Menschen aus, die e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

nicht mögen bzw. nicht vertrauen – „collaborat<strong>in</strong>g with the<br />

enemy“ ist se<strong>in</strong>e Devise für erfolgreiche Zusammenarbeit.<br />

Es muss uns gel<strong>in</strong>gen, geme<strong>in</strong>sam an den schwierigen systemischen<br />

Problemen zu arbeiten <strong>und</strong> dabei die Gefangenheit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Stakehol<strong>der</strong>position zu überw<strong>in</strong>den. Das Future<br />

Health Lab nimmt diese Herausfor<strong>der</strong>ung an <strong>und</strong> setzt<br />

genau auf solche Vorgehensweisen – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vertrauensvollen<br />

Umfeld, <strong>in</strong> dem alle sich auf Augenhöhe begegnen, mit<br />

dem Willen, das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>der</strong> Zukunft geme<strong>in</strong>sam<br />

zu gestalten.<br />

1: Vgl.: Kahane, A., Barnum, J. (2017). Collaborat<strong>in</strong>g with the enemy : how to work with<br />

people you don't agree with or like or trust / (First edition.). Oakland, CA :: Berrett-Koehler<br />

Publishers, Inc.<br />

30


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

31


INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

Ursula Weismann<br />

Kaufmännische Geschäftsführer<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialversicherungs-<br />

Chipkarten Betriebs- <strong>und</strong> Errichtungsgesellschaft m.b.H. (SVC)<br />

Die Digitalisierung e<strong>in</strong>es Prozesses hat funktioniert,<br />

wenn sich niemand mehr vorstellen kann, zum analogen<br />

Vorgehen zurückzukehren<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Sozialversicherung gilt das bereits für zahlreiche Prozesse:<br />

Krankensche<strong>in</strong>e holen? Unvorstellbar – vor Langem von <strong>der</strong> e-card abgelöst. Bewilligungen<br />

für Medikamente abstempeln lassen? Läuft längst digital.<br />

Wahlarzt-Rechnungen postalisch e<strong>in</strong>reichen? Über die App e<strong>in</strong>e Leichtigkeit. Und<br />

seit Mitte 2022 reiht sich e<strong>in</strong> weiteres Service <strong>in</strong> diese Aufzählung e<strong>in</strong>, denn auch<br />

die Ausstellung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>lösung von Kassenrezepten funktioniert nun elektronisch:<br />

Am e<strong>in</strong>fachsten mit <strong>der</strong> e-card, am <strong>in</strong>formativsten mit den Apps <strong>der</strong> SV. Innerhalb<br />

kürzester Zeit hat das e-Rezept E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> Ord<strong>in</strong>ationen <strong>und</strong> Apotheken gehalten<br />

<strong>und</strong> ist ganz selbstverständlich geworden. Die Vorteile <strong>der</strong> papierlosen Ausstellung<br />

<strong>und</strong> E<strong>in</strong>lösung von Rezepten liegen auf <strong>der</strong> Hand.<br />

32


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

„Denn nur mit Mut zur Weiterentwicklung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em<br />

praktikablen Gesamtpaket wird das größtmögliche Potenzial <strong>der</strong><br />

Prozessdigitalisierung erreicht, <strong>und</strong> damit die Rückkehr zum<br />

analogen Prozess unvorstellbar.“<br />

Ursula Weismann<br />

Das haben auch zahlreiche Wahlärzt:<strong>in</strong>nen erkannt, die nun am e-card-System teilnehmen,<br />

um für sich <strong>und</strong> ihre Patient:<strong>in</strong>nen die Vorzüge des e-Rezepts zu nutzen.<br />

Mit e<strong>in</strong>er geplanten Funktionserweiterung sollen auch privat zu zahlende Medikamente<br />

elektronisch verordnet <strong>und</strong> e<strong>in</strong>gelöst werden können – zu Recht.<br />

Denn nur mit Mut zur Weiterentwicklung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em praktikablen Gesamtpaket<br />

wird das größtmögliche Potenzial <strong>der</strong> Prozessdigitalisierung erreicht, <strong>und</strong> damit die<br />

Rückkehr zum analogen Prozess unvorstellbar. Und die Umwelt freut sich auch.<br />

33


•<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zukunft<br />

•<br />

34


• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

• Gastbeitrag: Canan Aytek<strong>in</strong><br />

• Gastbeitrag: Christoph Jandl<br />

• Gastbeitrag: Ulrike Mursch-Edlmayr<br />

• Gastbeitrag: Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />

• Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann<br />

• Gastbeitrag: Bernhard Wurzer<br />

35


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

Wie ist es um die österreichische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung bestellt? Und wie wird sie<br />

sich <strong>in</strong> Zukunft entwickeln? Wir haben Expert:<strong>in</strong>nen um ihre E<strong>in</strong>schätzung gebeten.<br />

Die prägendsten Zukunftstrends<br />

Die wichtigsten Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung für die kommenden<br />

zehn Jahre s<strong>in</strong>d:<br />

1. Künstliche Intelligenz<br />

E<strong>in</strong>igkeit herrscht über die große Bedeutung von Digitalisierung<br />

<strong>und</strong> künstlicher Intelligenz (KI). Beides wird<br />

auch massiv dazu beitragen, die Rolle <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen<br />

zu stärken. E<strong>in</strong> Schlüsselfaktor, um das Potenzial voll zu<br />

nutzen, ist die Beteiligung <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />

2. Personalmangel<br />

Bereits jetzt herrscht im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich Personalmangel.<br />

Diese Situation wird sich <strong>in</strong> den kommenden<br />

zehn Jahren aufgr<strong>und</strong> des s<strong>in</strong>kenden Angebots<br />

auf dem Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> <strong>der</strong> wachsenden<br />

Nachfrage durch die alternde Gesellschaft an<strong>der</strong>erseits<br />

verschärfen.<br />

3. Präzisionsmediz<strong>in</strong><br />

Im mediz<strong>in</strong>ischen Bereich erwarten die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

bahnbrechende Entwicklungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präzisionsmediz<strong>in</strong>,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Onkologika.<br />

4<br />

5<br />

nicht<br />

genügend<br />

3<br />

2,9<br />

Note für die österreichische<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />

Die <strong>der</strong>zeitige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />

<strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong> wird von den<br />

Befragten im Durchschnitt<br />

mit „Befriedigend“<br />

beurteilt.<br />

2<br />

1<br />

sehr gut<br />

4. Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kompetenzverteilung<br />

In den kommenden zehn Jahren werden sich auch die Versorgungsstrukturen än<strong>der</strong>n.<br />

Dabei wird es sowohl um die f<strong>in</strong>anzielle als auch die strukturelle Kompetenzverteilung<br />

zwischen B<strong>und</strong>, Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Sozialversicherung gehen.<br />

36


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Wie för<strong>der</strong>n wir Prävention?<br />

Lediglich 15 Prozent aller <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen nehmen Vorsorgeuntersuchungen <strong>in</strong><br />

Anspruch. Wir haben gefragt, was nötig ist, um Prävention zu för<strong>der</strong>n.<br />

1. Health Literacy<br />

E<strong>in</strong> Schlüsselfaktor ist die Stärkung <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz alias Health Literacy.<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d hier frühe <strong>und</strong> ganzheitliche Ansätze – Stichwort „Health <strong>in</strong> all Policies“.<br />

2. Mehr Angebot <strong>und</strong> Personal<br />

E<strong>in</strong> öffentliches digitales Angebot von Präventionsmaßnahmen kann als wirksamer<br />

Hebel fungieren. Gleichzeitig braucht es Personal im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich,<br />

das Präventionsmaßnahmen umsetzt.<br />

3. Ökonomische Anreize<br />

E<strong>in</strong>ige Expert:<strong>in</strong>nen halten ökonomische Anreize o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>führung von Bonus-<br />

Malus-Systemen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenversicherung für s<strong>in</strong>nvoll.<br />

KI <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung?<br />

Laut Expert:<strong>in</strong>nen wird KI die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>in</strong> diesen Bereichen beson<strong>der</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n:<br />

1. Neue Möglichkeiten <strong>in</strong> Diagnostik <strong>und</strong> Therapie<br />

Durch den Zugriff auf große Datenmengen werden sich neue Möglichkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Diagnostik <strong>und</strong> Therapie ergeben. Darüber h<strong>in</strong>aus trägt KI zum Patient Empowerment<br />

bei: Sie vere<strong>in</strong>facht <strong>und</strong> beschleunigt Bild- <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>übermittlung, ermöglicht<br />

Videokonsultationen, bietet Assistenzfunktionen für ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ndes<br />

Verhalten <strong>und</strong> ebnet den Zugang zu Expertenwissen.<br />

2. Mehr Telemediz<strong>in</strong><br />

Telemediz<strong>in</strong> wird bedeuten<strong>der</strong>, vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Notversorgung, bei Krankschreibungen<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>ischen Gr<strong>und</strong>versorgung.<br />

3. Unterstützung <strong>in</strong> Spitälern<br />

Die Expert:<strong>in</strong>nen erwarten sich von KI e<strong>in</strong>e Unterstützung <strong>der</strong> Spitäler – allerd<strong>in</strong>gs<br />

müssen dafür noch die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.<br />

37


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

38


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Canan Aytek<strong>in</strong><br />

Generaldirektor-Stellvertreter<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> PV<br />

Rehabilitation für pflegende <strong>und</strong><br />

betreuende Angehörige<br />

E<strong>in</strong>e Vielzahl von Menschen pflegt aktuell ihre Familienmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den eigenen<br />

vier Wänden, <strong>und</strong> dieser Trend wird aufgr<strong>und</strong> des demografischen Wandels zunehmen.<br />

Die pflegenden Angehörigen leisten dadurch e<strong>in</strong>en unschätzbaren Beitrag<br />

zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung, s<strong>in</strong>d aber gleichzeitig mit erheblichen körperlichen<br />

<strong>und</strong> emotionalen Belastungen konfrontiert.<br />

Die PV (Pensionsversicherung) hat aus diesem Gr<strong>und</strong> das Pilotprojekt „PV Reha-<br />

JET ® für pflegende <strong>und</strong> betreuende Angehörige“ entwickelt, an dem die pflegenden<br />

Angehörigen, die erwerbsfähig s<strong>in</strong>d, entwe<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> zu pflegenden<br />

Person geme<strong>in</strong>sam teilnehmen können.<br />

Im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens erhalten die Angehörigen nicht nur psychologische<br />

Unterstützung <strong>und</strong> fachgerechte Informationen, son<strong>der</strong>n lernen auch<br />

durch gezieltes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, wie sie mit den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflege umgehen<br />

<strong>und</strong> ihren Alltag im Spannungsfeld von Beruf, Betreuung <strong>und</strong> familiärem Umfeld<br />

organisieren. Ziel ist es, die körperliche <strong>und</strong> emotionale Beschwerdesymptomatik<br />

<strong>der</strong> pflegenden Angehörigen langfristig zu m<strong>in</strong>imieren, um ihre Teilhabe am sozialen<br />

Leben <strong>und</strong> vor allem ihre Erwerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern.<br />

Das Pilotprojekt „PV RehaJET ® für pflegende <strong>und</strong> betreuende Angehörige“ bildet<br />

damit e<strong>in</strong>en weiteren Meilenste<strong>in</strong> im Rehabilitationsangebot <strong>der</strong> PV. Auch <strong>in</strong> Zukunft<br />

ist es <strong>der</strong> PV <strong>in</strong> ihrer Vorreiterrolle e<strong>in</strong> Hauptanliegen, Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für <strong>in</strong>dividuelle <strong>und</strong> maßgeschnei<strong>der</strong>te Rehabilitationsmaßnahmen bereitzustellen<br />

<strong>und</strong> die Rehabilitationsleistungen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Versicherten laufend weiterzuentwickeln.<br />

„Ziel ist es, die körperliche <strong>und</strong> emotionale Beschwerdesymptomatik<br />

<strong>der</strong> pflegenden Angehörigen langfristig zu m<strong>in</strong>imieren, um ihre<br />

Teilhabe am sozialen Leben <strong>und</strong> vor allem ihre Erwerbsfähigkeit<br />

nachhaltig zu sichern.“<br />

Canan Aytek<strong>in</strong><br />

39


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Christoph Jandl<br />

Generalsekretär des <strong>Österreich</strong>ischen Verbands<br />

<strong>der</strong> Impfstoffhersteller (ÖVIH) <strong>und</strong> Head of Medical Affairs<br />

Austria & Nordics, Valneva Austria GmbH<br />

Impfungen – e<strong>in</strong> zentraler Teil<br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>svorsorge<br />

Der Wert von Impfungen wurde uns durch die COVID-19-Pandemie<br />

e<strong>in</strong>drücklich vor Augen geführt, aber auch abseits e<strong>in</strong>er<br />

Pandemie führen Infektionskrankheiten wie Masern,<br />

Influenza o<strong>der</strong> RSV jährlich zu Hun<strong>der</strong>ttausenden Erkrankungs-<br />

<strong>und</strong> Tausenden Todesfällen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>.<br />

Durch den Klimawandel werden Erkrankungen wie Dengue,<br />

Chikungunya o<strong>der</strong> Zika, die von Moskitos übertragen werden,<br />

auch auf dem europäischen Kont<strong>in</strong>ent immer wahrsche<strong>in</strong>licher.<br />

Dies konnten wir am Beispiel des lokalen Dengue-Ausbruchs<br />

im September <strong>2023</strong> am Gardasee mitverfolgen. Ich<br />

b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, dass Impfungen e<strong>in</strong> zentraler Bestandteil<br />

zukünftiger ges<strong>und</strong>heitspolitischer Strategien se<strong>in</strong> sollten.<br />

E<strong>in</strong> starker Fokus im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem auf<br />

Prävention (<strong>und</strong> im Speziellen auf das Impfen) ist sehr zu begrüßen.<br />

Mit dem elektronischen Impfregister <strong>und</strong> dem Pilotprojekt<br />

„Öffentliches Impfprogramm Influenza“ wurden bereits<br />

wichtige Meilenste<strong>in</strong>e gesetzt.<br />

Weitere wichtige Maßnahmen wären:<br />

• Erweiterung von Impfprogrammen für K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

Erwachsene auf zusätzliche Indikationen<br />

• Informationskampagnen zur Sensibilisierung <strong>und</strong><br />

Aufklärung r<strong>und</strong> um das Impfen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung auch<br />

als Maßnahme gegen Impfskepsis<br />

• Verbesserung des Zugangs zu Impfungen<br />

• Ausweitung des e-Impfpasses auf alle empfohlenen<br />

Impfungen <strong>und</strong> Implementierung von Er<strong>in</strong>nerungssystemen<br />

• Def<strong>in</strong>ition von angestrebten Durchimpfungsraten <strong>und</strong><br />

zeitnahe Offenlegung <strong>der</strong> aktuellen Zahlen aus dem<br />

elektronischen Impfregister<br />

40


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

41


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Ulrike Mursch-Edlmayr<br />

Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Österreich</strong>ischen Apothekerkammer<br />

„<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shaus“ <strong>Österreich</strong>:<br />

Apotheken s<strong>in</strong>d das F<strong>und</strong>ament<br />

Das flächendeckende Versorgungsnetz <strong>der</strong> wohnortnahen<br />

öffentlichen Apotheken <strong>und</strong> die Kompetenz <strong>der</strong> 6.800<br />

Apotheker:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d unverzichtbare Bauste<strong>in</strong>e des österreichischen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems. Geme<strong>in</strong>sam beraten sie <strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong> täglich bis zu 500.000 Menschen <strong>und</strong> versorgen<br />

sie zuverlässig mit Arzneimitteln <strong>und</strong> pharmazeutischer Expertise.<br />

Stellt man sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung wie e<strong>in</strong> Haus vor,<br />

dann s<strong>in</strong>d öffentliche Apotheken das unverzichtbare Erdgeschoß<br />

<strong>und</strong> Krankenhausapotheken die zentralen Säulen für<br />

das oberste Spitals-Stockwerk. Gerade die oberen Stockwerke<br />

des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shauses geraten durch die aktuellen ges<strong>und</strong>heitspolitischen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen immer stärker unter<br />

Druck, strukturelle Probleme werden immer sichtbarer.<br />

Das Potenzial von Apotheken ist enorm. Die Apotheke kann<br />

zentrale Wegweiser<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfragen <strong>und</strong> Schnittstelle<br />

zu Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kl<strong>in</strong>iken, Expert<strong>in</strong> für Medikamente <strong>und</strong><br />

Arzneimittelsicherheit o<strong>der</strong> Berater<strong>in</strong> für Präventionsmaßnahmen<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Lebensstil se<strong>in</strong>. Auch die Herstellung<br />

maßgeschnei<strong>der</strong>ter Arzneimittel bei bestimmten Indikationen<br />

o<strong>der</strong> nicht lieferbaren Fertigpräparaten o<strong>der</strong> das Anbieten<br />

von Impfungen <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stests gehören<br />

dazu.<br />

Apotheken s<strong>in</strong>d gleichsam das Scharnier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>shaus,<br />

das offenk<strong>und</strong>ig <strong>in</strong> die Jahre gekommen ist <strong>und</strong><br />

dr<strong>in</strong>gend reformiert werden muss. Diese Sanierung kann nur<br />

mit den Apotheker<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Apothekern gel<strong>in</strong>gen – denn sie<br />

s<strong>in</strong>d das nie<strong>der</strong>schwellige F<strong>und</strong>ament des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems.<br />

42


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />

Chefärzt<strong>in</strong> des<br />

<strong>Österreich</strong>ischen Roten Kreuzes<br />

Telemediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> künstliche Intelligenz –<br />

Chancen <strong>und</strong> Risiken<br />

Smarte Geräte, künstliche Intelligenz (KI), die Vernetzung des Alltags – <strong>der</strong> technische<br />

Fortschritt sorgt auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> für Umbrüche. Telemediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> KI verän<strong>der</strong>n<br />

das Leben von mediz<strong>in</strong>ischem Personal <strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />

Mittels Telemediz<strong>in</strong>, <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung ohne direkten Kontakt, können<br />

Menschen, für die Arztbesuche zu gefährlich o<strong>der</strong> beschwerlich s<strong>in</strong>d, über Onl<strong>in</strong>e-<br />

Term<strong>in</strong>e betreut werden. Vernetzte Geräte ermöglichen engmaschige Kontrollen<br />

e<strong>in</strong>zelner Parameter. Elektronische Rezepte <strong>und</strong> Krankschreibungen s<strong>in</strong>d für chronisch<br />

kranke Menschen e<strong>in</strong>e Erleichterung. Tele-Rehabilitation, die Betreuung von<br />

Patient:<strong>in</strong>nen via Kamera durch Physiotherapeut:<strong>in</strong>nen, ist e<strong>in</strong> ergänzendes Angebot.<br />

Die Rolle von künstlicher Intelligenz sollte man differenziert betrachten. Sie ist hilfreich<br />

bei Diagnosestellungen durch Bewertung von kl<strong>in</strong>ischen Bil<strong>der</strong>n – etwa bei<br />

Hautverän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong> pathologischen Präparaten. Als Speicher für den enorm<br />

schnellen Wissenszuwachs unterstützt KI bei <strong>der</strong> Erstellung von Differentialdiagnosen<br />

<strong>und</strong> Therapieempfehlungen durch Vernetzung mit kl<strong>in</strong>ischen Beschwerden<br />

<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />

Der ethische Aspekt darf jedoch nicht vernachlässigt werden. Der Mensch besteht<br />

nicht nur aus Laborparametern. Es gilt, auch die alltagsrelevante Funktion <strong>und</strong> biographische<br />

Prägung zu berücksichtigen. Empathie <strong>und</strong> Begleiten im familiären<br />

Kontext kann KI nicht bereitstellen – sie ist e<strong>in</strong>e technische Unterstützung. Die<br />

Letztverantwortung bleibt zwischen Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong>nen.<br />

„Der ethische Aspekt darf jedoch nicht vernachlässigt werden.<br />

Der Mensch besteht nicht nur aus Laborparametern. Es gilt,<br />

auch die alltagsrelevante Funktion <strong>und</strong> biographische Prägung<br />

zu berücksichtigen.“<br />

Kathar<strong>in</strong>a Pils<br />

43


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Elisabeth Potzmann<br />

Präsident<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>ischer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>und</strong><br />

Krankenpflegeverband<br />

Pflegequalität<br />

ist e<strong>in</strong>e Wohlstandsfrage<br />

Wir alle haben sehr herausfor<strong>der</strong>nde Jahre h<strong>in</strong>ter uns – neue Erkrankungen wie<br />

Long COVID beschäftigen uns nun.<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe haben die Aufgabe, auch dabei für größtmögliche Lebensqualität<br />

zu sorgen. Um diese Herausfor<strong>der</strong>ungen zu bewältigen, ist im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

über den Tellerrand zu schauen: Manche Än<strong>der</strong>ung gel<strong>in</strong>gt vor dem<br />

<strong>der</strong>zeit gültigen gesetzlichen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, etwa Anpassungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dienstplan-<br />

„E<strong>in</strong>e große Erleichterung für chronisch kranke Menschen<br />

wird die Erstverordnungsbefugnis für Pflegefachpersonen br<strong>in</strong>gen:<br />

Sie ersparen sich dadurch Wege, <strong>und</strong> die Pflegefachpersonen<br />

können ohne große Verzögerung tätig werden.“<br />

Elisabeth Potzmann<br />

44


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

gestaltung, e<strong>in</strong>ige Gesetze bzw. Verordnungen s<strong>in</strong>d gemäß <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

gestarteten Prozesse noch ausständig, wie die Spezialisierungsverordnung;<br />

an<strong>der</strong>e Gesetze mussten zusätzlich auf den Weg gebracht werden, da die Befugnisse<br />

des Gehobenen Dienstes <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s- <strong>und</strong> Krankenpflege <strong>der</strong> Ausbildung<br />

nicht länger gerecht werden. Somit freuen wir uns sehr, dass die Wartezeit auf<br />

die Pflegegelde<strong>in</strong>stufung künftig zusätzlich verkürzt werden kann, da nun auch<br />

Pflegende Erste<strong>in</strong>stufungen durchführen.<br />

E<strong>in</strong>e große Erleichterung für chronisch kranke Menschen wird die Erstverordnungsbefugnis<br />

für Pflegefachpersonen br<strong>in</strong>gen: Sie ersparen sich dadurch Wege,<br />

<strong>und</strong> die Pflegefachpersonen können ohne große Verzögerung tätig werden. Das<br />

wird etwa im W<strong>und</strong>management zu e<strong>in</strong>er unmittelbaren <strong>und</strong> folglich verbesserten<br />

Versorgung führen. H<strong>in</strong>zu kommt <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Primärversorgung, welcher die<br />

Versorgungsstruktur <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> nachhaltig verän<strong>der</strong>n wird. Wir blicken e<strong>in</strong>er<br />

spannenden Zukunft entgegen.<br />

45


GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Bernhard Wurzer<br />

Generaldirektor<br />

<strong>Österreich</strong>ische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse<br />

Die mo<strong>der</strong>nste<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse 2030<br />

Die <strong>Österreich</strong>ische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse (ÖGK) spielt e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s.<br />

Als größter Sozialversicherungsträger des Landes trägt die<br />

ÖGK stetig zur Sicherstellung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung<br />

bei. Mit ihrem umfangreichen Netzwerk an Vertragsärzt:<strong>in</strong>nen,<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>se<strong>in</strong>richtungen gewährleistet<br />

die ÖGK ihren Versicherten Zugang zu mediz<strong>in</strong>isch<br />

notwendigen Behandlungen <strong>und</strong> Unterstützung.<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse setzt verstärkt auf Digitalisierungsmaßnahmen<br />

– die elektronische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakte ELGA wird<br />

laufend weiterentwickelt, sodass das e-Rezept bereits den<br />

Alltag von Versicherten <strong>und</strong> Vertragspartner:<strong>in</strong>nen erleichtert.<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>der</strong> Zukunft wird stärker auf<br />

Technologie, Telemediz<strong>in</strong>, personalisierte Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> Datenanalyse<br />

setzen. Die ÖGK hat sich zum Ziel gesetzt, bis<br />

2030 zur mo<strong>der</strong>nsten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skasse Europas zu werden.<br />

Als proaktive Sozialversicherung sollen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprobleme<br />

im Voraus verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t o<strong>der</strong> frühzeitig erkannt werden. Dies<br />

wird durch regelmäßige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>schecks, präventive<br />

Maßnahmen, ges<strong>und</strong>e Lebensstilentscheidungen <strong>und</strong> den<br />

E<strong>in</strong>satz von Technologie erreicht.<br />

Indem Menschen aktiv auf ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> achten, können<br />

potenzielle Risiken m<strong>in</strong>imiert <strong>und</strong> die Lebensqualität verbessert<br />

werden. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten <strong>und</strong> -analysen sollen e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden, um <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisse besser zu verstehen<br />

<strong>und</strong> personalisierte Empfehlungen zu geben.<br />

46


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

47


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

•<br />

Patientenmitbestimmung<br />

im System<br />

<strong>und</strong> als Betroffene<br />

•<br />

48


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

• Gastbeitrag: Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />

• Gastbeitrag: Brigitte Ettl<br />

• Gastbeitrag: Iris Herscovici<br />

• Gastbeitrag: Ulrike Holzer<br />

• Gastbeitrag: Ingrid Korosec<br />

• Gastbeitrag: Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel<br />

• Gastbeitrag: Michaela Wlattnig<br />

49


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

Ob Tipps, um ges<strong>und</strong> zu werden, Fitnessempfehlungen o<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Ratschläge<br />

– dank Internet <strong>und</strong> Apps ist es für Patient:<strong>in</strong>nen so e<strong>in</strong>fach wie noch nie,<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>in</strong>formationen zu erhalten. Wir haben Expert:<strong>in</strong>nen gefragt, welche<br />

Folgen das für die Patientenmitbestimmung hat.<br />

Was tun gegen Fake News?<br />

Circa 1,76 Millionen <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen nutzen das Internet für mediz<strong>in</strong>ische <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>heitliche Fragen. Was s<strong>in</strong>d effektive Mittel, um Fake News entgegenzuwirken?<br />

Das s<strong>in</strong>d die Top-Antworten <strong>der</strong> befragten Expert:<strong>in</strong>nen:<br />

1. Aufklärung<br />

Expert:<strong>in</strong>nen empfehlen, die Bevölkerung mit Aufklärungskampagnen über Grenzen<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Digitalisierung zu <strong>in</strong>formieren. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />

soll auf die Aufklärung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen gelegt werden.<br />

2. Bildung<br />

Für genauso wichtig wie Aufklärung halten die Befragten Bildung im Bereich Digital<br />

Health. Dass <strong>Österreich</strong> hier Aufholbedarf hat, zeigt die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz-<br />

Erhebung aus 2020: Demnach haben r<strong>und</strong> 30 Prozent aller <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen, die<br />

das Internet für ges<strong>und</strong>heitliche o<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Fragen nutzen, Schwierigkeiten<br />

im Umgang mit digitalen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s<strong>in</strong>formationen. Fast die Hälfte davon hat Probleme<br />

bei <strong>der</strong> Beurteilung, ob die gef<strong>und</strong>enen Informationen vertrauenswürdig<br />

s<strong>in</strong>d. Hier braucht es frühzeitige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbildung <strong>und</strong> die Vermittlung digitaler<br />

Kompetenzen, um gegenzusteuern.<br />

3. Transparenz<br />

E<strong>in</strong>e transparente Information <strong>der</strong> Bevölkerung, transparente Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Wissenschaftsvermittlung helfen dabei, den Gefahren von Fake News vorzubeugen.<br />

4. Qualitätssicherung/Zertifizierungen<br />

Immer wie<strong>der</strong> wird betont, wie wichtig qualitätssichernde Maßnahmen, beispielsweise<br />

Zertifikate, im Digital-Health-Bereich s<strong>in</strong>d. Darüber h<strong>in</strong>aus wäre es laut e<strong>in</strong>igen<br />

Expert:<strong>in</strong>nen för<strong>der</strong>lich, das Thema Digital Health bei anerkannten Institutionen<br />

anzusiedeln.<br />

50


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Zusammenarbeit <strong>und</strong> Datenaustausch im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten gibt es <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> genug – bei <strong>der</strong>en Vernetzung hapert es<br />

aber. Für e<strong>in</strong>e bessere Zusammenarbeit <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en besseren Datenaustausch zwischen<br />

den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleister:<strong>in</strong>nen braucht es laut den Befragten:<br />

1. Investitionen <strong>in</strong> die Digitalisierung<br />

Der Fokus liegt hier auf dem Ausbau <strong>der</strong> elektronischen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakte ELGA.<br />

71%<br />

ne<strong>in</strong><br />

29%<br />

ja<br />

2. Technische Infrastruktur<br />

: In H<strong>in</strong>blick auf die technische Infrastruktur hat <strong>Österreich</strong><br />

Aufholbedarf. E<strong>in</strong>e nie<strong>der</strong>schwellige Struktur sowie<br />

<strong>in</strong>teroperable Netzwerke s<strong>in</strong>d Voraussetzungen<br />

für e<strong>in</strong>e reibungslose Zusammenarbeit <strong>und</strong> Datenaustausch.<br />

3. Auflösen des Silodenkens<br />

Institutionen haben wenig Interesse daran, ihre Daten<br />

zu teilen. Hier muss e<strong>in</strong> Umdenken <strong>in</strong> Richtung mehr<br />

Offenheit stattf<strong>in</strong>den. Das wie<strong>der</strong>um setzt Vertrauen<br />

voraus.<br />

Informationen für<br />

Patient:<strong>in</strong>nen<br />

Mehr als zwei Drittel <strong>der</strong><br />

befragten Expert:<strong>in</strong>nen<br />

f<strong>in</strong>den, dass Patient:<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> nicht<br />

ausreichend <strong>in</strong>formiert<br />

werden.<br />

4. Rechtssicherheit<br />

Für e<strong>in</strong>e umfassende Verknüpfung <strong>der</strong> Datenbestände fehlen <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> die<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>lagen. Es braucht e<strong>in</strong>en gesetzlichen Auftrag, etwa <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er gesetzlichen<br />

Verpflichtung zu Datenaustausch, -verknüpfung <strong>und</strong><br />

-nutzung. Gleichzeitig erweist sich die Datenschutz-Gr<strong>und</strong>verordnung als Hemmschuh.<br />

Die befragten Expert:<strong>in</strong>nen pochen daher auf klare Vorgaben <strong>und</strong> juristische<br />

Unterstützung <strong>in</strong> diesem Bereich.<br />

51


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

52


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />

Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Kompetenz<strong>und</strong><br />

Servicestelle für Selbsthilfe (ÖKUSS)<br />

Patientenmitbestimmung<br />

im System <strong>und</strong> als Betroffene<br />

In vielen europäischen Län<strong>der</strong>n hat die Beteiligung von Patient:<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>e lange<br />

Tradition. So unterschiedlich die Kulturen, so unterschiedlich s<strong>in</strong>d auch die Strukturen<br />

<strong>und</strong> Prozesse dafür. Das Erfahrungswissen von den Patient:<strong>in</strong>nen abzuholen<br />

kann dabei auf vielfältige Weise erfolgen: In manchen Län<strong>der</strong>n übernehmen unabhängige<br />

Organisationen, z. B. Patientenverbände, die Aufgabe, <strong>der</strong>en Perspektive<br />

zu vertreten, <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en werden staatlich organisierte Bevölkerungsbefragungen<br />

e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

An<strong>der</strong>e Formen von Beteiligung s<strong>in</strong>d die Teilhabe an Gremien o<strong>der</strong> die Mitarbeit an<br />

<strong>der</strong> Entwicklung konkreter Outcomes wie z. B. an Leitl<strong>in</strong>ien. Auch Forschungsprojekte<br />

sowie Konferenzen zum strukturierten Austausch mit Nutzer:<strong>in</strong>nen werden<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Begleitete Beteiligungsmethoden, wie z. B. e<strong>in</strong> Bürger:<strong>in</strong>nen-Rat <strong>und</strong><br />

digitale Möglichkeiten, wurden unter an<strong>der</strong>em auch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> kürzlich e<strong>in</strong>gesetzt<br />

(z. B. Agenda <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung).<br />

Neben <strong>der</strong> Umsetzung ist es aber auch zentral, Strukturen, Prozesse <strong>und</strong> Kapazitäten<br />

f<strong>und</strong>iert aufzubauen, um Beteiligungsaktivitäten strukturiert zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong><br />

zu begleiten. Ziel muss es se<strong>in</strong>, Beteiligung e<strong>in</strong>fach <strong>und</strong> ressourcenschonend zu<br />

gestalten. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Selbsthilfe erarbeitet ÖKUSS hierzu fachliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> wir stärken Selbsthilfe-Vertreter:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Weiterbildungen.<br />

Auch wenn wir <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> aktuelle Erfahrungen vorweisen können, ist die Beteiligungskultur<br />

noch nicht so ausgeprägt, um im Spitzenfeld <strong>der</strong> europäischen Län<strong>der</strong><br />

mit dabei zu se<strong>in</strong>.<br />

„Neben <strong>der</strong> Umsetzung ist es aber auch zentral, Strukturen,<br />

Prozesse <strong>und</strong> Kapazitäten f<strong>und</strong>iert aufzubauen, um Beteiligungsaktivitäten<br />

strukturiert zu <strong>in</strong>itiieren <strong>und</strong> zu begleiten. “<br />

Gudrun Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger<br />

53


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Brigitte Ettl<br />

ehemalige Ärztliche Direktor<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik Hietz<strong>in</strong>g <strong>und</strong><br />

Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Plattform Patientensicherheit<br />

„Stärkt die Stimme <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Patienten!“ Patientenbeteiligung<br />

senkt Schadensbelastung um 15 Prozent<br />

Internationale Untersuchungen zeigen, dass etwa jede zehnte<br />

Person, die als Patient:<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>se<strong>in</strong>richtung<br />

behandelt wird, Schäden erleidet. Dabei s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens 50<br />

Prozent dieser Schäden vermeidbar 1 .<br />

Die Auswirkungen von „patient engagement“, also Patientenbeteiligung,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wahrung <strong>der</strong> Patientensicherheit s<strong>in</strong>d<br />

beachtlich: Durch <strong>der</strong>en Implementierung kann die Schadensbelastung<br />

um 15 Prozent verr<strong>in</strong>gert werden 2 . So können<br />

jedes Jahr unzählige Leben gerettet werden. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

werden erhebliche Summen gespart, die im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem<br />

dr<strong>in</strong>gend gebraucht werden. Deshalb wurde die Beteiligung<br />

von Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> ihren Familien im Global Patient<br />

Safety Action Plan 2021–2030 verankert.<br />

Die <strong>Österreich</strong>ische Plattform Patient:<strong>in</strong>nensicherheit publiziert<br />

laufend Empfehlungen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Patientenbeteiligung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung, wie das Patientensicherheitshandbuch,<br />

<strong>und</strong> arbeitet im DACH-Raum mit<br />

Schwesterorganisationen geme<strong>in</strong>sam an Projekten.<br />

Mit dem Ludwig Boltzmann Institute Digital Health and Patient<br />

Safety wurde <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nenbeirat gegründet, <strong>in</strong> dem<br />

Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Angehörige vertreten s<strong>in</strong>d. Das Ziel dieser<br />

Maßnahmen ist die Beteiligung von Patient:<strong>in</strong>nen sowie die<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ihrer Angehörigen, um die Patientensicherheit zu<br />

erhöhen <strong>und</strong> bessere Ergebnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Versorgung zu erreichen.<br />

1: https://www.who.<strong>in</strong>t/health-topics/patient-safety#tab=tab_1<br />

2: https://www.who.<strong>in</strong>t/news-room/fact-sheets/detail/patient-safety<br />

54


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

55


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Iris Herscovici<br />

Co-Grün<strong>der</strong><strong>in</strong> <strong>und</strong> Geschäftsführer<strong>in</strong><br />

von selpers<br />

Mehr als Worte:<br />

Patientenzentrierung im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

Patientenzentrierung im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen bedeutet, den<br />

Menschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung zu stellen. Dafür müssen<br />

wir die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung nicht nur aus Sicht <strong>der</strong><br />

Expert:<strong>in</strong>nen betrachten, son<strong>der</strong>n auch die Perspektive <strong>und</strong><br />

die Situation <strong>der</strong> betroffenen Menschen <strong>in</strong> den Fokus rücken.<br />

Das erfor<strong>der</strong>t, aus diesem oft <strong>in</strong> den Raum geworfenen<br />

Schlagwort Patientenzentrierung mehr als nur e<strong>in</strong>e Floskel zu<br />

machen. Wenn wir patientenzentriert se<strong>in</strong> wollen, müssen wir<br />

darauf achten, dass Patient:<strong>in</strong>nen verstehen, was gesagt<br />

wird, <strong>und</strong> wissen, was sie beitragen können.<br />

Das heißt auch, die nötigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.<br />

Patient:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d schließlich nicht nur Erkrankte, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten<br />

<strong>und</strong> Informationsbedürfnissen; Menschen, die dort<br />

abgeholt werden müssen, wo sie gerade stehen.<br />

Nur dann können sie gute Entscheidungen treffen – sei es im<br />

H<strong>in</strong>blick auf ihre Therapie o<strong>der</strong> ihren Lebensstil. Informationen,<br />

Infrastrukturen <strong>und</strong> Prozesse müssen sich den Menschen<br />

anpassen <strong>und</strong> nicht umgekehrt.<br />

Die Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Menschen zu sehen <strong>und</strong><br />

sie <strong>in</strong> den Mittelpunkt unserer Kommunikation zu stellen sollte<br />

das klare Ziel e<strong>in</strong>es zukunftsorientierten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesens<br />

se<strong>in</strong>. So können wir es schaffen, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />

<strong>und</strong> damit die Adhärenz <strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen zu verbessern.<br />

Das bedeutet nicht nur e<strong>in</strong>e Entlastung des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spersonals,<br />

son<strong>der</strong>n auch Kostenreduzierung <strong>und</strong> vor allem:<br />

schnellere Genesung, weniger Komplikationen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e höhere<br />

Lebensqualität für die Betroffenen.<br />

56


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Ulrike Holzer<br />

Obfrau Pro Rare Austria –<br />

Allianz für seltene Erkrankungen <strong>Österreich</strong><br />

Patientenbeteiligung zur Verbesserung<br />

des <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems<br />

Wir freuen uns, dass wir wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geladen wurden, e<strong>in</strong>en Beitrag <strong>in</strong> dieser Jubiläumsausgabe<br />

zu verfassen <strong>und</strong> so die seltenen Erkrankungen prom<strong>in</strong>ent repräsentieren<br />

zu dürfen. Herzliche Gratulation zum 15-jährigen Bestehen!<br />

Beteiligung im System <strong>und</strong> Entscheidungsprozess<br />

Zahlreiche Studien beweisen, dass „shared decision mak<strong>in</strong>g“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Versorgung zu besseren Ergebnissen führt. Was auf <strong>in</strong>dividueller Ebene <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>-Kommunikation gilt, sollte unserer Me<strong>in</strong>ung nach auf allen Entscheidungsebenen<br />

angewendet werden, wo über die Zukunft von Patient:<strong>in</strong>nen<br />

entschieden wird. Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den bedeutet,<br />

dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Perspektive beleuchtet wird – die Erfahrungen, die Betroffene<br />

<strong>und</strong> Angehörige Tag für Tag mit <strong>der</strong> Erkrankung sammeln, s<strong>in</strong>d wertvoll <strong>und</strong> unersetzlich.<br />

Was fehlt noch <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>?<br />

Vieles ist <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> schon gelungen, z. B. die Aufmerksamkeit für die speziellen<br />

Bedarfe <strong>der</strong> Betroffenen e<strong>in</strong>er seltenen Erkrankung bei allen Stakehol<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit zu erhöhen.<br />

Nur durch e<strong>in</strong>e systematische E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung von Patient:<strong>in</strong>nen auf allen Ebenen können<br />

wir jedoch unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem optimieren. Es braucht daher noch viel<br />

mehr: rechtliche Verankerung von Patientenorganisationen als zentrale Stakehol<strong>der</strong>gruppe<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, systematische Inkludierung <strong>in</strong> Expertenkommissionen,<br />

z. B. zum Ablauf von Prozessen, automatische frühzeitige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong><br />

kl<strong>in</strong>ische Studien <strong>und</strong> nicht zuletzt adäquate Basis- <strong>und</strong> Projektför<strong>der</strong>ungen.<br />

„Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den bedeutet,<br />

dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige Perspektive beleuchtet wird –<br />

die Erfahrungen, die Betroffene <strong>und</strong> Angehörige Tag für Tag<br />

mit <strong>der</strong> Erkrankung sammeln, s<strong>in</strong>d wertvoll <strong>und</strong> unersetzlich.“<br />

Ulrike Holzer<br />

57


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Ingrid Korosec<br />

Präsident<strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong>ischer Seniorenb<strong>und</strong><br />

Patientenmitbestimmung<br />

ohne <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz?<br />

Das Recht Kranker, über Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten sowie <strong>der</strong>en Risiken<br />

<strong>und</strong> Folgen <strong>in</strong>formiert zu werden, ist gesetzlich verankert. Sie müssen zudem <strong>in</strong><br />

jede Therapie explizit e<strong>in</strong>willigen. Die viel zitierten mündigen Patient:<strong>in</strong>nen entscheiden<br />

geme<strong>in</strong>sam mit den Ärzt:<strong>in</strong>nen über die Behandlung – gut <strong>in</strong>formiert,<br />

selbstbewusst <strong>und</strong> mit besseren Heilungschancen. Warum wollen dann 20 Prozent<br />

<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen nicht mitbestimmen? Warum s<strong>in</strong>d 15 Prozent jener, die <strong>in</strong>tensiv<br />

mitbestimmen, mit <strong>der</strong> Therapie beson<strong>der</strong>s unzufrieden?<br />

Weil echte Patientenmitbestimmung hohe <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz voraussetzt.<br />

Diese erwirbt man nicht über Dr. Google <strong>und</strong> Social Media, <strong>und</strong> auch nicht durch<br />

Gespräche mit Ärzt:<strong>in</strong>nen nach <strong>der</strong> Diagnose. Wem gr<strong>und</strong>legendes Wissen über<br />

„ges<strong>und</strong>/krank?“ <strong>und</strong> das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem fehlen, <strong>der</strong> kann nur <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />

entscheiden. Woh<strong>in</strong> <strong>der</strong> „ges<strong>und</strong>e Hausverstand“ <strong>in</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sfragen führt, hat<br />

58


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

„Wem gr<strong>und</strong>legendes Wissen über „ges<strong>und</strong>/krank?“ <strong>und</strong><br />

das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem fehlen, <strong>der</strong> kann nur <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv<br />

entscheiden.“<br />

Ingrid Korosec<br />

die Pandemie gezeigt. Die Fähigkeit, ges<strong>und</strong>heitsrelevante Informationen zu f<strong>in</strong>den,<br />

sie zu verstehen, kritisch zu bewerten <strong>und</strong> auf konkrete Lebenslagen umzulegen,<br />

ist e<strong>in</strong> langsamer Lernprozess. Das Health Literacy Population Survey Project<br />

2019 stellte <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im Vergleich zu 2011 kaum Verbesserung fest – wir s<strong>in</strong>d im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Vergleich weiter unterdurchschnittlich.<br />

Ist das Ganze also e<strong>in</strong> Plädoyer gegen Patientenmitbestimmung? Ne<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n für<br />

raschen <strong>und</strong> flächendeckenden Aufbau <strong>der</strong> nötigen Kompetenzen, um wissensbasierte<br />

Entscheidungen zu treffen! Das beg<strong>in</strong>nt nicht erst im Krankheitsfall, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong>dheit, wenn noch alles <strong>in</strong> Ordnung ist.<br />

59


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Birgit Me<strong>in</strong>hard-Schiebel<br />

Präsident<strong>in</strong> <strong>der</strong> Interessengeme<strong>in</strong>schaft<br />

pflegen<strong>der</strong> Angehöriger<br />

Das bittere Erbe <strong>der</strong> Pandemie –<br />

Long COVID <strong>und</strong> die Auswirkungen auf<br />

pflegende Angehörige<br />

Wenn Menschen aller Altersstufen von den Nachwirkungen<br />

e<strong>in</strong>er COVID-19-Infektion betroffen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> unter Long CO-<br />

VID o<strong>der</strong> danach Post-COVID leiden, s<strong>in</strong>d auch die pflegenden<br />

Angehörigen mitbetroffen. Bei diesen Erkrankungen wird<br />

es den Aufbau e<strong>in</strong>er weiteren guten Behandlungsstruktur sowie<br />

e<strong>in</strong>e adäquate Pflegegelde<strong>in</strong>stufung brauchen. Sie s<strong>in</strong>d<br />

aufgr<strong>und</strong> des wellenförmigen Verlaufs <strong>der</strong> Symptome <strong>der</strong> Erkrankung<br />

an<strong>der</strong>s zu beurteilen, als das bei vielen an<strong>der</strong>en<br />

pflegegeldrelevanten E<strong>in</strong>stufungen <strong>der</strong> Fall ist. Erst wenn die<br />

Pflegegelde<strong>in</strong>stufung gewährleistet ist, haben auch die pflegenden<br />

Angehörigen Anspruch auf diverse wichtige Unterstützungsleistungen.<br />

Unser <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen ist auch bei Long COVID <strong>und</strong> Post-<br />

COVID gefor<strong>der</strong>t, um bei diesen langfristigen Erkrankungen,<br />

die den gesamten Lebenslauf betroffener Menschen markant<br />

verän<strong>der</strong>n, verantwortungsvoll mit den Maßnahmen umzugehen<br />

<strong>und</strong> dem bisher wenig bekannten Krankheitsbild mit<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> großer Aufmerksamkeit <strong>in</strong> Forschung, Behandlung<br />

<strong>und</strong> Rehabilitation zu begegnen.<br />

Deshalb hat die Interessengeme<strong>in</strong>schaft pflegen<strong>der</strong> Angehöriger<br />

dieses Thema für das Jahr <strong>2023</strong> zum Topthema erklärt.<br />

60


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

61


PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Michaela Wlattnig<br />

PatientInnen- <strong>und</strong> Pflegeombudsfrau Land Steiermark, Sprecher<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ARGE Patienten- <strong>und</strong> Pflegeanwaltschaften <strong>Österreich</strong>s<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sentscheidungen<br />

auf Augenhöhe – „Shared Decision Mak<strong>in</strong>g“<br />

Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Entscheidungen e<strong>in</strong>zubeziehen <strong>und</strong> es ihnen<br />

zuzutrauen, Entscheidungen für ihren Behandlungsprozess<br />

zu treffen, erhöht die Akzeptanz von Folgen <strong>und</strong> Konsequenzen<br />

mediz<strong>in</strong>ischer <strong>und</strong> pflegerischer Interventionen.<br />

Die Basis für e<strong>in</strong> solches „Shared Decision Mak<strong>in</strong>g“ bildet die<br />

Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Behandler:<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

Patient:<strong>in</strong>. Informationen sollten verständlich vermittelt werden<br />

<strong>und</strong> den Patient:<strong>in</strong>nen die Möglichkeit eröffnen, Fragen<br />

zu stellen, um dann geme<strong>in</strong>sam den Behandlungsprozess<br />

festzulegen. Für e<strong>in</strong> gutes Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es solchen Prozesses<br />

ist <strong>der</strong> Faktor Zeit wesentlich. Das Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>nen-Gespräch<br />

ist zentral <strong>und</strong> muss e<strong>in</strong>e entsprechende Wertigkeit<br />

erfahren. Es ist dr<strong>in</strong>gend notwendig, Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />

dah<strong>in</strong> gehend zu schulen; genauso wichtig ist es aber<br />

auch, dass es zu e<strong>in</strong>er monetären Abgeltung <strong>der</strong> Gespräche<br />

kommt.<br />

Patient:<strong>in</strong>nen haben das Recht auf Aufklärung über ihren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<br />

sowie über ihre erfor<strong>der</strong>liche Mitwirkung<br />

bei <strong>der</strong> Behandlung. Patientenanwaltschaften erfahren <strong>in</strong><br />

den an sie herangetragenen Anliegen sehr oft, dass die Ursache<br />

von Unsicherheiten <strong>und</strong> Unzufriedenheiten die fehlende<br />

o<strong>der</strong> nicht optimale Kommunikation zwischen Behandler:<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> Patient:<strong>in</strong> ist.<br />

Es gilt deshalb, alle Anstrengungen zu unternehmen, um das<br />

Augenmerk auf den Faktor Zeit für das Ärzt:<strong>in</strong>-Patient:<strong>in</strong>nen-<br />

Gespräch als zentrales Element des Behandlungsprozesses<br />

zu legen <strong>und</strong> entsprechende Rahmenbed<strong>in</strong>gungen dafür zu<br />

schaffen.<br />

62


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Mediz<strong>in</strong> für die Welt<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> für Alle<br />

Soziale Verantwortung weitergedacht<br />

• Der Zugang zu hochwertiger <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung ist für e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />

nicht gewährleistet. Als mo<strong>der</strong>nes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sunternehmen will<br />

Sanofi das än<strong>der</strong>n.<br />

• Sanofi Global Health ist e<strong>in</strong>e neu gegründete Non-Profit E<strong>in</strong>heit im Konzern. Sie<br />

wird den 40 ärmsten Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Welt den Zugang <strong>und</strong> die kont<strong>in</strong>uierliche Versorgung<br />

mit 30 lebenswichtigen Medikamenten von Sanofi ermöglichen.<br />

• Die Arzneimittel decken e<strong>in</strong> breites Spektrum an Therapiegebieten ab, darunter<br />

Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tuberkulose, Malaria <strong>und</strong> Krebs.<br />

Quellen:<br />

Sanofi Presseaussendung 04.07.2022: https://www.sanofi.com/en/media-room/press-releases/2022/2022-07-04-10-00-<br />

00-2473350<br />

https://www.sanofi.de/de/verantwortung/<strong>in</strong>itiativen<br />

https://www.sanofi.com/en/about-us/our-stories/my-child-matters-improv<strong>in</strong>g-childhood-cancer-survival-<strong>in</strong>-thedevelop<strong>in</strong>g-world<br />

https://www.sanofi.com/en/our-responsibility/healthcare-for-all/<br />

Foto Copyright: © Andrew Mar<strong>in</strong>kovich<br />

63


•<br />

Wirtschaftsfaktor<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

•<br />

64


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

• Vorwort: Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

• Gastbeitrag: Petar Bajić<br />

• Gastbeitrag: Benjam<strong>in</strong> Bittschi<br />

• Gastbeitrag: Alexan<strong>der</strong> Burz<br />

• Gastbeitrag: Annelies Fitzgerald<br />

• Gastbeitrag: Gabriele Jaksch<br />

• Gastbeitrag: Karlhe<strong>in</strong>z Kopf<br />

• Gastbeitrag: Julia Schitter<br />

65


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Das denken die Expert:<strong>in</strong>nen<br />

Mit circa 11 Prozent des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts stellen die laufenden <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben<br />

e<strong>in</strong>en bedeutenden Wirtschaftsfaktor <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> dar. Welche Rolle<br />

werden hier Digitalisierung, künstliche Intelligenz (KI) <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>elles Lernen<br />

spielen? Und wor<strong>in</strong> sollte <strong>der</strong> Staat <strong>in</strong>vestieren? Expert:<strong>in</strong>nen gaben uns Antworten<br />

auf diese Fragen:<br />

Investitionen <strong>in</strong> mehr ges<strong>und</strong>e Lebensjahre?<br />

Anfang <strong>2023</strong> kritisierte <strong>der</strong> Rechnungshof von 2014 bis 2019 e<strong>in</strong>en Rückgang <strong>der</strong><br />

ges<strong>und</strong>en Lebensjahre <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong>. In welche Bereiche soll die öffentliche Hand<br />

<strong>in</strong>vestieren, um gegenzusteuern?<br />

1. Prävention<br />

Aus Sicht <strong>der</strong> Expert:<strong>in</strong>nen könnte die öffentliche Hand wesentlich mehr <strong>in</strong> Prävention<br />

<strong>in</strong>vestieren, als sie es bisher tut, zum Beispiel zur Vermeidung von Diabetes<br />

mellitus, Herzkreislauferkrankungen o<strong>der</strong> Adipositas.<br />

2. Bildung<br />

Investitionen <strong>in</strong> die Bildung erachten die Befragten für ebenso wichtig, um die ges<strong>und</strong>en<br />

Lebensjahre <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung zu steigern. So soll <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> schon im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

thematisiert <strong>und</strong> als Unterrichtsfach <strong>in</strong> den Schulen verankert werden.<br />

3. Anreize für Lebensstilmodifikation<br />

Angesicht <strong>der</strong> Tatsache, dass etwa 50 Prozent aller chronischen Krankheiten auf<br />

e<strong>in</strong>e unges<strong>und</strong>e Lebensweise zurückzuführen s<strong>in</strong>d, können Anreize für e<strong>in</strong>e Lebensstilmodifikation<br />

zur Erhöhung <strong>der</strong> Anzahl an ges<strong>und</strong>en Lebensjahren beitragen.<br />

4. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>nde Sett<strong>in</strong>gs<br />

Laut den befragten Expert:<strong>in</strong>nen soll die öffentliche Hand mit regulatorischen Mitteln<br />

ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>nde Sett<strong>in</strong>gs herstellen. E<strong>in</strong> Beispiel für e<strong>in</strong> solches Sett<strong>in</strong>g<br />

wären etwa Vorgaben bei Nahrungsmitteln.<br />

5. Beratung<br />

E<strong>in</strong> Angebot an <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung kann ebenfalls zu e<strong>in</strong>er Steigerung <strong>der</strong> ges<strong>und</strong>en<br />

Lebensjahre beitragen. Dazu ist es nötig, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

im nie<strong>der</strong>gelassenen Bereich, mit den nötigen f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen auszustatten.<br />

66


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Wie weit ist <strong>Österreich</strong> mit eHealth-Projekten?<br />

Mit dem e-Rezept <strong>und</strong> dem zentralen Impfregister hat sich <strong>in</strong> den vergangenen<br />

Jahren <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> viel getan.<br />

Effizientere <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung durch KI<br />

Macht künstliche Intelligenz (KI) die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> effizienter? Derzeit noch nicht<br />

wirklich, aber <strong>in</strong> Zukunft def<strong>in</strong>itiv, so die allgeme<strong>in</strong>e<br />

Expertenme<strong>in</strong>ung – denn momentan komme KI <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung eigentlich<br />

nur <strong>in</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung o<strong>der</strong> projektbezogen<br />

zum E<strong>in</strong>satz.<br />

1<br />

2<br />

gar nicht<br />

weit<br />

3<br />

2,1<br />

4<br />

5<br />

sehr<br />

weit<br />

Fortschritt im<br />

In Zukunft erwarten sich die Befragten von KI <strong>und</strong> masch<strong>in</strong>ellem<br />

Lernen Effizienzsteigerungen<br />

Bereich eHealth<br />

Die Expert:<strong>in</strong>nen halten<br />

• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wissensverbreitung,<br />

<strong>Österreich</strong> im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Vergleich mit<br />

• bei <strong>der</strong> Planung <strong>und</strong> Versorgung,<br />

e<strong>in</strong>em Durchschnittswert<br />

• beim Aufbau von Versorgungspfaden,<br />

von 2,1 für wenig<br />

• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diagnostik,<br />

fortschrittlich.<br />

• bei Therapieentscheidungen <strong>und</strong> Therapieanwendungen,<br />

• <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

• bei <strong>der</strong> Genehmigung von Medikamenten bzw. Arzneimitteln,<br />

• bei <strong>der</strong> Assistenz für Patient:<strong>in</strong>nen.<br />

Ist die Zukunft <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung digital?<br />

KI-gestützte Symptomchecker, Wearables o<strong>der</strong> digitale Ambulanzen – auch für<br />

Patient:<strong>in</strong>nen gibt es e<strong>in</strong> wachsendes digitales Angebot <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung.<br />

Wie sieht das <strong>in</strong> Zukunft aus? Hier ist die E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> von uns befragten<br />

Expert:<strong>in</strong>nen:<br />

Circa<br />

42%<br />

<strong>der</strong> österreichischen Bevölkerung werden sich <strong>in</strong> zehn Jahren digital<br />

um ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> kümmern. Die E<strong>in</strong>schätzungen variieren jedoch<br />

erheblich <strong>und</strong> reichen von 20 bis 75 Prozent.<br />

67


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

68


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Petar Bajić<br />

Experte für Sozialversicherung <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />

Industriellenvere<strong>in</strong>igung<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft hat sich <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren <strong>und</strong> Jahrzehnten zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Wirtschaftsfaktoren weltweit entwickelt<br />

Sie umfasst nicht nur die Bereiche <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung <strong>und</strong> Pflege, die<br />

oftmals als Kostenfaktoren wahrgenommen werden, son<strong>der</strong>n auch die pharmazeutische<br />

Industrie, Biotechnologie <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische Forschung, die wesentlich<br />

zur Wertschöpfung beitragen. In diesem Kontext hat sich <strong>Österreich</strong> als Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Innovationsstandort zunehmend etabliert, wobei die Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />

hier e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle e<strong>in</strong>nimmt.<br />

Wie bedeutend <strong>der</strong> Life-Science-Sektor für <strong>Österreich</strong> ist, verdeutlichen die Zahlen:<br />

R<strong>und</strong> 1.000 Unternehmen mit 60.000 Beschäftigten erwirtschaften jährlich<br />

e<strong>in</strong>en Umsatz von 25 Mrd. Euro <strong>und</strong> <strong>in</strong>vestieren r<strong>und</strong> 1,3 Mrd. Euro <strong>in</strong> Forschung <strong>und</strong><br />

Entwicklung. Insbeson<strong>der</strong>e die Pharma<strong>in</strong>dustrie ist <strong>in</strong> diesem Bereich e<strong>in</strong> Schlüsselsektor<br />

<strong>und</strong> trägt wesentlich zur Schaffung von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> bei.<br />

Gleichzeitig ist die Konkurrenz auf dem <strong>in</strong>ternationalen Markt <strong>in</strong>tensiv. Die steigenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Qualität <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung bei gleichzeitiger<br />

Notwendigkeit, die Kosten zu kontrollieren, erfor<strong>der</strong>n ständige Fortschritte <strong>und</strong> Innovationen.<br />

Umso wichtiger ist daher auch die laufende Weiterentwicklung des<br />

Standorts, um wettbewerbsfähige <strong>und</strong> attraktive Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Unternehmen<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> <strong>und</strong> Europa zu bieten.<br />

„Wie bedeutend <strong>der</strong> Life-Science-Sektor für <strong>Österreich</strong> ist,<br />

verdeutlichen die Zahlen: R<strong>und</strong> 1.000 Unternehmen mit<br />

60.000 Beschäftigten erwirtschaften jährlich e<strong>in</strong>en Umsatz von<br />

25 Mrd. Euro <strong>und</strong> <strong>in</strong>vestieren r<strong>und</strong> 1,3 Mrd. Euro <strong>in</strong> Forschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklung.“<br />

Petar Bajić<br />

69


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Benjam<strong>in</strong> Bittschi<br />

Ökonom (Senior Economist)<br />

<strong>Österreich</strong>isches Institut für Wirtschaftsforschung<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist <strong>in</strong>dividuell sehr wichtig, aber sie<br />

ist auch e<strong>in</strong> bedeuten<strong>der</strong> Faktor für die Wirtschaft<br />

„Die Wirtschaft“ me<strong>in</strong>t volkswirtschaftlich das Zusammenspiel<br />

von Privaten, Unternehmen <strong>und</strong> Staat. <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> ist<br />

dabei für alle drei Akteure von Bedeutung.<br />

Für Beschäftigte verursacht e<strong>in</strong> schlechter <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand<br />

häufigere Fehlzeiten am Arbeitsplatz, h<strong>in</strong>gegen führt<br />

gute <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu höherer Arbeitsproduktivität, höheren<br />

Löhnen <strong>und</strong> höherer Erwerbsbeteiligung. Umgekehrt haben<br />

Personen mit höheren E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong>en besseren <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>szustand.<br />

Besorgniserregend <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> ist, dass die<br />

Erwartung gesun<strong>der</strong> Lebensjahre bei Geburt vergleichsweise<br />

niedrig ist <strong>und</strong> 2021 nur 61,8 Jahre betrug, während Schweden<br />

68,4 Jahre <strong>und</strong> Deutschland 65,6 Jahre verzeichneten. 1<br />

Für Unternehmen ist <strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssektor e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor mit unterschiedlichen regionalen Stärken,<br />

wie z. B. <strong>der</strong> Herstellung von pharmazeutischen Gr<strong>und</strong>stoffen<br />

(Tirol) <strong>und</strong> Spezialitäten (Wien) o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>technik<br />

(Salzburg). Die Lieferkettenschwierigkeiten <strong>in</strong> letzter Zeit haben<br />

gezeigt, dass es hier gilt, bei kritischen Produkten die Unabhängigkeit<br />

des Wirtschaftsstandorts <strong>Österreich</strong> zu stärken.<br />

Schließlich ist <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> auch für den Staat e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Faktor.<br />

Investitionen <strong>in</strong> Prävention <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>d<br />

dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich, um die Kostenentwicklung zu managen<br />

<strong>und</strong> die Wirtschaft zu stärken. Der <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssektor<br />

bleibt somit e<strong>in</strong> Schlüsselbereich für das zukünftige Wohlstandspotenzial<br />

des Landes.<br />

1: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/hlth_hlye/default/table?lang=en<br />

70


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Alexan<strong>der</strong> Burz<br />

Büroleiter-Stellvertreter<br />

Dachverband <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />

Wirtschaftsfaktor<br />

Sozialversicherung<br />

Die österreichische Sozialversicherung<br />

versorgt über neun Millionen Anspruchsberechtigte<br />

im Krankheitsfall <strong>und</strong> unterstützt<br />

dabei, Krankheiten <strong>und</strong> Krankenstände<br />

zu vermeiden bzw. zu verkürzen.<br />

Zudem s<strong>in</strong>d die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben<br />

für sich genommen e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Wirtschaftsfaktor: Sie betrugen (ohne<br />

Langzeitpflege) <strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> im Jahr<br />

2021 42,7 Mrd. Euro (r<strong>und</strong> 10,5 Prozent<br />

des BIP). Der größte Anteil (47 Prozent)<br />

wurde dabei von <strong>der</strong> österreichischen<br />

Sozialversicherung aufgebracht – sie ist<br />

damit die wichtigste Leistungserbr<strong>in</strong>gungs- <strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierungsstruktur im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen.<br />

Im österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen arbeiten beispielsweise mit über 19.000<br />

Ärzt:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1.500 Apotheker:<strong>in</strong>nen etliche Selbstständige. Zusätzlich arbeiten<br />

im Wirtschaftsbereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen (ÖNACE 86, Stand 07/<strong>2023</strong>, z. B.<br />

Beschäftigte <strong>in</strong> Krankenanstalten <strong>und</strong> bei Arztpraxen) über 145.000 unselbstständig<br />

Beschäftigte (o<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügige). Weiters s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Wirtschaftszweigen<br />

Apotheken sowie E<strong>in</strong>zelhandel mit mediz<strong>in</strong>ischen Artikeln ca. 20.000, <strong>in</strong> <strong>der</strong> pharmazeutischen<br />

Industrie ca. 19.000 <strong>und</strong> im Großhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen<br />

ca. 18.000 Personen unselbstständig beschäftigt. Durch Vorleistungsverflechtungen<br />

<strong>in</strong>duziert das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen weitere Wertschöpfung <strong>und</strong><br />

Beschäftigung. Zu den Vorleistungen zählen neben pharmazeutischen Erzeugnissen<br />

auch Dienstleistungen des Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> Wohnungswesens sowie Möbel<br />

<strong>und</strong> sonstige Waren (<strong>in</strong>klusive mediz<strong>in</strong>ischer Apparate <strong>und</strong> Geräte).<br />

„Die Sozialversicherung ist e<strong>in</strong> großer Wirtschafts-,<br />

Beschäftigungs- <strong>und</strong> Innovationsfaktor.“<br />

Alexan<strong>der</strong> Burz<br />

71


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Annelies Fitzgerald<br />

Institutsleitung, Karl Landste<strong>in</strong>er Institut<br />

für Human Factors & Human Resources<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>: Kostenfaktor <strong>und</strong><br />

bedeuten<strong>der</strong> Wertschöpfungsbeitrag<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sausgaben s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Indikator für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung – sie betragen<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> über 50 Mrd. Euro, davon s<strong>in</strong>d ca. e<strong>in</strong> Fünftel Personalausgaben.<br />

Weitere Erhöhungen <strong>der</strong> Kosten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>bußen <strong>der</strong> Versorgungsqualität entstehen<br />

durch hohe Wechselbereitschaft von Mitarbeitenden, Berufsausstiege,<br />

Werteverschiebungen <strong>und</strong> ger<strong>in</strong>ge Berufsattraktivität. Mit den Zielen, für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spolitik<br />

datenbasierte H<strong>in</strong>weise zur Erhöhung <strong>der</strong> Attraktivität <strong>der</strong> Arbeit<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen zu liefern sowie e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen e<strong>in</strong> valides Benchmark<br />

zur aktuellen Situation zur Verfügung zu stellen, um auf Organisationsebene<br />

konkrete Maßnahmen zu setzen, haben das Karl Landste<strong>in</strong>er Institut, EUCUSA <strong>und</strong><br />

Health Care Communication e<strong>in</strong> spezifisches Instrument entwickelt: Die Durchführung<br />

erfolgt mittels anonymer Onl<strong>in</strong>ebefragung, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sechs Attraktivitätskomponenten<br />

– Gr<strong>und</strong>motivatoren für Austritt o<strong>der</strong> Verbleib im System – erhoben werden.<br />

72


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

www.karl-landste<strong>in</strong>er.at<br />

„Die Kenntnis von wirksamen Attraktivitätsfaktoren für<br />

Rahmen- <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, gepaart<br />

mit dem erfor<strong>der</strong>lichen Transformationswillen, werden <strong>in</strong> Zukunft<br />

den Wettbewerb am Arbeitsmarkt <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bestimmen.“<br />

Annelies Fitzgerald<br />

Zu Forschungszwecken steht e<strong>in</strong> anonymer L<strong>in</strong>k für Mitarbeitende im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen<br />

zur Verfügung, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>richtungsspezifisches Diagnose<strong>in</strong>strument kann<br />

angefor<strong>der</strong>t werden. Die Daten fließen dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gesamtstudie e<strong>in</strong>. Die Kenntnis<br />

von wirksamen Attraktivitätsfaktoren für Rahmen- <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen im<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen, gepaart mit dem erfor<strong>der</strong>lichen Transformationswillen, werden<br />

<strong>in</strong> Zukunft den Wettbewerb am Arbeitsmarkt <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> bestimmen.<br />

73


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Gabriele Jaksch<br />

Präsident<strong>in</strong> von MTD-Austria, Dachverband <strong>der</strong><br />

gehobenen mediz<strong>in</strong>isch-technischen Dienste <strong>Österreich</strong>s<br />

MTD-Berufe leisten e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag<br />

für die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>er:<strong>in</strong>nen<br />

Die Lebenserwartung steigt stetig, <strong>und</strong> somit auch <strong>der</strong> Wille<br />

<strong>und</strong> die Notwendigkeit, <strong>in</strong> die eigene <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> zu <strong>in</strong>vestieren,<br />

um länger ges<strong>und</strong> zu leben. Dies führt im ökonomischen<br />

Umkehrschluss wie<strong>der</strong>um zu e<strong>in</strong>er höheren Nachfrage an <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sleistungen.<br />

Dabei liegt es klar auf <strong>der</strong> Hand, dass die sieben gesetzlich<br />

geregelten <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberufe – Biomediz<strong>in</strong>ische Analytik,<br />

Diätologie, Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie, Orthoptik<br />

<strong>und</strong> Radiologietechnologie – <strong>in</strong> allen Lebensphasen e<strong>in</strong>en<br />

wesentlichen Beitrag zu mehr Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> österreichischen<br />

Bevölkerung leisten.<br />

MTD-Austria, <strong>der</strong> Dachverband <strong>der</strong> gehobenen mediz<strong>in</strong>ischtechnischen<br />

Berufe, vertritt als überbetriebliche Interessensvertretung<br />

sieben Berufsfachverbände mit ca. 40.000 Berufsangehörigen.<br />

Wie wirkt sich nun <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> als Faktor auf die Wirtschaft<br />

aus? E<strong>in</strong>erseits tragen alle E<strong>in</strong>richtungen im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich<br />

zur Wertschöpfung <strong>und</strong> Beschäftigung bei, an<strong>der</strong>erseits<br />

steigt durch die genannte Lebenserwartung <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische<br />

bzw. technologische Entwicklungen die Nachfrage<br />

nach <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleistungen, <strong>und</strong> dies bee<strong>in</strong>flusst unmittelbar<br />

die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>der</strong> Menschen.<br />

Der Bedarf an Leistungen <strong>der</strong> MTD-Berufe steigt stetig. Somit<br />

müssen die Studienplätze <strong>der</strong> MTD-Berufe im H<strong>in</strong>blick auf<br />

die zu erwartende Bedarfsentwicklung aufgestockt werden,<br />

um dadurch bereits bestehende eklatante Versorgungslücken<br />

im <strong>in</strong>tra- <strong>und</strong> extramuralen Bereich zu schließen. Dieses<br />

Faktum muss aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> oben genannten Tatsachen rasch<br />

beseitigt werden!<br />

74


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

75


WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Karlhe<strong>in</strong>z Kopf<br />

Generalsekretär <strong>der</strong><br />

Wirtschaftskammer <strong>Österreich</strong><br />

Von betrieblicher <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

profitieren alle<br />

Die betriebliche <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung (BGF) hat e<strong>in</strong>e große<br />

Bedeutung für die Wirtschaft. Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> zufriedene<br />

Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d motivierte Mitarbeiter:<strong>in</strong>nen, <strong>und</strong> nur<br />

ges<strong>und</strong>en Menschen ist es auch möglich, lange im Berufsleben<br />

zu bleiben. Davon profitieren Unternehmen wie Beschäftigte<br />

auch <strong>in</strong> Zeiten des Arbeitskräftemangels.<br />

Konkret zeigen Studien, dass durch E<strong>in</strong>führung von BGF-Programmen<br />

die Zahl <strong>der</strong> Krankenstandstage s<strong>in</strong>kt <strong>und</strong> die Produktivität<br />

im Betrieb steigt. Gleichzeitig wirken sich mehr <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>und</strong> mehr Wohlbef<strong>in</strong>den positiv auf das Betriebsklima<br />

aus, wodurch auch die Fluktuation im Unternehmen ger<strong>in</strong>ger<br />

ist.<br />

Den Wert von BGF haben auch schon viele Unternehmen erkannt<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte,<br />

teils sogar betriebs- <strong>und</strong> branchenübergreifend, umgesetzt.<br />

Von 2005 bis 2022 bekamen auch bereits 1.923 Betriebe das<br />

BGF-Gütesiegel verliehen. Um noch mehr Betriebe zu motivieren<br />

<strong>und</strong> freiwillige Maßnahmen zur <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sför<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>zuführen, setzen wir uns für e<strong>in</strong>e stärkere Steuerbefreiung<br />

dieser Maßnahmen e<strong>in</strong> – denn nicht jedem KMU ist es so e<strong>in</strong>fach<br />

möglich, <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sprojekte zu starten.<br />

BGF-Programme, die meist stark auf Prävention setzen, haben<br />

aber nicht nur für die Unternehmen selbst e<strong>in</strong>en großen<br />

Nutzen: BGF trägt außerdem dazu bei, ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen<br />

vorzubeugen <strong>und</strong> Krankheiten möglichst früh zu erkennen.<br />

Auf diese Weise leisten Unternehmen, die auf BGF<br />

setzen, auch e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur dr<strong>in</strong>gend notwendigen<br />

Entlastung des österreichischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystems.<br />

76


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Julia Schitter<br />

Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> Gruppe „Internationale Arbeitsmarktpolitik,<br />

Dienstleistungen AMS, Budget“ <strong>der</strong> Sektion BMAW<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> im Betrieb –<br />

Maßnahmen mit Hebelwirkung<br />

Ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> leistungsfähige Menschen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen<br />

Erfolg <strong>und</strong> gesellschaftliche Weiterentwicklung. Maßnahmen <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand zur Steigerung <strong>der</strong> Integrationsmöglichkeiten von Menschen mit<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen E<strong>in</strong>schränkungen <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt helfen dabei, die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

des demografischen Wandels <strong>und</strong> des hohen Arbeitskräftebedarfs zu<br />

bewältigen. Das BMAW hat hierzu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgende Initiativen gestartet:<br />

Nationale Strategie „<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> im Betrieb“<br />

Betriebe aller Größen <strong>und</strong> Branchen sowie Beschäftigte profitieren seit 2019 von<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten Informationen <strong>und</strong> Unterstützungsleistungen sowie<br />

betrieblichen Good-Practice-Beispielen für betriebliches <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanagement.<br />

Ziel von Betrieblichem <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanagement ist es, die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> über<br />

die gesamte Erwerbsspanne zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> zu erhalten, Belastungen <strong>und</strong> Krankheitsrisiken<br />

zu m<strong>in</strong>imieren sowie die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung nach temporärer Arbeitsunfähigkeit<br />

zu begleiten.<br />

fit2work<br />

Mit dem Ziel, die Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit von Menschen langfristig zu erhalten,<br />

bietet fit2work seit mehr als zehn Jahren kostenlos <strong>und</strong> vertraulich Informationen,<br />

Beratung <strong>und</strong> Unterstützung<br />

• für Personen, <strong>der</strong>en Arbeitsplatz aufgr<strong>und</strong> von ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen<br />

gefährdet ist o<strong>der</strong> die deshalb Schwierigkeiten haben, e<strong>in</strong>e Arbeit zu f<strong>in</strong>den.<br />

• für Unternehmen, die die Arbeitsfähigkeit ihrer Belegschaft erhalten bzw. e<strong>in</strong><br />

betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement etablieren wollen.<br />

www.ges<strong>und</strong>heit-im-betrieb.at<br />

www.fit2work.at<br />

77


VERANSTALTUNGEN<br />

•<br />

Veranstaltungen<br />

<strong>2023</strong><br />

•<br />

78


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Jänner<br />

10. Jänner<br />

Präsentation <strong>Jahrbuch</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

2022 im PULS24-Studio<br />

Thema: Wissen, wie: <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

leben ist die beste Investition<br />

Mai<br />

03. Mai<br />

PHARMIG Academy,<br />

13. Rare Diseases Dialog<br />

Thema: Zentraler F<strong>in</strong>anzierungstopf<br />

11.–13. Mai<br />

Austrian Health Forum Schladm<strong>in</strong>g<br />

Podium: Netzwerk Onkologie<br />

Februar<br />

10. Februar<br />

Weltkrebstag<br />

März<br />

29. März<br />

Austrian Health Day<br />

April<br />

07. April<br />

Weltges<strong>und</strong>heitstag<br />

16. Mai<br />

4GAMECHANGERS Festival<br />

Panel: Das Streben nach<br />

Glück: Stressbewältigung <strong>und</strong><br />

psychische <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er schnelllebigen Welt<br />

Panel: Schließung <strong>der</strong> Lücke <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz:<br />

Die Befähigung des Individuums,<br />

f<strong>und</strong>ierte <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sentscheidungen<br />

zu treffen<br />

20.–21. April<br />

5. PRAEVENIRE Digital<br />

Health Symposion<br />

Themen: Robotics, AI <strong>und</strong> Cyber<br />

Security<br />

22.–26. Mai<br />

8. PRAEVENIRE <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stage<br />

im Stift Seitenstetten<br />

Thema: Nachdenken –<br />

Umsetzten – Jetzt<br />

79


VERANSTALTUNGEN<br />

26. Mai<br />

Ingo Raimon wird<br />

PHARMIG-Präsident<br />

26.–28. Juli<br />

Salzburg Summit <strong>2023</strong><br />

Motto: „Future Now. Resources<br />

for Europe.“<br />

August<br />

Juni<br />

05. Juni<br />

6. Frauen<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sDialog<br />

Thema: Mädchen <strong>und</strong> Frauen.<br />

Selbstbestimmt.<br />

10. August<br />

Frühwarnsystem zur Überwachung<br />

schwerer Atemwegs<strong>in</strong>fektionen <strong>in</strong><br />

Krankenhäusern startet:<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sm<strong>in</strong>isterium <strong>und</strong><br />

Sozialversicherung nehmen<br />

SARI-Dashboard <strong>in</strong> Betrieb<br />

19. August–02. September<br />

European Forum Alpbach<br />

21. August<br />

Digitale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sberatung 1450<br />

präsentiert sich <strong>in</strong> neuem Design<br />

September<br />

15. Juni<br />

Julia Guizani wird neue<br />

FOPI-Präsident<strong>in</strong><br />

22.–23. Juni<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaftskongress<br />

Thema: Unterwegs <strong>in</strong><br />

ungewissen Zeiten – Klartext.<br />

Wissen. Standpunkte.<br />

15. September<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>Österreich</strong> GmbH<br />

(GÖG) feiert ihr 50-jähriges<br />

Bestehen<br />

17. September<br />

Internationaler Tag <strong>der</strong><br />

Patient:<strong>in</strong>nensicherheit<br />

Motto: „Engag<strong>in</strong>g patients<br />

for patient safety“<br />

25.-26. September<br />

AHF Gaste<strong>in</strong><br />

Juli<br />

25. Juli<br />

M<strong>in</strong>isterrat mit Sofortmaßnahmen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sreformpaket <strong>und</strong><br />

EU-Datengesetz DATA ACT<br />

80


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

26.–29. September<br />

European Health Forum Gaste<strong>in</strong><br />

Thema: Health systems <strong>in</strong> crisis<br />

– Counter<strong>in</strong>g shockwaves and<br />

fatigue<br />

10. Oktober<br />

Verleihung des <strong>Österreich</strong>ischen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz-Preises<br />

<strong>2023</strong><br />

11. Oktober<br />

8. Konferenz <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen<br />

Plattform <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />

Thema: Psychosoziale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong><br />

<strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den – <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz<br />

Oktober<br />

04. Oktober<br />

M<strong>in</strong>isterrat F<strong>in</strong>anzausgleich ab<br />

dem Jahr 2024 – Gr<strong>und</strong>satze<strong>in</strong>igung<br />

07. Oktober<br />

17. Krebsforschungslauf:<br />

3.500 Läufer:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 86<br />

Unternehmen haben den 17.<br />

Krebsforschungslauf unterstützt.<br />

Zusammen wurde e<strong>in</strong>e Spendensumme<br />

von 260.000 € erreicht<br />

13. Oktober<br />

Tagung <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen<br />

Plattform Patient:<strong>in</strong>nensicherheit<br />

<strong>2023</strong><br />

November<br />

06. November<br />

PHARMIG Academy,<br />

14. Rare Diseases Dialog<br />

Thema: Drehscheibe<br />

Expertisezentren<br />

09. November<br />

Eröffnung <strong>der</strong> mobilen<br />

Ausstellung PharmaLAB im<br />

Technischen Museum Wien<br />

81


•<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smanager<br />

<strong>2023</strong><br />

•<br />

82


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Canan Aytek<strong>in</strong><br />

Generaldirektor-Stellvertreter<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> PV<br />

Katja Bühler<br />

Wissenschaftliche Leiter<strong>in</strong> des<br />

COMET-Kompetenzzentrums VRVis<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Die Akteur:<strong>in</strong>nen am <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>smarkt<br />

s<strong>in</strong>d laufend gefor<strong>der</strong>t, rasch <strong>und</strong> wirksam<br />

auf Herausfor<strong>der</strong>ungen zu reagieren. Auf<br />

lange Sicht wird es notwendig se<strong>in</strong>,<br />

praktikable Lösungsansätze für anstehende<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen zu erarbeiten. Dabei ist<br />

es von großer Bedeutung, mehr Menschen<br />

für Jobs im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich, vor allem<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Rehabilitation, zu begeistern. Bei all<br />

den Bemühungen um die Bewältigung von<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen müssen aber stets die<br />

Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>der</strong><br />

Überlegungen gerückt werden. Nur so kann<br />

es gel<strong>in</strong>gen, e<strong>in</strong> nachhaltiges <strong>und</strong> an den<br />

realen Bedürfnissen <strong>der</strong> Betroffenen<br />

ausgerichtetes Behandlungsumfeld zu<br />

schaffen.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Bei <strong>der</strong> Versorgung von Patient:<strong>in</strong>nen ist es<br />

wesentlich, e<strong>in</strong> optimales Zusammenspiel<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Versorgungsstationen<br />

sicherzustellen. Durch den gezielten E<strong>in</strong>satz<br />

digitaler Lösungen kann dazu beigetragen<br />

werden, dass Versorgungslücken für<br />

bestimmte Zielgruppen geschlossen<br />

werden. Gleichzeitig ist es möglich, viele<br />

H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>prozesse zu automatisieren, um<br />

e<strong>in</strong>e effizientere Vorgehensweise im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen zu generieren.<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Gute <strong>und</strong> zuverlässige <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mehr <strong>und</strong> mehr datengetriebenen<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft das A <strong>und</strong> O.<br />

Fragen nach Qualität, Anonymität,<br />

Zugänglichkeit <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationaler<br />

Homogenisierung von Daten werden das<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swesen <strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />

stark beschäftigen. Selbiges gilt auch für<br />

bildgebende Verfahren. In diesen Bereichen<br />

wird die mediz<strong>in</strong>ische Informatik mit<br />

maßgeschnei<strong>der</strong>ten Visualisierungsmethoden<br />

sowie Methoden <strong>der</strong> künstlichen Intelligenz<br />

(KI) sehr viel leisten.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Das <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem wird immer mehr<br />

von Daten def<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> geformt. Wie wir<br />

gesehen haben, gibt uns das sehr viele<br />

Chancen, um als <strong>in</strong>ternationale Forschungscommunity<br />

geme<strong>in</strong>sam schneller<br />

<strong>und</strong> zielgerichteter an Lösungen zu<br />

kommen. Als KI-Expert<strong>in</strong> kann ich <strong>in</strong><br />

größter Deutlichkeit sagen: Datenbasierte<br />

Lösungen s<strong>in</strong>d immer nur so gut wie die<br />

Daten, auf denen sie beruhen. Hier muss<br />

man also unbed<strong>in</strong>gt ansetzen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>erseits<br />

nach wie vor e<strong>in</strong> größeres Bewusstse<strong>in</strong><br />

schaffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits auch <strong>in</strong>ternational<br />

noch stärkeren Austausch <strong>und</strong> Kooperationen<br />

anstreben.<br />

83


GESUNDHEITSMANAGERINNEN UND GESUNDHEITSMANAGER <strong>2023</strong><br />

Renée Gallo-Daniel<br />

Über 30 Jahre Erfahrung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

pharmazeutischen Industrie, Generalsekretär<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> Präsident<strong>in</strong> des ÖVIH<br />

Julian M. Hadschieff<br />

Grün<strong>der</strong> <strong>und</strong> Eigentümer <strong>der</strong> Humanocare<br />

Gruppe, stellvertreten<strong>der</strong> Universitätsratsvorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>ischen Universität<br />

Innsbruck <strong>und</strong> Präsident des <strong>Österreich</strong>ischen<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tensportverbands<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie<br />

wichtig schnelle Impfstoffentwicklung ist,<br />

um die Ausbreitung von Krankheiten<br />

e<strong>in</strong>zudämmen. E<strong>in</strong>e große Anzahl an<br />

Impfstoffkandidaten für unterschiedliche<br />

Impf<strong>in</strong>dikationen bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Entwicklung<br />

– sie können uns zukünftig auch vor<br />

Krankheiten schützen, gegen die es aktuell<br />

ke<strong>in</strong>en Impfschutz gibt. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

wird die Nutzung von Technologie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft weiter zunehmen:<br />

Telemediz<strong>in</strong>, digitale <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sakten <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>e <strong>in</strong>novative Ansätze haben an<br />

Bedeutung gewonnen <strong>und</strong> werden auch <strong>in</strong><br />

Zukunft e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen. Die<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft wird <strong>in</strong> den<br />

nächsten Jahren verstärkt auf Prävention,<br />

Immunisierungen wie Impfungen <strong>und</strong><br />

digitale Innovationen setzen.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Impfen ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten primärpräventiven<br />

Maßnahmen: Es ist nicht nur<br />

kosteneffektiv, es vermeidet auch erhebliches<br />

Leid. Wichtig ist, die Durchimpfungsraten<br />

<strong>in</strong> <strong>Österreich</strong> zu erhöhen, um diese<br />

positiven Effekte zu vermehren! Dazu<br />

braucht es geeignete Impfkonzepte.<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Was wir nach <strong>der</strong> Pandemie verstärkt<br />

erleben, ist das vermehrte Fragen nach dem<br />

S<strong>in</strong>n des täglichen Tuns. Menschen möchten<br />

e<strong>in</strong>en unmittelbaren Mehrwert o<strong>der</strong><br />

nachhaltigen Nutzen im Job leisten. Daher<br />

ist es außerordentlich wichtig, dass<br />

Arbeitgeber*<strong>in</strong>nen sich <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Attraktivierung des Pflege- <strong>und</strong><br />

Mediz<strong>in</strong>bereichs stellen.<br />

E<strong>in</strong>e große Chance stellt hier vor allem die<br />

Digitalisierung dar. Diese ermöglicht e<strong>in</strong>e<br />

raschere Informationsweitergabe, die<br />

Verarbeitung großer Datenmengen <strong>und</strong><br />

unterstützt sowohl Patient:<strong>in</strong>nen wie auch<br />

Personal mit technischen Devices. Dadurch<br />

können personelle Ressourcen geschont<br />

<strong>und</strong> die Leistungsangebote somit deutlich<br />

verbessert werden. Pflege <strong>und</strong> Mediz<strong>in</strong><br />

brauchen daher die Verknüpfung von<br />

Digitalisierung <strong>und</strong> menschlicher Zuwendung.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Wir müssen durchgängige Versorgungsketten<br />

etablieren sowie die prä- <strong>und</strong> poststationäre<br />

Versorgung besser mit dem Akutbereich<br />

verzahnen. Dafür gilt es, mehr<br />

Menschen für den <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbereich zu<br />

begeistern <strong>und</strong> durch attraktive Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

zu halten.<br />

84


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

Nad<strong>in</strong>e Nehme<br />

Mitbegrün<strong>der</strong><strong>in</strong> des Start-ups<br />

Medicus AI<br />

Tanja Stamm<br />

Professor<strong>in</strong> <strong>und</strong> Institutsleiter<strong>in</strong> für Outcomes<br />

Research an <strong>der</strong> MedUni Wien, Leiter<strong>in</strong> des<br />

Ludwig Boltzmann Instituts für Arthritis <strong>und</strong><br />

Rehabilitation<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sbranche entwickelt sich<br />

unablässig, <strong>und</strong> die Pandemie hat dies<br />

beschleunigt. In den nächsten Jahren<br />

dürfen wir uns auf e<strong>in</strong>ige Trends e<strong>in</strong>stellen,<br />

beg<strong>in</strong>nend bei <strong>der</strong> Stärkung von Infrastruktur,<br />

Ressourcen <strong>und</strong> Protokollen zur<br />

Bewältigung künftiger Pandemien über den<br />

E<strong>in</strong>satz digitaler <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>stechnologien<br />

wie Telemediz<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Remote Patient<br />

Monitor<strong>in</strong>g bis h<strong>in</strong> zu Lieferkettenmanagement<br />

<strong>und</strong> präventiver, ganzheitlicher<br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Das universelle <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem <strong>in</strong><br />

<strong>Österreich</strong> gilt als hochwertig, doch gibt es<br />

Verbesserungsmöglichkeiten. Reformen<br />

s<strong>in</strong>d nötig, um Fragmentierung zu überw<strong>in</strong>den<br />

<strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>versorgung zu verbessern:<br />

In <strong>Österreich</strong> ist sie unterbesetzt <strong>und</strong><br />

unterf<strong>in</strong>anziert. Digitalisierung kann die<br />

Primärversorgung durch Vere<strong>in</strong>fachung von<br />

Telehealth-Diensten, effizientes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdatenmanagement<br />

sowie bessere<br />

Kommunikation zwischen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstleister:<strong>in</strong>nen<br />

verbessern, um den<br />

Zugang zu mediz<strong>in</strong>ischer Versorgung <strong>und</strong><br />

ihre Qualität zu verbessern.<br />

Wie wird sich die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft<br />

weltweit <strong>in</strong> den nächsten Jahren entwickeln<br />

– was lernen wir aus vergangenen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen?<br />

Die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft wird digitaler,<br />

patientenorientierter <strong>und</strong> datenbasierter.<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>äre Teams arbeiten r<strong>und</strong> um<br />

die Patient:<strong>in</strong>nen, die Versorgung erfolgt<br />

am optimalen Ort <strong>und</strong> die Kommunikation<br />

zwischen Patient:<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdienstanbietern<br />

nutzt verständliche <strong>und</strong><br />

effektive digitale Systeme.<br />

Die Patient:<strong>in</strong>nen werden zu Partner:<strong>in</strong>nen,<br />

die mitgestalten <strong>und</strong> mitentscheiden.<br />

Entscheidungen erfolgen personalisiert<br />

<strong>und</strong> datenbasiert. Aufgr<strong>und</strong> von Forschungsergebnissen<br />

aus Analysen <strong>der</strong><br />

<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sdaten werden sie mit den<br />

geeignetsten Behandlungen versorgt.<br />

Was möchten Sie im Bereich <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>swirtschaft,<br />

im <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>ssystem bzw. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>sversorgung <strong>Österreich</strong>s<br />

verän<strong>der</strong>n?<br />

Ich möchte helfen, die beschriebene<br />

Wunschliste umzusetzen. Wesentliche<br />

Schritte dorth<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d die effektive <strong>und</strong><br />

sichere Nutzung <strong>der</strong> Daten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>beziehung<br />

<strong>der</strong> Patient:<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> die Prozesse. Dies<br />

ist auch das zentrale Ziel <strong>in</strong> unserem Projekt<br />

Health Outcomes Observatory, <strong>in</strong> dem wir<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Private Public Partnership die von<br />

Patient:<strong>in</strong>nen berichteten Ergebnisdaten<br />

mit den kl<strong>in</strong>ischen Outcomes erheben <strong>und</strong><br />

analysieren.<br />

85


Fotocredits<br />

EINLEITENDE WORTE<br />

Rolf Gleißner – © Gerhard Berger<br />

Julia Guizani – © Marton Zsolt<br />

15 JAHRE JAHRBUCH – © RÜCKBLICK<br />

Gastbeitrag Bach<strong>in</strong>ger – © NÖ. Patientenanwaltschaft<br />

Gastbeitrag Czypionka – © IHS<br />

Gastbeitrag Ostermann – © R. Ettl<br />

15 JAHRE JAHRBUCH – © AUSBLICK<br />

Gastbeitrag Gressl – © Ö-Nurse Praxis für <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s-<strong>und</strong> Krankenpflege<br />

Gastbeitrag Vollbrecht/ Weißgärber beide – © Stefan Sachim<br />

Gastbeitrag Vorstandlechner – © Steffen Sa<strong>in</strong>t-Clair<br />

KAPITEL INNOVATIONEN IM GESUNDHEITSWESEN<br />

Gastbeitrag He<strong>in</strong>isch – © Peter Mayr<br />

Gastbeitrag Köszegi – © Luzia Puiu<br />

Gastbeitrag Lehner – © SVS Starmayr<br />

Gastbeitrag Ruda – © Future Health Lab<br />

Gastbeitrag Weismann – © SVC<br />

KAPITEL GESUNDHEITSVERSORGUNG IN DER ZUKUNFT<br />

Gastbeitrag Aytek<strong>in</strong> – © Christ<strong>in</strong>e Wurnig<br />

Gastbeitrag Jandl – © Julia Grandegger Head<br />

Gastbeitrag Mursch-Edlmayr – © Christian Husar<br />

Gastbeitrag Pils – © ÖRK Stefan Liewehr<br />

Gastbeitrag: Elisabeth Potzmann – © Schörg<br />

Gastbeitrag: Bernhard Wurzer – © ÖGK Gossow<br />

KAPITEL PATIENTENMITBESTIMMUNG IM SYSTEM UND ALS BETROFFENE<br />

Gastbeitrag Braunegger-Kall<strong>in</strong>ger – © Ettl<br />

Gastbeitrag Ettl – © R. Ettl<br />

Gastbeitrag Herscovici – © selpers.com<br />

Gastbeitrag Holzer – © Pro Rare Austria, R. Riedl<br />

Gastbeitrag Korosec – © Sab<strong>in</strong>e Klimpt<br />

Gastbeitrag Me<strong>in</strong>hard-Schiebel – © Katr<strong>in</strong> Schuetzenauer<br />

Gastbeitrag Wlattnig – © Land Steiermark<br />

86


GESUNDHEIT <strong>2023</strong><br />

KAPITEL WIRTSCHAFTSFAKTOR GESUNDHEIT<br />

Gastbeitrag Bajić – © Industriellenver<strong>in</strong>igung<br />

Gastbeitrag Bittschi – © Alexan<strong>der</strong> Mueller<br />

Gastbeitrag Burz – © Fotosudio Wilke<br />

Gastbeitrag Fitzgerald – © RENEZ<br />

Gastbeitrag Jaksch – © Julia Sonnleitner<br />

Gastbeitrag Kopf – © Marek Knopp<br />

Gastbeitrag Schitter – © Werner Haumer<br />

KAPITEL VERANSTALTUNGEN<br />

<strong>Jahrbuch</strong> Präsentation <strong>2023</strong> – © Sanofi<br />

Praevenire Digital Health Symposium – © Digital Health Symposium<br />

AHF Schladm<strong>in</strong>g – © Klaus Ranger/Harald Ste<strong>in</strong>er<br />

4GAMECHANGER – © Sanofi<br />

Ingo Raimon wird PHARMIG-Präsident – © Pharmig Christian Mikes<br />

Frauen <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>s Dialog GÖG – © BMSGPK Kirchmayer<br />

AHF Gaste<strong>in</strong> – © Ben Kaulfus<br />

European Health Forum Gaste<strong>in</strong> – © framez_European Health Forum Gaste<strong>in</strong><br />

Krebsforschungslauf <strong>2023</strong> – © MedUni Wien Ing Robert Harson<br />

Verleihung <strong>Österreich</strong>ischer <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>skompetenz Preis <strong>2023</strong> – © Evotion<br />

Tagung <strong>der</strong> <strong>Österreich</strong>ischen Plattform Patient<strong>in</strong>nensicherheit <strong>2023</strong> – © Manfred Seidl<br />

GESUNDHEITSMANAGER:INNEN<br />

Canan Aytek<strong>in</strong> – © Christ<strong>in</strong>e Wurnig<br />

Katja Bühler – © privat<br />

Renée Gallo-Daniel – © Chris Sauper <strong>und</strong> Komplizen<br />

Julian M. Hadschieff – © Robert Fritz<br />

Nad<strong>in</strong>e Nehme – © Medicus AI<br />

Tanja Stamm – © MedUni Wien Matern<br />

Cover Foto – © Shutterstock<br />

87

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