gab Januar 2024
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22 RHEIN-MAIN NECKAR<br />
INTERVIEW<br />
FOTO: KUBIG<br />
„ICH WERDE<br />
NICHT MÜDE!“<br />
Im Raum Gießen ist Michel Kubig<br />
eine bekannte Persönlichkeit –<br />
zum einen, weil er als Sänger regelmäßig<br />
auf vielen Bühnen zu Gast ist, und auch<br />
wegen seines Projekts „Von Handicap zu<br />
Handicap“, mit dem er anderen Menschen<br />
mit Handicaps hilft, ein selbstbestimmtes<br />
Leben zu führen. Kubig<br />
selbst ist seit seiner Kindheit auf einen<br />
Rollstuhl angewiesen und lebt heute mit<br />
seinem Mann Niklas und verschiedenen<br />
Assistenten, die ihn im Alltag unterstützen.<br />
Vor allem ist Michel Kubig aber eine<br />
Power-Person, die trotz aller Hürden<br />
seinen eigenen Weg gefunden hat.<br />
Davon erzählt der 32-jährige in unserem<br />
Interview.<br />
Michel, nach der Corona-Pause<br />
konntest du dieses Jahr endlich<br />
wieder mit deinen musikalischen<br />
Aktivitäten durchstarten. Wie hat<br />
sich das gestaltet?<br />
Ja, ich hatte dieses Jahr viele Auftritte<br />
und auch schon für <strong>2024</strong> ist vieles<br />
geplant, verschiedene CSDs, in Gießen<br />
zum Beispiel oder das Stadtfest und der<br />
Marienmarkt hier in Linden, in meinem<br />
Heimatort. Wenn alles klappt, bin ich<br />
außerdem in der Jury einer großen Talentshow<br />
in Kleve. Das sind die nächsten<br />
Termine, die jetzt schon feststehen.<br />
Wie immer voll aktiv!<br />
Wie immer voll aktiv! Und ich werde nicht<br />
müde. Ich habe eher das Gefühl, je älter<br />
ich werde, desto mehr Energie habe ich.<br />
Aber ich glaube, das liegt einfach daran,<br />
dass ich in meinem Leben mittlerweile<br />
an einem Punkt angekommen bin, wo<br />
ich weiß, was mir wichtig ist und was mir<br />
nicht so wichtig ist.<br />
Deine Behinderung hat dein Leben<br />
immer mitbestimmt; wie bist du mit<br />
Themen wie Pubertät oder Comingout<br />
umgegangen?<br />
Es war schon immer so, dass ich mir nie<br />
Gedanken gemacht habe, was andere<br />
sagen, denken oder was sie von mir<br />
halten. Das ist auch heute noch so. Ich<br />
mache grundsätzlich das, was ich möchte<br />
und wie ich es fühle. Ich habe damals<br />
einfach zu meinen Eltern gesagt, dass ich<br />
auf Männer stehe. Da waren sie natürlich<br />
verdutzt. Und ich habe gesagt: ja, ihr habt<br />
richtig gehört, ich stehe auf Männer. Ich<br />
habe das von Anfang an offen mitgeteilt<br />
und auch dafür gestanden, dass jeder<br />
Mensch die Person lieben soll, die er liebt,<br />
und dass man gegen Gefühle oder gegen<br />
bestimmte Situationen nichts machen<br />
kann und auch nicht machen soll, weil das<br />
gut ist, so wie es ist.<br />
In der Zeit als ich noch jugendlich war, war<br />
es noch gar nicht so üblich so offen zu<br />
leben. Dennoch finde ich, dass es auch<br />
heute noch mehr in die Richtung gehen<br />
muss, dass noch mehr Menschen sich<br />
öffnen dürfen und auch können.<br />
Du hattest keine queere<br />
Community in der Provinz …<br />
Gar nicht, nein. Es <strong>gab</strong> in Gießen eine<br />
kleine Bar, das Belami hier am Bahnhof, da<br />
bin ich, als ich 18 war, zum ersten Mal hin.<br />
Für mich war das schon eine komische<br />
Erfahrung, weil das meine erste Begegnung<br />
mit homosexuellen Menschen war.<br />
Vorher kannte ich auch im Freundeskreis<br />
niemanden der gleichgeschlechtlich