gab Januar 2024
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6 frankfurt<br />
DRAG<br />
FOTO: HARPY FATALE<br />
HARPY<br />
FATALE<br />
IST DIVA DELUXE 2023<br />
Mit außergewöhnlichen Looks und<br />
professionellen Dance-Skills konnte<br />
Harpy Fatale aus Berlin die Jury und das<br />
Publikum beim diesjährigen Diva Deluxe<br />
Drag-Contest überzeugen. Im Interview<br />
erzählt Harpy, wie sie zu der Person wurde,<br />
die sie heute ist.<br />
Harpy, erzähl uns ein bisschen<br />
aus deinem Leben; du warst unter<br />
anderem lange Zeit in London –<br />
wie kam es dazu?<br />
Das ist eine lange Geschichte. Ich komme<br />
ursprünglich aus Greifswald an der Ostsee.<br />
Als Kind und als Teenager habe ich<br />
viel Mobbing erfahren, in der Schule und<br />
so. Das hat mich aber auch sehr gepusht<br />
und letztendlich dazu gebracht, neue Optionen<br />
zu suchen, wie ich mich woanders<br />
entwickeln kann. Ich wollte Tänzer werden<br />
und bin nach dem Abi zuerst nach<br />
Warschau gezogen, um dann schließlich<br />
in einer Schule in Edinburgh Tanz und<br />
Choreografie zu studieren und meinen<br />
Bachelor zu machen. Das war schon<br />
immer mein Traum, aber die Gesellschaft<br />
hatte mir immer gesagt, das nicht zu tun,<br />
deswegen kam das alles so spät. Aber ich<br />
denke, wir sind alle auf unserer eigenen<br />
Reise. Die Erfahrungen, die ich vor dem<br />
Studium gesammelt habe, waren sehr<br />
hilfreich, um eine emotional erwachsene<br />
Person zu werden.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Ich habe in Edinburgh meinen damaligen<br />
Partner getroffen. Die große Liebe! Er war<br />
auch Tänzer und wir sind dann gemeinsam<br />
nach London gezogen, weil dort die Jobs für<br />
Tänzer sind. Ja, das war sehr schön und ich<br />
war zehn Jahre in London.<br />
Ich habe die ersten acht Jahre nur als<br />
Tänzer und Choreograf gearbeitet, für<br />
Musikvideos, Kurzfilme und auch als Tanzlehrer<br />
– ich unterrichte heute immer noch.<br />
Irgendwann habe ich begonnen, für die<br />
Dragqueens von Ru Paul’s Drag Race UK als<br />
Backgroundtänzer zu tanzen. Dort habe ich<br />
viele Freunde kennengelernt, das war alles<br />
ganz süß, aber ich musste halt als Tänzer<br />
auch etwas sehr Maskulines darstellen,<br />
was mir als Person eigentlich gar nicht so<br />
liegt. In London haben die Dragqueens viel<br />
Livegesang und Comedy gemacht, aber<br />
nur wenig getanzt. Und ich dachte mir: ‚Ich<br />
kann das besser‘ – und ich hatte Recht!<br />
(lacht) London ist einfach so schön, es gibt<br />
viele kleine Orte für junge Dragkünstlerinnen,<br />
wo man sich ohne Druck einfach<br />
ausprobieren kann. Und vor allem war dort<br />
auch jede Form von Drag willkommen.<br />
Wie hast du dann als Drag in London<br />
begonnen?<br />
Ich habe am Wettbewerb „Lipsync 1000“<br />
teilgenommen und bin sofort ins Finale<br />
gekommen. Ich habe zwar nicht gewonnen,<br />
aber lustigerweise hat mich eine Juroren-Person,<br />
die schwarze trans Aktivist*in Darkwah,<br />
gefragt, ob ich nicht ihre Drag-Daughter<br />
werden wolle. Darkwah hat mir auch beim<br />
Make-up geholfen, dafür hatte ich kein Talent<br />
(lacht). Aber ich wusste von Anfang an, dass<br />
ich etwas machen wollte, was von der Club-<br />
Kid-Kultur inspiriert war, die eher in Richtung<br />
Creature-Charakter geht. Ich möchte eben<br />
nicht unbedingt eine Frau darstellen.<br />
Bei Lipsync 1000 hatte ich so viel Spaß<br />
und habe viele verschiedene Facetten von<br />
Drag gesehen, weil man dort auf der Bühne<br />
alles machen konnte, was man wollte. Vom<br />
Tanzen war ich gewohnt, dass man mir sagt,<br />
was ich zu tun habe, wie ich mich darstellen<br />
soll, was ich anziehen soll. Und Drag war der<br />
totale Gegensatz: Eine kreative Explosion,<br />
nicht nur Tanz, sondern auch Fashion,<br />
Make-up und das fand ich interessant. Und<br />
vor allem habe ich meine geschlechtliche<br />
Identität, die sich damals entwickelt hat,<br />
durch Drag ausdrücken können.<br />
Ich habe dann ein paar Monate Drag gemacht,<br />
aber eher inoffiziell und nicht so<br />
ernsthaft. Ru Paul’s Drag Race hat auch<br />
die Londoner Szene extrem definiert.<br />
Natürlich auch zum Positiven, es <strong>gab</strong> zum<br />
Beispiel mehr Gigs, aber das Publikum<br />
hat dann auch etwas Bestimmtes von dir