Holzmarkt 2023/04
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14 WIRTSCHAFT<br />
WIRTSCHAFT 15<br />
Weiterführung des Waldfonds gefordert<br />
Mit aktiver Waldwirtschaft dem Klimawandel begegnen<br />
und Waldfunktionen sichern<br />
Die Österreichische Forsttagung fand heuer in Hall in Tirol. Von 22. bis 23. Juni drehte sich alles um den Wald und seine<br />
vielfältigen Funktionen – und vor allem um die Rolle, die er im Kampf gegen die Klimakrise spielt. Neben Diskussionen über<br />
die richtige Nutzung und Bewirtschaftung sowie den Umbau in klimafitte Wälder wurde auch Kritik an der EU-Waldpolitik laut.<br />
„Waldwirtschaft – quo vadis?“, fragte Johannes<br />
Wohlmacher, Präsident Österreichischer Forstverein,<br />
bei seiner Willkommensrede. Gleichzeitig stellt<br />
er die Frage, ob nicht der Weg das Ziel sei, und ob<br />
man überhaupt wisse, welchen Weg man gehen<br />
müsse bei der Multifunktionalität des Waldes und<br />
seiner Bewirtschaftung. Spannende Fragen, auf die<br />
die TeilnehmerInnen der Österreichischen Forsttagung<br />
<strong>2023</strong> versuchten, Antworten zu finden.<br />
Arbeitsplatz und Einkommensquelle, grüne Lunge,<br />
Lebensversicherung, Energielieferant sowie Erholungsraum<br />
– der Wald muss vielen Ansprüchen<br />
gerecht werden. Der Klimawandel setzt dem Wald<br />
zu, gleichzeitig ist der Wald Teil der Lösung der Klimakrise<br />
und auch der Energiewende. Was das für die<br />
Zukunft der Waldwirtschaft bedeutet, wurde bei der<br />
diesjährigen Österreichischen Forsttagung in Hall<br />
in Tirol diskutiert. Und dabei sind sich alle einig: Die<br />
Devise lautet „schützen durch nützen“.<br />
„Es gibt nun auf europäischer Ebene starke Bestrebungen<br />
den Wald vorrangig als Kohlenstoffspeicher<br />
zu sehen. Die Außernutzungstellung großer<br />
Waldflächen gilt als einzig wahre Lösung gegen den<br />
Klimawandel. Das wird nicht funktionieren. Wald ist<br />
mehr. Nur durch aktive Waldbewirtschaftung und<br />
der Möglichkeit, damit Einkommen zu erzielen, gelingt<br />
uns der Schutz der Bäume und der Umbau zu<br />
klimaresilienten Wäldern“, so Landwirtschaftsminister<br />
Norbert Totschnig.<br />
Bergwald nützen und dadurch schützen<br />
Fast die Hälfte Österreichs ist mit Wald bedeckt, Tirol<br />
hat einen Waldanteil von mehr als 40 Prozent an<br />
der Landesfläche. Die Schutzfunktion des Waldes<br />
ist in Tirol von besonders hoher Bedeutung. Rund<br />
70 Prozent der Tiroler Wäldern sind Schutzwald,<br />
österreichweit liegt der Anteil bei 40 Prozent. „Die<br />
Bestrebungen der EU, was den Wald anlangt, gehen<br />
vor allem auch für Tirol in die falsche Richtung.<br />
Nutzungsbeschränkungen und Flächenstilllegungen<br />
sind für den Tiroler Wald insgesamt und auch für den<br />
Klimaschutz und die Energiewende kontraktproduktiv“,<br />
bekräftigt LHStv Josef Geisler und nennt als Beispiel<br />
Osttirol.<br />
In Osttirol haben Schadereignisse und nachfolgend<br />
der Borkenkäfer den Wald und seine Schutzfunktion<br />
großflächig in Mitleidenschaft gezogen<br />
haben. „Wir können den Wald nicht sich selbst überlassen.<br />
Wir müssen aktiv eingreifen, um die Schutzfunktion<br />
so schnell wie möglich wiederherzustellen.“<br />
1,2 Millionen klimafitte Bäume werden heuer alleine<br />
in Osttirol aufgeforstet.<br />
Eingriffe nach Schadereignissen unerlässlich<br />
Auch im Sinne des Klimaschutzes ist eine aktive<br />
und nachhaltige Waldbewirtschaftung unerlässlich.<br />
Rund 100 Millionen Tonnen Kohlenstoff sind<br />
im Tiroler Wald in Holz, Blättern, Wurzeln und im<br />
Waldboden gespeichert. Wenn Wälder jedoch durch<br />
Stürme, Schneebruch oder auch Brände und Schädlinge<br />
großflächig zerstört werden, wird der gespeicherte<br />
Kohlenstoff bei der Zersetzung des Holzes<br />
freigesetzt. „Auch deshalb ist es wichtig, Schadholz<br />
schnell aufzuarbeiten und mit klimafitten Bäumen<br />
aufzuforsten.“<br />
Umbau in klimafitte, bunte Mischwälder im Gange<br />
Bedeutet das, Waldwirtschaft weiter wie bisher?<br />
„Nein“, lautet die klare Antwort von Tirols Forstreferent<br />
LHStv Geisler, „wir müssen alles daransetzen,<br />
unsere Wälder in klimafitte Bergwälder umzubauen.“<br />
Seit drei Jahren werden die Aktivitäten in Tirol<br />
für einen klimafitten Bergwald intensiviert. Das Motto<br />
dabei: Vielfalt statt Einfalt. „Knapp zehn Prozent<br />
des Tiroler Waldes sind so genannte ‚klimasensible<br />
Waldgebiete‘, also Wälder in trockenen und tiefen<br />
Lagen unter 1.000 Meter Seehöhe“, weiß Kurt Ziegner,<br />
Vorstand der Abteilung Forstplanung und Präsident<br />
des Tiroler Forstvereins. Der Anteil der Mischbaumarten<br />
bei Aufforstungen liegt in Tirol aktuell bereits<br />
bei mehr als 50 Prozent. Vor zehn Jahren war es ein<br />
Drittel.<br />
Multifunktionale Bewirtschaftung<br />
Veranstaltet wird die Österreichische Forsttagung<br />
„Waldwirtschaft – quo vadis?“ vom Österreichischen<br />
Forstverein. Dessen Präsident Johannes Wohlmacher<br />
verweist auf das Referat von Harald Mauser vom<br />
Europäischen Forstinstitut zur Vielfalt an EU-Politiken,<br />
die sich auf die Bewirtschaftung des Waldes<br />
auswirken: „Der Green Deal will die Herausforderungen<br />
des Klimawandels meistern. Leider gibt es dabei<br />
aber Zielkonflikte, die gelöst werden müssen. Die in<br />
Österreich gelebte und bewährte multifunktionale<br />
Bewirtschaftung der Wälder muss in der waldbezogenen<br />
EU-Politik berücksichtigt werden.“<br />
Die konkrete Forderung von Johannes Wohlmacher<br />
dazu lautet: „Die gezielte Verjüngung überalterter<br />
Wälder mit klimafitten Baumarten ist das Gebot<br />
der Stunde. Denn junge Wälder nehmen am meisten<br />
Kohlendioxyd (CO2) auf und haben die beste Kohlenstoffbilanz.<br />
Leider stehen dem nur allzu oft überhöhte<br />
Wildstände entgegen. Hier bedarf es eines Umdenkens,<br />
einer Neuorientierung der Jagd, die mit der<br />
überfälligen Regulierung der Schalenwildbestände<br />
ihren Beitrag leisten muss.“<br />
Forsttagung in Hall in Tirol: Von links Kurt Ziegner,<br />
Vorstand Landesabteilung Forstplanung und Präsident<br />
Tiroler Forstverein, Landwirtschaftsminister Norbert<br />
Totschnig, LHStv Josef Geisler, Johannes Wohlmacher,<br />
Präsident Österreichischer Forstverein.<br />
Foto: Land Tirol/Entstrasser-Müller<br />
Scharfe Kritik an einer spürbaren Anti-Waldfonds-Kampagne in diversen Medien üben der Präsident der LK Österreich und<br />
Obmann des Waldverbands Vorarlberg, Josef Moosbrugger, und der Geschäftsführer des Österreichischen Waldverbandes,<br />
Martin Höbarth. Sie stellen dar, wie schwierig bis unmöglich es für viele Forstbetriebe in der Klimakrise ist, die mit<br />
Wiederaufforstung und Waldpflege verbundenen Kosten im Alleingang zu stemmen. Angesichts der auseinanderklaffenden<br />
Preis-Kosten-Schere fordern sie dringend eine Fortführung des Waldfonds, um unverzichtbare Schutzwirkungen und<br />
Funktionen der Wälder aufrecht erhalten zu können.<br />
„In den vergangenen Tagen war etwa in einem Artikel<br />
einer Tageszeitung zu lesen, dass es Österreichs<br />
Waldbesitzern blendend gehe. Dies hat zu einem<br />
extremen – um im Waldjargon zu bleiben – ‚Aufbäumen‘<br />
unserer Branche mit zahlreichen entrüsteten<br />
Anrufen geführt. Tatsache ist, dass unsere in Generationen<br />
denkenden Familien-Waldbetriebe seit vielen<br />
Jahren massiv unter der Klimakrise leiden. Diese<br />
schwächt unsere Baumbestände durch immer häufiger<br />
auftretende und längere Dürrephasen, macht sie<br />
anfälliger für Schädlinge oder gefährdet sie durch<br />
immer heftigere Stürme, wie die vergangenen Tage<br />
wieder leidvoll gezeigt haben“, berichtet Höbarth<br />
Ende Juli.<br />
Preis-Kosten-Schere klafft auseinander<br />
„Mittlerweile ist dies nicht mehr die Ausnahme,<br />
sondern ein Dauerzustand, der eine planbare Waldbewirtschaftung<br />
unmöglich macht. Die massiven<br />
Schadholzereignisse führen nicht nur zu hohen<br />
Wertverlusten, sondern auch zu einem allgemeinen<br />
Verfall der Rundholzpreise, wohingegen die Kosten<br />
für die Holzernte beziehungsweise ‚Aufräumarbeiten‘<br />
steigen. Viele betroffene Betriebe sind dadurch<br />
wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, die mit einer<br />
Wiederaufforstung und Waldpflege verbundenen<br />
Kosten im Alleingang zu stemmen. Umso dramatischer,<br />
wenn es sich um Wald handelt, der unsere<br />
Siedlungen und Verkehrsinfrastruktur schützen soll.<br />
Dies trifft immerhin auf rund 16 Prozent des österreichischen<br />
Waldes zu“, hebt der Geschäftsführer des<br />
Waldverbandes hervor. „Wenn wir einen Euro rechtzeitig<br />
in die Anpassung des Schutzwaldes an den<br />
Klimawandel investieren, sparen wir zehn Euro für<br />
die Wiederherstellung des Waldes beziehungsweise<br />
100 Euro, die für technische Schutzmaßnahmen notwendig<br />
wären. Die finanziellen Unterstützungen der<br />
Bundesregierung dienen daher auch wesentlich dem<br />
Schutz von Siedlungen und unser aller Sicherheit“,<br />
erklärt Moosbrugger.<br />
Moosbrugger: Unverzichtbare Waldwirkungen für<br />
Gesellschaft erhalten<br />
„Aber es geht um mehr, es geht um den gesamten<br />
Wald in Österreich und damit um unser aller Zukunft.<br />
Bei der in rasanter Geschwindigkeit ablaufenden Klimaverschlechterung<br />
für unsere Wälder dürfen wir<br />
nicht tatenlos zuschauen und auf eine natürliche<br />
Anpassung hoffen, im Gegenteil. Wir müssen proaktiv<br />
in den Wald investieren und so unsere natürliche<br />
Klimaanlage stärken. Und der Wald soll auch in<br />
Zukunft den wunderbaren Rohstoff Holz liefern, der<br />
uns hilft, den Klimasünder Nummer 1, die fossilen<br />
Energieträger und Rohstoffe, zu ersetzen“, so der<br />
LKÖ-Präsident und weiter: „Der mit 350 Millionen<br />
Euro dotierte Waldfonds unterstützt die Waldbesitzerinnen<br />
und Waldbesitzer bei dieser Herkulesaufgabe,<br />
einem Jahrhundertprojekt. Die Regierung hat<br />
den Waldfonds somit primär dazu geschaffen, die unverzichtbaren<br />
Wirkungen des Waldes für die Gesellschaft<br />
aufrecht zu erhalten, denn wir alle brauchen<br />
den Wald.“<br />
„Wer meint, dass 350 Millionen Euro über insgesamt<br />
fünf Jahre verteilt, eine ‚üppige Förderung‘<br />
wären, dem sei vor Augen gehalten, dass der finanzielle<br />
Schaden für die Waldbesitzerinnen und -besitzer<br />
allein in den drei Dürrejahren 2017 bis 2019 über<br />
420 Millionen Euro betrug. Außerdem muss jeder,<br />
der eine geförderte Maßnahme umsetzen will, einen<br />
erheblichen Eigenanteil stemmen. Und von den<br />
350 Millionen Euro werden auch erhebliche Mittel<br />
für die wichtige Wald-Klimaforschung und für Maßnahmen<br />
in Nationalparken und so weiter eingesetzt“,<br />
betont Höbarth.<br />
Forstwirtschaftliche Gesamtrechnung sagt nichts<br />
über einzelbetriebliche Gewinne aus<br />
DI Martin Höbarth, Geschäftsführer Waldverband<br />
Österreich und Abteilungsleiter für Forst- und<br />
Holzwirtschaft, Energie, LK Österreich<br />
„Keineswegs ‚astrein‘ ist auch die in der Tageszeitung<br />
dargestellte Gewinn- beziehungsweise Profitdarstellung.<br />
Faktum ist, dass die Forstwirtschaft aufgrund<br />
der Klimakrise einem äußerst volatilen Markt unterworfen<br />
ist. Eine konstante Entwicklung von Nachfrage<br />
und Preisen wäre für alle, auch für die Bürgerinnen<br />
und Bürger besser. Die Forstwirtschaft muss in<br />
Zeiträumen von mehreren Jahrzehnten kalkulieren.<br />
Was sagt daher eine einjährige Betrachtung über<br />
die wirtschaftliche Lage eines Forstbetriebes aus?<br />
Faktum ist auch, dass die forstwirtschaftliche Gesamtrechnung<br />
der Statistik Austria wenig bis nichts<br />
mit tatsächlich abgeholten Erlösen beziehungsweise<br />
Gewinnen von Einzelbetrieben zu tun hat – also wer<br />
wie viel verdient hat. Ökosystemleistungen, wie zum<br />
Beispiel die Klimaschutzleistung des Waldes, werden<br />
bisher übrigens gar nicht abgegolten“, so der<br />
Waldverband-Geschäftsführer.<br />
„Derzeit befinden sich die Rundholzpreise quasi<br />
im freien Fall, weil Stürme und Borkenkäfer wieder<br />
einmal zu einem ungeplanten Zwangsanfall von Holz<br />
führen. Gleichzeitig ist die Auftragslage in der Bauwirtschaft<br />
rückläufig, was die Nachfrage nach Bauholz<br />
einbrechen lässt. Viele überlegen daher, aus der<br />
Forstwirtschaft auszusteigen oder ihre Flächen dem<br />
Zufall zu überlassen. Dabei sollten wir das Klimaschutz-Potenzial<br />
unserer Wälder keinesfalls brachliegen<br />
lassen, sondern vielmehr verstärkt nutzen. Es<br />
wächst nach wie vor mehr Holz in unseren Wäldern<br />
nach, als genutzt wird“, hebt Moosbrugger hervor.<br />
Waldfonds als unverzichtbare Zukunftsinvestition<br />
weiterführen<br />
„Die Anti-Waldfonds-Kampagne, die derzeit in verschiedensten<br />
Medien durchbricht, ist brandgefährlich.<br />
Der Waldfonds ist aus einer ganzen Reihe von<br />
Gründen eine unverzichtbare Zukunftsinvestition<br />
zum Wohle der gesamten Gesellschaft und sollte<br />
dringend fortgeführt und ausgebaut werden. Er ist<br />
eben keine Förderung zur Einkommensverbesserung<br />
der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, sondern<br />
eine Investitionsunterstützung für klimafitte<br />
Walderneuerung. Wie hieß es einmal in einer Initiative<br />
des für Wald zuständigen Ministeriums: W.A.L.D.<br />
– Wir Alle Leben Davon“, fordern Moosbrugger und<br />
Höbarth unisono. (LKÖ).<br />
Josef Moosbrugger, Präsident der LK Österreich und<br />
Obmann des Waldverbands Vorarlberg<br />
Fotos: LKÖ, APA/Schedl<br />
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