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DER BIEBRICHER, Nr. 386, Januar 2024

Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich

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1150 Jahre – Biebrichs erste schriftliche Erwähnung<br />

im Jahr 874<br />

„Im Monat Juli aber kam er von<br />

Bayern nach Frankfurt und zog<br />

nach kurzer Zeit weiter. Bei dem<br />

Landgut Biebrich („apud villam<br />

biburg“) bestieg er die Schiffe und<br />

reiste nach der Pfalz in Aachen<br />

weiter.“ In dieser kurzen und in<br />

lateinischer Sprache verfassten<br />

Notiz zum Jahre 874 findet sich<br />

die erste schriftliche Erwähnung<br />

des Namens „Biebrich“ („biburg“).<br />

Eine zeitlich frühere Erwähnung<br />

Biebrichs ist nicht bekannt.<br />

Biebrichs „offizieller Geburtsmonat“<br />

ist der Juli des Jahres 874. Wie<br />

die Eintragung eines unbekannten<br />

Schreibers in den „Annales Fuldenses“<br />

(„Fuldaer Jahrbücher“)<br />

berichtet, war der damalige Landesherr<br />

König Ludwig aus Bayern<br />

nach Frankfurt gekommen, wo<br />

er sich in der dortigen Pfalz eine<br />

Weile aufhielt. Von Frankfurt aus<br />

zog er mit seinem Gefolge weiter,<br />

weil er nach Aachen wollte.<br />

Er kam zunächst bis nach Biebrich.<br />

Dort konnte er mit seinen<br />

Begleitern Schiffe besteigen, um<br />

schließlich seinen Weg bis nach<br />

Aachen fortzusetzen. So steht es<br />

in der Chronik, so ist es dort uns<br />

überliefert.<br />

Bei den „Annales Fuldenses“ handelt<br />

es sich um eine Reichschronik,<br />

in der von verschiedenen Schreibern<br />

die wesentlichen Ereignisse<br />

aus der Zeit von 714 bis 901 festgehalten<br />

wurden. Der Name „Fuldaer<br />

Jahrbücher“ kommt daher,<br />

dass man geglaubt hatte,<br />

Mönche aus dem damals<br />

bedeutenden Benediktinerkloster<br />

in Fulda<br />

hätten die Chronik geschrieben.<br />

Gastbeitrag<br />

von Rolf<br />

Faber<br />

Landesherr war im Jahre 874<br />

König Ludwig. Er war ein Enkel<br />

Karls des Großen und ein Sohn<br />

Kaiser Ludwigs des Frommen. König<br />

Ludwig regierte als König von<br />

840 bis 876. Er hat später den Beinamen<br />

„der Deutsche“ erhalten.<br />

Aus seinem Territorium ging das<br />

Heilige Römische Reich deutscher<br />

Nation hervor. Bei den Auseinandersetzungen<br />

um das Erbe Karls<br />

des Großen hatte er das sogenannte<br />

Ostreich, das Land östlich<br />

des Rheins mit Bayern, Schwaben,<br />

Thüringen, Sachsen und Franken<br />

erhalten. Das Westreich, aus dem<br />

Frankreich hervorging, erhielt sein<br />

Stiefbruder Karl der Kahle; das<br />

Mittelreich fiel an den ältesten<br />

Bruder Lothar II.<br />

Eine feste Residenz gab es damals<br />

noch nicht; die Zeiten waren viel<br />

zu unsicher. Regiert wurde<br />

damals „vom Pferd“ aus,<br />

das heißt um das Land<br />

zusammen zu halten,<br />

musste der König ständig<br />

durch das Land ziehen,<br />

um seine Macht nach<br />

außen hin zu demonstrieren.<br />

So zog er von einer Pfalz (burgähnliche<br />

Palastanlage) zur anderen<br />

beziehungsweise von einem<br />

Kloster zum nächsten. Nur dort<br />

konnte er mit dem Hof, der ihn<br />

begleitete, unterkommen. Selbstverständlich<br />

bildeten sich gewisse<br />

Machtzentren heraus. Der König<br />

hatte gewisse Vorlieben, wo es<br />

ihm besonders gefiel. Im Süden<br />

war dies Regensburg und am Main<br />

– gewissermaßen in der Mitte des<br />

Landes – Frankfurt. Wie in den<br />

„Annales Fuldenses“ berichtet<br />

wird, bewegte sich König Ludwig<br />

mit seinem Gefolge im Laufe des<br />

Jahres zwischen diesen Zentren.<br />

In Aachen saß sein Stiefbruder<br />

Karl in der Pfalz Karls des Großen.<br />

Dorthin wollte Ludwig reisen, um<br />

mit ihm „über vorhandene Streitigkeiten<br />

zu beraten.“<br />

Die Beschreibung des Weges von<br />

Frankfurt aus an den Rhein bei<br />

Biebrich weist darauf hin, dass der<br />

Ort „biburg“ im 9. Jahrhundert bekannt<br />

war. Hier befand sich eine<br />

günstig gelegene Schiffsanlegestelle,<br />

an der Schiffe anlegen und<br />

abfahren konnten, die auf dem<br />

Rhein nicht nur Personen, sondern<br />

auch Waren befördern konnten.<br />

Zu der Schiffsanlegestelle gehörte<br />

auch eine rechtsrheinisch gelegene<br />

Straße, die von Frankfurt aus<br />

bis nach Biebrich führte. Dass in<br />

„biburg“ Menschen wohnten, die<br />

in der Lage waren, die Schiffe auf<br />

dem Fluss zu führen, davon ist<br />

auszugehen.<br />

ARCHIV ROLF FABER<br />

Eine Ansicht der „Annales Fuldenses“ aus der Österreichischen Nationalbibliothek mit den Eintragungen des Jahres 874:<br />

Auf der linken Seite unten ist die Ersterwähnung Biebrichs „... apud villam biburg ...“ zu sehen.<br />

Biebrich wird in<br />

den „Annales Fuldenses“<br />

als „villa“<br />

bezeichnet. Darunter<br />

hat man<br />

sich ein landwirtschaftliches<br />

Gut<br />

vorzustellen, ein<br />

größeres Anwesen<br />

mit einem Haus<br />

aus Steinen, dem<br />

Fronhof, und daneben<br />

Scheunen<br />

und Ställe. Daneben<br />

standen einige<br />

Lehmhütten, in denen<br />

diejenigen lebten,<br />

die das Land<br />

bewirtschafteten<br />

und das Vieh hüteten.<br />

Die Häuser lagen<br />

auf der Anhöhe,<br />

etwa dort, wo<br />

heute das Nachb<br />

a r s c h a f t s h a u s<br />

steht. Hier waren<br />

die Bewohner vor<br />

den Überschwemmungen<br />

des noch<br />

u n g e r e g e l t e n<br />

Rheins geschützt.<br />

6 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / JANUAR <strong>2024</strong>

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