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tipBerlin Bühnenvorschau Frühjahr/Sommer 2024

20 Jahre Neuer Circus im Chamäleon Theater, 30 Jahre Performancekollektiv Gob Squad, 100 Jahre Theater am Kurfürstendamm – allerhand Jubiläen ganz unterschiedlicher Art gilt es in diesem Jahr zu feiern. Und natürlich hält die Spielzeit auch wieder spannende Premieren, Festivals und Irritationen bereit, etwa wenn das Musiktheaterkollektiv glanz&krawall an den Säulen der Hochkultur sägt.

20 Jahre Neuer Circus im Chamäleon Theater, 30 Jahre Performancekollektiv Gob Squad, 100 Jahre Theater am Kurfürstendamm – allerhand Jubiläen ganz unterschiedlicher Art gilt es in diesem Jahr zu feiern. Und natürlich hält die Spielzeit auch wieder spannende Premieren, Festivals und Irritationen bereit, etwa wenn das Musiktheaterkollektiv glanz&krawall an den Säulen der Hochkultur sägt.

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KLASSIK<br />

Kunst und<br />

Politik<br />

Das Musiktheaterkollektiv<br />

Hauen und Stechen bringt<br />

John Adams Minimal-Music-<br />

Klassiker „Nixon in China“<br />

auf die Bühne der Deutschen<br />

Oper – und durchbricht<br />

dabei die vierte Wand und<br />

viele Konventionen<br />

Text: Ronald Klein<br />

Seit zwölf Jahren mischen Julia Lwowski (o. li.) und Franziska Kronfoth (u. re.)<br />

mit Hauen und Stechen die Musiktheaterszene auf<br />

Das von den Opernregisseurinnen<br />

Julia Lwowski und Franziska<br />

Kronfoth 2012 ins Leben<br />

gerufene Kollektiv Hauen und Stechen<br />

wirkt wie eine Frischzellenkur für das<br />

Musikthea ter: Genre- und Gattungsgrenzen<br />

wurden lustvoll gesprengt<br />

sowie überholte Rollenklischees<br />

seziert.<br />

Im Juni widmen sich nun Lwowski<br />

und Kronfoth einem zeitgenössischen<br />

Werk: Der US-amerikanische Komponist<br />

John Adams schrieb 1987 die<br />

Partitur zu „Nixon in China“ (Libretto:<br />

Alice Goodman). Die Oper thematisiert<br />

ein reales Ereignis: den ersten Besuch<br />

eines US-amerikanischen Präsidenten<br />

in der Volksrepublik China im Jahr<br />

1972. Die Inszenierung versucht, mehrere<br />

hochaktuelle Ebenen miteinander<br />

zu verbinden, die mit der Kraft der<br />

Bilder einhergehen: Wie wird Politik<br />

inszeniert? Und welche Politik steckt<br />

hinter der Inszenierung? Vordergründig<br />

hat die Fabel des Werks etwas mit<br />

der Situa tion in dem kommunistischen<br />

Land zu tun. „Aber eigentlich<br />

sagt es viel mehr über die USA aus“,<br />

betont Lwowski. „Es kommt vermeintlich<br />

kritisch daher, aber es ist ein sehr<br />

patrio tisches Stück.“<br />

Treibende Kraft der Kulturrevolution<br />

Richard Nixon und seine Frau Pat besuchten<br />

gemeinsam Mao Zedong und<br />

dessen Gattin Jiang Qing. Die ehemalige<br />

Schauspielerin war eine treibende<br />

Kraft der Kulturevolution zwischen<br />

1966 und 1976. Das Paradox, Kunst der<br />

Politik unterzuordnen, bildet in der<br />

Hauen & Stechen-Inszenierung einen<br />

spannenden Subtext. Zugleich hebt<br />

Kronfoth hervor, dass der Raum, der<br />

Adams den weiblichen Figuren einräume,<br />

außergewöhnlich wirke. „Als wir<br />

damals anfingen, Theater und Oper zu<br />

machen, ging es auch darum, männliche<br />

Projektionen auf weibliche Figuren<br />

zu brechen, ihnen eine neue Perspektive<br />

zu geben“, sagt die Regisseurin.<br />

Lwowski ergänzt: „Dass sich Jiang Qing<br />

derart von der Macht korrumpieren<br />

ließ, ist nicht geschlechtsinhärent. Das<br />

passiert Männern und Frauen gleichermaßen.“<br />

Während sich beide Präsidentenpaare<br />

am Ende nostalgisch in der Vergangenheit<br />

verlieren, fragt Zhou Enlai,<br />

ein Mitstreiter Maos, am Ende der Oper:<br />

„How much of what we did was good?“<br />

Es scheint, dass er ausspricht, was die<br />

Eliten hätten reflektieren sollen. Eine<br />

Frage, die auch heute enorme Relevanz<br />

besitzt.<br />

Deutsche Oper Bismarckstr. 35,<br />

Charlottenburg, Premiere: 22.6., 18 Uhr.<br />

weitere Termine bis 12.7., 20–136 €,<br />

deutscheoperberlin.de<br />

Foto: Hauen und Stechen<br />

10 tip Berlin Bühne <strong>Frühjahr</strong> <strong>2024</strong>

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