tipBerlin Bühnenvorschau Frühjahr/Sommer 2024
20 Jahre Neuer Circus im Chamäleon Theater, 30 Jahre Performancekollektiv Gob Squad, 100 Jahre Theater am Kurfürstendamm – allerhand Jubiläen ganz unterschiedlicher Art gilt es in diesem Jahr zu feiern. Und natürlich hält die Spielzeit auch wieder spannende Premieren, Festivals und Irritationen bereit, etwa wenn das Musiktheaterkollektiv glanz&krawall an den Säulen der Hochkultur sägt.
20 Jahre Neuer Circus im Chamäleon Theater, 30 Jahre Performancekollektiv Gob Squad, 100 Jahre Theater am Kurfürstendamm – allerhand Jubiläen ganz unterschiedlicher Art gilt es in diesem Jahr zu feiern. Und natürlich hält die Spielzeit auch wieder spannende Premieren, Festivals und Irritationen bereit, etwa wenn das Musiktheaterkollektiv glanz&krawall an den Säulen der Hochkultur sägt.
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Staubkinder<br />
Mit der Choreografie feierte Toula<br />
Limnaios Ende des vergangenen<br />
Jahres das 25. Jubiläum ihrer Compagnie.<br />
Inspiriert von Walter Benjamins<br />
„Engel der Geschichte“ umkreisen<br />
sieben Tänzer:innen ein<br />
geflügeltes Wesen. Während sie sich<br />
zuerst zu seinen Füßen legen, gehen<br />
sie anschließend rabiat zu Werke<br />
und brechen seine Flügel ab. Zur<br />
Musik Gustav Mahlers verliert er<br />
schließlich seine Kräfte und verwandelt<br />
sich ebenfalls in eines der<br />
„Staubkinder“. – Das Werk fungiert<br />
als Allegorie auf den aktuellen destruktiven<br />
Umgang mit Krisen.<br />
1.+2.3., Halle/Tanzbühne Berlin<br />
Falla<br />
Julia B. Laperrière hinterfragt, warum<br />
der fehlende Phallus bei weiblich<br />
gelesenen Körpern als Verlust gesehen<br />
wird. Daraus entsteht ein ironischer<br />
Tanz mit einem Umschnalldildo.<br />
13.+14.3., Ballhaus Ost<br />
Erfinde mich<br />
Seit dem vergangenen Jahr gibt es<br />
den Club Thikwa, in dem Darstellende<br />
zwischen acht und 80 Jahren, mit<br />
und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam<br />
Stücke entwickeln. Die<br />
erste Produktion untersucht, wie<br />
stark Künstliche Intelligenz, nicht<br />
nur unseren Alltag, sondern auch<br />
unsere Gefühle bestimmt.<br />
21.-23.3. Theater Thikwa<br />
Deutschland Einzeltäter<br />
Marwa El-Sherbini spielte zwischen<br />
1992 und 1999 erfolgreich für die<br />
ägyptische Natio nalmannschaft<br />
Handball und ging später mit ihrem<br />
Ehemann nach Deutschland. 2009<br />
wollten sie nach Ägypten zurückkehren.<br />
Ein Jahr zuvor pöbelte der Russlanddeutsche<br />
Alex Wiens Marwa<br />
El-Sherbini auf einem Spielplatz als<br />
„Islamistin“ an. Zeug:innen riefen die<br />
Polizei – Wiens wurde angeklagt. Im<br />
Gerichtssaal griff er die Frau an und<br />
tötete sie mit 18 Messerstichen.<br />
Regisseur David Stöhr hat die unfassbare<br />
Geschichte zu einem bewegenden<br />
Bühnenstück verdichtet, auf<br />
das im Anschluss eine Podiumsdiskussion<br />
folgt.<br />
21.-23.3., Theater unterm Dach<br />
Ein Stück Illusion<br />
Ildiko Bognar (Text) und Alice Asper<br />
(Regie) erinnern in der Uraufführung<br />
an das Schicksal von Charlotte und<br />
Arthur Kroner. Die Eigentümer:innen<br />
des legendären Ladens Zauberkönig<br />
in der Friedrichstraße 55 wurden<br />
von den Nationalsozialisten erst<br />
enteignet, dann ermordet. „Ein Stück<br />
Illusion“ stellt dar, wie in Deutschland<br />
Menschen zu Mitlaufenden<br />
wurden und wie diese wegschauten,<br />
als jüdische Menschen diskriminiert,<br />
deportiert und schließlich ermordet<br />
wurden.<br />
23.3., Theater im Palais<br />
Achtsam modern<br />
Jan Böhmermann outete sich als Fan<br />
der Roman-Vorlage von Karsten<br />
Dusse, die Bernd Schmidt für die<br />
Bühne adaptiert. Strafverteidiger<br />
Björn Diemel wird von seiner Frau<br />
zu einem Achtsamkeits-Coach (Dieter<br />
Hallervorden) geschickt, um<br />
seine Work-Life-Balance auszutarieren.<br />
Der Anwalt gewinnt einen neuen<br />
Blick auf seinen Beruf – mit eklatanten<br />
Folgen, die auch die Hierarchie<br />
in der Organisierten Kriminalität<br />
durcheinanderwirbelt.<br />
23.3., Schlosspark Theater<br />
MINT: An Opera on<br />
Money<br />
Im Spätkapitalismus spielt der Begriff<br />
der Arbeiterklasse kaum noch<br />
eine Rolle. Doch es gibt sie weiterhin:<br />
Die prekär Beschäftigten, die am<br />
Rande des Existenzminimums malochen.<br />
Die Tänzerin und Choreografin<br />
Sheena McGrandles kapert mit<br />
vier Performenden und einem Musikensemble<br />
die Gattung der Oper<br />
und überschreibt deren Konventionen<br />
an der Schnittstelle zu Choreografie<br />
und Theater mit biografischen<br />
Geschichten und Anekdotischem.<br />
24,-27.3., HAU<br />
Sway<br />
Scheitern als Chance, erkannte bereits<br />
Christoph Schlingensief. Tatiana<br />
Mejía nimmt in der Uraufführung<br />
ihrer Tanzperformance normative<br />
Zuschreibungen auseinander, changiert<br />
zwischen westlicher und afrodiasporischer<br />
Bewegungssprache<br />
und Musik. So entsteht eine Balance<br />
zwischen dem Scheitern und Stärke,<br />
die letzlich zu einer Form der Selbstbehauptung<br />
führt.<br />
4.-7.4., Radialsystem<br />
Semiotiken der<br />
Drecksarbeit<br />
Die Wissenschaft der Semiotik untersucht<br />
die Zeichen, die in der Kommunikation<br />
Verwendung finden.<br />
Doch für manche Lebensbereiche<br />
interessiert sich der akademische<br />
Betrieb weniger. Nuray Demir und<br />
Minh Duc Pham beleuchten in ihrer<br />
Performance, wie die Kinder von<br />
Menschen in prekären Jobs auch in<br />
den Kulturinstitutionen nach wie vor<br />
spüren, was die Bedeutung einer<br />
Dominanzgesellschaft ausmacht.<br />
Und erinnern an die Kunst der Pause.<br />
4.-7.4. HAU<br />
Stahltier. Ein Exorzismus<br />
in Memoriam Willy<br />
Zielke<br />
Albert Ostermeiers neues Stück handelt<br />
von Leni Reifenstahl und ihrer<br />
moralisch hoch problematischen<br />
Arbeitsbeziehung zu ihrem Kameramann<br />
Willy Zielke. Frank Hoffmann<br />
inszeniert das Kammerspiel mit<br />
Jacqueline Macaulay und Schauspielstar<br />
Wolfram Koch.<br />
4.4., Renaissance Theater<br />
Abdruckkörper<br />
Die Uraufführung des Stücks von<br />
Yatri Niehaus (Text und Regie) thematisiert<br />
das Gefühl der Fremdheit<br />
eines Afrodeutschen innerhalb einer<br />
Gesellschaft, die sich über „Whiteness“<br />
definiert.<br />
5.-8.4., Ballhaus Naunynstraße<br />
Annette, ein Heldinnenepos<br />
Die französische Neurologin Annette<br />
Beaumanoir kämpfte als Teil der<br />
Résistance gegen die deutsche Besatzung.<br />
Dafür wurde sie als „Heldin“<br />
geadelt. Später unterstützte sie die<br />
Nationale Befreiungsfront im algerischen<br />
Unabhängigkeitskrieg – und<br />
wurde dafür zu zehn Jahren Haft<br />
verurteilt. Kathrin Mayr inszeniert<br />
den biografischen Text, basierend<br />
auf Anne Webers 2020 erschienenem,<br />
gleichnamigem Roman.<br />
9.4., Vagantenbühne<br />
Bird Dances<br />
In Kareth Schafers Tanzperformances<br />
werden den Soli von vier Tänzer:innen<br />
vier Vogelarten gegenübergestellt,<br />
die jedes Jahr einige<br />
Monate in Europa verbringen: Sumpfrohrsänger,<br />
Nachtigall, Rotmilan<br />
und Wandervogel. So ergänzen sich<br />
die Geschichten tierischer und<br />
menschlicher Migrationsbewegungen.<br />
11.-14.4., Sophiensaele<br />
Tear Gas – A Safe<br />
Weapon<br />
Das Sicherheitsgefühl vieler<br />
Berliner:innen hat nachgelassen. Der<br />
öffentliche Raum wird zunehmend<br />
als verwahrlost empfunden. Doch<br />
könnte sich der Trend umkehren<br />
lassen? Das Kollektiv what about:<br />
fuego lädt zu einem gemeinsamen<br />
Nachdenken über Sicherheit nach<br />
– und bietet dabei neue, teils verblüffende<br />
Perspektiven.<br />
11.-18.4., Ringtheater am Ostkreuz<br />
Last Space<br />
Die Frantics Dance Company wurde<br />
für die Produktion mehrfach ausgezeichnet<br />
– u.a. in den USA und Israel.<br />
Jetzt ist die Choreografie, die auf<br />
den Gedankenströmen und biogra-<br />
Festival Internationale<br />
Neue Dramatik<br />
18.–28.4.<br />
tip Berlin Bühne <strong>Frühjahr</strong> <strong>2024</strong>