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Vom Handelslehrling zum Großindustriellen. Aufstieg, Repräsentation

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Julius Spohn, der zunächst im oberen Teil des bereits von seinem Vater für gewerbliche<br />

Zwecke von der Stadt gepachteten Lederhauses 84 gelebt hatte, konnte es sich nun als erster<br />

der Ravensburger Fabrikanten leisten, der engbebauten Altstadt und ihrem nächsten Umfeld<br />

zu entfliehen und in frischerer Luft, auch in deutlicher Distanz <strong>zum</strong> eigenen Unternehmen und<br />

zur Stadt zu wohnen 85 . Er erwarb 1876 das ausgedehnte so genannte Kuttergut, markant auf<br />

einer Anhöhe weit nördlich vor der alten Stadt gelegen: Eine exquisite Wohnlage mit<br />

schönem Blick über das türmereiche Ravensburg. Hier konnte er baulich das mit seinem<br />

wirtschaftlichen Erfolg gewachsene gesellschaftliche Prestige und bürgerliche<br />

Selbstbewusstsein demonstrieren, durchaus auch mit gewissen Anklängen an aristokratische<br />

Lebensformen. Spohn beauftragte den bekannten Architekten Robert Reinhardt 86 , Professor<br />

für Baugeschichte an der neuen Technischen Hochschule Stuttgart, zunächst damit, einen<br />

Umbauplan für den auf diesem Gelände stehenden einstigen Renaissance- Landsitz der<br />

Ravensburger Patrizierfamilie Kutter („Kutterschlößle“) zu entwerfen. Da ihn die Ergebnisse<br />

aber offenbar nicht zufrieden stellten, gab er schließlich einen Neubau in Auftrag. Mit der<br />

Wahl des Architekten Reinhardt war der Baustil gewissermaßen schon festgelegt: Die<br />

Neorenaissance, die im Villenbau, auch angeregt durch das Werk „Geschichte der<br />

Renaissance in Deutschland“ von Wilhelm Lübke (1872), ihren Siegeszug begonnen hatte 87 .<br />

Reinhardts bekannteste Bauten sind die Alte Reithalle (1887/88) mit ihrer weit gespannten<br />

Dachkonstruktion und eisernen Fachwerkträgern sowie das damals vorbildliche<br />

Marienhospital (1889/90) in Stuttgart, beide mit Veränderungen bis heute erhalten 88 , während<br />

der elegante Fest- und Saalbau „Harmonie“ 89 in Heilbronn und die filigrane, neugotische<br />

Gedächtniskirche 90 in Stuttgart durch Bombenangriffe von 1944 und den Abbruch der Ruinen<br />

in den 50er Jahren verloren gingen. Gut erhalten sind hingegen die in neuromanischem Stil<br />

84<br />

Vgl. Adreß-Buch der Stadtgemeinde Ravensburg, gefertigt von Tobias Albrecht, Ravensburg 1864, S. 83.<br />

85<br />

Vgl. zu diesem Thema allgemein: Barbara Edle von Germersheim, Unternehmervillen der Kaiserzeit (1871-<br />

1914). Zitate traditioneller Architektur durch Träger des industriellen Fortschritts, München 1988.<br />

86<br />

Zu Robert Reinhardt (später Robert von Reinhardt): Zum siebzigsten Geburtstag von Robert von Reinhardt in<br />

Stuttgart, in: Deutsche Bauzeitung, 47. Jg., Nr. 7 v. 22.1. 1913, S. 63; Robert von Reinhardt +, in: Deutsche<br />

Bauzeitung, 48. Jg., Nr. 38 v. 13.5. 1914, S. 371; Hugo Schlösser, v. Reinhardt, Robert, Baudirektor, Professor<br />

an der Technischen Hochschule in Stuttgart (Nachträge <strong>zum</strong> Nekrolog 1914), in: Württembergischer Nekrolog<br />

für das Jahr 1915, hrsg. v. Karl Weller/Viktor Ernst, Stuttgart 1919, S. 242f. Christine Breig, Der Villen- und<br />

Landhausbau in Stuttgart 1830-1930 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart Bd. 84), Stuttgart 2000,<br />

S. 117-120 533. [???]<br />

87<br />

Vgl. Thomas Weichel, Bürgerliche Villenkultur im 19. Jahrhundert, in: Bürgerkultur im 19. Jahrhundert, hrsg.<br />

v. Dieter Hein/Andreas Schulz, München 1996, S. 234-251; hier S. 238.<br />

88<br />

Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 4 (1891), Heft 7, S. 30 und Tafeln 68, 69 (betr. Marienhospital in<br />

Stuttgart); Architektonische Rundschau 7 (1891), Heft 5, Text zu Tafeln 33 u. 34 (betr. Marienhospital); Martin<br />

Wörner/Gilbert Lupfer, Stuttgart. Ein Architekturführer, 2. erw. Aufl., Berlin 1997, S. 18, 77.<br />

89<br />

Robert Reinhardt, Gesellschaftshaus der Harmonie in Heilbronn am Neckar, in: Allgemeine Bauzeitung 45<br />

(1880), S. 8f., Tafeln 1-3.<br />

90<br />

Vgl. Die Gedächtniskirche in Stuttgart, in: Monatsschrift des Württembergischen Vereins für Baukunde in<br />

Stuttgart, München 1900, S. 27f.

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