20 SEEZUNGE AN BAHNHÖFEN RASTEN UND PAUSIEREN
SEEZUNGE 21 In der Schweiz hat man manchmal sogar die Auswahl zwischen dem „Bahnhofsbuffet“ im Bahnhof und dem „Isebähnli“ gegenüber – beide erfüllen unterschiedliche gastronomische Bedürfnisse, wie hier im Restaurant „Eisenbahn“ in Weinfelden mit wunderschönem Restaurantschild. Bahnen und Züge verbinden uns rund um den See, wie dieser auch selbst die Länder verbindet: Eine kleine Entdeckungsreise um den See zu Bahnhöfen und Lokalen, zu Orten des Abreisens und des Ankommens und zu Orten des Fernwehs. Zudem ein Blick auf die Kulturgeschichte der Bahn in Verbindung mit der Gastronomie. VON PATRICK BRAUNS Eine kurze Geschichte Die Geschichte der Bahnhofsrestaurants beginnt schon im 19. Jahrhundert, aber es genügt schon ein Rückblick auf wenige Jahrzehnte, um große Veränderungen zu sehen, gerade hier am Bodensee. Vor einer Generation, in den 1990er-Jahren, war es noch ziemlich umständlich, fast abenteuerlich, an einem Tag mit dem Zug um den Bodensee zu fahren. Es gab noch keine grenzüberschreitenden Fahrpläne und Fahrkarten, kaum durchgehende Züge, und die Taktfahrpläne waren erst in der Aufbauphase, weit entfernt von den heutigen Zuständen, wo man einfach in den Zug einsteigen kann, um an einem Umsteigebahnhof nach einer kurzen Wartezeit in den nächsten weiterführenden einzusteigen. Damals gab es noch längere Pausen, die man dann in Bahnhofslokalen verbringen musste. Mit etwas Glück hatte man die Rundreise an einem Tag geschafft, aber mit mehreren Fahrkarten, die in drei verschiedenen Währungen am Schalter zu bezahlen waren. Seitdem hat sich fast alles geändert: die Züge, die Fahrpläne, die Tarife und Fahrkarten – und die Bahnhofsrestaurants oder Bahnhofsbuffets, in denen man heute nicht Zeit verbringen muss, sondern ganz angenehm verbringen kann. Klassische Bahnhofsrestaurants gibt es kaum noch, die Kombination „Bahnhof und Gastronomie“ ist vielfältiger geworden: So sind die früheren Güterhallen für neue gastronomische Nutzungen frei geworden, oft für Trendgastronomien. Mit der Schwarzwaldbahn zum zweiten Frühstück Von Konstanz kommt man im Stundentakt mit schnellen Eilzügen in drei verschiedene Richtungen: nach Zürich, St. Gallen und Karlsruhe. Zuerst einmal mit der Schwarzwaldbahn weg, um in einem ersten Bahn-Lokal einen zweiten Kaffee zu trinken. In Radolfzell bietet sich das im erst 2022 von „Nordbahnhof“ zum „Heimathafen“ umbenannten Lokal an, das aber nicht zum Hafen, sondern zur Altstadt hin orientiert ist. Wer lieber in Radolfzell im Zug sitzen bleibt, erreicht nach wenigen Minuten Singen. Hier wurde 1863 nach dem Bau der Hochrheinbahn der erste badische Bahnhof in der Region eröffnet. Von ihm gingen bald Züge in die vier Himmelsrichtungen, diese Verkehrslage hat aus dem Bauerndorf erst die Industriestadt gemacht. Im Bahnhof Singen selbst gibt es heute nur noch Fast Food und Fast Drink, deshalb muss man schon mindestens die Bahnhofsstraße überqueren, um das passende Lokal zu finden. Zwischen den beiden Flügeln des Einkaufszentrums CANO hat das „Café Hanser“ alle Modernisierungen überlebt. Es ist aus den 1930er-Jahren, seine Einrichtung kann also in wenigen Jahren ihr hundertjähriges Jubiläum feiern. Auch wegen der großen Auswahl an Kuchen und Backwaren ist die Konditorei der alten Schule einen Besuch wert. Traumhaft hoch ist die Schwarzwälder Kirschtorte im Café Hanser