2 Das Beratungsangebot als Grundlage der explorativen Studie - WZB
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5 Schlussfolgerungen<br />
5.1 Ehrenamtliche Erwerbslose – die „selbstmächtigen“<br />
Erwerbslosen<br />
Auffallend ist bei den Interviews die Tatsache, dass es um Erwerbslose geht, die<br />
eine Disposition zu selbstbestimmtem Lernen haben, unabhängig von ihrer Ausbildung.<br />
Ihr Verarbeitungsstil <strong>der</strong> Erwerbslosigkeit entspricht dem Typ des „Unternehmers“<br />
o<strong>der</strong> des „Überlebenden“, den Franz Josef Strittmatter (1992) beschrieben<br />
hat. Der dritte Arbeitslosentyp des „Leidenden“ („Sufferer“) fand sich bei keinem<br />
<strong>der</strong> Interviewpartner aus <strong>der</strong> Beratung im „Treffpunkt Hilfsbereitschaft“.<br />
Vermutlich brauchen Vertreter dieses Typs eine zusätzliche Lernstufe, um den<br />
Schritt in die Beratung o<strong>der</strong> in eine Organisation, die nach Ehrenamtlern sucht, zu<br />
wagen.<br />
Die Interviewpartner/innen haben Strategien entwickelt, um ihrem Leben einen<br />
Sinn zu geben, auch wenn sie keine Erwerbsarbeit haben. Fünf von ihnen erwähnen<br />
einen spirituellen Glauben im allgemeinen Sinne und zwei sind in direktem Kontakt<br />
mir einer Kirchengemeinde. Finanziell kommen sie außerdem mit ihren knappen<br />
Gel<strong>der</strong>n zurecht und kennen sich mit ihren Rechten <strong>als</strong> Erwerbslose relativ gut aus.<br />
Nur Frau Nr. 4 beklagt sich heftig darüber, dass sie zu wenig Geld zum Leben hat.<br />
Die an<strong>der</strong>en betonen, dass sie nicht viel Geld brauchen, um glücklich zu sein, o<strong>der</strong><br />
dass sie „Finanzakrobaten“ (Herr Nr. 3) sind. Frau Nr. 1 sucht einen Nebenverdienst<br />
von 300 DM, das ihrem Arbeitslosengeld nicht angerechnet wird. Frau Nr. 2<br />
kann sich auf die finanzielle Unterstützung ihres Partners verlassen und übt nebenbei<br />
stundenweise kleine Jobs aus („Es muss nicht alles ganz legal sein.“). Trotz ihrer<br />
Behin<strong>der</strong>ung findet Frau Nr. 5 regelmäßig freiberufliche Aufträge. Frau Nr. 7 war<br />
früher selbständige Beraterin für Putzmittel (Multi-Level-Marketing) und hat neue<br />
Verkäufer ausgebildet.<br />
Ihre Disposition zum selbstbestimmten Lernen und zur selbstbestimmten Orientierung<br />
ist nicht systematisch mit einem hohen Qualifikationsniveau verbunden. Der<br />
Anteil <strong>der</strong> interviewten Erwerbslosen ohne Schulabschluss ist relativ hoch: drei von<br />
sieben Personen (Frau Nr. 1, Frau Nr. 4, Frau Nr. 7). Diese Tatsache wi<strong>der</strong>spricht<br />
<strong>der</strong> Analyse des Sozio-oekonomischen Panels von 1985 bis 1996. Erlinghagen et al.<br />
(1997) stellten fest, dass Arbeitslose ohne Schulabschluss unterdurchschnittlich ehrenamtlich<br />
tätig sind.<br />
Die Ausübung eines Ehrenamtes scheint nur durch einen ausgewählten Teil <strong>der</strong><br />
Erwerbslosen <strong>als</strong> alternative Beschäftigung in Betracht gezogen zu werden.<br />
„Selbstmächtigkeit“ nennt Wilhelm Schmid (1998b) in seiner „Philosophie <strong>der</strong> Lebenskunst“<br />
den Zugang zu den eigenen Kräften. Erwerbslose, die selbständig den<br />
Schritt zur Beratung im „Treffpunkt Hilfsbereitschaft“ schaffen, sind in diesem<br />
Sinne „selbstmächtig“.<br />
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