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Zu den Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses

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I. Von binären Oppositionen und falschen Dichotomien<br />

Der Begründer der Strukturalen Anthropologie, Claude Lévi-Strauss, hat in seinen<br />

Studien herausgearbeitet, dass ein Charakteristikum <strong>des</strong> mythischen Denkens vor<br />

allem die Verwendung binärer Oppositionen ist. Ausgehend von der konstitutiven<br />

Erfahrung je<strong>des</strong> Einzelnen, dass zu dem Selbst das Andere hinzutritt, erweisen sich<br />

im mythischen Denken zahlreiche Dualismen und Gegensatzformen als konstant, so<br />

z. B. hell versus dunkel, krank versus gesund, aber auch „Hälftensysteme“ wie Ost<br />

und West, Sonne und Mond, Tag und Nacht sowie Feuer und Wasser (vgl. Claude<br />

Lévi-Strauss: Strukturale Anthropologie. Frankfurt am Main 1967. S. 165).<br />

Hat man ein solches Oppositionspaar erst einmal etabliert und mit gleichen dualen<br />

Achsen verknüpft, so ergeben sich – zumin<strong>des</strong>t für <strong>den</strong> jeweiligen Kulturkreis – daraus<br />

Beziehungslogiken. Für uns in Europa bedeutet dies etwa, dass wir <strong>den</strong> Gegen-<br />

satz von Freud und Leid zugleich mit <strong>den</strong> Farben weiß und schwarz verbin<strong>den</strong>.<br />

Durch die Korrelativierung wer<strong>den</strong> der Farbcode und der Gefühlscode aufs Engste<br />

miteinander verknüpft. So sinnfällig dies jeweils auch erscheinen mag, so wichtig ist<br />

es doch, sich der jeweiligen Beziehungskonstruktion bewusst zu wer<strong>den</strong>. Michael<br />

Opitz hat bereits in seinem Buch „Notwendige Beziehungen“ auf die letztlich willkürlichen<br />

Verknüpfungen hingewiesen: „Man kann mit Trauer ebenso weiß verbin<strong>den</strong> wie<br />

schwarz, was die Fakten beweisen. Die schwarze Kleidung einer europäischen Wit-<br />

we, auch wenn sie lacht, bedeutet: Sie ist in Trauer. Und das weiße Kleid der Braut,<br />

mag ihr auch noch so wenig danach zu Mute sein, bezeichnet Freude. In Süd-<br />

ostasien oder in China demgegenüber ist die Farbe der Trauer weiß. Hier wird also<br />

wieder einmal sinnfällig, was de Saussure l’arbitraire du signe nannte. Das aber gilt<br />

nicht mehr für <strong>den</strong> zweiten Begriff. Steht der erste einmal in seiner Bezeichnungsfunktion<br />

fest, ist der zweite nicht mehr frei. Er kann nur noch das Gegenteil bezeich-<br />

nen.“ (Michael Opitz: Notwendige Beziehungen. Abriss der strukturalen Anthropologie.<br />

Frankfurt am Main 1975. S. 293.)<br />

In unserem Alltagsleben neigen wir dazu, die oftmals komplexen Beziehungen dualistisch<br />

zu betrachten und – gewissermaßen aus Gewohnheit – uns so zu orientieren.<br />

Mir scheint, dass bisweilen auch im wissenschaftspolitischen Denken dieselbe Logik<br />

wie in dem soeben charakterisierten mythischen Denken am Werke ist und wir die<br />

komplexen <strong>Zu</strong>sammenhänge am liebsten in Form von Gegensätzen, Widersprüchen<br />

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