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Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort - Staats- und ...

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10<br />

Herkules-Aufgaben, die durch Rückführung der Bestände<br />

der Handschriftenabteilung <strong>und</strong> den Restauratoren<br />

entstanden sind, alles andere als motivierend. Entscheidend<br />

war dennoch, daß die SUB nun wieder im<br />

Besitz eines Großteils ihrer historischen Denkmäler war,<br />

deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden<br />

kann.<br />

Die für unsere Ausstellung bedeutende germanistischen<br />

Handschriften waren unter den Berliner Deposita<br />

nicht vertreten, sie tauchten später in den Sendungen auf,<br />

die aus Moskau, Armenien <strong>und</strong> Georgien an Hamburg<br />

zurückgegeben wurden. 2 Sie boten auch besonders schöne<br />

Überraschungen. Bei der Sichtung dieser wiedergef<strong>und</strong>enen<br />

Schätze wuchs sogleich die Idee, der Hamburger<br />

Öffentlichkeit <strong>und</strong> vor allem der neuen Germanistengeneration<br />

an der hiesigen Universität diese 50 Jahre lang<br />

verborgen gebliebenen Exemplare in ihrem schönen<br />

Sammlungskontext vorzustellen. Überdies lassen sich an<br />

diesen Exponaten sowohl ein guter Ausschnitt aus der<br />

literarischen Produktion des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts, der Gattungsreichtum<br />

der Epoche <strong>und</strong> die Vielfalt der Überlieferungen<br />

volkssprachiger Texte zeigen, als auch beliebte<br />

Lesestoffe jener Zeit einem interessierten Publikum näherbringen.<br />

Sollte es außerdem gelingen, durch die Präsentation<br />

dieser Kostbarkeiten auch auf die Notwendigkeit der zur<br />

Zeit stark vernachlässigten handschriftenk<strong>und</strong>lichen<br />

Studien für eine neuphilologische Ausbildung mit Nachdruck<br />

hinzuweisen, wäre die Wirkung der geplanten<br />

Ausstellung als besonderer Erfolg zu verbuchen.<br />

Die Hamburger<br />

germanistischen Handschriften<br />

Volkssprachige Handschriften, die im Mittelpunkt dieser<br />

Ausstellung stehen, lassen sich in verschiedenen Abteilungen<br />

der systematisch aufgestellten Hamburger<br />

Sammlung finden. In den nach wissenschaftlichen Disziplinen<br />

aufgestellten Gruppen befindet sich neben griechischen<br />

<strong>und</strong> lateinischen Handschriften auch eine bedeutende<br />

Zahl deutscher Überlieferungen vielerlei Inhalts.<br />

Diese bis auf unsere Tage gültige Sytematik ist als<br />

Werk des damaligen Bibliothekars, Friedrich Martin<br />

Pitiscus (1721–1794), in den Jahren 1784–1791 entstanden.<br />

Er hat die ganze Ansammlung <strong>von</strong> Stiftungen <strong>und</strong> Schenkungen<br />

ungeordneter Bücher <strong>und</strong> Handschriften, die die<br />

damalige Hamburger Stadtbibliothek während ihrer<br />

knapp 300jährigen Existenz erworben hatte, zunächst<br />

nach Überlieferungsart geschieden, untersucht <strong>und</strong> die<br />

Manuskripte in den nach ihm benannten handschriftli-<br />

chen Verzeichnissen, den sogenannten Pitiscus Katalogen,<br />

erfaßt. Sein Ordnungsprinzip entsprach dem zeitgenössischen<br />

Fächerkanon, <strong>und</strong> so schuf er aufgr<strong>und</strong><br />

inhaltlicher Kriterien die entsprechenden Handschriftengruppen.<br />

3<br />

Durch diese Art der Klassifizierung gelangten etliche<br />

germanistischen Handschriften unter die theologischen,<br />

historischen oder philosophischen Codices. 4<br />

Sein Kriterienkatalog versagte jedoch z.B. bei der Beurteilung<br />

jener volkssprachigen Texte, die nicht eindeutig<br />

als Werke theologischen, philologischen oder naturk<strong>und</strong>lichen<br />

Inhalts zu erkennen waren <strong>und</strong> für den Altphilologen<br />

bzw. den Historiker wissenschaftlich nicht<br />

geläufig oder gar wertlos erschienen. Diese wurden fortan<br />

als unsignierte Handschriften behandelt.<br />

Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts hat der Bibliothekar<br />

Christian Petersen (1802–1872) 5 eine erneute Umorganisation<br />

des Bestandes vorgenommen: zunächst hat er die<br />

sogenannten unsignierten Handschriften, die bei der<br />

Systematisierung <strong>von</strong> Pitiscus durchgefallen waren, näher<br />

untersucht <strong>und</strong> solche mit volkssprachigen Texten<br />

unter dem Begriff Litteratur der neueren Völker zusammengefaßt.<br />

Der jeweiligen Sprache entsprechend wurden<br />

die Signaturengruppen codices italici, codices hispanici,<br />

<strong>und</strong> codices germanici eingerichtet. 6<br />

Ohne Inhalt <strong>und</strong> Sprache zum Ordnungsprinzip zu<br />

machen, wählte er zudem aus der gesamten systematisch<br />

geordneten Sammlung eine Gruppe ihm als besonders<br />

kostbar erscheinender Codices aus, stellte sie gesondert<br />

in den »Ehrenschrank«, den Schrein, <strong>und</strong> gab ihnen die<br />

Signatur codices in scrinio. Diese Praxis wurde <strong>von</strong> späteren<br />

Bibliothekaren fortgesetzt, <strong>und</strong> so entwickelte sich<br />

der Inhalt des Schreins zu einer Kollektion, in der neben<br />

den tatsächlich größten Kostbarkeiten der Bibliothek<br />

leider auch Geschenke beliebiger prominenter Amtsträger<br />

pflichtschuldigst aufgestellt wurden. Nach 1945 fanden<br />

auch die wenigen Neuerwerbungen ihren Standort<br />

unter den Handschriften in scrinio.<br />

Bei der Auswahl der Prachtstücke für den »Ehrenschrank«<br />

fand Petersen später folgerichtig auch einige<br />

historische <strong>und</strong> theologische Handschriften, die nach<br />

seiner Auffassung eher zu den germanistischen gestellt<br />

werden sollten, wie z.B. Kat.-Nr. 25 <strong>und</strong> 46.<br />

Seine besondere Aufmerksamkeit widmete Petersen<br />

aber den Handschriften, die er als zur Sammlung Uffenbachs<br />

gehörig identifizieren <strong>und</strong> in dessen Katalog <strong>von</strong><br />

1747 nachweisen konnte. Seine Erkenntnisse hielt er in<br />

einem handschriftlichen Verzeichnis (Petersen, Verz.) der<br />

germanistischen Handschriften fest, das nicht nur nützliche<br />

Informationen über den jeweiligen Text <strong>und</strong> seine

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