Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort - Staats- und ...
Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort - Staats- und ...
Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort - Staats- und ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8<br />
34<br />
Epistolar <strong>und</strong> Evangelienharmonie<br />
Rheinfränkischer Raum, datiert 1411.<br />
Hamburg, SUB: cod. theol. 1066<br />
Provenienz: Uffenbach – Wolf 38<br />
Papierhandschrift — II + 226 Bll. — 26 x 19 — 2 Spalten — 29–33 Zeilen — Bastarda, eine Hand — rubriziert —<br />
restaurierter Ledereinband über alten Holzdeckeln.<br />
Die Handschrift überliefert als ersten Teil ein Epistolar (fol.<br />
1r–117r), welches die Lesungen für das gesamte Kirchenjahr<br />
in deutscher Übersetzung bietet, geordnet nach Sanctorale,<br />
Commune Sanctorum <strong>und</strong> Temporale. Der Beginn des Textes<br />
lautet: Hy begynnet die ordenvnge der Epesteln <strong>von</strong> den<br />
heilgen dorch daz iar vnd hebet an an sante Andreas abent<br />
vnd schribet Salman die Epestel: Dye gesegenvnge des hern ist<br />
vber des gerechten menschen huobet dar vmb gap er ym daz<br />
Erbe vnd deilte ym daz erbteile yn zwolff geslechte etc. Im<br />
Gegensatz zum Lektionar (Kat. Nr. 9) umfaßt das Epistolar<br />
keine Evangelienperikopen. Direkt an dieses angeschlossen<br />
wird indes ein ausführliches Verzeichnis der Evangelienlesungen<br />
über das Kirchenjahr (fol. 121r–128v), welches für<br />
die einzelnen Abschnitte Blattangaben <strong>und</strong> deutsche Initien<br />
bietet. Diese Angaben beziehen sich auf die in der Handschrift<br />
nachfolgende Evangelienharmonie (fol. 131r–223v),<br />
welche die vier kanonischen Evangelien zu einer einheitlichen<br />
Geschichte des Lebens Jesu verknüpft. 39 Auf die Evangelienharmonie<br />
folgt abschließend das athanasianische Glaubensbekenntnis<br />
Quicumque vult in deutscher Übersetzung.<br />
<strong>Von</strong> einer Nachtragshand des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde auf<br />
dem letzten Blatt ein Rezept vor die postimenen (= Abszesse)<br />
nachgetragen.<br />
Die Evangelienharmonie beginnt mit dem ersten Abschnitt<br />
des Johannesevangeliums: Jn principio erat verbum<br />
Jn dem anbegynne was daz wort vnd daz wort was by gote vnd<br />
got was daz wort daz was yn dem begyn by gote etc. Auf den<br />
Abschnitt folgt der Anfang des Lukasevangeliums, welcher<br />
die Vorgeschichte <strong>von</strong> Jesu Geburt erzählt: Jn den dagen des<br />
koniges Herodes was ein priester des name was Zacherias vnd<br />
sin wip was <strong>von</strong> den dochtern Aaaron vnd ir name was Elysabet<br />
etc. Sämtliche Informationen zum Leben Jesu, wie sie die<br />
vier Evangelien bieten, werden auf diese Weise in chronologischer<br />
Reihenfolge angeordnet. Über jedem Abschnitt wird<br />
der Name des jeweiligen Evangelisten als Quelle angegeben,<br />
bei Überschneidungen, wie sie vor allem die Synoptiker<br />
aufweisen, werden alle Namen aufgeführt. Bemerkenswert,<br />
jedoch nicht unüblich ist, daß das der Evangelienharmonie<br />
vorangestellte Perikopenverzeichnis vornehmlich<br />
auf eine liturgiebezogene Rezeption des Lebens Jesu hinweist<br />
<strong>und</strong> nicht auf eine nach chronologischen bzw. biographischen<br />
Gesichtspunkten.<br />
Der Text des Lebens Jhesu hat innerhalb der Überlieferung<br />
vielfach Einfluß auf liturgiebezogene Rezeptionsformen<br />
des Evangelientextes genommen. Dem Text der Hamburger<br />
Handschrift liegt eine niederländische Übersetzung einer<br />
lateinischen Harmonie zugr<strong>und</strong>e, die sowohl in ripuarischen<br />
<strong>und</strong> niederdeutschen als auch in mittel- <strong>und</strong> hochdeutschen<br />
Versionen überliefert ist, was für eine außerordentliche<br />
Popularität des Textes spricht. 40 Friedrich Maurer<br />
vermutet die Herkunft der deutschen Fassung aus der Kirchenprovinz<br />
Köln. 41 Christoph Gerhardt unterstützt diese<br />
These, da seines Erachtens eine Übersetzung aus dem Mittelniederländischen<br />
am ehesten <strong>von</strong> einem Bearbeiter verwandten<br />
Dialekts (Köln gehört zum ripuarischen Sprachraum)<br />
vorgenommen worden sein dürfte. 42 <strong>Von</strong> hier aus könnte<br />
die Verbreitung in den mittel- <strong>und</strong> hochdeutschen Sprachraum<br />
ihren Anfang genommen haben. Für eine dominikanische<br />
Provenienz, wie sie Maurer vermutet, spricht die Entstehung<br />
der Übersetzung bereits im frühen 14. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
– die Angehörigen des Predigerordens gehören zu den Wegbereitern<br />
geistlicher Literatur in der Volkssprache – sowie<br />
die regional weitgestreute Verbreitung des Textes. 43<br />
Die Schreibsprache der Handschrift weist auf den rheinfränkischen<br />
Raum, Maurer vermutet als Entstehungsraum<br />
die Diözese Mainz. 44 Es gibt keine genaue Übereinstimmung<br />
der Heiligennamen im Epistolar <strong>und</strong> im Perikopenverzeichnis,<br />
was darauf hindeutet, daß Vorlagen unterschiedlicher<br />
Provenienzen für die einzelnen Teile verwendet wurden.<br />
Über die Textverwandtschaft dieser mit anderen Evangelien-<br />
<strong>und</strong> Perikopenhandschriften ist in der Forschung vielfach<br />
diskutiert worden. Festgestellt wurde die genaue Übereinstimmung<br />
der Episteltexte dieser Handschrift mit den<br />
entsprechenden Abschnitten im niederdeutschen Codex 95b<br />
in scrin (Kat. Nr. 9). 45 Als Beispiel sei eine Lesung aus dem<br />
Commune zitiert: (fol. 33rb) Vor die doden yn Epocalipsi: Jn<br />
den dagen horte ich Ein stymme <strong>von</strong> dem hiemel sprechende zu<br />
myr schrip selig sint die doden die yn dem hern sterbent wanne<br />
itzunt sprichet der geist daz sie sullen Rúwen <strong>von</strong> irn arbeiten<br />
wan yr wercke sullen yn nachfolgen. Die entsprechende Passage<br />
in Kat. Nr. 9 lautet: (fol. 137va) Van den selen apokalipsis:<br />
Jn den dagen horde ik eine stimme van deme himele. sprekende<br />
to mi Scrif. Selich sint de doden de in gode sterven. wan itzunt<br />
spricket de geist dat si sullen rouwen van oren werken. wan ore