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Von Rittern, Bürgern und von Gottes Wort - Staats- und ...

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14<br />

motion an der Universität Straßburg abschloß. Ohne<br />

Zeitverlust begab er sich wieder auf eine zweijährige Reise<br />

durch die Schweiz, Italien <strong>und</strong> Frankreich. Seine <strong>von</strong><br />

vielseitigen Interessen geleiteten Eindrücke <strong>und</strong> Erkenntnisse<br />

hielt er in einem ausführlichen Tagebuch fest;<br />

zudem hat er während seiner Reisen, besonders in Italien<br />

Handschriften für seinen Bruder Zacharias Conrad<br />

gekauft, die mit dessen Sammlung z.T. nach Hamburg<br />

gelangt sind. Besonders erwähnenswert ist ein wertvoller<br />

illuminierter Codex der Historiae Romanorum. 31 Als<br />

Musikaliensammler war er auch Goethe bekannt, vor<br />

allem jedoch als Förderer <strong>von</strong> Naturwissenschaft <strong>und</strong><br />

Technik hat er sich einen Namen gemacht.<br />

1725 gründete er in Göttingen eine Gesellschaft zur<br />

Untersuchung <strong>von</strong> Natur <strong>und</strong> Kunst. Er führte während<br />

der Zusammenkünfte gewissenhaft Protokoll <strong>und</strong> hielt<br />

mehrere Referate, in denen er die Entwicklung der verschiedenen<br />

Drucktechniken, wie z.B. des Holz- <strong>und</strong><br />

Formschneidens, des Kupferstechens <strong>und</strong> der Ätzkunst,<br />

erörterte. Anschauungsmaterial boten ihm dabei seine<br />

einschlägige Bibliothek <strong>und</strong> seine Grafiksammlung. Das<br />

hier ausgestellte Musterbuch oder Anleitung zum Ornamentmalen<br />

(Kat.-Nr. 18) aus seinem Besitz fügt sich bestens<br />

in diesen Kreis seiner Interessen <strong>und</strong> Überlegungen.<br />

In den Jahren 1740–1744 tat er sich als Architekt <strong>und</strong><br />

Ingenieur beim Umbau der alten Mainbrücke in Frankfurt<br />

hervor.<br />

In einer am 28. Juli 1736 datierten Schenkungsurk<strong>und</strong>e<br />

32 verfügte er die Übereignung seiner Sammlungen an<br />

die gerade gegründete Georgia Augusta in Göttingen mit<br />

dem Vorbehalt lebenslanger eigener Nutzung. Die Universität<br />

kam nach Uffenbachs Tod 1769 in den völligen<br />

Genuß dieses kostbaren Geschenkes. 33<br />

Johann Melchior Goeze (1717–1786), auch als »streitbarer«<br />

Hauptpastor der Hamburger Catharinen-Kirche<br />

34 bekannt, vertritt neben den eingangs genannten<br />

Bibliophilen einen weiteren hervorragenden Typus des<br />

Büchersammlers. Seine Lebens- <strong>und</strong> Wirkungszeit fällt<br />

in eine wichtige Phase der Norddeutschen Aufklärung,<br />

die die Stadt durch Oper, Theater, Lesegesellschaften sowie<br />

durch literarische <strong>und</strong> andere Publikationen belebte<br />

<strong>und</strong> bereicherte. Zu Goezes Zeitgenossen gehörten Hermann<br />

Samuel Reimarus, Johann Albert Fabricius, Gotthold<br />

Ephraim Lessing, Friedrich Gottlieb Klopstock,<br />

Johann Georg Büsch, Johann Heinrich Voß u.a. – führende<br />

Köpfe weit über die Grenzen der Stadt hinaus.<br />

In diesem geistigen Umfeld wird Goezes Gestalt in der<br />

historischen Perspektive als überaus konservativ wahrgenommen.<br />

Nicht allein die zahlreichen Anekdoten über<br />

seine kritische Haltung zum Theater <strong>und</strong> anderen Belu-<br />

stigungen, sondern auch die berühmte literarisch-theologische<br />

Fehde mit Lessing wie auch manche anderen<br />

Berichte über seine Amtsführung bekräftigen diese Einschätzung.<br />

Petersen 35 berichtet <strong>von</strong> einem Fall, der wohl<br />

als besonders streng oder gar als Amtsanmaßung verstanden<br />

werden muß: 1761 stand die Bibliothek <strong>von</strong> Dr. Christian<br />

Joachim Lossau zur Versteigerung an. 36 Zahlreiche<br />

besonders seltene Bücher <strong>und</strong> solche, die ihres Inhaltes<br />

wegen dem Publikum entzogen werden sollten, wurden<br />

vermutlich auf Goezes Anregung vom Senat aufgekauft<br />

<strong>und</strong> später der Stadtbibliothek übergeben.<br />

Die durch sein Amt ihm aufgetragene Verteidigung<br />

der Lutherischen Lehre war sicher das wichtigste Motiv,<br />

sich der Erforschung der Luther-Bibel <strong>und</strong> ihrer Entstehungsgeschichte<br />

zu widmen. Mit dem Erwerb der zweibändigen<br />

Folioausgabe der letzten zu Luthers Lebzeiten<br />

gedruckten Deutschen Bibel aus dem Jahr 1544/45 begründete<br />

er seine Sammlung. Diesem Kauf folgten Erwerbungen<br />

aus der Bibliothek des Berliner Theologen<br />

Sigm<strong>und</strong> Jakob Baumgarten 37 (Kat.-Nr. 19) <strong>und</strong> bei verschiedenen<br />

Auktionen, die Goeze fortan mit größter<br />

Aufmerksamkeit verfolgte. Er wählte für seine Bibelsammlung<br />

möglichst nur Ausgaben, die er tatsächlich<br />

auch lesen <strong>und</strong> verstehen konnte.<br />

In kaum zwölf Jahren trug er eine der bedeutendsten<br />

Bibelsammlungen im Deutschland des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zusammen <strong>und</strong> beschrieb sie in seinem 1777 erschienenen<br />

Verzeichnis 38 aufs beste, in dem er sowohl textgeschichtliche<br />

<strong>und</strong> buchhistorische, als auch theologische Aspekte<br />

der Bibelüberlieferung behandelte. In den erhaltenen<br />

Exemplaren finden sich eingeklebte Zettel mit Entwürfen<br />

der in seinem Verzeichnis erschienenen Beschreibungen.<br />

In Kenntnis der chaotischen Zustände an der Hamburger<br />

Stadtbibliothek verfügte er ausdrücklich, daß seine<br />

Bibelsammlung nach seinem Tode unter keinen Umständen<br />

dorthin gelangen sollte. Sein Sohn, der Theologe<br />

Gottlieb Friedrich (1754–1791), der den Vater nur wenige<br />

Jahre überleben durfte, befolgte den Wunsch seines<br />

Vaters jedoch nicht <strong>und</strong> übergab nach langwierigen Verhandlungen<br />

die Bibelsammlung zusammen mit seiner<br />

eigenen Münzsammlung der vom alten Goeze verschmähten<br />

Hamburger Stadtbibliothek.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die kostbaren<br />

Bibeln bei einem Bombenangriff auf Hamburg<br />

zu einem erheblichen Teil vernichtet. Die Bibelhandschriften<br />

<strong>und</strong> Inkunabeln konnten durch Evakuierung<br />

ins Hamburger Umland immerhin gerettet werden.<br />

Die Sammlungen der Brüder Wolf <strong>und</strong> <strong>von</strong> Goeze<br />

dürften nach unseren Erkenntnissen die letzten größe-

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