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18 Detlev Claussen<br />

den, ohne den direkten Druck von Einschaltquote oder Auflage kulturelle<br />

Tradition neu zu begründen, die das Gebot Rimbauds »Es muß<br />

absolut modern sein« erweitert um das intellektuelle Minimum »Es<br />

darf nie traditionalistisch sein«. Die materielle Realität, das Andere<br />

des Wortes, und die Erfahrung, das Andere der Lehre, machen den<br />

Gebrauchswert des Gedankens aus, ohne den die Alma Mater ihre<br />

nährende Bestimmung verfehlt.<br />

Der theoretische Gedanke beginnt mit dem Protest gegen die als<br />

Fatalität erfahrene Geschichte. Lichtenberg und Büchner können exemplarisch<br />

als Zeugen aus der deutschen Aufklärungstradition genannt<br />

werden, die ihre kritischen Gedanken zu Reflexionsfragmenten<br />

härteten. Büchners Frage von 1833 »Was ist das, was in uns lügt,<br />

mordet, stiehlt?« 6 kommt uns heute von der modernen Soziologie<br />

ebenso unbeantwortet vor wie Lichtenbergs noch ältere Maxime beherzigenswert:<br />

»Man muß zuweilen wieder die Wörter untersuchen,<br />

denn die Welt kann wegrücken und die Wörter bleiben stehen. Also<br />

immer Sachen und keine Wörter! Denn sogar die Wörter unendlich,<br />

ewig, immer haben ja ihre Bedeutung verloren.« 7<br />

Gesellschaftstheorie darf nicht den Druck der Öffentlichkeit scheuen;<br />

ihre Gedanken müssen zur wissenschaftlichen Prosa geformt ein<br />

Publikum auch außerhalb der Universitäten suchen. Kriterien des<br />

Marktes wie die der Klarheit und der Deutlichkeit sind ihr seit dem<br />

Beginn der Aufklärung immanentes Gebot. An den intellektuellen<br />

Produkten kritisiert Gesellschaftstheorie nicht den Warencharakter der<br />

Kultur, sondern den Charakter von Waren, die ihren eigenen Gebrauchswert<br />

vernichten. Der emanzipatorische Charakter von Kritik<br />

geht jedoch verloren, wenn die Lebenden, um ihre eigenen Erkenntnisse<br />

als neueste zu präsentieren, sich selbst, nur weil sie die Jüngeren<br />

sind, auch eine Überlegenheit in der Erkenntnis zubilligen – also im<br />

Alten nur das Alte als ein Überholtes sehen.<br />

Ein unproduktiver Streit scheint der akademische zwischen Adorniten<br />

und Habermasianern zu sein. Weder läßt sich unbeschädigt der<br />

Name gegen eine prinzipiell andere Methode beibehalten noch lassen<br />

sich die Inhalte gegen die gesellschaftsgeschichtlichen Veränderungen<br />

ohne Entstellungen behaupten. Als Artefakt allerdings schlägt einem<br />

inzwischen das massive Vorurteil entgegen, das dem Abwehrbedürfnis<br />

einer strukturell antiintellektuellen Öffentlichkeit entspricht, die<br />

Kritische Theorie sei wegen ihrer »geschichtsphilosophischen Gewiß-

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